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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOL KES
  3. URTEIL
  4. I ZR 74/11
  5. Verkündet am:
  6. 16. Mai 2012
  7. Führinger
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. Zweigstellenbriefbogen
  19. UWG § 5a Abs. 2; BORA § 10 Abs. 1
  20. a) Die Bestimmung des § 5a Abs. 2 UWG begründet keine generelle Informationspflicht, sondern verpflichtet grundsätzlich allein zur Offenlegung solcher Informationen, die für die geschäftliche Entscheidung erhebliches Gewicht haben
  21. und deren Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom
  22. Unternehmer erwartet werden kann.
  23. b) Ein Rechtsanwalt ist weder nach § 10 Abs. 1 BORA noch nach § 5a Abs. 2
  24. UWG verpflichtet, auf den für seine anwaltliche Tätigkeit verwendeten Briefbögen sämtliche Standorte seiner Niederlassungen zu nennen oder durch Verwendung der Begriffe „Kanzlei“ und „Zweigstelle“ kenntlich zu machen, wo er
  25. seine Kanzlei im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO und wo er Zweigstellen unterhält.
  26. c) Ein Rechtsanwalt ist nach § 10 Abs. 1 BORA nicht verpflichtet, auf den für seine
  27. anwaltliche Tätigkeit in einer Zweigstelle verwendeten Briefbögen den Standort
  28. der Kanzlei im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO anzugeben. Er hat nach dieser Bestimmung auf solchen Briefbögen nur die Anschrift der Zweigstelle und nicht
  29. auch die Anschrift der (Haupt-)Kanzlei anzugeben.
  30. BGH, Urteil vom 16. Mai 2012 - I ZR 74/11 - OLG Jena
  31. LG Erfurt
  32. -2-
  33. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Mai 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und
  34. die Richter Prof. Dr. Büscher, Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch
  35. für Recht erkannt:
  36. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats
  37. des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 30. März 2011 unter Zurückweisung der Revision der Klägerin im Kostenpunkt und
  38. insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt
  39. worden ist.
  40. Im Umfang der Aufhebung wird das Urteil der 7. Zivilkammer des
  41. Landgerichts Erfurt vom 23. Juni 2010 auf die Berufung des Beklagten unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Klägerin
  42. abgeändert und die Klage abgewiesen.
  43. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
  44. Von Rechts wegen
  45. Tatbestand:
  46. 1
  47. Die Klägerin ist die Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Koblenz. Der Beklagte ist ein bei der Klägerin zugelassener Rechtsanwalt mit einer Kanzlei in Mainz, der Zweigstellen in Erfurt und Karlsruhe unterhält. Für die Zweigstelle in Erfurt verwendet er Briefbögen, auf deren Vorderseite allein die Anschrift der Kanzlei in Erfurt angegeben und der Beklagte an zweiter Stelle von drei in dieser Kanzlei tätigen Rechtsanwälten genannt ist. Die
  48. konkrete Gestaltung der Vorderseite der Briefbögen geht aus einem Schreiben
  49. des Beklagten vom 21. Oktober 2008 an die Rechtsanwaltskammer Thüringen
  50. -3-
  51. hervor (im Antrag als Anlage 1 bezeichnet). Auf der Rückseite der Briefbögen
  52. sind sowohl die Anschrift der Kanzlei in Erfurt als auch die Anschriften der
  53. Kanzleien in Mainz und Karlsruhe angegeben. Der Beklagte ist für die Kanzlei
  54. in Mainz an erster Stelle von drei Rechtsanwälten und für die Kanzlei in Karlsruhe an zweiter Stelle von zwei Rechtsanwälten genannt. Die Angaben zur
  55. Kanzlei in Erfurt sind gegenüber den Angaben zu den Kanzleien in Mainz und
  56. Karlsruhe farblich hervorgehoben. Für seine Kanzleien in Mainz und Karlsruhe
  57. verwendet der Beklagte in gleicher Weise gestaltete Briefbögen.
  58. 2
  59. Die Klägerin ist der Ansicht, die Gestaltung der Briefbögen verstoße gegen § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 BORA sowie gegen § 5a
  60. Abs. 2 UWG und sei damit wettbewerbswidrig. Auf der Vorderseite der Briefbögen fehle jeglicher Hinweis, dass der Beklagte seiner anwaltlichen Tätigkeit
  61. auch an anderen Standorten nachgehe, wo er seine Hauptkanzlei und wo er
  62. Zweigstellen unterhalte. Es genüge nicht, dass die übrigen Standorte auf der
  63. Rückseite der Briefbögen angegeben seien; der Verbraucher nehme die Rückseite solcher Briefbögen nicht unbedingt zur Kenntnis.
  64. 3
  65. Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,
  66. den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, Briefbögen für seine anwaltliche Tätigkeit zu verwenden, wenn auf
  67. diesen kein Hinweis enthalten ist, an welchen von mehreren Standorten er seine „Kanzlei“ im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO unterhält und an welchen Standorten eine „Zweigstelle“, dies insbesondere indem der Briefbogen so gestaltet
  68. wird, wie dies dem als Anlage 1 beigefügten Schreiben des Beklagten vom
  69. 21. Oktober 2008 an die Rechtsanwaltskammer Thüringen entspricht.
  70. 4
  71. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben (LG Erfurt, BRAK-Mitt 2010,
  72. 226). Dagegen hat der Beklagte Berufung eingelegt und beantragt, das landgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin hat beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hat im Wege der Anschlussberufung
  73. hilfsweise beantragt,
  74. -4-
  75. den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, Briefbögen für seine anwaltliche Tätigkeit in seiner Erfurter Niederlassung entsprechend dem als Anlage 1 beigefügten Schreiben des Beklagten
  76. vom 21. Oktober 2008 an die Rechtsanwaltskammer Thüringen zu verwenden,
  77. ohne auf der Vorderseite deutlich und unübersehbar offenzulegen, dass er an
  78. bestimmten zusätzlichen Standorten - derzeit Mainz und Karlsruhe - weitere
  79. Niederlassungen unterhält, und anzugeben, an welchem Standort er seine
  80. (Haupt-)Kanzlei im Sinne der § 27 Abs. 1, § 31 Abs. 3 BRAO unterhält.
  81. 5
  82. Weiter hilfsweise hat sie beantragt,
  83. den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, Briefbögen für seine anwaltliche Tätigkeit unter seiner Erfurter Kanzleiadresse entsprechend dem als Anlage 1 beigefügten Schreiben des Beklagten vom 21. Oktober 2008 an die Rechtsanwaltskammer Thüringen zu verwenden, ohne auf der Vorderseite deutlich und unübersehbar offenzulegen, dass er
  84. an bestimmten zusätzlichen Standorten - derzeit Mainz und Karlsruhe - weitere
  85. Kanzleiadressen unterhält.
  86. 6
  87. Der Beklagte hat beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen.
  88. 7
  89. Das Berufungsgericht (OLG Jena, GRUR-RR 2012, 21 = WRP 2011,
  90. 784) hat das Urteil des Landgerichts auf die Berufung des Beklagten abgeändert und auf den von der Klägerin gestellten ersten Hilfsantrag dahin neu gefasst, dass es den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt
  91. hat,
  92. es zu unterlassen, Briefbögen für seine anwaltliche Tätigkeit in seiner Erfurter
  93. Niederlassung entsprechend dem als Anlage 1 beigefügten Schreiben des Beklagten vom 21. Oktober 2008 an die Rechtsanwaltskammer Thüringen zu verwenden, ohne anzugeben, an welchem Standort er seine Kanzlei im Sinne der
  94. § 27 Abs. 1, § 31 Abs. 3 BRAO unterhält.
  95. 8
  96. Im Übrigen hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen und die Berufung sowie die Anschlussberufung zurückgewiesen.
  97. -5-
  98. 9
  99. Gegen diese Entscheidung haben beide Parteien die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt, mit der sie ihre Schlussanträge in der Berufungsinstanz weiterverfolgen. Die Parteien beantragen jeweils, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen.
  100. Entscheidungsgründe:
  101. 10
  102. A. Das Berufungsgericht hat angenommen, der im Wege der Anschlussberufung verfolgte erste Hilfsantrag sei in seiner zweiten Alternative gemäß § 8
  103. Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 BORA begründet, soweit der Beklagte nicht zusätzlich angegeben habe, an welchem Ort
  104. er seine (Haupt-)Kanzlei im Sinne von § 27 Abs. 1, § 31 Abs. 3 BRAO unterhalte. Der Hauptantrag, der Hilfsantrag in seiner ersten Alternative und der zweite
  105. Hilfsantrag seien dagegen unbegründet. Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt:
  106. 11
  107. Der Rechtsanwalt habe gemäß § 10 Abs. 1 BORA auch auf den Briefbögen einer Zweigstelle den Kanzleisitz anzugeben. Dagegen sei er nach dieser
  108. Bestimmung nicht verpflichtet, die Zweigstelle als solche zu kennzeichnen.
  109. 12
  110. Aus der Verpflichtung, die Anschrift der Niederlassung des Dienstleistungserbringers (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 DL-InfoV) und den Ort der Handelsniederlassung des Kaufmanns (§ 37a Abs. 1 HGB) anzugeben, folge keine Verpflichtung,
  111. auf das Bestehen eines Kanzleisitzes oder einer Zweigstelle hinzuweisen. Da
  112. die Adresse der Zweigstelle eine vollwertige Zustellanschrift sei, bestehe auch
  113. kein Grund, zusätzlich die Anschrift der Hauptkanzlei anzugeben.
  114. 13
  115. Die Gestaltung der in Rede stehenden Briefbögen verstoße nicht gegen
  116. § 5a Abs. 2 UWG, weil sie keine wesentlichen Informationen vorenthalte. Zwar
  117. gelte die Anschrift der Niederlassung eines Rechtsanwalts nach § 5a Abs. 3
  118. -6-
  119. Nr. 2 UWG und nach § 5a Abs. 4 UWG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 2 DLInfoV als wesentliche Information. Im Streitfall gehe es aber nicht um die Angabe der Kanzleianschrift, sondern um die Kennzeichnung von Zweigstellen. Die
  120. Präsenz eines Rechtsanwalts in seinem Büro sei zwar für die Entscheidung eines Durchschnittsverbrauchers bei der Auswahl eines Rechtsanwalts von Bedeutung. Der Beklagte verschweige jedoch nicht, dass er an drei Standorten tätig und seine Präsenz an den einzelnen Standorten daher eingeschränkt sei.
  121. Dies ergebe sich aus der Rückseite der Briefbögen, die in die Betrachtung einzubeziehen sei.
  122. 14
  123. B. Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg (dazu I, II 3, III). Die Revision des Beklagten ist dagegen erfolgreich (dazu II 4). Die von der Klägerin mit
  124. der Klage und der Anschlussberufung geltend gemachten Unterlassungsansprüche sind nicht begründet.
  125. 15
  126. I. Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg, soweit sie sich dagegen
  127. wendet, dass das Berufungsgericht den Hauptantrag abgewiesen hat.
  128. 16
  129. 1. Mit dem Hauptantrag verlangt die Klägerin von dem Beklagten, es zu
  130. unterlassen, Briefbögen für seine anwaltliche Tätigkeit zu verwenden, wenn sie
  131. keinen Hinweis enthalten, an welchen von mehreren Standorten er seine „Kanzlei“ im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO unterhält und an welchen Standorten eine
  132. „Zweigstelle“, und zwar insbesondere, wenn der Briefbogen so gestaltet ist, wie
  133. dies dem Schreiben des Beklagten vom 21. Oktober 2008 an die Rechtsanwaltskammer Thüringen entspricht.
  134. 17
  135. 2. Der in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch setzt voraus,
  136. dass der Beklagte mit der Verwendung von Briefbögen, deren Gestaltung dem
  137. für das Schreiben an die Rechtsanwaltskammer Thüringen benutzten Briefbogen entspricht, gegen eine nach der derzeit geltenden Rechtslage bestehende
  138. Verpflichtung verstößt, auf den für seine anwaltliche Tätigkeit verwendeten
  139. -7-
  140. Briefbögen sämtliche Standorte seiner Niederlassungen zu nennen und durch
  141. Verwendung der Begriffe „Kanzlei“ und „Zweigstelle“ kenntlich zu machen, wo
  142. er seine Kanzlei im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO und wo er Zweigstellen unterhält.
  143. 18
  144. 3. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Der Beklagte ist weder nach § 10
  145. Abs. 1 BORA (dazu a) noch nach § 37a Abs. 1 HGB (dazu b) oder § 5a Abs. 2
  146. UWG (dazu c) verpflichtet, auf den für seine anwaltliche Tätigkeit verwendeten
  147. Briefbögen sämtliche Standorte seiner Niederlassungen zu nennen; selbst
  148. wenn eine solche Verpflichtung bestünde, hätte der Beklagte ihr dadurch entsprochen, dass er auf der Rückseite dieser Briefbögen sämtliche Standorte seiner Niederlassungen angegeben hat (dazu d). Der Beklagte ist auch weder
  149. nach § 10 Abs. 1 BORA (dazu e) noch nach § 5a Abs. 2 UWG (dazu f) verpflichtet, durch Verwendung der Begriffe „Kanzlei“ und „Zweigstelle“ kenntlich
  150. zu machen, wo er seine Kanzlei im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO und wo er
  151. Zweigstellen unterhält.
  152. 19
  153. a) Der Beklagte ist nicht nach § 10 Abs. 1 BORA verpflichtet, auf den für
  154. seine anwaltliche Tätigkeit verwendeten Briefbögen sämtliche Standorte seiner
  155. Niederlassungen zu nennen.
  156. 20
  157. aa) Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 BORA in der seit dem 1. März 2011 geltenden Fassung hat der Rechtsanwalt auf Briefbögen seine Kanzleianschrift
  158. anzugeben. Werden mehrere Kanzleien, eine oder mehrere Zweigstellen unterhalten, so ist gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 BORA für jeden auf den Briefbögen
  159. Genannten seine Kanzleianschrift (§ 31 BRAO) anzugeben.
  160. 21
  161. bb) Aus § 10 Abs. 1 BORA ergibt sich keine Verpflichtung zur Angabe
  162. des Kanzleistandorts, sondern eine Verpflichtung zur Angabe der Kanzleianschrift. Die Klägerin nimmt den Beklagten jedoch nicht wegen Vorenthaltens der
  163. Kanzleianschrift, sondern wegen Fehlens eines Hinweises auf andere Stand-
  164. -8-
  165. orte seiner Kanzlei auf Unterlassung in Anspruch. Ein solcher Anspruch kann
  166. nicht auf einen Verstoß gegen § 10 Abs. 1 BORA gestützt werden. Daran ändert der Umstand nichts, dass die Kanzleianschrift den Kanzleiort enthält.
  167. 22
  168. cc) Aus § 10 Abs. 1 BORA ergibt sich zudem keine Verpflichtung des
  169. Rechtsanwalts, der eine Kanzlei und eine oder mehrere Zweigstellen unterhält,
  170. auf den für seine anwaltliche Tätigkeit in den verschiedenen Niederlassungen
  171. verwendeten Briefbögen mehr als eine Anschrift zu nennen. Ein Rechtsanwalt
  172. muss auf den Briefbögen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BORA „seine Kanzleianschrift“ und damit nur eine Anschrift angeben. Entsprechendes gilt für eine Sozietät von Rechtsanwälten, die mehrere Kanzleien oder eine oder mehrere
  173. Zweigstellen unterhalten. Für jeden Rechtsanwalt einer solchen Sozietät, der
  174. auf den Briefbögen genannt wird, muss auf den Briefbögen nach § 10 Abs. 1
  175. Satz 2 BORA „seine Kanzleianschrift“ und damit nur eine Anschrift angegeben
  176. werden.
  177. 23
  178. b) Der Beklagte ist auch nach § 37a Abs. 1 HGB nicht verpflichtet, auf
  179. den für seine anwaltliche Tätigkeit verwendeten Briefbögen sämtliche Standorte
  180. seiner Niederlassungen zu nennen.
  181. 24
  182. aa) Gemäß § 37a Abs. 1 HGB muss der Kaufmann auf allen Geschäftsbriefen, die er an einen bestimmten Empfänger richtet, unter anderem den Ort
  183. seiner Handelsniederlassung angeben.
  184. -9-
  185. 25
  186. bb) Die Vorschrift ist nicht unmittelbar anwendbar. Sie gilt nur für Kaufleute und damit nicht für Angehörige eines freien Berufs wie den Beklagten. Eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmung kommt nicht in Betracht, da
  187. im Blick auf § 10 Abs. 1 BORA keine planwidrige Regelungslücke besteht. Es
  188. kann daher offenbleiben, ob ein deutscher Einzelkaufmann auf Geschäftsbriefen einer Zweigniederlassung auch den Ort der Hauptniederlassung oder nur
  189. den Ort der Zweigniederlassung anzugeben hat (vgl. MünchKomm.HGB/Krebs,
  190. 3. Aufl., § 37a Rn. 7).
  191. 26
  192. c) Der Beklagte ist auch nach § 5a Abs. 2 UWG nicht verpflichtet, auf
  193. den für seine anwaltliche Tätigkeit verwendeten Briefbögen sämtliche Standorte
  194. seiner Niederlassungen zu nennen.
  195. 27
  196. aa) Gemäß § 5a Abs. 2 UWG handelt unlauter, wer die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG dadurch beeinflusst,
  197. dass er eine Information vorenthält, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich ist.
  198. 28
  199. bb) Das Bestehen weiterer Niederlassungen eines Rechtsanwalts an anderen Standorten ist keine wesentliche Information im Sinne dieser Bestimmung. Eine solche Information gilt weder nach § 5a Abs. 3 UWG (dazu 1) oder
  200. § 5a Abs. 4 UWG (dazu 2) als wesentlich im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG, noch
  201. ist sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich
  202. der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich (dazu 3).
  203. 29
  204. (1) Werden Waren und Dienstleistungen unter Hinweis auf deren Merkmale und Preis in einer dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Weise so angeboten, dass ein durchschnittlicher Verbraucher das Geschäft
  205. abschließen kann, gelten nach § 5a Abs. 3 Nr. 3 Fall 1 UWG die Identität und
  206. - 10 -
  207. Anschrift des Unternehmers als wesentliche Informationen im Sinne des § 5a
  208. Abs. 2 UWG, sofern sie sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben.
  209. 30
  210. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist nicht auf ein Vorenthalten der Kanzleianschrift, sondern auf das Fehlen eines Hinweises auf andere
  211. Kanzleistandorte gestützt und kann schon deshalb nicht aus dieser Bestimmung hergeleitet werden (vgl. Rn. 21).
  212. 31
  213. (2) Als wesentlich im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG gelten nach § 5a
  214. Abs. 4 UWG auch Informationen, die dem Verbraucher aufgrund unionsrechtlicher Verordnungen oder nach Rechtsvorschriften zur Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinien für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und
  215. Marketing nicht vorenthalten werden dürfen.
  216. 32
  217. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass das Fehlen von
  218. Angaben zu anderen Niederlassungen des Rechtsanwalts nicht - was hier insoweit allein in Betracht kommt - gegen die Verordnung über Informationspflichten für Dienstleistungserbringer (DL-InfoV) verstößt, die der Umsetzung der
  219. Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt dient.
  220. 33
  221. Gemäß § 2 Abs. 1 DL-InfoV muss ein Dienstleistungserbringer einem
  222. Dienstleistungsempfänger vor Abschluss eines schriftlichen Vertrages oder, sofern kein schriftlicher Vertrag geschlossen wird, vor Erbringung der Dienstleistung in klarer und verständlicher Form unter anderem die Anschrift seiner Niederlassung (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 DL-InfoV) und, falls - wie hier - die Dienstleistung
  223. in Ausübung eines reglementierten Berufs im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a
  224. der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen erbracht wird und der Erbringer der Dienstleistung einer Kammer angehört, den
  225. Namen der Kammer (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 DL-InfoV) zur Verfügung stellen. Eine
  226. Verpflichtung des Rechtsanwalts zur Angabe weiterer Niederlassungen ergibt
  227. sich aus diesen Regelungen nicht.
  228. - 11 -
  229. 34
  230. (3) Die Information über das Bestehen weiterer Niederlassungen des
  231. Rechtsanwalts ist auch nicht im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller
  232. Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich (§ 5a Abs. 2 UWG). Ein Rechtsanwalt ist nicht verpflichtet, auf den für
  233. seine anwaltliche Tätigkeit verwendeten Briefbögen auf sämtliche Niederlassungen hinzuweisen (aA Prütting in Henssler/Prütting, BRAO, 3. Aufl., § 27
  234. Rn. 24; vgl. auch - eine Verpflichtung zur Angabe der Hauptstelle auf Briefbögen von Zweigstellen bejahend, eine Verpflichtung zur Angabe von Zweigstellen auf Briefbögen der Hauptstelle dagegen verneinend - Siegmund in Gaier/
  235. Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, § 27 BRAO/§ 5 BORA Rn. 88, 93, 100;
  236. Weyland in Feuerich/Weyland/Vossebürger, BRAO, 8. Aufl., § 27 Rn. 28a und
  237. 29a; Deckenbrock, NJW 2010, 3750, 3754; vgl. weiter Kopp, BRAK-Mitt 2007,
  238. 256).
  239. 35
  240. Die Präsenz eines Rechtsanwalts in seinem Büro mag - wie das Berufungsgericht angenommen hat - ein Umstand sein, der für die Entscheidung eines Durchschnittsverbrauchers bei der Auswahl eines Rechtsanwalts von Bedeutung ist (vgl. Lemke, BRAK-Mitt 2008, 146, 148 f.). Ein Durchschnittsverbraucher wählt einen Rechtsanwalt möglicherweise nicht nur nach seiner Qualifikation und Spezialisierung aus, sondern auch danach, inwieweit er für Gespräche in seinem Büro zur Verfügung steht. Für einen solchen Verbraucher
  241. kann die Information, dass ein Rechtsanwalt weitere Niederlassungen an anderen Standorten unterhält, von Interesse sein, weil sich daraus ergibt, dass die
  242. Präsenz des Rechtsanwalts an den einzelnen Standorten eingeschränkt ist.
  243. 36
  244. Das bedeutet allerdings nicht, dass es sich dabei um eine wesentliche Information im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG handelt, die dem Verbraucher nicht
  245. vorenthalten werden darf. Eine Information ist nicht allein deshalb wesentlich im
  246. Sinne dieser Bestimmung, weil sie für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von Bedeutung sein kann. Für einen Durchschnittsverbraucher mö-
  247. - 12 -
  248. gen bei der Auswahl eines Rechtsanwalts beispielsweise auch dessen Examensnoten von Interesse sein. Dennoch besteht sicherlich keine Verpflichtung
  249. des Rechtsanwalts, seine Examensnoten anzugeben. Desgleichen gibt es zahlreiche Gründe für eine eingeschränkte Präsenz des Rechtsanwalts in seiner
  250. Kanzlei, die dem Verbraucher gleichfalls nicht mitgeteilt werden müssen, wie
  251. etwa den Umstand, dass der Rechtsanwalt nur halbtags als Rechtsanwalt tätig
  252. ist und sich im Übrigen anderen Beschäftigungen widmet. Die Bestimmung des
  253. § 5a Abs. 2 UWG begründet zwar Informationspflichten, die über das hinausreichen, was notwendig ist, um Fehlvorstellungen zu vermeiden, die sich andernfalls einstellen würden; dass derartige unerlässliche Informationen nicht verschwiegen werden dürfen, ergibt sich bereits aus § 5a Abs. 1 UWG und damit
  254. aus dem allgemeinen Irreführungsverbot (vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm,
  255. UWG, 30. Aufl., § 5a Rn. 10; ferner zu § 3 UWG 1909 BGH, Urteil vom 15. Juli
  256. 1999 - I ZR 44/97, GRUR 1999, 1122, 1123 = WRP 1999, 1151 - EG-Neuwagen, mwN). Doch auch die weiterreichenden Pflichten, die nach § 5a Abs. 2
  257. UWG im Interesse des Verbraucherschutzes zu erfüllen sind, zwingen nur zur
  258. Offenlegung von Informationen, die für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers erhebliches Gewicht haben und deren Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann
  259. (vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5a Rn. 29b ff.). Der Umstand, dass
  260. ein Rechtsanwalt mehrere Niederlassungen unterhält, zählt nicht dazu.
  261. 37
  262. d) Selbst wenn der Beklagte verpflichtet wäre, auf den für seine anwaltliche Tätigkeit verwendeten Briefbögen sämtliche Standorte seiner Niederlassungen zu nennen, hätte er dieser Verpflichtung dadurch entsprochen, dass er
  263. auf der Rückseite der Briefbögen diese Angaben gemacht hat.
  264. 38
  265. aa) Auf der Rückseite der Briefbögen für die Kanzlei in Erfurt sind sowohl
  266. die (farblich hervorgehobene) Anschrift dieser Kanzlei als auch die Anschriften
  267. der Kanzleien in Mainz und Karlsruhe angegeben. Der Beklagte ist für die
  268. - 13 -
  269. Kanzlei in Erfurt an zweiter Stelle von drei Rechtsanwälten, für die Kanzlei in
  270. Mainz an erster Stelle von drei Rechtsanwälten und für die Kanzlei in Karlsruhe
  271. an zweiter Stelle von zwei Rechtsanwälten genannt. Die Rückseite der Briefbögen für die Kanzleien in Mainz und Karlsruhe ist entsprechend gestaltet. Dem
  272. ist eindeutig zu entnehmen, dass der Beklagte an allen drei Standorten seiner
  273. Kanzlei tätig ist, während die anderen Rechtsanwälte jeweils in nur einer dieser
  274. Niederlassungen tätig sind. Der Durchschnittsverbraucher kann daraus schließen, dass die Präsenz des Beklagten an den einzelnen Standorten eingeschränkt ist.
  275. 39
  276. bb) Die Rückseite der Briefbögen ist - wie das Berufungsgericht mit
  277. Recht angenommen hat - bei der Beurteilung der Frage, ob der Beklagte die Information über das Bestehen weiterer Standorte seiner Kanzlei vorenthalten
  278. hat, in die Betrachtung einzubeziehen. Im Blick auf die Beschränkungen des
  279. Kommunikationsmittels müssen Angaben zu weiteren Niederlassungen der
  280. Kanzlei und den dort tätigen Rechtsanwälten nicht bereits auf der Vorderseite
  281. des ersten Briefbogens gemacht werden (vgl. zur Benennung von Sozien auf
  282. der Rückseite von Briefbögen BGH, Beschluss vom 19. November 2001
  283. - AnwZ (B) 75/100, NJW 2002, 1419, 1421). Der durchschnittlich informierte
  284. und situationsadäquat aufmerksame Verbraucher nimmt bei Anwaltsschriftsätzen auch die Rückseite des ersten Briefbogens zur Kenntnis. Er rechnet damit,
  285. dass sich hier - insbesondere bei größeren Rechtsanwaltskanzleien - Informationen zu anderen Kanzleiorten und den dort tätigen Rechtsanwälten befinden.
  286. 40
  287. Die Revision der Klägerin macht ohne Erfolg geltend, bei einer Übermittlung des anwaltlichen Schriftverkehrs per Telefax oder E-Mail werde die Rückseite des Briefkopfes häufig nicht mitübersandt. Die Klägerin hat ihren Unterlassungsanspruch nicht darauf gestützt, dass der Beklagte es unterlässt, die
  288. Rückseite des Briefkopfes bei einer Übermittlung von Schriftsätzen auf elektronischem Wege mitzuübersenden.
  289. - 14 -
  290. 41
  291. e) Der Beklagte ist nach § 10 Abs. 1 BORA nicht verpflichtet, durch Verwendung der Begriffe „Kanzlei“ und „Zweigstelle“ kenntlich zu machen, wo er
  292. seine Kanzlei im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO und wo er Zweigstellen unterhält.
  293. Aus der Verpflichtung zur Angabe der Kanzleianschrift (§ 10 Abs. 1 BORA) folgt
  294. keine Verpflichtung des Rechtsanwalts, kenntlich zu machen, ob er unter dieser
  295. Anschrift seine Kanzlei im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO oder eine Zweigstelle
  296. betreibt.
  297. 42
  298. f) Ein Rechtsanwalt, der - wie der Beklagte - eine Kanzlei und eine oder
  299. mehrere Zweigstellen unterhält, ist auch nach § 5a Abs. 2 UWG nicht verpflichtet, durch Verwendung der Begriffe „Kanzlei“ und „Zweigstelle“ kenntlich zu machen, an welchem von mehreren Standorten er seine Kanzlei im Sinne von § 27
  300. Abs. 1 BRAO oder eine Zweigstelle unterhält (Prütting in Henssler/Prütting aaO
  301. § 27 Rn. 24; ders., Anwaltsblatt 2011, 46, 47; aA Siegmund in Gaier/Wolf/Göcken aaO § 27 BRAO/§ 5 BORA Rn. 88; Huff, BRAK-Mag. 06/2007, S. 5; Deckenbrock, NJW 2010, 3750, 3754; vgl. auch Weyland in Feuerich/Weyland/
  302. Vossebürger aaO § 27 Rn. 28 ff., wonach der Hinweis auf den Charakter als
  303. Zweigstelle, nicht aber die Bezeichnung als „Zweigstelle“ erforderlich ist).
  304. 43
  305. Bei der Bezeichnung der in den Briefbögen eines Rechtsanwalts genannten Niederlassungen als „Kanzlei“ im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO oder als
  306. „Zweigstelle“ handelt es sich, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen
  307. hat, nicht um eine wesentliche Information im Sinne von § 5a Abs. 2 UWG. Eine
  308. solche Angabe ist weder eine Information, die nach § 5a Abs. 3 UWG oder § 5a
  309. Abs. 4 UWG als wesentlich im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG gilt (vgl. oben
  310. Rn. 29 bis 33), noch eine Information, die nach § 5a Abs. 2 UWG im konkreten
  311. Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen
  312. des Kommunikationsmittels wesentlich ist.
  313. 44
  314. Gemäß § 27 Abs. 1 BRAO muss der Rechtsanwalt im Bezirk der Rechtsanwaltskammer, deren Mitglied er ist, eine Kanzlei einrichten und unterhalten.
  315. - 15 -
  316. „Kanzlei“ im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO ist demnach die Niederlassung, mit
  317. der der Rechtsanwalt seiner Kanzleipflicht genügt. Alle weiteren Niederlassungen, die der Rechtsanwalt im Bezirk dieser Rechtsanwaltskammer oder anderer
  318. Rechtsanwaltskammern errichtet, sind dagegen „Zweigstellen“ (vgl. § 27 Abs. 2
  319. BRAO).
  320. 45
  321. Für die Einstufung der Niederlassung eines Rechtsanwalts als „Kanzlei“
  322. im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO kommt es danach nicht darauf an, ob der
  323. Rechtsanwalt in dieser Niederlassung den Schwerpunkt seiner beruflichen Tätigkeit hat, auch wenn dies tatsächlich meist der Fall sein wird. Die Bezeichnung
  324. der Niederlassung eines Rechtsanwalts als „Kanzlei“ im Sinne von § 27 Abs. 1
  325. BRAO oder als „Zweigstelle“ lässt daher nicht darauf schließen, in welchem
  326. Umfang der Rechtsanwalt in der jeweiligen Niederlassung präsent ist. Durch
  327. das Fehlen dieser Angaben werden insoweit daher schon keine Informationen
  328. vorenthalten. Darüber hinaus handelt es sich bei Angaben zur Präsenz des
  329. Rechtsanwalts in seiner Kanzlei auch nicht um wesentliche Informationen im
  330. Sinne des § 5a Abs. 2 UWG (vgl. oben Rn. 34 bis 36).
  331. 46
  332. Der Bezeichnung einer Niederlassung als „Kanzlei“ im Sinne von § 27
  333. Abs. 1 BRAO kann der Durchschnittsverbraucher auch nicht unmittelbar entnehmen, welcher Rechtsanwaltskammer der Rechtsanwalt angehört. Er weiß in
  334. der Regel nicht, im Bezirk welcher Rechtsanwaltskammer sich die Kanzlei eines
  335. Rechtsanwalts befindet. Er kann der Bezeichnung einer Niederlassung als
  336. „Kanzlei“ im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO daher im Allgemeinen auch nicht
  337. entnehmen, welche Rechtsanwaltskammer über den Rechtsanwalt die Aufsicht
  338. führt. Auch insoweit werden ihm durch das Fehlen dieser Angabe daher keine
  339. wesentlichen Informationen vorenthalten (aA Siegmund in Gaier/Wolf/Göcken
  340. aaO § 27 BRAO/§ 5 BORA Rn. 93). Im Übrigen ist ein Rechtsanwalt nach § 2
  341. Abs. 1 Nr. 6 DL-InfoV verpflichtet, den Namen der Kammer anzugeben (vgl.
  342. oben unter Rn. 33).
  343. - 16 -
  344. 47
  345. II. Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg, soweit sie sich dagegen
  346. richtet, dass das Berufungsgericht den ersten Hilfsantrag teilweise abgewiesen
  347. hat (dazu 3). Die Revision der Beklagten, die sich dagegen wendet, dass das
  348. Berufungsgericht dem ersten Hilfsantrag teilweise stattgegeben hat, ist dagegen begründet (dazu 4).
  349. 48
  350. 1. Mit dem ersten Hilfsantrag beantragt die Klägerin, den Beklagten zu
  351. verurteilen, es zu unterlassen, Briefbögen für seine anwaltliche Tätigkeit in seiner Erfurter Niederlassung entsprechend dem Schreiben des Beklagten vom
  352. 21. Oktober 2008 an die Rechtsanwaltskammer Thüringen zu verwenden, ohne
  353. auf der Vorderseite deutlich und unübersehbar offenzulegen, dass er an bestimmten zusätzlichen Standorten - derzeit Mainz und Karlsruhe - weitere Niederlassungen unterhält, und ohne anzugeben, an welchem Standort er seine
  354. (Haupt-)Kanzlei im Sinne der § 27 Abs. 1, § 31 Abs. 3 BRAO unterhält.
  355. 49
  356. 2. Dieser Unterlassungsanspruch setzt voraus, dass der Beklagte mit der
  357. Verwendung der für seine anwaltliche Tätigkeit in seiner Erfurter Niederlassung
  358. benutzten Briefbögen, deren Gestaltung dem für das Schreiben an die Rechtsanwaltskammer Thüringen benutzten Briefbogen entspricht, gegen eine Verpflichtung verstößt, auf der Vorderseite der Briefbögen sämtliche Standorte seiner Niederlassungen offenzulegen und kenntlich zu machen, an welchem dieser Standorte er seine (Haupt-)Kanzlei im Sinne der § 27 Abs. 1, § 31 Abs. 3
  359. BRAO unterhält.
  360. 50
  361. Der erste Hilfsantrag unterscheidet sich vom Hauptantrag demnach - abgesehen davon, dass er ausdrücklich auf die Gestaltung der Vorderseite der
  362. Briefbögen abstellt - darin, dass er allein für die Erfurter Niederlassung (also eine Zweigstelle des Beklagten) verwendete Briefbögen betrifft und der Beklagte
  363. allein das Kenntlichmachen der (Haupt-)Kanzlei im Sinne der § 27 Abs. 1, § 31
  364. Abs. 3 BRAO (und nicht auch das Kenntlichmachen von Zweigstellen) aufgegeben werden soll. Der erste Hilfsantrag stimmt dagegen mit dem Hauptantrag in-
  365. - 17 -
  366. soweit überein, als er eine Verpflichtung des Beklagten voraussetzt, auf der
  367. Vorderseite der Briefbögen sämtliche Standorte seiner Niederlassungen anzugeben.
  368. 51
  369. 3. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, auf der Vorderseite seiner Briefbögen offenzulegen, dass er an anderen Standorten weitere Niederlassungen unterhält (vgl. oben Rn. 19 bis 40). Die dagegen gerichtete Revision der Klägerin
  370. hat keinen Erfolg.
  371. 52
  372. 4. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagte sei nach § 10
  373. Abs. 1 BORA verpflichtet, auf den Briefbögen einer Zweigstelle den Standort
  374. der Kanzlei im Sinne der § 27 Abs. 1, § 31 Abs. 3 BRAO anzugeben. Die hiergegen gerichtete Revision des Beklagten ist begründet.
  375. 53
  376. a) Aus § 10 Abs. 1 BORA ergibt sich bereits keine Verpflichtung zur Angabe des Kanzleistandorts, sondern eine Verpflichtung zur Angabe der Kanzleianschrift (vgl. Rn. 21). Zudem hat der Rechtsanwalt auf den Briefbögen, die
  377. er für seine anwaltliche Tätigkeit in einer Zweigstelle verwendet, nach § 10
  378. Abs. 1 Satz 1 BORA nur die Anschrift der Zweigstelle und nicht auch die Anschrift der (Haupt-)Kanzlei anzugeben.
  379. 54
  380. aa) Der Begriff „Kanzleianschrift“ im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 BORA
  381. umfasst nicht nur die Anschrift der Kanzlei im Sinne des § 27 Abs. 1 BRAO,
  382. sondern auch die Anschrift von Zweigstellen.
  383. 55
  384. (1) Der Begriff „Kanzleianschrift“ wird sowohl in § 10 Abs. 1 Satz 1 BORA als auch in § 10 Abs. 1 Satz 2 BORA verwendet. Die Vorschrift des § 10
  385. Abs. 1 Satz 2 BORA verweist zur Bestimmung dieses Begriffs auf § 31 BRAO.
  386. Die Regelung des § 31 Abs. 3 BRAO unterscheidet zwischen der Kanzleianschrift und der Anschrift von Zweigstellen. Damit korrespondiert § 27 BRAO, der
  387. zwischen der Kanzlei, die der Rechtsanwalt im Bezirk der Rechtsanwaltskam-
  388. - 18 -
  389. mer, deren Mitglied er ist, einrichten und unterhalten muss (§ 27 Abs. 1 BRAO),
  390. und Zweigstellen, die der Rechtsanwalt im Bezirk derselben oder einer anderen
  391. Rechtsanwaltskammer errichtet (vgl. § 27 Abs. 2 BRAO), unterscheidet. Das
  392. könnte dafür sprechen, dass der Begriff „Kanzleianschrift“ im Sinne von § 10
  393. Abs. 1 BORA nur die Anschrift der Kanzlei im Sinne des § 27 Abs. 1 BRAO bezeichnet. Danach hätte der Rechtsanwalt gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 BORA auf
  394. den Briefbögen die Anschrift der Kanzlei anzugeben, mit der er seiner Kanzleipflicht genügt. Entsprechendes gälte gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 BORA für jeden
  395. auf den Briefbögen genannten Rechtsanwalt, wenn mehrere Kanzleien oder eine oder mehrere Zweigstellen unterhalten werden.
  396. 56
  397. (2) Die Begriffe „Zweigstelle“ und „Kanzlei“ sind allerdings vom Wortsinn
  398. her keine Gegensätze. Mit dem Begriff der „Zweigstelle“ korrespondiert nach
  399. allgemeinem Sprachgebrauch der - im Gesetz freilich nicht verwandte - Begriff
  400. der „Hauptstelle“. Bei der Zweigstelle und der Hauptstelle handelt es sich jeweils um Niederlassungen der „Kanzlei“, die sich danach unterscheiden, in welcher der Rechtsanwalt seine berufliche Tätigkeit ihrem Schwerpunkt nach entfaltet (BGH, Urteil vom 13. September 2010 - AnwZ (P) 1/09, BGHZ 187, 31
  401. Rn. 28). Die Zweigstelle ist damit der Sache nach ebenso die Kanzlei des
  402. Rechtsanwalts wie seine (Haupt-)Kanzlei (BGHZ aaO Rn. 33). Die Anschrift der
  403. Zweigstelle ist dementsprechend ebenso eine Kanzleianschrift wie die Anschrift
  404. der (Haupt-)Kanzlei.
  405. 57
  406. bb) Der Rechtsanwalt hat nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BORA auf Briefbögen
  407. nur eine Kanzleianschrift anzugeben (vgl. oben Rn. 21). Unterhält der Rechtsanwalt mehrere Niederlassungen, ist das nach dem Zweck der Regelung die
  408. Anschrift der Niederlassung, für die er anwaltlich tätig ist. Die Bestimmung des
  409. § 10 Abs. 1 Satz 1 BORA soll gewährleisten, dass der Adressat des Briefes die
  410. Anschrift der Niederlassung erfährt, von der aus der Rechtsanwalt tätig geworden ist und unter der er mit dem Rechtsanwalt Kontakt aufnehmen kann. Wird
  411. - 19 -
  412. der Rechtsanwalt für eine Zweigstelle seiner Kanzlei tätig, ist das die Anschrift
  413. der Zweigstelle.
  414. 58
  415. b) Die Beurteilung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Auch aus § 5a Abs. 2 UWG ergibt sich
  416. keine Verpflichtung des Rechtsanwalts, auf den Briefbögen, die er für seine
  417. anwaltliche Tätigkeit in einer Zweigstelle verwendet, kenntlich zu machen, an
  418. welchem Standort er seine (Haupt-)Kanzlei im Sinne der § 27 Abs. 1, § 31
  419. Abs. 3 BRAO unterhält (vgl. Rn. 42 bis 46).
  420. 59
  421. III. Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg, soweit sie sich dagegen
  422. wendet, dass das Berufungsgericht den zweiten Hilfsantrag abgewiesen hat.
  423. 60
  424. 1. Mit dem zweiten Hilfsantrag beantragt die Klägerin, den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, Briefbögen für seine anwaltliche Tätigkeit unter seiner Erfurter Kanzleiadresse entsprechend dem Schreiben des Beklagten vom 21. Oktober 2008 an die Rechtsanwaltskammer Thüringen zu verwenden, ohne auf der Vorderseite deutlich
  425. und unübersehbar offenzulegen, dass er an bestimmten zusätzlichen Standorten - derzeit Mainz und Karlsruhe - weitere Kanzleiadressen unterhält.
  426. 61
  427. 2. Der zweite Hilfsantrag unterscheidet sich vom ersten Hilfsantrag nur
  428. darin, dass der Beklagte allein zur Offenlegung weiterer Standorte seiner Kanzlei und nicht zum Kenntlichmachen der (Haupt-)Kanzlei verpflichtet sein soll.
  429. Der Beklagte ist jedoch nicht verpflichtet, auf den für seine anwaltliche Tätigkeit
  430. verwendeten Briefbögen weitere Standorte seiner Kanzlei offenzulegen (vgl.
  431. oben Rn. 19 bis 36). Das Berufungsgericht hat den zweiten Hilfsantrag daher
  432. mit Recht abgewiesen.
  433. 62
  434. C. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision des Beklagten unter
  435. Zurückweisung der Revision der Klägerin im Kostenpunkt und insoweit aufzu-
  436. - 20 -
  437. heben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung ist das Urteil des Landgerichts auf die Berufung des Beklagten unter
  438. Zurückweisung der Anschlussberufung der Klägerin abzuändern und die Klage
  439. abzuweisen.
  440. - 21 -
  441. 63
  442. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
  443. Bornkamm
  444. Büscher
  445. Kirchhoff
  446. Schaffert
  447. Koch
  448. Vorinstanzen:
  449. LG Erfurt, Entscheidung vom 23.06.2010 - 7 O 2036/09 OLG Jena, Entscheidung vom 30.03.2011 - 2 U 569/10 -