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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. I ZR 228/12
  4. vom
  5. 18. Dezember 2014
  6. in dem Rechtsstreit
  7. -2-
  8. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Dezember 2014 durch
  9. den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Schaffert,
  10. Dr. Koch, Dr. Löffler und die Richterin Dr. Schwonke
  11. beschlossen:
  12. Die Anhörungsrüge gegen das Senatsurteil vom 18. September
  13. 2014 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
  14. Gründe:
  15. 1
  16. Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge der Beklagten ist nicht begründet. Zu Unrecht meint die Anhörungsrüge, das Senatsurteil stelle sich als eine das rechtliche Gehör der Beklagten
  17. verletzende Überraschungsentscheidung dar.
  18. 2
  19. I. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) gewährleistet
  20. das Recht der Verfahrensbeteiligten, vor einer gerichtlichen Entscheidung, die
  21. ihre Rechte betrifft, zu Wort zu kommen, um Einfluss auf das Verfahren und
  22. sein Ergebnis nehmen zu können (BVerfGE 84, 188, 190). Auf einen Gesichtspunkt, mit dem ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem
  23. bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen braucht, darf das Gericht ohne vorherigen Hinweis oder Erörterung mit den Parteien nicht abstellen (BVerfGE 86,
  24. 133, 144; BVerfGE 98, 218, 263). Das Gericht ist nach Art. 103 Abs. 1 GG allerdings grundsätzlich nicht verpflichtet, vor einer Entscheidung auf seine
  25. Rechtsauffassung hinzuweisen (BVerfGE 74, 1, 6; 84, 188, 190). Die Partei hat
  26. -3-
  27. auch keinen Anspruch darauf, dass das Gericht sich in dem von ihr für richtig
  28. erachteten Sinn mit ihrem Vorbringen befasst (BGH, Beschluss vom 3. April
  29. 2014 - I ZR 237/12, MarkenR 2014, 343 Rn. 2 - BAVARIA).
  30. 3
  31. II. Eine Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs liegt nicht vor.
  32. 4
  33. 1. Entgegen der Meinung der Anhörungsrüge liegt keine das rechtliche
  34. Gehör der Beklagten verletzende Überraschungsentscheidung darin, dass der
  35. Senat zu der Auffassung gelangt ist, eine gesteigerte Kennzeichnungskraft
  36. einer abstrakten Farbmarke sei nicht notwendige Voraussetzung für die Annahme einer markenmäßigen Verwendung des angegriffenen Farbtons. Für
  37. einen gewissenhaften und kundigen Prozessbeteiligten war erkennbar, dass es
  38. sich bei der Frage der markenmäßigen Verwendung um eine der zentralen
  39. Rechtsfragen des Verfahrens handelte. Hierzu haben sich die Parteien im gesamten Rechtsstreit umfassend geäußert. Der Senat war deshalb nicht gehalten, die Beklagte auf diesen Gesichtspunkt und die Bedeutung einer normalen
  40. Kennzeichnungskraft der Klagemarke für die Annahme einer markenmäßigen
  41. Benutzung der beanstandeten Benutzungsformen ausdrücklich hinzuweisen.
  42. 5
  43. a) Das Berufungsgericht hat die Farbmarke Gelb der Klägerin als jedenfalls normal kennzeichnungskräftig angesehen. Auf der Grundlage normaler
  44. Kennzeichnungskraft der Klagemarke hat es eine markenmäßige Verwendung
  45. der gelben Farbe in den angegriffenen Verwendungsformen der Beklagten bejaht. Dabei hat es maßgeblich auf die Verkehrsauffassung abgestellt, die durch
  46. die Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem in Rede stehenden Markt der
  47. Sprachlernprodukte und die Verwendung des gelben Farbtons durch die Beklagte in Art einer Hausfarbe bestimmt wird. Dem Umstand, dass es keine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Klagemarke festgestellt hat, hat das Beru-
  48. -4-
  49. fungsgericht dagegen keine streitentscheidende Bedeutung beigemessen. Danach musste die Beklagte im Revisionsverfahren von sich aus in die Beurteilung einbeziehen, dass auch ohne gesteigerte Kennzeichnungskraft der Klagemarke eine markenmäßige Verwendung der angegriffenen Benutzungsformen
  50. in Betracht kam. Für dieses Ergebnis spricht weiter, dass die Frage der Maßgeblichkeit der Verkehrsauffassung und der sie beeinflussenden Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem in Rede stehenden Markt für die Beurteilung der
  51. markenmäßigen Verwendung aufgrund der Rechtsprechung des Gerichtshofs
  52. der Europäischen Union und des Senats zu den maßgeblichen Grundsätzen
  53. gehört (vgl. EuGH, Urteil vom 25. Januar 2007 - C-48/05, GRUR 2007, 318
  54. Rn. 23 = WRP 2007, 299 - Opel/Autec; vgl. zu Art. 3 Abs. 3 auch EuGH, Urteil
  55. vom 6. Mai 2003 - C-104/01, Slg. 2003, I-3793 = GRUR 2003, 604 Rn. 62
  56. - Libertel; BGH, Urteil vom 4. September 2003 - I ZR 23/01, BGHZ 156, 126,
  57. 136 f. - Farbmarkenverletzung I), die die Beteiligten eines Rechtsstreits von sich
  58. aus in ihre Beurteilung einbeziehen müssen. Hiervon ausgehend haben die
  59. Parteien im Nichtzulassungsbeschwerde- und Revisionsverfahren zu der Bedeutung der Kennzeichnungskraft der abstrakten Farbmarke im Zusammenhang mit der Frage der markenmäßigen Verwendung des angegriffenen Farbtons kontrovers vorgetragen. Die Beklagte konnte angesichts der bisherigen
  60. Rechtsprechung des Senats nicht sicher davon ausgehen, dass eine markenmäßige Verwendung der angegriffenen Farbe nur in Betracht kommt, wenn die
  61. Klagemarke über gesteigerte Kennzeichnungskraft verfügt.
  62. 6
  63. b) Im Übrigen ist die Frage, ob die kennzeichenmäßige Verwendung der
  64. Farbe Gelb in den beanstandeten Verwendungsformen eine gesteigerte Kennzeichnungskraft voraussetzt, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen
  65. Verhandlung vor dem Senat gewesen. Der Senatsvorsitzende hat bei der Einführung in den Sach- und Streitstand in der mündlichen Verhandlung vor dem
  66. Senat die Frage aufgeworfen, ob die Annahme einer markenmäßigen Verwen-
  67. -5-
  68. dung des angegriffenen gelben Farbtons zwingend voraussetzt, dass die Klagemarke über gesteigerte Kennzeichnungskraft verfügt, oder ob die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zu den Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem betroffenen Warensektor auch bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft die Annahme einer markenmäßigen Verwendung der Farbe Gelb auf
  69. Seiten der Beklagten rechtfertigen können. Dabei sind auch Gegenstand der
  70. Erörterung die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gewesen,
  71. die Verkehrsgewohnheiten bei zweisprachigen Wörterbüchern strahlten auf den
  72. Markt der Sprachlernsoftware aus und die Beklagte habe die Farbe Gelb als
  73. Wiedererkennungszeichen verwendet. Hierzu haben sich die Parteien in der
  74. mündlichen Verhandlung äußern können und haben dies auch getan.
  75. 7
  76. 2. Die Anhörungsrüge macht ohne Erfolg geltend, auch die Entscheidung, das markenrechtliche Verletzungsverfahren nicht bis zum Abschluss des
  77. beim Senat anhängigen Löschungsverfahrens (I ZB 61/13) auszusetzen, sei
  78. überraschend und verletze den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs.
  79. 8
  80. a) Die mit dem Ziel der Fortführung des Verfahrens eingelegte Anhörungsrüge kann mit dieser Begründung schon deshalb keinen Erfolg haben,
  81. weil damit eine Entscheidung des Senates herbeigeführt werden soll, mit der
  82. das vorliegende Verfahren gemäß § 148 ZPO bis zur Erledigung des Löschungsverfahrens ausgesetzt wird. Das Löschungsverfahren ist zwischenzeitlich durch den die Rechtsbeschwerde der Beklagten zurückweisenden Beschluss des Senates vom 23. Oktober 2014 (I ZB 61/13 - Langenscheidt Gelb)
  83. beendet worden. Damit fehlt es an einem anderen anhängigen Verfahren, das
  84. Voraussetzung für eine Aussetzungsanordnung im vorliegenden Rechtsstreit
  85. wäre.
  86. -6-
  87. 9
  88. b) Im Übrigen liegt ein entscheidungserheblicher Gehörsverstoß nicht darin, dass der Senat die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union
  89. "Sparkassen-Rot" (Urteil vom 19. Juni 2014 - C-217/13 und C-218/13, GRUR
  90. 2014, 776 = WRP 2014, 940 - Deutscher Sparkassen- und Giroverband/Banco
  91. Santander) nicht zum Anlass genommen hat, den vorliegenden Rechtsstreit bis
  92. zur rechtskräftigen Entscheidung über den Löschungsantrag auszusetzen.
  93. 10
  94. Voraussetzung für eine Verfahrensaussetzung nach § 148 ZPO ist, dass
  95. eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Löschung der Marke im registerrechtlichen Verfahren besteht, die die mit der Aussetzung verbundene Prozessverzögerung rechtfertigt (vgl. BGH, Urteil vom 28. August 2003 - I ZR 257/00, BGHZ
  96. 156, 112, 119 - Kinder I). Eine solche überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine
  97. Löschungsentscheidung hat der Senat nicht feststellen können. Darauf, dass
  98. die Beklagte insoweit einen anderen Rechtsstandpunkt vertritt, kommt es nicht
  99. -7-
  100. an. Das Verfahren der Anhörungsrüge nach § 321a ZPO dient nicht dazu, die
  101. Senatsentscheidung nochmals inhaltlich zur Überprüfung zu stellen oder einer
  102. Partei die Möglichkeit zu eröffnen, mit dem Senat nach dessen Entscheidung
  103. ihren gegenteiligen Rechtsstandpunkt zu diskutieren.
  104. Büscher
  105. Schaffert
  106. Löffler
  107. Koch
  108. Schwonke
  109. Vorinstanzen:
  110. LG Köln, Entscheidung vom 19.01.2012 - 31 O 352/11 OLG Köln, Entscheidung vom 09.11.2012 - 6 U 38/12 -