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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. I ZR 265/99
  5. in dem Rechtsstreit
  6. Nachschlagewerk:
  7. BGHZ
  8. :
  9. BGHR
  10. :
  11. Verkündet am:
  12. 21. Februar 2002
  13. Walz
  14. Justizamtsinspektor
  15. als Urkundsbeamter
  16. der Geschäftsstelle
  17. ja
  18. nein
  19. ja
  20. Blendsegel
  21. UWG § 1
  22. Zur Frage des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes wegen
  23. vermeidbarer Herkunftstäuschung gegen den Vertrieb eines Erzeugnisses
  24. (hier: einer Außenleuchte), das zwar an das Klagemodell erinnern kann, weil
  25. bei seiner Gestaltung ebenfalls eine gestalterische und praktische Grundidee
  26. angewendet worden ist, die sich erstmals bei dem Klagemodell findet, das aber
  27. im übrigen einen wesentlich anderen Gesamteindruck vermittelt.
  28. BGH, Urt. v. 21. Februar 2002 - I ZR 265/99 - OLG Köln
  29. LG Köln
  30. -2-
  31. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Februar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
  32. Dr. Erdmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Bornkamm,
  33. Pokrant und Dr. Büscher
  34. für Recht erkannt:
  35. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats
  36. des Oberlandesgerichts Köln vom 10. September 1999 aufgehoben.
  37. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,
  38. auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  39. Von Rechts wegen
  40. -3-
  41. Tatbestand:
  42. Beide Parteien stellen her und vertreiben Leuchten, die für die Straßen-,
  43. Wege- und Objektbeleuchtung im Außenbereich eingesetzt werden.
  44. Die Klägerin vertreibt die Pollerleuchte "SR III" (früher "SR I"), die Wegeleuchte "SR IV" (früher "SR II") und die Wandleuchte "SR II" (früher "SR III")
  45. in den nachstehend wiedergegebenen Gestaltungen:
  46. Pollerleuchte "SR III" (früher "SR I"):
  47. -4-
  48. Wegeleuchte "SR IV" (früher "SR II"):
  49. -5-
  50. Wandleuchte "SR II" (früher "SR III"):
  51. Diese Leuchten gehen auf einen Entwurf eines früheren Geschäftsführers der Klägerin zurück. Die Gestaltung der Poller- und Wegeleuchten wurde
  52. im Dezember 1997 mit dem Ehrenpreis für Produktdesign des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet. Darüber wurde in der Fachzeitschrift "Licht &
  53. Architektur" (Ausgabe IV/97) berichtet. Im Dezember 1997 meldete die Klägerin
  54. die Wegeleuchte zur Teilnahme an dem Wettbewerb "Die gute Industrieform"
  55. in Hannover an; sie erhielt dort im Jahr 1998 den "Product Design Award".
  56. Die
  57. Klägerin
  58. ist
  59. Inhaberin
  60. des
  61. deutschen
  62. Geschmacksmusters
  63. Nr. M 97 03 572.6, das als Sammelanmeldung von 31 Geschmacksmustern am
  64. 14. April 1997 angemeldet worden ist. Das Geschmacksmuster betrifft u.a. die
  65. Gestaltung einer Pollerleuchte ("SR I" = Nr. 20 mit den Abbildungen 20a und
  66. 20b), einer Wegeleuchte ("SR II" = Nr. 21 mit den Abbildungen 21a und 21b)
  67. sowie einer Wandleuchte ("SR III" = Nr. 22 mit den Abbildungen 22a, 22b und
  68. 22c).
  69. Die Klägerin ist weiterhin Inhaberin des ebenfalls am 14. April 1997 angemeldeten internationalen Geschmacksmusters Nr. DM/041 326, unter dem
  70. -6-
  71. die Gestaltungen einer Pollerleuchte (vgl. die Abbildungen 17.1, 17.2, 17.3,
  72. 17.4) und einer Wegeleuchte (vgl. die Abbildungen 18.1, 18.2, 18.3) registriert
  73. sind.
  74. Die Beklagte stellt eine Außenleuchte mit der Bezeichnung "Typ
  75. " in
  76. der aus dem Klageantrag sowie den Abbildungen der Anlage KE 4 ersichtlichen Gestaltung her und vertreibt diese. Sie hat diese Leuchte anläßlich der
  77. Hannover Messe 1998 ausgestellt.
  78. Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte verletze mit dem Vertrieb ihrer
  79. Außenleuchte ihre Geschmacksmuster und handele zudem wettbewerbswidrig.
  80. Die beanstandete Leuchte der Beklagten habe die bereits im Verkehr bekannt
  81. gewordene Gestaltungsform der "SR"-Leuchtenserie unzulässig durch Übernahme der prägenden Merkmale nachgeahmt. Der Verkehr werde daher das
  82. Modell der Beklagten dem Unternehmen der Klägerin zuordnen.
  83. Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen,
  84. 1. es zu unterlassen, Außenleuchten wie nachfolgend abgebildet in
  85. der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder in den
  86. Verkehr zu bringen;
  87. -7-
  88. -8-
  89. -9-
  90. 2. ihr, der Klägerin, ab dem 12. Juni 1998 Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der vorstehend unter 1. beschriebenen Erzeugnisse zu erteilen, insbesondere unter Angabe der
  91. - 10 -
  92. Namen und Anschriften der Hersteller, der Lieferanten und deren Vorbesitzer, der gewerblichen Abnehmer oder Auftraggeber
  93. sowie unter Angabe der Mengen der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse;
  94. 3. ihr, der Klägerin, ab dem 12. Juni 1998 über den Umfang der
  95. vorstehend unter 1. bezeichneten Handlungen Rechnung zu legen, und zwar unter Angabe des erzielten Umsatzes sowie unter
  96. Angabe des Umfangs der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt
  97. nach Kalendervierteljahren, Bundesländern und Werbeträgern;
  98. 4. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr, der Klägerin,
  99. allen Schaden zu erstatten, der ihr aus den vorstehend unter Ziffer 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist oder künftig noch
  100. entstehen wird.
  101. Die Beklagte hat demgegenüber vorgebracht, ihre Leuchte "Typ
  102. " gehe
  103. auf einen eigenständigen Entwurf des Zeugen H. zurück, den dieser bereits
  104. im Februar 1997 im Stadtplanungsamt S.
  105. sowie bei Firmen vorgestellt ha-
  106. be, die den Entwurf möglicherweise hätten verwerten können. Den Geschmacksmustern der Klägerin fehle daher die Neuheit. Auch Ansprüche aus
  107. ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz seien nicht gegeben.
  108. Mit den von der Klägerin als maßgeblich angesehenen Gestaltungselementen
  109. des Leuchtenkopfes sei nur der Formenschatz des Art déco aufgegriffen worden. Die beanstandete Außenleuchte sei zudem in ihrem Gesamterscheinungsbild völlig anders als die Leuchten der Klägerin gestaltet.
  110. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
  111. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht der Klage stattgegeben.
  112. - 11 -
  113. Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, begehrt
  114. die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
  115. Entscheidungsgründe:
  116. I. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die Klageansprüche aus
  117. Geschmacksmusterrecht begründet seien. Die Klageansprüche seien jedenfalls
  118. als Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren Herkunftstäuschung zuzusprechen.
  119. Die konkrete Gesamtgestaltung der Pollerleuchte der Klägerin "SR III"
  120. besitze wettbewerbsrechtliche Eigenart. Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, das Erscheinungsbild der Pollerleuchte werde maßgeblich geprägt
  121. durch den zylindrischen Leuchtkörper, der auf ein ebenfalls zylindrisches Standrohr gesetzt sei, dessen Form und Maße aufnehme und nach oben verlängere. Der Leuchtkörper werde konzentrisch zu 180° von einem in gewissem Abstand angebrachten "Segel" umschlossen. Leuchtkörper und Segel seien dabei
  122. jeweils durch eine flache, auf gleicher Höhe endende Abdeckung abgeschlossen, die bei dem Leuchtkörper in der Form eines flachen Deckels geformt sei,
  123. dessen Rand das obere Ende des Leuchtkörpers "halte". Die seitlich aus dem
  124. "Deckelrand" wachsende Abdeckung des Segels folge konzentrisch dessen
  125. Halbkreisform und sei als kantige, das verhältnismäßig dünnwandige Segel
  126. fixierende massive Halterung geformt. Durch das Zusammenwirken dieser
  127. Merkmale entstehe der ästhetische Gesamteindruck einer sachlich schlichten
  128. Form gleichsam aus "einem Guß". Es sei unerheblich, ob das den zylindri-
  129. - 12 -
  130. schen Leuchtkörper umspannende Segel als "Blendschutz" eine technische
  131. oder lediglich eine praktische Funktion erfülle. Auch wenn bei Leuchten der in
  132. Rede stehenden Art als Blendschutz eine teilweise Abdeckung des Leuchtkörpers anzubringen sei, bedinge dies nicht gerade die von der Klägerin gewählte
  133. Form eines den zylindrischen Leuchtkörper zu 180° umspannenden konvexen
  134. Segels. Zur Erfüllung derselben technischen oder praktischen Funktion gebe
  135. es zahlreiche andere, willkürlich wählbare Gestaltungsmöglichkeiten (wie z.B.
  136. eine flache oder U-förmig gebogene Abdeckung). Es könne auch unterstellt
  137. werden, daß die formgebenden Gestaltungselemente der Pollerleuchte der
  138. Klägerin nur Merkmale aufgegriffen hätten, die für die Zeit des Art déco typisch
  139. und zur Gestaltung vergleichbarer Produkte verwendet worden seien. Denn
  140. jedenfalls die konkrete Kombination der Merkmale, die das ästhetische Gesamtbild der Pollerleuchte der Klägerin präge, sei in besonderem Maß geeignet, sich dem Verkehr als Hinweis auf das Produkt und seine betriebliche Herkunft einzuprägen.
  141. Die Pollerleuchte der Klägerin sei beim Marktzutritt der Beklagten im
  142. Verkehr infolge des Berichts in der Fachzeitschrift "Licht & Architektur" über die
  143. Auszeichnung mit dem Ehrenpreis für Produktdesign des Landes NordrheinWestfalen bereits ausreichend bekannt gewesen.
  144. Die Straßenleuchte der Beklagten "Typ
  145. " sei dem Klagemodell im Ge-
  146. samteindruck so ähnlich, daß die Gefahr von Verwechslungen bestehe. Die
  147. Leuchtenköpfe der beiderseitigen Modelle stimmten in sämtlichen Details der
  148. Kombination von Gestaltungselementen überein, die den individuellen Charakter des Leuchtenkopfes des Klagemodells ausmachten. Bei dem Modell der
  149. Beklagten sei lediglich der Randabschluß des Leuchtenkopfes abweichend ge-
  150. - 13 -
  151. staltet. Dies betreffe jedoch ein für den ästhetischen Gesamteindruck unwesentliches Detail. Aber auch die für die rechtliche Beurteilung maßgebliche
  152. Gegenüberstellung der beiderseitigen Leuchtenmodelle ergebe den Gesamteindruck einer Übereinstimmung in der Gestaltung, zumindest aber einer erheblichen Ähnlichkeit. Dem stehe nicht entgegen, daß der Leuchtenmast der
  153. Straßenleuchte der Beklagten abweichend vom Standrohr der Pollerleuchte der
  154. Klägerin gestaltet sei. Zwar sei der Mast der Leuchte der Beklagten nicht - wie
  155. bei der Pollerleuchte - in einer der zylindrischen Rundung des Leuchtenkopfes
  156. genau folgenden Form eines Rohres gehalten, er weise aber bei frontaler Sicht
  157. auf die Leuchte durch die nebeneinander gesetzten, insgesamt die Breite des
  158. Leuchtenkopfes aufnehmenden und fortsetzenden kantigen Träger eine gestalterische Konstruktion auf, die ebenso wie beim Klagemodell den optischen
  159. Eindruck einer in "einem Guß" gehaltenen Form erwecke. Bei seitlicher Betrachtung sei dies zwar anders, die Ähnlichkeit bei frontaler Sicht begründe
  160. aber die Gefahr, daß ein mehr als nur unbeachtlicher Teil des Verkehrs trotz
  161. der wahrgenommenen Abweichungen der Produkte annehme, es handele sich
  162. um eine Zweitlinie desselben Herstellers oder um Erzeugnisse von Herstellern,
  163. die wirtschaftlich oder organisatorisch miteinander verbunden seien. Gerade
  164. für den Teil des Verkehrs, dem nur die Pollerleuchte der Klägerin bekannt sei,
  165. werde wegen der nahezu identischen Übereinstimmung der Leuchtenköpfe
  166. sowie der Gestaltung des Leuchtenmastes und des Standrohres der Leuchten
  167. der Schluß naheliegen, das Modell der Beklagten sei eine "hohe" Version der
  168. Pollerleuchte der Klägerin in Form einer Straßen- oder Wegeleuchte.
  169. Die erforderlichen subjektiven Unlauterkeitsmerkmale seien ebenfalls
  170. gegeben. Die Beklagte habe ihr Modell einer Straßenleuchte erst nach der öffentlichen Vorstellung des Klagemodells auf den Markt gebracht. Dies spreche
  171. - 14 -
  172. dafür, daß der Beklagten als unmittelbarer Wettbewerberin der Klägerin das
  173. Klagemodell bereits bekannt gewesen sei. Es sei deshalb unlauter, wenn die
  174. Beklagte nicht alle ihr möglichen und zumutbaren Maßnahmen getroffen habe,
  175. um der Gefahr einer Verwechslung ihrer Außenleuchte mit dem Klagemodell
  176. ausreichend entgegenzuwirken.
  177. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei gegeben, weil nach
  178. der Lebenserfahrung davon auszugehen sei, daß die Verletzungshandlung der
  179. Beklagten zu einem Schaden der Klägerin geführt habe.
  180. Die Klägerin könne weiter Auskunftserteilung und - im Hinblick auf die
  181. an eine Geschmacksmusterfähigkeit heranreichende wettbewerbliche Eigenart
  182. des Klageprodukts - auch Rechnungslegung verlangen.
  183. II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht
  184. stand. Die Revisionsangriffe führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und
  185. zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  186. 1. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, daß die Voraussetzungen für Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz (§ 1 UWG) gegeben seien.
  187. a) Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen,
  188. daß Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz gegen die Verwertung eines fremden Leistungsergebnisses unabhängig vom Bestehen eines Schutzes aus Geschmacksmusterrecht gegeben sein können,
  189. wenn besondere Begleitumstände vorliegen, die außerhalb des sondergesetz-
  190. - 15 -
  191. lichen Tatbestands liegen (vgl. - zum Urheberrecht - BGHZ 134, 250, 267 - CBinfobank I; 140, 183, 189 - Elektronische Pressearchive; vgl. weiter Piper in
  192. Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., § 1 Rdn. 487 ff.; Eichmann/v. Falckenstein, Geschmacksmustergesetz, 2. Aufl., Allg. Rdn. 31 ff. m.w.N.).
  193. Der Vertrieb von Nachahmungen eines Erzeugnisses, das wettbewerbsrechtliche Eigenart besitzt und bei den angesprochenen Verkehrskreisen eine
  194. gewisse Bekanntheit erlangt hat, ist dementsprechend wettbewerbswidrig,
  195. wenn dadurch die Gefahr einer betrieblichen Herkunftstäuschung begründet
  196. wird. Zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise
  197. und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen
  198. Umständen besteht dabei eine Wechselwirkung. Je größer die wettbewerbliche
  199. Eigenart und je höher der Grad der Übernahme ist, desto geringer sind die
  200. Anforderungen an die besonderen Umstände, die die Wettbewerbswidrigkeit
  201. begründen (vgl. BGH, Urt. v. 15.6.2000 - I ZR 90/98, GRUR 2001, 251, 253 =
  202. WRP 2001, 153 - Messerkennzeichnung, m.w.N.).
  203. b) Das Berufungsgericht hat auch zutreffend angenommen, daß der
  204. Pollerleuchte der Klägerin "SR III" (früher "SR I") wettbewerbliche Eigenart zukommt.
  205. Eine solche wettbewerbliche Eigenart setzt voraus, daß die konkrete
  206. Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die
  207. interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 8.11.2001
  208. - I ZR 199/99, WRP 2002, 207, 209 - Noppenbahnen, m.w.N.).
  209. - 16 -
  210. Das Berufungsgericht hat die wettbewerbliche Eigenart der Pollerleuchte
  211. in der besonderen Kombination ihrer Gestaltungselemente gesehen. Im Ergebnis ist diese Beurteilung zutreffend; sie wird insoweit von der Revision auch
  212. nicht angegriffen. Das Berufungsgericht hat jedoch bei seiner Begründung die
  213. Merkmale, die der Pollerleuchte der Klägerin wettbewerbliche Eigenart verleihen, nicht vollständig herausgearbeitet. Es hat insbesondere wesentliche
  214. Merkmale nicht berücksichtigt, in denen sich die Pollerleuchte der Klägerin von
  215. der angegriffenen Außenleuchte "Typ
  216. " unterscheidet. Diesem Versäumnis
  217. entspricht die unzutreffende Annahme des Berufungsgerichts, bei der Straßenleuchte "Typ
  218. " sei der Leuchtenkopf der Pollerleuchte der Klägerin nahe-
  219. zu identisch übernommen.
  220. Die Pollerleuchte ist dadurch gekennzeichnet, daß die verletzliche
  221. Leuchtröhre in eine betont feste, formgeschlossene Struktur eingefügt ist. Die
  222. Leuchtröhre erwächst aus dem rohrförmigen Pollerschaft als dessen Fortsetzung, ist aber von diesem klar abgesetzt durch einen etwas hervortretenden
  223. Metallring, dem am oberen Ende der Leuchtröhre eine runde Metallkappe entspricht. Sie hat dementsprechend eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Versandrolle für Plakate mit zwei aufgesetzten Abschlußkappen. Nach rückwärts wird
  224. die Leuchtröhre - etwas abgesetzt - konzentrisch von einem halbzylinderförmigen Blendsegel aus dünnerem Blech umfangen. Die konzentrisch um die
  225. Leuchtröhre herumführenden beiden Halterungen dieses Blendsegels setzen
  226. jeweils radial an der oberen Abschlußkappe der Leuchtröhre und dem diese
  227. nach unten einfassenden Metallring an, wodurch die Leuchtröhre optisch eine
  228. massive Metallfassung erhält, die sie in ihrer Funktion als technisch wichtigster
  229. Teil des Leuchtenkopfes heraushebt. Die Metallteile des Leuchtenkopfes der
  230. Pollerleuchte formen so eine straffe Struktur, in der die Leuchtröhre - wie in
  231. - 17 -
  232. einem geöffneten Futteral - zugleich präsentiert und geschützt wird. Leuchtenkopf und Standrohr der Pollerleuchte bilden infolge der konsequenten Beschränkung auf schlichte Zylinderformen eine Einheit als Leuchtstab, die im
  233. Gesamteindruck Assoziationen an eine Fackel oder ein Streichholz hervorruft.
  234. c) Das Berufungsgericht hat - von der Revision nicht angegriffen - festgestellt, daß die Pollerleuchte der Klägerin im Verkehr bereits bekannt war, als
  235. die Beklagte ihre Außenleuchte "Typ
  236. " auf den Markt brachte.
  237. d) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sind aber die besonderen Merkmale, die der Pollerleuchte der Klägerin wettbewerbliche Eigenart geben, bei der angegriffenen Straßenleuchte der Beklagten "Typ
  238. " nicht in einer
  239. Weise übernommen, daß eine noch relevante Herkunftstäuschung in Betracht
  240. kommen könnte. Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend dargelegt, daß sich
  241. die Beurteilung der Ähnlichkeit der beiderseitigen Erzeugnisse auf deren Gesamtwirkung beziehen muß (vgl. BGH, Urt. v. 7.11.1980 - I ZR 57/78, GRUR
  242. 1981, 273, 275 - Leuchtenglas). Seine Annahme, daß die beanstandete Außenleuchte der Beklagten auch bei dieser Betrachtungsweise als Ausführung
  243. der Pollerleuchte der Klägerin in der "hohen" Version einer Straßen- oder W egeleuchte erscheine, beruht aber - wie die Revision zu Recht rügt - auf einem
  244. unzureichenden Vergleich der einander gegenüberstehenden Gestaltungen.
  245. (1) Das Berufungsgericht hat es unterlassen, die Besonderheiten der
  246. Gestaltung der Außenleuchte der Beklagten als solche zu erfassen. Seine Beurteilung, die Leuchte der Beklagten habe die Gestaltungsmerkmale des
  247. Leuchtenkopfes der Pollerleuchte "SR III" nahezu identisch übernommen, ist
  248. dementsprechend unzutreffend.
  249. - 18 -
  250. Die Straßenleuchte "Typ
  251. " weist im Leuchtenkopf eine senkrecht ge-
  252. stellte Leuchtröhre aus satiniertem Glas auf, die oben durch eine Metallkappe
  253. geschützt ist. Die Glasröhre steht zumindest optisch frei vor einem etwas längeren Blendsegel aus dünnerem Blech, das sie als Halbzylinder umgreift. An
  254. ihrem unteren Ende erscheint die Glasröhre nicht abgeschlossen, sondern wie
  255. locker über zwei ineinandergesteckte Metallbänder gestülpt. Eine verbindende
  256. Metallstruktur, in die Blendsegel und Leuchtröhre eingebunden wären, fehlt.
  257. Vielmehr erinnert der Leuchtenkopf an lose ineinandergelegte Papierrollen,
  258. hinter deren rückwärtige Hälfte etwas abgesetzt ein ebenso gebogenes Blatt
  259. gestellt ist.
  260. Der Leuchtenkopf der Straßenleuchte "Typ
  261. " ist freistehend auf einem
  262. rechtwinkligen Träger befestigt, der an einem Mast angebracht ist. In der Mitte
  263. des Mastes verläuft ein Rechteckrohr (Maß 80 x 50 x 4), flankiert jeweils von
  264. L-Profilen (Maße 80 x 40 x 4), wodurch in der Vorderansicht der Eindruck dreier rechtwinkliger Stäbe entsteht. Diese sind im oberen Teil nur durch einzelne
  265. Querstreben miteinander verbunden und werden erst im Sockelbereich zusammengeführt. Sie sind aber auch hier noch als einzelne Gestaltungselemente unterscheidbar. Im Gesamteindruck wird die Straßenleuchte "Typ
  266. "
  267. damit geprägt durch eine Zusammenstellung zylindrischer (beim Leuchtenkopf)
  268. und rechtwinkliger Formen (beim Leuchtenmast). Der rechtwinklig ausgebildete
  269. Mast ist unverhüllt bloßer Träger des rund gestalteten Leuchtenkopfes, der vor
  270. ihn gestellt ist. In der Vorderansicht sind Leuchtenkopf und Mast dadurch aufeinander bezogen, daß beide in etwa dieselbe Breite aufweisen, sowie dadurch, daß die Leuchtröhre und die beiden Kanten des dahinter gestellten
  271. - 19 -
  272. Metallsegels im Mast optisch nach unten fortgesetzt werden durch das mittige
  273. Rechteckrohr und die daneben verlaufenden beiden L-Profile.
  274. (2) Die Übereinstimmungen zwischen der Pollerleuchte "SR III" und der
  275. Straßenleuchte "Typ
  276. " beschränken sich auf bestimmte Grundelemente. Bei-
  277. de Leuchten haben senkrecht gestellte zylindrische Leuchtenköpfe aus satiniertem Glas, die rückwärts von einem halbrunden Reflektorsegel und nach
  278. oben hin durch eine Metallkappe geschützt sind. Aus der Vorderansicht entspricht bei beiden Leuchten die Breite des Leuchtenkopfes im wesentlichen der
  279. des Trägers. Der Leuchtenkopf wird dabei durch seine geringfügig breitere
  280. Ausgestaltung etwas hervorgehoben.
  281. (3) Der Gesamteindruck der Leuchten ist jedoch sehr verschieden. Davon, daß die Straßenleuchte "Typ
  282. " als "hohe" Version der Pollerleuchte
  283. "SR III" erscheint, kann - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - keine
  284. Rede sein.
  285. Die unzutreffende Beurteilung des Berufungsgerichts beruht nicht nur
  286. auf der unrichtigen Annahme, daß die Leuchtenköpfe der beiden Leuchten nahezu identisch seien, sondern auch auf einer rechtsfehlerhaften Beurteilung
  287. der
  288. Übereinstimmungen der beiden Leuchten allein aus dem Blickwinkel der Vorderansicht. Maßgebend für die Beurteilung von Übereinstimmungen ist der jeweilige Gesamteindruck, den die verschiedenen Erzeugnisse bei ihrer bestimmungsgemäßen Benutzung dem Betrachter vermitteln. Außenleuchten wie die
  289. Pollerleuchte "SR III" und die Straßenleuchte "Typ
  290. " werden jedoch nicht nur
  291. aus einem einzigen Blickwinkel, sondern - etwa im Vorbeigehen - aus ganz
  292. - 20 -
  293. verschiedenen Blickrichtungen wahrgenommen. Danach wird jedoch unübersehbar, daß die Leuchten sehr unterschiedlich gestaltet sind. Der geschlossenen Form der Pollerleuchte "SR III", bei der die Leuchtröhre aus einem Standrohr erwächst und wie in einem Futteral präsentiert wird, stehen bei der Straßenleuchte "Typ
  294. " geöffnete Formen gegenüber. Leuchtröhre und Blendsegel
  295. sind nicht nur voneinander, sondern auch vom Träger abgesetzt. Der Träger
  296. selbst ist aus der Vorderansicht in drei Streben gegliedert, aus der Seitenansicht ein schlichtes rechtwinkliges Metallstück mit vorstehendem, ebenfalls
  297. rechtwinkligem L-Träger als Stütze für den freistehenden Leuchtenkopf. Der
  298. unbefangene Betrachter kann keinen übereinstimmenden Gesamteindruck
  299. feststellen, sondern nur Gemeinsamkeiten in praktischen Grundgegebenheiten.
  300. Zu diesen gehört insbesondere der Gedanke, bei einer Außenleuchte eine
  301. hochkant gestellte Leuchtröhre zu verwenden und mit einem halbrunden, konzentrisch angeordneten Metallsegel zu versehen, das diese einerseits schützen und andererseits den Lichtaustritt lenken soll. Dabei erfüllt das Blendsegel,
  302. wie das Berufungsgericht festgestellt hat, auch eine praktische Funktion als
  303. Blendschutz, wie er unter Umständen von Straßenanwohnern als Schutz vor
  304. unerwünschten Lichteinwirkungen gefordert wird.
  305. Es kann unterstellt werden, daß der Gedanke, eine Außenleuchte mit e iner senkrecht gestellten Leuchtröhre auszustatten und mit einem halbrunden
  306. Blendsegel zu versehen, zuerst bei der Pollerleuchte "SR III" verwirklicht wurde
  307. und deshalb Betrachter, denen die Pollerleuchte bekannt ist, bei der Straßenleuchte "Typ
  308. " an diese erinnert werden. Dies ist jedoch von der Klägerin
  309. selbst dann hinzunehmen, wenn damit im Einzelfall eine Herkunftstäuschung
  310. verbunden sein sollte (vgl. dazu auch BGH WRP 2002, 207, 210 - Noppenbahnen). Andernfalls würde sich der ergänzende Leistungsschutz aus § 1
  311. - 21 -
  312. UWG nicht mehr auf den Schutz des konkreten wettbewerblich eigenartigen
  313. Erzeugnisses beschränken. Es würde vielmehr Schutz gewährt werden für eine
  314. gestalterische und praktische Grundidee, die einem Sonderschutz nicht zugänglich wäre.
  315. e) Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, daß das Berufungsgericht den subjektiven Unlauterkeitstatbestand, dessen Vorliegen Voraussetzung für die Zuerkennung von Ansprüchen aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz ist (vgl. BGHZ 117, 115, 117 f. - Pullovermuster, m.w.N.), verfahrensfehlerhaft festgestellt hat. Die Revision rügt insoweit
  316. zu Recht, daß das Berufungsgericht nicht den angebotenen Zeugenbeweis zu
  317. der Behauptung der Beklagten erhoben hat, die Straßenleuchte "Typ
  318. " sei
  319. nicht nur in Unkenntnis der Pollerleuchte "SR III", sondern sogar vor der Anmeldung der entsprechenden Geschmacksmuster der Klägerin geschaffen und
  320. interessierten Unternehmen vorgestellt worden.
  321. 2. Das Berufungsgericht wird nunmehr zu prüfen haben, ob die Klägerin
  322. ihre Klage auf ihr deutsches Geschmacksmuster Nr. M 97 03 572.6 und ihr internationales
  323. Geschmacksmuster
  324. Nr. DM/041 326
  325. stützen
  326. kann
  327. (§ 14a
  328. GeschmMG).
  329. III. Auf die Revision der Beklagten war danach das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch
  330. über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
  331. Erdmann
  332. v. Ungern-Sternberg
  333. Bornkamm
  334. - 22 -
  335. Pokrant
  336. Büscher