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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. AnwZ(B) 35/99
  4. vom
  5. 29. Mai 2000
  6. in dem Verfahren
  7. - Antragsteller und Beschwerdeführer -
  8. gegen
  9. - Antragsgegner und Beschwerdegegner -
  10. wegen Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
  11. -2-
  12. Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Präsidenten
  13. des Bundesgerichtshofs Geiß, die Richter Dr. Fischer, Terno und die Richterin
  14. Dr. Otten sowie die Rechtsanwälte Prof. D. Salditt, Dr. Schott und die Rechtsanwältin Dr. Christian am 29. Mai beschlossen:
  15. 1. Der Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die sofortige Beschwerde gegen den
  16. Beschluss des 1. Senats des Sächsischen Anwaltsgerichtshofs
  17. beim
  18. Ober-
  19. landesgericht
  20. Dresden
  21. vom
  22. 22. Januar 1999 wird zurückgewiesen.
  23. 2. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den
  24. Beschluss des 1. Senats des Sächsischen Anwaltsgerichtshofs beim Oberlandesgericht Dresden vom 22. Januar
  25. 1999 wird zurückgewiesen.
  26. Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und dem Antragsgegner die ihm im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
  27. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf
  28. 90.000,-- DM festgesetzt.
  29. -3-
  30. Gründe:
  31. I.
  32. Das nach §§ 42 Abs. 6 BRAO, 14 FGG, 114 ZPO statthafte Gesuch auf
  33. Prozesskostenhilfe ist zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel - wie unter II.
  34. dargelegt - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
  35. II.
  36. Der am 12. Oktober 1965 geborene Antragsteller hat im Jahre 1991 das
  37. Studium der Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität in Berlin mit
  38. dem akademischen Grad eines Diplom-Juristen abgeschlossen. Im Anschluss
  39. daran absolvierte er ab dem 16. September 1991 bis 28. Juli 1995 den Vorbereitungsdienst als Rechtsreferendar im Freistaat Sachsen. Die zweite juristische Staatsprüfung bestand er nicht. Auch die Wiederholungsprüfung blieb
  40. ohne Erfolg. Für die Ausbildung in der Anwaltsstation, der Wahlstation und im
  41. Ergänzungsvorbereitungsdienst war er Rechtsanwalt L.
  42. in R.
  43. wiesen. Neben dem Vorbereitungsdienst bei Rechtsanwalt L.
  44. 1996 war er bei der Europcar-Autovermietung GmbH Agentur B.
  45. Sixt-Agentur B.
  46. zuge-
  47. und ab April
  48. , später
  49. tätig.
  50. Unter dem 21. März 1996 hat der Antragsteller unter Berufung auf § 4
  51. Rechtsanwaltsgesetz (RAG) seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft beantragt. Mit Bescheid vom 29. November 1996 hat der Antragsgegner den Antrag
  52. zurückgewiesen, weil der Antragsteller die nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 RAG erforderliche zweijährige juristische Praxis nicht aufweise. Den vom Antragsteller gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof mit
  53. -4-
  54. Beschluss vom 21. Januar 1999 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die
  55. sofortige Beschwerde des Antragstellers.
  56. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2 BRAO, Abs. 4
  57. BRAO), bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.
  58. a) Nach Art 21 Abs. 8 des Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts
  59. der Rechtsanwälte und Patentanwälte vom 2. September 1994 (BGBl. I
  60. S. 2278) besitzen die Befähigung zur anwaltlichen Tätigkeit auch Personen,
  61. die spätestens innerhalb von zwei Jahren nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes (9. September 1994) die fachlichen Voraussetzungen für die Zulassung
  62. zur Rechtsanwaltschaft nach § 4 RAG erfüllen. Gemäß § 4 Abs. 1 RAG kann
  63. zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden, wer ein umfassendes juristisches
  64. Hochschulstudium in der DDR absolviert und mit dem akademischen Grad eines Diplom-Juristen abgeschlossen hat und auf mindestens zwei Jahre juristische Praxis in der Rechtspflege oder in einem rechtsberatenden Beruf verweisen kann.
  65. Damit soll berücksichtigt werden, dass die in der früheren DDR ausgebildeten Juristen in der DDR keine Möglichkeiten hatten, ein zweites juristisches Staatsexamen abzulegen und die Befähigung zum Richteramt im Sinne
  66. von § 5 Abs. 1 DRiG zu erwerben, aber auch der besonderen Verantwortung
  67. des Rechtsanwalts als Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten
  68. und als freiberuflich tätiger Jurist Rechnung getragen werden (Treffkorn, DtZ
  69. 1990, 309, 310). Auch wenn nach dem Zweck der Regelung im wesentlichen
  70. den bereits in der früheren DDR juristisch tätig gewesenen Diplom-Juristen der
  71. Zugang zur Rechtsanwaltschaft erleichtert werden sollte, stand die Zulassung
  72. -5-
  73. nach § 4 Abs. 1 RAG auch denjenigen offen, die ihre Diplomprüfung (die nach
  74. Anlage I Kap. III Sachgebiet A. Abschn. III Nr. 8 Maßg.y-gg des Einigungsvertrags – BGBl 1990 II 931 - dem ersten juristischen Staatsexamen gleichgestellt
  75. ist) erst – wie der Antragsteller - nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik
  76. abgelegt haben und für die die Möglichkeit gegeben war, den juristischen Vorbereitungsdienst zu absolvieren und die Rechtsanwaltszulassung nach erfolgreicher zweiter Staatsprüfung gemäß § 4 BRAO, § 5 DRiG zu erlangen. Auch
  77. eine Einschränkung in dem Sinne, dass mit der Wahl dieses Weges die Zulassung nach § 4 RAG ausgeschlossen wäre, lässt sich weder dem Gesetz noch
  78. dem Einigungsvertrag entnehmen.
  79. b) Der Antragsteller hat jedoch die Zulassungsvoraussetzungen des § 4
  80. Abs. 1 RAG nicht erfüllt.
  81. Der Anwaltsgerichtshof hat zu Recht verneint, daß der Antragsteller auf
  82. die Zulassungsvoraussetzungen einer mindestens zweijährigen juristischen
  83. Praxis bis zum 9. September 1996 verweisen kann.
  84. aa) Der juristische Vorbereitungsdienst kann grundsätzlich nicht als juristische Praxis in einem rechtsberatenden Beruf oder in der Rechtspflege im
  85. Sinne von § 4 Abs. 1. Nr. 2 RAG angesehen werden (Senatsbeschluss vom
  86. 26. Mai 1997 – AnwZ(B) 66/96 = BRAK-Mitt 1997, 198). Er ist Ausbildung mit
  87. dem Ziel, die Referendarinnen und Referendare mit den richterlichen und
  88. staatsanwaltlichen Aufgaben, den Aufgaben des höheren allgemeinen Verwaltungsdienstes und der Anwaltschaft vertraut zu machen. Dies gilt auch für die
  89. Wahlstation, die der Vertiefung und Ergänzung der Ausbildung dient. Demgegenüber ist unter juristischer Praxis nach dem Zweck und der Entstehungsge-
  90. -6-
  91. schichte der Regelung eine berufliche Tätigkeit zu verstehen, bei der die im
  92. Studium erworbenen Fähigkeiten professionell angewendet werden und die
  93. sich von einer Ausbildungstätigkeit durch Umfang und Eigenverantwortlichkeit
  94. unterscheidet. Nur unter diesen Voraussetzungen erscheint es gerechtfertigt,
  95. die in der Praxis erworbenen, vertieften und in der praktischen Arbeit bewährten Kenntnisse jedenfalls annähernd denen gleichzusetzen, die durch eine erfolgreiche Ablegung der zweiten Staatsprüfung belegt sind.
  96. b) Danach kann die Tätigkeit des Antragstellers, soweit sie im Rahmen
  97. des juristischen Vorbereitungsdienstes geleistet worden ist, nicht als eine Tätigkeit in Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 2 RAG angesehen werden. Der Antragsteller
  98. ist nicht vom Vorbereitungsdienst zurückgetreten, sondern hat das zweite
  99. Staatsexamen angestrebt und auch zweimal die Prüfung – wenn auch nicht mit
  100. Erfolg - abgelegt. Diese Entscheidung hat er getroffen, obwohl er durch Bescheid vom 27. Mai 1994 darauf hingewiesen worden war, dass nach der geplanten Neufassung der BRAO die Möglichkeit, eine Anwaltszulassung nach
  101. § 4 RAG zu erreichen, nur noch zwei Jahre nach Inkrafttreten dieses Gesetzes,
  102. bestehen werde und der Referendardienst nach der Verwaltungspraxis aller
  103. neuen Bundesländer nicht als juristische Praxis im Sinne des § 4 RAG anerkannt werde.
  104. Besonderheiten ergeben sich auch nicht aus der Tätigkeit, die er bei
  105. Rechtsanwalt L.
  106. walt L.
  107. geleistet hat. Während seiner Tätigkeit für Rechtsanhat dieser ihm die Akten zugewiesen, die vom Antragsteller
  108. verfertigten Schriftsätze regelmäßig unterschrieben und auf Plausibilität geprüft. Schließlich belegt auch der Umfang der vom Antragsteller in dieser Zeit
  109. bearbeiteten Fälle nicht, dass der Antragsteller weit über das in einem Ausbil-
  110. -7-
  111. dungsverhältnis übliche Maß tätig geworden ist, der es möglicherweise rechtfertigte, einen Teil dieser Tätigkeit als außerhalb der Ausbildung erbracht anzusehen. Nach den Angaben des vor dem Anwaltsgerichtshof als Zeugen vernommenen Rechtsanwalts L.
  112. hat der Antragsteller im Sommer 1993 nur
  113. wenige Akten, in der Zeit vom 1. November 1993 bis zum 30. Juni 1995 50 bis
  114. 60 laufende Verfahren bearbeitet. Der Antragsteller selbst hat eine - nach seinen Angaben nicht vollständige - Liste von 58 Verfahren erstellt, in denen er
  115. tätig geworden sei. Dies entspricht einer durchschnittlichen monatlichen Bearbeitung von drei bis vier Akten.
  116. Selbst wenn man berücksichtigte, dass der Antragsteller nach Ablauf der
  117. Pflichtwahlstation und des Ergänzungsvorbereitungsdienstes während der
  118. Dauer des Prüfungsverfahrens für Rechtsanwalt L.
  119. und daneben ab
  120. November 1993 bis Juli 1995 außerhalb des Ausbildungsverhältnisses gelegentlich rechtsberatend für die Fa. B.
  121. tätig gewesen ist, käme allenfalls
  122. eine Teilanrechnung für diese Zeit in Betracht. Auch bei einer Anrechnung der
  123. Hälfte dieser Zeit als juristische Praxis wäre die Zulassungsbedingung des § 4
  124. Abs. 1 RAG nicht erfüllt, ohne dass es darauf ankäme, ob die weiteren Tätigkeiten des Antragstellers für die Firma B.
  125. als juristische Praxis im Sinne
  126. dieser Bestimmung gewertet werden können. Der Senat teilt die Auffassung
  127. des Anwaltsgerichtshofs, dass jedenfalls eine in diesem Rahmen erbrachte
  128. rechtsberatende Tätigkeit für die Zeit von Juli 1993 bis Oktober 1993 im nennenswerten Umfang nicht feststellbar ist.
  129. Die Kostenentscheidung folgt – auch für das Beschwerdeverfahren - aus
  130. § 201 BRAO. Der Geschäftswert bestimmt sich nach §§ 202 Abs. 2 BRAO, 30
  131. Abs. 2 KostO. Er ist im Zulassungsverfahren nach Art und Umfang der Praxis,
  132. -8-
  133. die der Bewerber nach seiner erstrebten Zulassung aufnehmen kann, zu
  134. schätzen. Entsprechend seiner Rechtsprechung in Zulassungsverfahren in den
  135. neuen Bundesländern setzt ihn der Senat auf 90.000,-- DM fest.
  136. Geiß
  137. Fischer
  138. Salditt
  139. Terno
  140. Schott
  141. Otten
  142. Christian