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20 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. BLw 2/15
  4. vom
  5. 29. April 2016
  6. in der Landwirtschaftssache
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. LPachtVG § 4 Abs. 1 Nr. 1
  14. Unterliegt ein nach § 2 Abs. 1 GrdstVG genehmigungsbedürftiger Verkauf eines landwirtschaftlichen Grundstücks dem siedlungsrechtlichen Vorkaufsrecht (§ 4 Abs. 1 RSG), stellt die gleichzeitige oder in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Kaufgeschäft vorgenommene Verpachtung des Grundstücks von dem Verkäufer an den Käufer eine ungesunde Verteilung der
  15. Bodennutzung im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 LPachtVG dar.
  16. LPachtVG § 8 Abs. 1 Satz 1
  17. Das Landwirtschaftsgericht hat in den Beanstandungsverfahren nach §§ 7, 8 LPachtVG den zu
  18. einer ungesunden Verteilung der Bodennutzung führenden Landpachtvertrag nach § 8 Abs. 1
  19. Satz 1 LPachtVG auch dann aufzuheben, wenn der Vertrag seiner Ansicht nach nicht wirksam
  20. zustande gekommen oder nichtig ist.
  21. BGH, Beschluss vom 29. April 2016 - BLw 2/15 - OLG Zweibrücken
  22. AG Wittlich
  23. ECLI:DE:BGH:2016:290416BBLW2.15.0
  24. -2-
  25. Der Bundesgerichtshof, Senat für Landwirtschaftssachen, hat am 29. April 2016
  26. durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Czub, die
  27. Richterin Dr. Brückner sowie die ehrenamtlichen Richter Kees und Karle
  28. beschlossen:
  29. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss vom 5. Januar 2015
  30. des 4. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Landwirtschaftssenat wird auf Kosten der Beteiligten zu 1
  31. zurückgewiesen.
  32. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
  33. 10.000 €.
  34. Gründe:
  35. I.
  36. 1
  37. Mit notariellem Vertrag vom 2. August 2013 verkauften die Beteiligte zu 2
  38. und ihr zwischenzeitlich verstorbener Ehemann (Verkäufer) mehrere landwirtschaftliche Grundstücke an die Beteiligte zu 1 und deren Ehemann (Käufer) zu
  39. einem Kaufpreis von 31.726,50 €. Die Verkäufer traten in dem Vertrag zugleich
  40. ihren Anspruch auf Landabfindung an dem in einem Flurbereinigungsverfahren
  41. anstelle der verkauften Grundstücke neu gebildeten Grundstück (Abfindungsgrundstück) ab.
  42. 2
  43. Im anschließenden Verfahren auf Erteilung der Genehmigung nach dem
  44. Grundstückverkehrsgesetz meldete ein landwirtschaftliches Unternehmen Interesse an dem Erwerb des verkauften Grundstücks an, wovon die Beteiligte zu 3
  45. -3-
  46. (Genehmigungsbehörde) die Käufer am 21. August 2013 unterrichtete. Mit
  47. schriftlichem Vertrag vom 26. August 2013 verpachtete der Ehemann der Käuferin das Abfindungsgrundstück für neun Jahre (vom 1. November 2013 bis
  48. zum 1. November 2022) zu einer Jahrespacht von 1.057,55 € an die Verkäufer.
  49. Ende September 2013 teilte die Behörde dem Notar mit, dass sich die Genehmigungsfrist wegen der herbeizuführenden Erklärung über die Ausübung des
  50. Vorkaufsrechts auf drei Monate verlängere.
  51. 3
  52. Mit schriftlichem Vertrag vom 4. Oktober 2013 verpachteten die Verkäufer das Abfindungsgrundstück an die Käuferin zu einer jährlichen Pacht von
  53. 500 € für die Dauer von dreißig Jahren (bis zum 1. November 2043).
  54. 4
  55. Mit notariellem Vertrag vom 7. Oktober 2013 hoben die Vertragsparteien
  56. den Grundstückskaufvertrag vom 2. August 2013 auf und beantragten die Löschung der bereits eingetragenen Auflassungsvormerkung. Am gleichen Tag
  57. schlossen die Verkäufer mit der Käuferin einen neuen Kaufvertrag über dieselben Grundstücke zum gleichen Preis und ebenfalls unter Abtretung des Anspruchs auf das Abfindungsgrundstück. In dem Kaufvertrag wurde auf den vor
  58. der Beurkundung abgeschlossenen Pachtvertrag hingewiesen und eine Abschrift des Pachtvertrags dem Kaufvertrag als Anlage beigefügt.
  59. 5
  60. Nach Eingang des Antrags auf Genehmigung des neu abgeschlossenen
  61. Kaufvertrags teilte die Behörde mit, dass sich die Frist für deren Erteilung bis
  62. zum 9. Dezember 2013 verlängere und dass sie ein Verfahren zur Beanstandung des dem Kaufvertrag beigefügten Landpachtvertrags eingeleitet habe. Die
  63. Flurbereinigungs- und Siedlungsbehörde zeigte der Genehmigungsbehörde
  64. Anfang November 2013 die Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts
  65. an. Mit Bescheid vom 13. November 2013 teilte die Behörde den Kaufvertragsparteien die Ausübung des Vorkaufsrechts mit; in einem weiteren Bescheid vom
  66. -4-
  67. gleichen Tage beanstandete sie den Pachtvertrag und forderte die Vertragsparteien auf, den Vertrag bis zum 16. Dezember 2013 aufzuheben.
  68. 6
  69. Die Käuferin hat einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung allein wegen
  70. der Beanstandung des Pachtvertrags gestellt. Das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - hat den Vertrag aufgehoben. Das Oberlandesgericht - Landwirtschaftssenat - hat die Beschwerde der Käuferin zurückgewiesen. Mit der
  71. zugelassenen Rechtsbeschwerde will diese unter Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen die Feststellung erreichen, dass der Landpachtvertrag
  72. vom 4. Oktober 2013 nicht zu beanstanden sei.
  73. II.
  74. 7
  75. Das Beschwerdegericht (dessen Entscheidung in RdL 2015, 102 ff. veröffentlicht ist) meint, der Landpachtvertrag sei schon deswegen zu beanstanden, weil er in Widerspruch zu Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur
  76. stehe. Der tatsächliche Ablauf belege zweifelsfrei, dass der Pachtvertrag nur
  77. abgeschlossen worden sei, um die Siedlungsbehörde von der Ausübung des
  78. Vorkaufsrechts abzuhalten bzw. um die in diesem Falle eintretenden Rechtsfolgen wirtschaftlich zu unterlaufen. Der Berechtigung zur Beanstandung stehe
  79. weder die Möglichkeit zur Kündigung des Pachtvertrags nach § 7 RSGErgG
  80. noch die mögliche Nichtigkeit des Pachtvertrags nach § 138 Abs. 1 BGB wegen
  81. der mit dem Pachtvertrag bezweckten Umgehung des Vorkaufsrechts entgegen.
  82. III.
  83. 8
  84. Das hält rechtlicher Prüfung stand. Die statthafte (§ 9 LwVG i.V.m. § 70
  85. Abs. 1 FamFG) und im Übrigen (§ 71 Abs. 1 FamFG) zulässige Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.
  86. -5-
  87. 9
  88. 1. Das Beschwerdegericht war berechtigt, die Begründung der Beanstandung der Behörde durch eine eigene zu ersetzen. Die Behörde - wie auch das
  89. Landwirtschaftsgericht - haben die Beanstandung darauf gestützt, dass der
  90. Pachtvertrag deswegen zu einer ungesunden Verteilung der Bodennutzung führe (Beanstandungsgrund nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LPachtVG), weil die Pächterin keine Nebenerwerbslandwirtin im Sinne des § 4 Abs. 3 LPachtVG sei. Das
  91. Beschwerdegericht erachtet die Beanstandung unabhängig davon für begründet.
  92. 10
  93. Eine von der Entscheidung der Behörde abweichende Begründung der
  94. gerichtlichen Entscheidung ist zulässig, weil das Landwirtschaftsgericht in dem
  95. Verfahren über die Aufhebung des Landpachtvertrags nach § 8 LPachtVG nicht
  96. an die tatsächliche und rechtliche Beurteilung des Sachverhalts durch die für
  97. die Kontrolle von Landpachtverträgen zuständige Behörde gebunden ist. Das
  98. Landwirtschaftsgericht kann einen Landpachtvertrag aus einem Grunde beanstanden, den die zuständige Behörde nicht berücksichtigt hat (BT-Drucks.
  99. 10/508, S. 11; Hötzel in Faßbender/Hötzel/Lukanow, Landpachtrecht, 3. Aufl.,
  100. § 8 Rn. 13; Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, Landpachtrecht, 4. Aufl., § 8
  101. LPachtVG Rn. 6).
  102. 11
  103. 2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist auch in der Sache
  104. rechtsfehlerfrei. Der Landpachtvertrag vom 4. Oktober 2013 ist zu Recht von
  105. der Beteiligten zu 3 beanstandet und von dem Landwirtschaftsgericht aufgehoben worden.
  106. 12
  107. a) Ein Landpachtvertrag nach § 585 BGB ist zu beanstanden, wenn die
  108. Verpachtung eine ungesunde Verteilung der Bodennutzung bedeutet (§ 4
  109. Abs. 1 Nr. 1 LPachtVG). Diese liegt in der Regel dann vor, wenn die Verpachtung Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur widerspricht (§ 4 Abs. 2
  110. LPachtVG).
  111. -6-
  112. 13
  113. aa) Der Beanstandungsgrund der ungesunden Verteilung der Bodennutzung entspricht inhaltlich dem für eine Versagung der Genehmigung in § 9
  114. Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG. Die Vorschriften über die Beanstandungsgründe in § 4
  115. Abs. 1 und der Auslegungsgrundsatz in § 4 Abs. 2 LPachtVG sind den Bestimmungen in § 9 Abs. 1 u. 2 GrdstVG nachgebildet worden (BT-Drucks. 10/508,
  116. S. 9). Das gesetzliche Instrument der Beanstandung solcher Pachtverträge
  117. dient der Abwehr im agrarstrukturellen Interesse unerwünschter Verpachtungen
  118. (Senat, Beschluss vom 3. Juni 1976 - V BLw 17/75, AgrarR 1976, 317, 318
  119. - noch zu der § 4 Abs. 1 Nr. 1 LPachtVG entsprechenden Bestimmung in § 5
  120. Abs. 1 Buchstabe d des Landpachtgesetzes).
  121. 14
  122. Danach liegt eine ungesunde Verteilung der Bodennutzung in der Regel
  123. vor, wenn sich aus bestimmten Tatsachen ergibt, dass die Verpachtung bereits
  124. unternommenen oder von den zuständigen staatlichen Stellen beabsichtigten
  125. konkreten Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur widerspricht. Liegen
  126. solche Maßnahmen nicht vor, kann die Verpachtung trotzdem ausnahmsweise
  127. eine ungesunde Verteilung der Bodennutzung bedeuten. Es müssen dann aber
  128. wenigstens nachteilige Auswirkungen auf die Agrarstruktur erkennbar sein. Eine
  129. solche Annahme ist nur im Rahmen der allgemeinen Zielsetzung des Gesetzes
  130. und der in den einzelnen Vorschriften zum Ausdruck kommenden Grundgedanken gerechtfertigt (BVerfG, RdL 1967, 92, 94; Senat, Beschluss vom
  131. 11. November 1976 - V BLw 6/76, BGHZ 67, 330, 331).
  132. 15
  133. bb) Vor diesem Hintergrund stellt sich die Entscheidung des Beschwerdegerichts als richtig dar. Unterliegt ein nach § 2 Abs. 1 GrdstVG genehmigungsbedürftiger Verkauf eines landwirtschaftlichen Grundstücks dem
  134. siedlungsrechtlichen Vorkaufsrecht (§ 4 Abs. 1 RSG), stellt die gleichzeitige
  135. oder in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Kaufgeschäft vorgenommene Verpachtung des Grundstücks von dem Verkäufer an den Käufer eine unge-
  136. -7-
  137. sunde Verteilung der Bodennutzung im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 LPachtVG
  138. dar. Dies gilt auch dann, wenn der Pächter ein Haupterwerbs- oder ein Nebenerwerbslandwirt ist, der nach § 4 Abs. 3 LPachtVG einem Haupterwerbslandwirt
  139. gleichsteht. Solche Verpachtungen sind agrarstrukturell unerwünscht, weil sie
  140. die Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts vereiteln oder erschweren.
  141. 16
  142. (1) Dass dies der Zweck einer derartigen Verpachtung ist, ergibt sich daraus, dass der Pachtvertrag zwischen dem Verkäufer und dem Käufer nur dann
  143. Bedeutung erlangt, wenn nicht der Käufer, sondern ein Dritter Eigentümer des
  144. landwirtschaftlichen Grundstücks wird. Erwirbt nämlich der Käufer das Eigentum, so erlischt das Pachtverhältnis insgesamt durch Konfusion (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2010 - VIII ZR 189/09, NJW-RR 2010, 1237 Rn. 18), weil sich
  145. dann alle vertraglichen Rechte und Verpflichtungen in einer Person vereinigen
  146. und „niemand sein eigener Schuldner sein kann“ (BGH, Urteil vom 1. Juni 1967
  147. - II ZR 150/66, BGHZ 48, 214, 218; Urteil vom 11. Dezember 1981
  148. - V ZR 222/80, NJW 1982, 2381, 2382).
  149. 17
  150. (2) Ein Landpachtvertrag, der nur für das Siedlungsunternehmen und für
  151. den Erwerber, an den das Grundstück weiter veräußert werden soll, Bedeutung
  152. erlangt, steht dem mit dem Versagungsgrund nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG
  153. verfolgten agrarstrukturellen Zweck entgegen. Zugleich wird das mit der Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 4 RSG verfolgte Ziel durch den Pachtvertrag
  154. unterlaufen.
  155. 18
  156. (a) Nach dem Zweck des Versagungsgrunds in § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG
  157. soll der vorhandene landwirtschaftliche Grundbesitz in erster Linie den Landwirten zugutekommen und vorbehalten bleiben, die ihn selbst bewirtschaften (Senat, Beschluss vom 11. Juli 1961 - V BLw 20/60, RdL 1961, 229; Beschluss
  158. vom 26. November 2010 - BLw 14/09, NJW-RR 2011, 521 Rn. 10; Beschluss
  159. -8-
  160. vom 28. November 2014 - BLw 2/14, NJW-RR 2015, 553 Rn. 19). Das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht ist ein positives Lenkungsmittel zur Verbesserung
  161. der Agrarstruktur, mit dessen Hilfe Land in die Hände aufstockungswürdiger
  162. oder ansiedlungswilliger Landwirte gelangen soll (Senat, Beschluss vom 9. Mai
  163. 1985 - BLw 9/84, BGHZ 94, 299, 304). Das Siedlungsunternehmen wird durch
  164. das Vorkaufsrecht in die Lage versetzt, für diesen Zweck landwirtschaftliche
  165. Grundstücke
  166. zu
  167. erwerben
  168. (Senat,
  169. Beschluss
  170. vom
  171. 31.
  172. Januar
  173. 1967
  174. - V BLw 32/66, RdL 1967, 97, 98; Beschluss vom 11. November 1976
  175. - V BLw 6/76, BGHZ 67, 330, 332; vgl. auch Beschluss vom 13. Dezember
  176. 1991 - BLw 8/91, BGHZ 116, 348, 351).
  177. 19
  178. (b) Die Verpachtung eines verkauften landwirtschaftlichen Grundstücks
  179. durch den Verkäufer an den Käufer läuft dem von dem Grundstückverkehrsgesetz verfolgten agrarstrukturellen Ziel zuwider, indem sie jeden anderen
  180. Erwerber des Grundstücks auf Grund des gesetzlichen Eintritts in den Pachtvertrag (§ 593b, § 566 Abs. 1 BGB) - jedenfalls für die Dauer der Pachtzeit von einer Selbstbewirtschaftung der erworbenen Flächen ausschließt. Die Verpachtung des verkauften Grundstücks an den Käufer verhindert damit zugleich
  181. das mit der Ausübung des Vorkaufsrechts durch das Siedlungsunternehmen
  182. nach § 4 Abs. 1 RSG regelmäßig verfolgte agrarstrukturelle Ziel, das mit Hilfe
  183. staatlicher Mittel erworbene Grundstück einem aufstockungsbedürftigen oder
  184. ansiedlungswilligen Landwirt zwecks Schaffung oder Verbesserung seiner auf
  185. Landwirtschaft gegründeten Existenz zur Bewirtschaftung zu übertragen.
  186. 20
  187. (c) (aa) Vor diesem Hintergrund kommt es auch dann zu einer ungesunden Verteilung der Bodennutzung, wenn der Pächter ein Haupterwerbs- oder
  188. - wie hier geltend gemacht - ein Nebenerwerbslandwirt ist, der wegen Vorliegens der in § 4 Abs. 3 LPachtVG bestimmten Voraussetzungen einem Haupterwerbslandwirt gleichsteht. Ob die Verpachtung eine ungesunde Verteilung der
  189. -9-
  190. Bodennutzung bedeutet, ist nicht - wie die Rechtsbeschwerde meint - unabhängig von einem zwischen den Vertragsparteien abgeschlossenen Kaufvertrag
  191. über das verpachtete Grundstück zu entscheiden. Hat sich der bisherige Eigentümer eines landwirtschaftlichen Grundstücks zu einem Verkauf entschlossen,
  192. so unterliegt das Veräußerungsgeschäft den Bestimmungen des Grundstückverkehrs- und des Reichssiedlungsgesetzes, die darauf abzielen, dass das Eigentum an dem Grundstück in die Hände eines Landwirts gelangt, der es selbst
  193. bewirtschaftet.
  194. 21
  195. (bb) Das Erwerbsinteresse des Käufers wird dadurch nicht beeinträchtigt.
  196. Das gilt auch, wenn er ein Nebenerwerbslandwirt ist, was die Beteiligte zu 1 für
  197. sich in Anspruch nimmt. Der Käufer kann in dem Verfahren nach dem Grundstückverkehrsgesetz geltend machen, dass die Genehmigung zu erteilen ist,
  198. weil er das gekaufte Grundstück als Voll- oder Nebenerwerbslandwirt bewirtschaften will. In diesem Verfahren steht nach den geänderten Zielvorstellungen
  199. der Agrarpolitik ein leistungsfähiger Nebenerwerbslandwirt
  200. einem
  201. Voll-
  202. erwerbslandwirt gleich (Senat, Beschluss vom 6. Juli 1990 - BLw 8/88, BGHZ
  203. 112, 86, 90; OLG Brandenburg, NL-BzAR 2012, 234 Rn. 28).
  204. 22
  205. b) Das Beschwerdegericht nimmt schließlich zu Recht an, dass der
  206. Landpachtvertrag unabhängig von einem Kündigungsrecht nach § 7 Abs. 1 des
  207. Gesetzes zur Ergänzung des Reichssiedlungsgesetzes (RSGErgG vom
  208. 4. Januar 1935 - BGBl. III 2331-2) und seiner Unwirksamkeit nach § 138 Abs. 1
  209. BGB von der Behörde nach § 7 LPachtVG beanstandet und von dem Landwirtschaftsgericht in einem Verfahren nach § 1 Nr. 1 LwVG i.V.m. § 8 LPachtVG
  210. aufgehoben werden kann.
  211. 23
  212. aa) Das Sonderkündigungsrecht des Siedlungsunternehmens nach § 7
  213. Abs. 1 RSErgG ist für die Beanstandungsverfahren nach dem Landpachtverkehrsgesetz ohne Relevanz. Dieses Kündigungsrecht dient der Beseitigung von
  214. - 10 -
  215. Hemmnissen bei der Durchführung eines Siedlungsvorhabens durch langfristige
  216. Pachtverträge (Senat, Beschluss vom 9. Februar 1955 - V BLw 71/54, BGHZ
  217. 16, 241, 250 f.) Landpachtverträge, die zu einer ungesunden Verteilung der Bodennutzung führen, sind unabhängig davon allein wegen ihrer schädlichen Wirkungen für die Agrarstruktur von der Behörde zu beanstanden und von den Parteien auf die behördliche Aufforderung oder von dem Landwirtschaftsgericht im
  218. gerichtlichen Verfahren aufzuheben.
  219. 24
  220. bb) Ebenfalls ohne Bedeutung für das Beanstandungsverfahren ist, ob
  221. der Landpachtvertrag zivilrechtlich wirksam ist oder nicht. Das Beschwerdegericht lässt zu Recht dahinstehen, ob der hier zu beurteilende Landpachtvertrag
  222. mit einer 30-jährigen Laufzeit und einer sehr niedrigen Pacht nach § 138 Abs. 1
  223. BGB unwirksam ist, weil die Vertragsparteien mit ihm das Ziel verfolgt haben,
  224. die Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechts zu verhindern oder zu erschweren (zu den Nichtigkeitsvoraussetzungen: BGH, Urteil vom 11. Dezember 1963
  225. - V ZR 41/62, NJW 1964, 540, 541; Urteil vom 15. Juni 2005 - VIII ZR 271/04,
  226. NJW-RR 2005, 1534, 1535).
  227. 25
  228. (1) Der im Schrifttum vertretenen Ansicht, dass die Landwirtschaftsgerichte - im Unterschied zu der Behörde - die zivilrechtliche Wirksamkeit des
  229. Landpachtvertrags in den Beanstandungsverfahren nach dem Landpachtverkehrsgesetz uneingeschränkt zu prüfen hätten (Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery,
  230. Landpachtrecht, 4. Aufl., § 8 Rn. 6; Hötzel in Faßbender/Hötzel/Lukanow,
  231. Landpachtrecht, 3. Aufl., § 8 Rn. 12), ist nicht beizutreten. Dass nach Art. 4
  232. Nr. 1 b und 9 des Gesetzes zur Neuordnung des Pachtrechts vom 8. November
  233. 1985 (BGBl. I S. 2005) das Landwirtschaftsgericht gemäß § 1 Nr. 1a LwVfG
  234. nunmehr auch für die Entscheidung über die Wirksamkeit des Pachtvertrages
  235. ausschließlich zuständig ist, ändert nichts an der Verschiedenartigkeit der Gegenstände eines Beanstandungsverfahrens nach § 1 Nr. 1 LwVfG und eines
  236. - 11 -
  237. Rechtsstreits der Parteien über den Landpachtvertrag nach § 1 Nr. 1a LwVfG.
  238. In dem Beanstandungsverfahren ist allein zu prüfen, ob die Verpachtung zu
  239. einer agrarstrukturell schädlichen Verteilung der Bodennutzung führt; ob der
  240. Vertrag wirksam ist und die Parteien deshalb zu dessen Erfüllung verpflichtet
  241. sind, ist für das Beanstandungsverfahren gleichgültig.
  242. 26
  243. (2) Der Senat nimmt in ständiger Rechtsprechung an, dass in den Genehmigungsverfahren und in den Beanstandungsverfahren (§ 1 Nr. 1 und 2
  244. LwVfG) die zivilrechtliche Gültigkeit des zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts
  245. von dem Landwirtschaftsgericht grundsätzlich nicht zu prüfen ist (Senat, Beschluss vom 30. Januar 1951 - V Blw 57/49, RdL 1951, 129; Beschluss vom
  246. 8. April 1952 - V BLw 63/51, RdL 1952, 300, 301; Beschluss vom 2. März 1953
  247. - V BLw
  248. 103/52,
  249. RdL
  250. 1953,
  251. 129;
  252. Beschluss
  253. vom
  254. 4.
  255. Februar
  256. 1964
  257. - V BLw 13/63, RdL 1964, 98, 99; Beschluss vom 3. Juni 1976 - V BLw 16/75,
  258. AgrarR 1977, 65).
  259. 27
  260. (3) Ausnahmsweise zu berücksichtigen sei allerdings eine offensichtliche
  261. Nichtigkeit des Vertrags; diese führe dazu, dass das Rechtsschutzbedürfnis für
  262. die Durchführung eines Genehmigungsverfahrens fehle (Senat, Beschluss vom
  263. 8. April 1952 - V Blw 63/51, RdL 1952, 300, 301; vgl. auch Beschluss vom
  264. 3. Juni 1976 - V BLw 16/75, AgrarR 1977, 65). Daran hält der Senat jedoch
  265. nicht fest. Das Landwirtschaftsgericht hat in den Beanstandungsverfahren nach
  266. §§ 7, 8 LPachtVG den zu einer ungesunden Verteilung der Bodennutzung führenden Landpachtvertrag nach § 8 Abs. 1 Satz 1 LPachtVG auch dann aufzuheben, wenn der Vertrag seiner Ansicht nach nichtig ist.
  267. 28
  268. Es verhält sich in diesen Fällen ähnlich wie bei der Anfechtung nichtiger
  269. Rechtsgeschäfte. Das begriffslogische Argument, dass ein zivilrechtlich unwirksamer Vertrag im Beanstandungsverfahren nicht aufgehoben werden könne
  270. (vgl. OLG Freiburg, RdL 1953, 215; OLG Schleswig, RdL 1953, 331), berück-
  271. - 12 -
  272. sichtigt nicht, dass in der Zivilrechtsdogmatik seit langem anerkannt ist, dass
  273. auch nichtige Rechtsgeschäfte angefochten werden können (vgl. BGH, Urteil
  274. vom 2. Oktober 2009 - V ZR 235/08, BGHZ 182, 307 Rn. 23; Urteil vom
  275. 25. November 2009 - VIII ZR 318/08, BGHZ 183, 235 Rn. 18). Das Absehen
  276. von einer Aufhebung des Landpachtvertrags im Hinblick auf dessen zivilrechtliche Nichtigkeit liefe dem Zweck des Beanstandungsverfahrens zuwider, dafür
  277. zu sorgen, dass agrarstrukturell schädliche Landpachtverträge nicht durchgeführt werden.
  278. IV.
  279. 29
  280. Die Kostenentscheidung beruht auf § 44 Abs. 1, § 34 Abs. 1 LwVfG. Der
  281. Geschäftswert bestimmt sich gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 LwVfG i.V.m. § 99 Abs. 1
  282. GNotKG nach der auf die ersten zwanzig Jahre entfallenden Pacht.
  283. Stresemann
  284. Czub
  285. Vorinstanzen:
  286. AG Wittlich, Entscheidung vom 26.06.2014 - Lw 65/13 OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 05.01.2015 - 4 WLw 55/14 -
  287. Brückner