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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. I ZR 12/06
  5. Verkündet am:
  6. 30. Oktober 2008
  7. Führinger
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. BGHZ
  14. :
  15. BGHR
  16. :
  17. ja
  18. nein
  19. ja
  20. HGB § 437 Abs. 1
  21. a) Die Vorschrift des § 437 HGB greift grundsätzlich nur dann ein, wenn auf den
  22. Hauptfrachtvertrag deutsches Recht zur Anwendung kommt, da sich die Ersatzpflicht des ausführenden Frachtführers am Verhältnis zwischen dem Absender und dem vertraglichen (Haupt-)Frachtführer und nicht an den vertraglichen Beziehungen des Letzteren zum ausführenden Frachtführer orientiert.
  23. b) Dem Empfänger des Transportgutes können bei Verlust oder Beschädigung
  24. des Gutes gegen den (ausführenden) Unterfrachtführer aus dem mit dem
  25. Hauptfrachtführer geschlossenen Unterfrachtvertrag eigene Schadensersatzansprüche zustehen (Aufgabe von BGHZ 116, 15 [zu Art. 34 CMR] und
  26. Fortführung von BGHZ 172, 330).
  27. BGH, Urt. v. 30. Oktober 2008 - I ZR 12/06 - OLG Düsseldorf
  28. LG Düsseldorf
  29. -2-
  30. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. Oktober 2008 durch die Richter Dr. Bergmann, Pokrant, Prof.
  31. Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Koch
  32. für Recht erkannt:
  33. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 18. Zivilsenats
  34. des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19. Dezember 2005 aufgehoben.
  35. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  36. über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  37. Von Rechts wegen
  38. Tatbestand:
  39. Die Klägerin ist Transportversicherer der P.
  40. 1
  41. H.
  42. AG in W.
  43. -
  44. (im Weiteren: Versicherungsnehmerin). Sie nimmt die Beklagten wegen
  45. Verlustes von Transportgut aus abgetretenem und übergegangenem Recht auf
  46. Schadensersatz in Anspruch. Die Beklagten sind Gesellschaften eines interna-
  47. -3-
  48. tionalen Paketbeförderungsunternehmens; die Beklagte zu 1 hat ihren Sitz in
  49. Taiwan, die Beklagte zu 2 in Deutschland.
  50. 2
  51. Die Versicherungsnehmerin bestellte am 26. November 1999 bei der
  52. J&A
  53. Inc. in T.
  54. (im Weiteren: J & A Inc.) 1.914 Speicherchips
  55. zum Preis von 70 US-Dollar je Stück. Die J & A Inc. übergab der Beklagten zu 1
  56. noch am selben Tag die in zwei Paketen verpackte Ware und beauftragte sie
  57. mit deren Beförderung zur Versicherungsnehmerin. Ausweislich des von der
  58. Beklagten zu 1 ausgestellten Frachtbriefs waren in dem ersten Paket 1.000 und
  59. in dem zweiten Paket 914 "computer-parts" enthalten. Die Beklagte zu 1 beförderte beide Pakete per Luftfracht zum Flughafen Köln/Bonn. Dort übernahm die
  60. Beklagte zu 2 beide Pakete am 28. November 1999 zum Weitertransport zur
  61. Versicherungsnehmerin. Das Paket mit 1.000 Speicherchips kam bei der Versicherungsnehmerin an, das zweite Paket ging während des Landtransports zur
  62. Versicherungsnehmerin verloren.
  63. 3
  64. Die Klägerin hat behauptet, in dem abhanden gekommenen Paket hätten
  65. sich die restlichen 914 der von der Versicherungsnehmerin bestellten Speicherchips befunden. Sie habe an die Versicherungsnehmerin für den Verlust im
  66. Februar 2000 einen Betrag von 126.776,14 DM (= 64.819,61 €) gezahlt. Die
  67. J & A Inc. habe die ihr aus dem Transportschaden zustehenden Ansprüche an
  68. die Versicherungsnehmerin abgetreten, die diese Ansprüche wiederum an sie,
  69. die Klägerin, abgetreten habe. Die Ansprüche der Versicherungsnehmerin als
  70. Empfängerin seien gemäß § 67 Abs. 1 VVG a.F. auf sie übergegangen.
  71. 4
  72. Die Klägerin hat beantragt,
  73. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 64.820,63 €
  74. nebst Zinsen zu zahlen.
  75. -4-
  76. Die Beklagten haben geltend gemacht, die gegen sie gerichteten An-
  77. 5
  78. sprüche beurteilten sich nach taiwanesischem Recht. Gemäß § 639 des taiwanesischen Zivilgesetzbuchs sei eine Haftung der Beklagten zu 1 ausgeschlossen, weil nach dieser Vorschrift der Frachtführer bei Verlust von Wertgegenständen - um solche handele es sich bei den Speicherchips - nicht hafte, wenn
  79. der Versender den Wert der Warensendung - wie im vorliegenden Fall - nicht
  80. deklariert habe. Auf diesen Haftungsausschluss könne sich auch die Beklagte
  81. zu 2 berufen.
  82. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat
  83. 6
  84. der Klage mit Ausnahme eines geringfügigen Teils der beanspruchten Zinsen
  85. stattgegeben.
  86. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren
  87. 7
  88. Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
  89. Entscheidungsgründe:
  90. I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte zu 1 schulde der
  91. 8
  92. Klägerin wegen des Verlusts des Pakets gemäß § 425 Abs. 1 HGB Schadensersatz in der beanspruchten Höhe. Die Schadensersatzpflicht der Beklagten
  93. zu 2 ergebe sich aus § 437 Abs. 1 HGB. Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt:
  94. 9
  95. Auf den Streitfall komme deutsches Recht zur Anwendung. Der zwischen
  96. der J & A Inc. und der Beklagten zu 1 abgeschlossene Hauptfrachtvertrag un-
  97. -5-
  98. terliege zwar an sich dem taiwanesischen Recht. Die Parteien hätten jedoch zu
  99. Beginn des Rechtsstreits nachträglich gemäß Art. 27 EGBGB die Geltung deutschen Rechts vereinbart. Der zwischen den Beklagten geschlossene Unterfrachtvertrag beurteile sich nach deutschem Recht.
  100. 10
  101. Die anspruchsbegründenden Voraussetzungen der §§ 425, 437 HGB
  102. seien erfüllt. Die Beklagten könnten sich nicht auf gesetzliche oder in ihren Beförderungsbedingungen vereinbarte Haftungsbeschränkungen berufen, weil die
  103. Beklagte zu 2, für deren vertragswidriges Verhalten die Beklagte zu 1 einstehen
  104. müsse, den Verlust des Pakets leichtfertig i.S. von § 435 HGB verursacht habe.
  105. Für die Höhe des behaupteten Schadens streite aufgrund der Gesamtumstände
  106. des Falles ein Anscheinsbeweis.
  107. 11
  108. Ein Mitverschulden der J & A Inc. wegen Unterlassens eines Hinweises
  109. auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens komme nicht in Betracht.
  110. Es müsse davon ausgegangen werden, dass in den der Beklagten zu 1 von der
  111. J & A Inc. übergebenen Versanddokumenten der Kaufpreis der Warensendung
  112. ausgewiesen gewesen sei, weil die Beklagten diese Information für die Verzollung des Gutes benötigten. Dadurch habe der Frachtführer in ausreichendem
  113. Maße Kenntnis über den tatsächlichen Wert der Warensendung erlangt.
  114. 12
  115. II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils
  116. und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  117. 13
  118. 1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die auch unter der
  119. Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (BGHZ 173, 57 Tz. 21 - Cambridge Institute), folgt aus § 39 ZPO, weil die
  120. Beklagte zu 1 in erster Instanz zur Sache verhandelt hat, ohne die fehlende in-
  121. -6-
  122. ternationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte zu rügen (vgl. BGHZ 120,
  123. 334, 337; 134, 127, 132 ff.).
  124. 14
  125. 2. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, auf den zwischen der J & A Inc. und der Beklagten zu 1 geschlossenen Hauptfrachtvertrag komme deutsches Landfrachtrecht zur Anwendung.
  126. 15
  127. a) Das Berufungsgericht hat vom Ansatz her allerdings zutreffend angenommen, dass der Hauptfrachtvertrag grundsätzlich dem taiwanesischen Recht
  128. unterliegt. Da die J & A Inc. und die Beklagte zu 1 bei Abschluss des Hauptfrachtvertrags keine Rechtswahl getroffen haben, unterliegt der Vertrag nach
  129. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGBGB dem Recht des Staates, mit dem er die engsten
  130. Verbindungen aufweist. Gemäß Art. 28 Abs. 4 Satz 1 EGBGB wird bei Güterbeförderungsverträgen vermutet, dass sie mit dem Staat die engsten Verbindungen aufweisen, in dem der Beförderer im Zeitpunkt des Vertragsschlusses seine Hauptniederlassung hat, sofern sich in diesem Staat auch der Verladeort
  131. befindet. Die Beklagte zu 1 hat ihren Hauptsitz in T.
  132. /Taiwan. Dort wurde
  133. das Gut auch zum Transport nach Deutschland verladen. Aus den Gesamtumständen ist nichts dafür ersichtlich, dass der Vertrag mit einem anderen Staat
  134. als Taiwan engere Verbindungen aufweist (Art. 28 Abs. 5 EGBGB).
  135. 16
  136. b) Das Berufungsgericht hat den Hauptfrachtvertrag dennoch dem deutschen Sachrecht unterworfen, weil die Parteien des Rechtsstreits nachträglich,
  137. nämlich zu Beginn des Rechtsstreits, gemäß Art. 27 Abs. 2 Satz 1 EGBGB eine
  138. Rechtswahl dahingehend getroffen hätten, dass der Rechtsstreit nach deutschem Frachtrecht entschieden werden solle. Es hat seine Beurteilung darauf
  139. gestützt, dass die Klägerin die von ihr geltend gemachten Ansprüche in der
  140. Klageschrift mit Bestimmungen des deutschen Frachtrechts (§ 425 Abs. 1,
  141. -7-
  142. § 437 Abs. 1 HGB) begründet habe und die Beklagten in der Klageerwiderung
  143. - soweit frachtrechtliche Einwände erhoben worden seien - zu ihrer Verteidigung ausschließlich Vorschriften des deutschen Frachtrechts (betreffend die
  144. Verjährung und die Haftungsbeschränkungen) angeführt hätten. Dieses Verhalten der Parteien im Prozess hat das Berufungsgericht als eine stillschweigende
  145. Vereinbarung deutschen Rechts gewertet, weil die Parteien dadurch dem Gericht gegenüber zum Ausdruck gebracht hätten, dass der Rechtsstreit nach
  146. deutschem Frachtrecht entschieden werden solle. Diese Rechtswahl hätten die
  147. Beklagten später nicht mehr einseitig widerrufen können.
  148. 17
  149. c) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Parteien hätten nachträglich
  150. stillschweigend die Geltung deutschen Rechts vereinbart, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
  151. 18
  152. aa) Die Beurteilung der Frage, ob die Parteien zu Beginn des Rechtsstreits nachträglich gemäß Art. 27 Abs. 2 Satz 1 EGBGB im Wege der Individualvereinbarung eine stillschweigende Rechtswahl - eine ausdrückliche Rechtswahlvereinbarung macht auch die Klägerin nicht geltend - getroffen haben, ist
  153. Gegenstand tatrichterlicher Auslegung und in der Revisionsinstanz nur eingeschränkt überprüfbar. Der Kontrolle durch das Revisionsgericht unterliegt nur,
  154. ob das Berufungsgericht seiner Auslegung die zutreffenden rechtlichen Maßstäbe zugrunde gelegt hat, ob es den Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei gewürdigt und ob es die indizielle Bedeutung der in Betracht kommenden Anknüpfungspunkte erkannt hat (BGH, Urt. v. 28.1.1997 - XI ZR 42/96,
  155. NJW-RR 1997, 686, 687; Urt. v. 19.1.2000 - VIII ZR 275/98, NJW-RR 2000,
  156. 1002, 1003; Urt. v. 26.7.2004 - VIII ZR 273/03, NJW-RR 2005, 206, 208). Bei
  157. der Auslegung von Individualvereinbarungen nach §§ 133, 157 BGB ist der Tatrichter insbesondere gehalten, alle für die Auslegung erheblichen Umstände
  158. umfassend zu würdigen und die Interessenlage beider Seiten ausreichend zu
  159. -8-
  160. berücksichtigen (vgl. BGH, Urt. v. 29.3.2000 - VIII ZR 297/98, NJW 2000, 2508,
  161. 2509 m.w.N.). Diesen Anforderungen wird die Auslegung des Prozessverhaltens der Beklagten durch das Berufungsgericht nicht gerecht.
  162. 19
  163. bb) Zwar kann es für die Annahme einer nachträglichen konkludenten
  164. Rechtswahl ausreichen, wenn die Parteien im Prozess deutlich auf eine bestimmte Rechtsordnung Bezug nehmen oder diese ihren rechtlichen Ausführungen zugrunde legen (BGH NJW-RR 2000, 1002, 1004; BGH, Urt. v.
  165. 9.6.2004 - I ZR 266/00, TranspR 2004, 369, 371 = VersR 2005, 811). Für eine
  166. die ursprünglich geltende Rechtsordnung abändernde Rechtswahl bedarf es
  167. aber eines dahingehenden beiderseitigen Gestaltungswillens (vgl. BGH, Urt. v.
  168. 12.12.1990 - VIII ZR 332/89, NJW 1991, 1292, 1293).
  169. 20
  170. Im Streitfall haben die Parteien zwar in erster Instanz anfangs nur unter
  171. Hinweis auf deutsche Rechtsvorschriften vorgetragen. Bereits in ihrem Schriftsatz vom 17. April 2002 haben die Beklagten jedoch darauf hingewiesen, dass
  172. die Sendung der Beklagten zu 1 in Taiwan zum Transport übergeben worden
  173. sei, was zur Folge habe, dass von ihr nicht verlangt werden könne, zum Lauf
  174. der Sendung substantiiert vorzutragen, weil es eine derartige Einlassungsobliegenheit nach der Rechtsprechung in Taiwan nicht gebe. Mit Schriftsatz vom
  175. 16. Juni 2003 haben die Beklagten sich ausdrücklich darauf berufen, dass auf
  176. den Hauptfrachtvertrag ausschließlich taiwanesisches Recht zur Anwendung
  177. komme. Bis zum Schriftsatz der Beklagten vom 16. Juni 2003 war die Frage
  178. des anwendbaren Rechts nicht Gegenstand des Vortrags der Parteien.
  179. 21
  180. Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, dass sich die
  181. Beklagten mit einer Änderung der ursprünglich für den Hauptfrachtvertrag geltenden Rechtsordnung einverstanden erklärt haben. Beide Parteien des Hauptfrachtvertrags haben ihren Sitz in Taiwan. Der Verladeort war gleichfalls in Tai-
  182. -9-
  183. wan. Es entsprach daher nicht den Interessen der Beklagten zu 1, sich bei dieser Sachlage auf die Anwendbarkeit deutschen Rechts auf den Hauptfrachtvertrag einzulassen, das nach ihrem Vortrag für sie wesentlich ungünstiger als das
  184. taiwanesische ist.
  185. 22
  186. Da somit nach Art. 28 Abs. 1 und 4 Satz 1 EGBGB auf den Hauptfrachtvertrag zwischen der Absenderin und der Beklagten zu 1 taiwanesisches Recht
  187. anzuwenden ist, richtet sich sowohl die Frage, ob der Absenderin und/oder der
  188. Empfängerin wegen des Verlusts des Pakets vertragliche Ansprüche gegen die
  189. Beklagte zu 1 zustehen, als auch die Beurteilung, ob gegebenenfalls ein Mitverschulden der Absenderin zu berücksichtigen ist, nach taiwanesischem Recht
  190. (zur Bestimmung des auf die Abtretung und den gesetzlichen Forderungsübergang anwendbaren Rechts vgl. Art. 33 EGBGB).
  191. 23
  192. 3. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten zu 2 für den streitgegenständlichen Verlust gemäß § 437 Abs. 1 Satz 1
  193. HGB bejaht hat, ist ebenfalls nicht frei von Rechtsfehlern.
  194. 24
  195. a) Die Vorschrift des § 437 HGB greift nur dann ein, wenn auf den Hauptfrachtvertrag deutsches Recht zur Anwendung kommt. Nach den Darlegungen
  196. unter II 2 unterliegt der Hauptfrachtvertrag zwischen der Absenderin und der
  197. Beklagten zu 1 jedoch dem taiwanesischen Recht. Zwar kommt auf den zwischen den Beklagten geschlossenen Unterfrachtvertrag nach Art. 28 Abs. 1 und
  198. 4 EGBGB deutsches Frachtrecht zur Anwendung, da die Beklagte zu 2 ihre
  199. Hauptniederlassung in der Bundesrepublik Deutschland hat und dort auch das
  200. in Verlust geratene Paket zum Weitertransport zur Versicherungsnehmerin
  201. übernommen hat. Die Ersatzpflicht des ausführenden Frachtführers nach § 437
  202. HGB orientiert sich jedoch stets am Verhältnis zwischen dem Absender und
  203. dem vertraglichen (Haupt-)Frachtführer und nicht an den vertraglichen Bezie-
  204. - 10 -
  205. hungen des Letzteren zum ausführenden Frachtführer (vgl. Begründung zum
  206. Regierungsentwurf des Transportsrechtsreformgesetzes, BT-Drucks. 13/8445,
  207. S. 75; Fremuth in: Fremuth/Thume, Transportrecht, § 437 HGB Rdn. 32; Koller,
  208. Transportrecht, 6. Aufl., § 437 HGB Rdn. 16; Seyffert, Die Haftung des ausführenden Frachtführers im neuen deutschen Frachtrecht, 2000, S. 165 f.; Ramming, TranspR 2000, 277, 279 f.). Dies folgt aus dem Wortlaut der Vorschrift,
  209. wonach der ausführende Frachtführer "in gleicher Weise wie der Frachtführer"
  210. haftet. Damit wird nicht allgemein auf die Frachtführerhaftung Bezug genommen, sondern maßgebend ist die Rechtsstellung des den Frachtvertrag mit dem
  211. Absender schließenden Frachtführers. Dementsprechend ist der ausführende
  212. Frachtführer nach § 437 Abs. 2 HGB auch berechtigt, alle Einwendungen aus
  213. dem Vertrag mit dem Hauptfrachtführer geltend zu machen.
  214. 25
  215. Das Vertragsverhältnis zwischen dem ausführenden Frachtführer und
  216. dem vertraglichen (Haupt-)Frachtführer ist dagegen für die Haftung gemäß
  217. § 437 Abs. 1 Satz 1 HGB grundsätzlich ohne Bedeutung. Es ist nicht erforderlich, dass zwischen beiden überhaupt eine (wirksame) vertragliche Beziehung
  218. besteht; es können auch beliebig viele Unterfrachtführer zwischengeschaltet
  219. sein (vgl. Koller Transportrecht aaO § 437 HGB Rdn. 16; Ramming, TranspR
  220. 2000, 277, 279). Daraus ergibt sich, dass § 437 HGB nicht zur Anwendung
  221. kommt, wenn für das Vertragsverhältnis zwischen dem Absender und dem vertraglichen Frachtführer - wie im Streitfall - kein deutsches Recht gilt (so auch
  222. Ramming, TranspR 2000, 277, 280; Ebenroth/Boujong/Joost/Gass, HGB, § 437
  223. Rdn. 19).
  224. 26
  225. b) Als Grundlage für eine Haftung der Beklagten zu 2 kommt jedoch ein
  226. auf die Klägerin übergegangener oder abgetretener (vertraglicher) Schadensersatzanspruch der Empfängerin gegen die Beklagte zu 2 aus dem Unterfrachtvertrag in Betracht. Insoweit gilt deutsches Recht.
  227. - 11 -
  228. 27
  229. aa) Allerdings hat der Senat in der Vergangenheit angenommen, dass
  230. dem Empfänger gegen den Unterfrachtführer, der nicht nachfolgender Frachtführer ist (§ 432 Abs. 2 HGB, Art. 34 CMR), wegen des Verlusts oder der Beschädigung des dem Hauptfrachtführer vom Absender zur Beförderung übergebenen Gutes keine Schadensersatzansprüche zustehen (vgl. nur BGH, Urt. v.
  231. 24.9.1987 - I ZR 197/85, TranspR 1988, 108, 111; BGHZ 116, 15, 17 ff.). Die
  232. Entscheidungen sind zwar auf der Grundlage des Haftungsregimes der CMR
  233. ergangen; sie beziehen sich aber stets auch ausdrücklich auf die Rechtslage
  234. nach dem Handelsgesetzbuch a.F. Danach konnte der Empfänger gemäß
  235. § 435 HGB a.F. (Art. 13 Abs. 1 Satz 2 CMR) grundsätzlich nur im Rahmen des
  236. Frachtvertrags zwischen dem Absender und dem Hauptfrachtführer Ersatzansprüche wegen Beschädigung oder Verlust des Gutes geltend machen. Der
  237. Unterfrachtführer sollte dem Empfänger dagegen nur bei Vorliegen der besonderen Voraussetzungen des § 432 Abs. 2 HGB a.F. (Art. 34 CMR) zum Schadensersatz verpflichtet sein.
  238. 28
  239. bb) Diese Rechtsprechung hat der Senat für den Bereich des Warschauer Abkommens (1955) und der CMR mit Urteil vom 14. Juni 2007 (BGHZ 172,
  240. 330 Tz. 26 ff.) aufgegeben. Nach erneuter Prüfung hält der Senat auch für den
  241. Bereich des Handelsgesetzbuches nicht mehr an ihr fest. Der Hauptfrachtführer, der einen Beförderungsauftrag selbst nicht (vollständig) ausführt, sondern
  242. im eigenen Namen und für eigene Rechnung einen anderen Frachtführer, den
  243. Unterfrachtführer, mit einer in den Anwendungsbereich der §§ 407 ff. HGB fallenden Beförderung beauftragt, schließt mit diesem einen selbständigen (Unter-)Frachtvertrag ab (vgl. BGHZ 172, 330 Tz. 30). Der Unterfrachtführer haftet
  244. dem Hauptfrachtführer als Absender nach den Haftungsvorschriften der
  245. §§ 425 ff. HGB. Trifft aber den Unterfrachtführer dem Hauptfrachtführer gegenüber die volle Frachtführerhaftung, so gibt es keinen sachgerechten Grund, sei-
  246. - 12 -
  247. ne Haftung gegenüber dem Empfänger als Drittbegünstigten des Unterfrachtvertrags auszuschließen (BGHZ 172, 330 Tz. 30).
  248. 29
  249. cc) Der vom Gesetzgeber mit der Transportrechtsreform geschaffene
  250. - im Streitfall nicht anwendbare - § 437 HGB steht einem solchen vertraglichen
  251. Anspruch des Empfängers gegen den Unterfrachtführer nicht als lex specialis
  252. entgegen, weil die Haftung des Unterfrachtführers gegenüber dem Empfänger
  253. aus einem anderen Rechtsverhältnis folgt. Während der ausführende Frachtführer nach Maßgabe des (Haupt-)Frachtvertrags zwischen dem Absender und
  254. dem vertraglichen (Haupt-)Frachtführer haftet (s. dazu unter II 3 a), richtet sich
  255. die Haftung des Unterfrachtführers gegenüber dem Empfänger allein nach dem
  256. den Empfänger begünstigenden Unterfrachtvertrag (vgl. BGHZ 172, 330
  257. Tz. 30). Dementsprechend kann der Unterfrachtführer gegenüber dem Empfänger, der ihn nach §§ 437, 421 Abs. 1 Satz 2 HGB in Anspruch nimmt, nur die
  258. Einwendungen aus dem Hauptfrachtvertrag geltend machen (§ 437 Abs. 2
  259. HGB), während er bei einer Inanspruchnahme aus dem Unterfrachtvertrag seiner Haftung Einwendungen aus dem von ihm mit dem Hauptfrachtführer geschlossenen Beförderungsvertrag entgegenhalten kann. Beide Ansprüche können daher, wenn deutsches Recht zur Anwendung kommt, nebeneinander bestehen (so auch Thume, TranspR 2007, 427, 428; Ramming, NJW 2008, 291,
  260. 292).
  261. 30
  262. Ob der Beklagten zu 2 aus dem mit der Beklagten zu 1 geschlossenen
  263. Unterfrachtvertrag Einwendungen zustehen, wird das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu klären haben.
  264. - 13 -
  265. 31
  266. III. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die
  267. Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
  268. Bergmann
  269. Pokrant
  270. Schaffert
  271. Büscher
  272. Koch
  273. Vorinstanzen:
  274. LG Düsseldorf, Entscheidung vom 08.03.2005 - 35 O 181/00 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 19.12.2005 - I-18 U 71/05 -