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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. AnwZ (B) 67/04
  4. vom
  5. 20. Oktober 2004
  6. in dem Verfahren
  7. - 2 -
  8. Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch die Vorsitzende
  9. Richterin Dr. Deppert, die Richter Basdorf, Dr. Ganter und Dr. Ernemann sowie
  10. die Rechtsanwälte Prof. Dr. Salditt, Dr. Kieserling und die Rechtsanwätin
  11. Kappelhoff
  12. am 20. Oktober 2004
  13. beschlossen:
  14. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der
  15. sofortigen Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des
  16. 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Sachsen-Anhalt
  17. vom 25. Juni 2004 wird zurückgewiesen.
  18. Gründe:
  19. I.
  20. Der Antragsteller ist seit dem Jahr 1990 zur Rechtsanwaltschaft und als
  21. Rechtsanwalt bei wechselnden Gerichten - zuletzt beim Amtsgericht W.
  22. , dem Landgericht M.
  23. und Oberlandesgericht N.
  24. - zugelassen.
  25. Mit Bescheid vom 29. April 2004 hat die Antragsgegnerin die Zulassung
  26. des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14
  27. Abs. 2 Nr. 7 BRAO) widerrufen und zugleich die sofortige Vollziehung des Widerrufs angeordnet (§ 16 Abs. 6 Satz 2 BRAO). Der Anwaltsgerichtshof hat den
  28. - 3 -
  29. Antrag auf gerichtliche Entscheidung und den Antrag auf Wiederherstellung
  30. der aufschiebenden Wirkung des Hauptsacheantrags zurückgewiesen. Gegen
  31. die Zurückweisung beider Anträge richtet sich die sofortige Beschwerde des
  32. Antragstellers.
  33. II.
  34. Der Senat entscheidet vorab über die sofortige Beschwerde gegen die
  35. Zurückweisung des Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung. Dieses Rechtsmittel ist unstatthaft (§ 16 Abs. 6 Satz 6, § 42 Abs. 1 BRAO). Indes gilt auch im Verfahrensrecht in entsprechender Anwendung des § 140 BGB der Grundsatz, daß eine
  36. fehlerhafte Parteihandlung in eine zulässige und wirksame umzudeuten ist,
  37. wenn deren Voraussetzungen eingehalten sind, die Umdeutung dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners
  38. entgegensteht (BGH, Beschl. v. 1. Oktober 1986 - IVb ZB 83/86, BGHR BGB
  39. § 140 - Verfahrensrecht 1; Urt. v. 20. November 1996 - XII ZR 70/95, BGHR
  40. BGB § 140 - Verfahrensrecht 2; v. 6. Dezember 2000 - XII ZR 219/98, NJW
  41. 2001, 1217, 1218). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Wird
  42. gegen die Hauptsacheentscheidung sofortige Beschwerde eingelegt, kann auf
  43. Antrag deren aufschiebende Wirkung wiederhergestellt werden (§ 42 Abs. 5
  44. Satz 2 BRAO). Die Umdeutung der unstatthaften sofortigen Beschwerde in einen solchen statthaften Antrag entspricht dem mutmaßlichen Willen des Antragstellers, zumal dieser gegen die Ankündigung des Senats, daß er diese
  45. Umdeutung in Betracht ziehe, nichts erinnert hat. Auch die Antragsgegnerin hat
  46. sich nicht dagegen gewandt.
  47. - 4 -
  48. III.
  49. Der - statthafte und zulässige - Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde, den der Antragsteller nicht
  50. begründet hat, ist nicht gerechtfertigt.
  51. 1. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung scheidet aus,
  52. wenn die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, daß der Widerrufsbescheid aufrechterhalten wird und die Anordnung der sofortigen Vollziehung im überwiegenden öffentlichen Interesse zur Abwehr konkreter Gefahren für die Rechtsuchenden oder die Rechtspflege geboten ist (BGH, Beschl. v. 16. Juli 2001
  53. - AnwZ (B) 61/00, BRAK-Mitt. 2002, 36 f ; v. 9. Mai 2003 - AnwZ (B) 21/03,
  54. NJW-RR 2003, 1642, 1643; v. 21. Juli 2003 - AnwZ (B) 37/03, ZInsO 2003,
  55. 992).
  56. 2. Im Zeitpunkt der Anordnung der sofortigen Vollziehung lagen die Voraussetzungen des § 16 Abs. 6 Satz 2 BRAO vor; daran hat sich bis heute
  57. nichts geändert.
  58. a) Es liegen hinreichende Beweisanzeichen dafür vor, daß sich der Antragsteller in Vermögensverfall befindet. So hat Rechtsanwalt Z.
  59. gegen
  60. den Antragsteller einen Mahnbescheid über eine Forderung von 72.965 € aus
  61. einem Schuldanerkenntnis erwirkt. Der Antragsteller hat hierzu lediglich mitgeteilt, daß er mit Rechtsanwalt Z.
  62. über einen Vergleich verhandele. Über ein
  63. Ergebnis dieser Verhandlungen hat er nichts berichtet, so daß von deren Erfolglosigkeit ausgegangen werden muß. Außerdem ist der Antragsteller mit der
  64. Miete für die Kanzleiräume 4 Monate im Rückstand. Ein Mandant des An-
  65. - 5 -
  66. tragstellers, Roland W.
  67. , hat am 28. Mai 2004 gegen den Antragsteller ein
  68. Teil-Versäumnisurteil wegen nicht ausgekehrter Fremdgelder erwirkt (LG M.
  69. 5 O 985/04). Beim Amtsgericht - Insolvenzgericht - Magdeburg ist ein
  70. Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers eingegangen (361 IN 124/04).
  71. b) Der Antragsteller hat in mindestens fünf Fällen bei ihm eingegangene
  72. Fremdgelder nicht unverzüglich - und selbst nach Mahnung nicht - an seine
  73. Mandanten weitergeleitet. Auf den bereits erwähnten Fall W.
  74. (oben a) wird
  75. verwiesen. Diese Vorgänge zeigen, daß der Fortbestand der Anordnung der
  76. sofortigen Vollziehung im überwiegenden öffentlichen Interesse zur Abwehr
  77. konkreter Gefahren für die Rechtsuchenden oder die Rechtspflege geboten ist.
  78. Deppert
  79. Basdorf
  80. Salditt
  81. Ganter
  82. Kieserling
  83. Ernemann
  84. Kappelhoff