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22 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. AK 36/18
  4. vom
  5. 30. Oktober 2018
  6. in dem Strafverfahren
  7. gegen
  8. wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung
  9. ECLI:DE:BGH:2018:301018BAK36.18.0
  10. -2-
  11. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Angeschuldigten und seiner Verteidiger am 30. Oktober 2018 gemäß §§ 121, 122 StPO
  12. beschlossen:
  13. Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
  14. Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
  15. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesgericht Stuttgart übertragen.
  16. Gründe:
  17. I.
  18. 1
  19. Der Angeschuldigte wurde auf Grund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 6. März 2018 (2 BGs 135/18) am
  20. 21. März 2018 festgenommen und befindet sich seither ununterbrochen in
  21. Untersuchungshaft.
  22. 2
  23. Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeschuldigte habe in
  24. der Zeit zwischen November 2015 und 11. Oktober 2017 durch zehn jeweils
  25. selbständige Handlungen eine ausländische Vereinigung unterstützt, deren
  26. Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB),
  27. Totschlag (§ 212 StGB), Völkermord (§ 6 VStGB), Verbrechen gegen die
  28. Menschlichkeit (§ 7 VStGB) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12
  29. VStGB) zu begehen, strafbar gemäß §§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1,
  30. § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, 53 StGB.
  31. -3-
  32. 3
  33. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hält die Fortdauer der
  34. Untersuchungshaft für erforderlich (Verfügung vom 17. September 2018
  35. - 2 BGs 735/18). Der Generalbundesanwalt hat unter dem 26. Oktober 2018
  36. Anklage zum Oberlandesgericht Stuttgart erhoben.
  37. II.
  38. 4
  39. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über
  40. sechs Monate hinaus liegen vor.
  41. 5
  42. 1. Der Angeschuldigte ist der ihm im Haftbefehl vom 6. März 2018 vorgeworfenen Taten dringend verdächtig.
  43. 6
  44. a) Im Sinne eines dringenden Tatverdachts ist von folgendem Geschehen auszugehen:
  45. 7
  46. aa) Der IS ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das
  47. Gebiet des heutigen Irak und die historische Region "ash-Sham" - die heutigen
  48. Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina - umfassenden und auf
  49. ihrer Ideologie gründenden "Gottesstaat" unter Geltung der Sharia zu errichten
  50. und dazu die schiitisch dominierte Regierung im Irak und das Regime des
  51. syrischen Präsidenten Assad zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei
  52. ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen
  53. entgegenstellt, als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder
  54. ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht der IS als legitimes Mittel des
  55. Kampfes an.
  56. -4-
  57. 8
  58. Die Führung der Vereinigung, die sich mit dem Ausrufen des "Kalifats" im
  59. Juni 2014 von ISIG in IS umbenannte - wodurch sie von der territorialen Selbstbeschränkung Abstand nahm - hat seit 2010 der "Emir" Abu Bakr al-Baghdadi
  60. inne. Al-Baghdadi war von seinem Sprecher zum "Kalifen" erklärt worden, dem
  61. die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Hinweise darauf, dass dieser
  62. zwischenzeitlich getötet wurde, konnten bisher nicht bestätigt werden. Dem
  63. "Kalifen" unterstehen ein Stellvertreter sowie "Minister" als Verantwortliche für
  64. einzelne Bereiche, so ein "Kriegsminister" und ein "Propagandaminister". Zur
  65. Führungsebene gehören außerdem beratende "Shura-Räte". Veröffentlichungen werden in der Medienabteilung "Al-Furqan" produziert und über die
  66. Medienstelle "al-l’tisam" verbreitet, die dazu einen eigenen Twitter-Kanal und
  67. ein Internetforum nutzt. Das auch von Kampfeinheiten verwendete Symbol der
  68. Vereinigung besteht aus dem "Prophetensiegel" (einem weißen Oval mit der
  69. Inschrift: "Allah - Rasul - Muhammad") auf schwarzem Grund, überschrieben
  70. mit dem islamischen Glaubensbekenntnis. Die mehreren Tausend Kämpfer sind
  71. dem "Kriegsminister" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem
  72. Kommandeur gegliedert.
  73. 9
  74. Die von ihr besetzten Gebiete teilte die Vereinigung in Gouvernements
  75. ein und errichtete einen Geheimdienstapparat; diese Maßnahmen zielten auf
  76. das Schaffen totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der syrischen Armee,
  77. aber auch von in Gegnerschaft zum IS stehenden Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie
  78. Zivilisten, die den Herrschaftsbereich des IS in Frage stellen, sahen sich der
  79. Verhaftung, Folter und der Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom ISIG bzw. IS zu Zwecken der
  80. Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht die Vereinigung
  81. immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb ihres
  82. -5-
  83. Machtbereichs Terroranschläge. So hat sie für Anschläge in Europa, etwa in
  84. Frankreich, Belgien und Deutschland, die Verantwortung übernommen.
  85. 10
  86. bb) In der Zeit zwischen November 2015 und dem 11. Oktober 2017
  87. stellte der Angeschuldigte von Deutschland aus den anderweitig verfolgten
  88. IS-Mitgliedern
  89. D.
  90. G.
  91. ,
  92. P.
  93. ,
  94. S.
  95. und
  96. Y.
  97. Zugangsdaten (und ggf. Aktivierungscodes) von ihm erstellter Internet-
  98. Kommunikationsmittel
  99. (E-Mail-Adressen
  100. sowie
  101. Telegram-,
  102. Facebook-,
  103. WhatsApp- und Twitter-Nutzerkonten) zur Verfügung. Dies geschah durch
  104. Mitteilung der Nutzernamen (Mobilfunknummer oder E-Mail-Adressen) und
  105. Passwörter von ihm zuvor bereits eingerichteter und aktivierter Nutzerkonten,
  106. aber auch durch Mitteilung von ihm angeforderter Aktivierungscodes für
  107. schon früher übermittelte Kontodaten (Nutzername und Passwort). Der Angeschuldigte tat dies in Kenntnis der Tatsache, dass sich die anderweitig verfolgten IS-Mitglieder in Irak bzw. Syrien aufhielten, dort für den IS tätig
  108. waren und ihnen daher die Einrichtung und Aktivierung von InternetKommunikationsmitteln erhebliche Schwierigkeiten bereiteten. Durch seine
  109. Tätigkeit wollte der Angeschuldigte - in Kenntnis der Ziele und Taten des IS und
  110. seiner Mitglieder - die Aktionsmöglichkeiten der anderweitig Verfolgten, insbesondere ihre Möglichkeiten zur anonymen und konspirativen Kommunikation
  111. erhöhen. Dies tat er vor dem ihm bekannten Hintergrund, dass die Anbieter der
  112. Kommunikations-Software Nutzerkonten sperrten bzw. löschten, sobald sich
  113. Hinweise auf eine Nutzung im Irak oder Syrien ergaben.
  114. 11
  115. Bei der Erstellung der Internet-Kommunikationsmittel war der Angeschuldigte darauf bedacht, keine auf ihn oder die anderweitig Verfolgten hindeutenden Spuren zu hinterlassen. So verwendete er bei der Beschaffung der für
  116. die Erstellung und Aktivierung der Kommunikationsmittel erforderlichen
  117. Mobilfunknummern bzw. E-Mail-Adressen fiktive Personaldaten. Für die
  118. -6-
  119. Kommunikation mit den anderweitig Verfolgten und für die Übermittlung der
  120. Zugangsdaten zu den Internet-Kommunikationsmitteln an sie benutzte der
  121. Angeschuldigte "geheime" Telegram-Chats oder bediente sich der Hilfe Dritter.
  122. 12
  123. Wie von dem Angeschuldigten beabsichtigt, verwendeten die anderweitig
  124. verfolgten IS-Mitglieder die ihnen übermittelten Kontodaten, um sich auf ihren
  125. Mobilfunkgeräten die entsprechenden Konten einzurichten und über diese in
  126. der Folge - insbesondere auch zu Zwecken des IS - zu kommunizieren.
  127. 13
  128. Im Einzelnen ist der Angeschuldigte folgender Taten dringend verdächtig:
  129. 14
  130. (1) An das anderweitig verfolgte IS-Mitglied
  131. G.
  132. übermittelte der
  133. Angeschuldigte
  134. 15
  135. (a) zu einem derzeit nicht näher ermittelbaren Zeitpunkt in der Zeit
  136. zwischen November 2015 und 22. Dezember 2015 die Zugangsdaten zu dem
  137. unter Verwendung der Mobilfunknummer
  138. Konto
  139. (ID
  140. A.
  141. 16
  142. )
  143. erstellten Telegrammit
  144. dem
  145. Anzeigenamen
  146. ,
  147. (b) am 2. März 2016 die Zugangsdaten zu dem unter Verwendung
  148. der
  149. E-Mail-Adresse
  150. (ID
  151. Q.
  152. 17
  153. erstellten
  154. )
  155. mit
  156. dem
  157. Facebook-Konto
  158. Anzeigenamen
  159. und
  160. (c) am 3. September 2016 die Zugangsdaten zu dem unter Verwendung
  161. der
  162. E-Mail-Adresse
  163. (ID
  164. erstellten
  165. ) mit dem Anzeigenamen
  166. Ab.
  167. Facebook-Konto
  168. .
  169. -7-
  170. 18
  171. (2) An das anderweitig verfolgte IS-Mitglied
  172. P.
  173. über-
  174. mittelte der Angeschuldigte am 31. Januar 2016 die Zugangsdaten zu dem
  175. unter
  176. Verwendung
  177. der
  178. E-Mail-Adresse
  179. erstellten
  180. Facebook-Konto mit der ID
  181. M.
  182. 19
  183. und dem Anzeigenamen
  184. .
  185. (3) An das anderweitig verfolgte IS-Mitglied
  186. S.
  187. übermittelte der
  188. Angeschuldigte
  189. 20
  190. (a) am 4. Oktober 2017 die Zugangsdaten zu dem unter Verwendung der
  191. E-Mail-Adresse
  192. erstellten
  193. (ID
  194. 21
  195. Twitter-Konto
  196. ),
  197. (b) am 7. und 8. Oktober 2017 aufgrund eines einheitlichen Tatent-
  198. schlusses die zur Erstellung und Aktivierung eines Telegram- und WhatsAppKontos erforderlichen Daten (Mobilfunknummer
  199. rungscodes
  200. bzw.
  201. und Aktivie-
  202. ), mit denen der anderweitig Verfolgte jedenfalls
  203. das Telegram-Konto
  204. (ID
  205. ) aktivierte und die zur
  206. Erstellung und Aktivierung eines WhatsApp-Kontos erforderlichen Daten (Mobilfunknummer
  207. 22
  208. und Aktivierungscode
  209. (c) am 11. Oktober 2017 den zur Erstellung eines mit der bereits zuvor
  210. übermittelten
  211. Mobilfunknummer
  212. Kontos erforderlichen Aktivierungscode
  213. das Telegram-Konto
  214. 23
  215. ), und
  216. (ID
  217. verknüpften
  218. Telegram-
  219. , mit dem der anderweit Verfolgte
  220. ) aktivierte.
  221. (4) An das zwischenzeitlich verstorbene IS-Mitglied Y.
  222. D.
  223. übermit-
  224. telte der Angeschuldigte
  225. 24
  226. (a) an einem derzeit nicht näher ermittelbaren Zeitpunkt in der Zeit
  227. zwischen 15. und 19. Mai 2016 die Zugangsdaten zu den Facebook-Konten mit
  228. -8-
  229. der
  230. ID
  231. (unter
  232. Verwendung
  233. der
  234. erstellt) und der ID
  235. dung der E-Mail-Adresse
  236. zeigenamen
  237. 25
  238. H.
  239. E-Mail-Adresse
  240. (unter Verwen-
  241. erstellt), die beide auf den An-
  242. lauteten,
  243. (b) am 27. September 2016 die Zugangsdaten zu dem unter Verwendung der E-Mail-Adresse
  244. der ID
  245. Y.
  246. 26
  247. erstellten Facebook-Konto mit
  248. und den sukzessive geänderten Anzeigenamen
  249. ,
  250. As.
  251. und
  252. Ka.
  253. sowie
  254. (c) an einem derzeit nicht näher ermittelbaren Zeitpunkt in der Zeit
  255. zwischen 1. und 22. Oktober 2017 die Zugangsdaten zu dem unter Verwendung der Mobilfunknummer
  256. (ID
  257. 27
  258. ) mit dem Anzeigenamen
  259. erstellten Telegram-Konto
  260. H.
  261. .
  262. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Haftbefehl vom 6. März 2018
  263. verwiesen.
  264. 28
  265. b) Der dringende Tatverdacht ergibt sich hinsichtlich der außereuropäischen terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" aus den "Strukturerkenntnissen", die der Generalbundesanwalt zu dieser Organisation für das vorliegende Verfahren in den Sachakten "Strukturordner IS" zusammengetragen hat,
  266. insbesondere den Gutachten des islamwissenschaftlichen Sachverständigen
  267. Dr. St.
  268. , den Auswerteberichten des Bundeskriminalamts, den Behörden-
  269. erklärungen des Bundesnachrichtendienstes und den dort in Bezug genommenen und dargestellten weiteren Quellen.
  270. 29
  271. Der dringende Tatverdacht hinsichtlich der Tathandlungen des - bislang
  272. zur Sache schweigenden - Angeschuldigten sowie der IS-Mitgliedschaft
  273. und des Aufenthaltsorts der anderweitig Verfolgten inklusive der dortigen
  274. -9-
  275. Verhältnisse ergibt sich aus den im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 6. März 2018 (S. 11 bis 44), im Haftbefehlsantrag des
  276. Generalbundesanwalts vom 1. März 2018 und im Sachstandsbericht des Bundeskriminalamts vom 30. Januar 2018 genannten Beweismitteln. Auf diese ausführlichen Darstellungen inklusive der in dem genannten Sachstandsbericht
  277. jeweils durch Fußnoten in Bezug genommenen (Primär-)Quellen nimmt der
  278. Senat Bezug. Die Erkenntnisse über die anderweitig Verfolgten ergeben sich
  279. aus den gegen sie geführten Ermittlungsverfahren, insbesondere aus der Auswertung der Telegram-Chats "T.
  280. des KHK Gr.
  281. " und "N.
  282. " (vgl. die Vermerke
  283. vom 17. Juni und 26. Juli 2017 sowie Fn. 122 des Sach-
  284. standsberichts des Bundeskriminalamts vom 30. Januar 2018). Der die Tatmotivation und die Unterstützungswirkung erklärende Umstand, dass die Betreiber
  285. in Syrien und im Irak genutzte Konten löschen, folgt aus dem Vermerk des
  286. Bundeskriminalamts vom 15. Juni 2018 und einem Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz vom 6. Juni 2017.
  287. 30
  288. Bei den im Haftbefehl unter den Ziffern II.1.a) bb) (1) (a) (WhatsAppKonto ohne Nutzername) und II.1.a) bb) (4) (a) (zwei weitere Facebook- und
  289. vier Twitter-Konten) aufgeführten Fällen stellt sich der über die in diesem
  290. Beschluss genannten Internet-Kommunikationsmittel hinausgehende Tatverdacht derzeit als nicht dringend dar, weil eine Übersendung der entsprechenden Zugangs- und/oder Aktivierungsdaten durch den Angeschuldigten an die
  291. anderweitig Verfolgten nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit belegt ist,
  292. was allerdings keine Änderung der rechtlichen Würdigung nach sich zieht.
  293. 31
  294. Die im Anschluss an die Verhaftung des Angeschuldigten durchgeführten
  295. kriminalpolizeilichen Ermittlungen haben den dringenden Tatverdacht weiter
  296. erhärtet. So sind diejenigen Mobilfunktelefone beim Angeschuldigten sichergestellt worden, deren IMEI-Nummern Gegenstand der Telekommunikationsüber-
  297. - 10 -
  298. wachungsmaßnahmen waren, anhand derer sich die Erstellung der verfahrensgegenständlichen Konten im Wesentlichen belegen lässt. Bei seiner Ex-Ehefrau
  299. ist ein Mobiltelefon LG sichergestellt worden, dessen erste Durchsicht ergeben
  300. hat, dass in den Kontakten Verbindungen zu den anderweitig Verfolgten, insbesondere mit Zuordnung zu den hier relevanten Mobilfunknummern und InternetKommunikationsmitteln vorhanden waren. Die vorläufige Auswertung des
  301. Mobiltelefons Samsung 8+ des Angeschuldigten hat darüber hinaus ergeben,
  302. dass der Angeschuldigte zwischen dem 14. und 24. November 2017 nach
  303. Todesmeldungen betreffend die Brüder D.
  304. Y.
  305. D.
  306. suchte, was seine Verbindung zu
  307. zusätzlich belegt. Ergänzend wird auf die Ausführungen des
  308. Vorlageberichts des Generalbundesanwalts vom 12. September 2018 verwiesen.
  309. 32
  310. Entgegen der Auffassung der Verteidigung in ihrer Stellungnahme vom
  311. 15. Oktober 2018 ergibt sich der dringende Tatverdacht dafür, dass es der Angeschuldigte selbst war, der die Kommunikationsmittel den anderweitig Verfolgten zur Verfügung stellte, aus der Überwachung der Telegram-Kommunikation
  312. zwischen dem Angeschuldigten und dem anderweitig Verfolgten S.
  313. . Aus
  314. dieser geht hervor, dass der Angeschuldigte die von ihm unter der Angabe von
  315. Falschpersonalien erworbenen Mobilfunknummern und Aktivierungscodes zur
  316. Erstellung von Telegram- und WhatsApp-Konten weitergab. Auf den erforderlichen Unterstützervorsatz des Angeschuldigten hinweisende Verdachtsmomente folgen aus dem Umstand, dass er aktiv in diversen radikal-jihadistischen
  317. Internetforen zum Teil als Administrator und technischer Ansprechpartner tätig
  318. war und unter anderem die Erstellung von deutschsprachigem Propagandamaterial des IS koordinierte (vgl. insbesondere die S. 41 ff., 63 ff. und 67 ff. des
  319. Sachstandsberichts des Bundeskriminalamts vom 30. Januar 2018).
  320. - 11 -
  321. 33
  322. c) In rechtlicher Hinsicht folgt aus alledem, dass sich der Angeschuldigte
  323. mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung in zehn Fällen (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b
  324. Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 53 StGB) strafbar gemacht hat.
  325. 34
  326. aa) Nach ständiger Rechtsprechung ist unter einem Unterstützen im
  327. Sinne des § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB grundsätzlich jedes Tätigwerden eines
  328. Nichtmitglieds zu verstehen, das die innere Organisation der Vereinigung und
  329. ihren Zusammenhalt unmittelbar fördert, die Realisierung der von ihr geplanten
  330. Straftaten - wenngleich nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst
  331. auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung in irgendeiner Weise positiv
  332. auswirkt und damit die ihr eigene Gefährlichkeit festigt (vgl. nur BGH, Urteil
  333. vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 117; Beschluss vom
  334. 19. Oktober 2017 - AK 56/17, juris Rn. 18 mwN). Dies kann unter anderem
  335. dadurch geschehen, dass ein Außenstehender mitgliedschaftliche Betätigungsakte eines Angehörigen der Vereinigung fördert; in diesem Sinne handelt es
  336. sich beim Unterstützen um eine zur Täterschaft verselbständigte Beihilfe zur
  337. mitgliedschaftlichen Beteiligung (vgl. etwa BGH, Urteil vom 3. Oktober 1979
  338. - 3 StR 264/79, BGHSt 29, 99, 101).
  339. 35
  340. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass die Förderungshandlung an
  341. sich konkret wirksam, für die Organisation objektiv nützlich ist und dieser mithin
  342. irgendeinen Vorteil bringt; ob der Vorteil genutzt wird und daher etwa eine konkrete, aus der Organisation heraus begangene Straftat oder auch nur eine
  343. organisationsbezogene Handlung eines ihrer Mitglieder mitprägt, ist dagegen
  344. ohne Belang (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, aaO,
  345. S. 116; Beschlüsse vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, BGHSt 51, 345, S. 348 f.; vom
  346. 27. Oktober 2015 - 3 StR 334/15, BGHR StGB § 129a Abs. 5 Unterstützen 6).
  347. In diesem Sinne muss der Organisation durch die Tathandlung kein messbarer
  348. - 12 -
  349. Nutzen entstehen (vgl. BGH, Urteile vom 25. Januar 1984 - 3 StR 526/83,
  350. BGHSt 32, 243, 244; vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69,
  351. S. 116). Die Wirksamkeit der Unterstützungsleistung und deren grundsätzliche
  352. Nützlichkeit müssen indes stets anhand belegter Fakten nachgewiesen sein
  353. (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Juli 2013 - AK 13 u. 14/13, BGHSt 58, 318,
  354. 323 f.; vom 19. Oktober 2017 - AK 56/17, juris Rn. 18).
  355. 36
  356. bb) Daran gemessen stellen sich die Tathandlungen des Angeschuldigten als Unterstützen im Sinne des § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB dar. Angesichts
  357. der nicht flächendeckenden
  358. und
  359. oftmals nur über (teure) Satelliten-
  360. Kommunikation gewährleisteten Internetversorgung in den Krisengebieten, in
  361. denen sich die anderweitig Verfolgten aufhielten, und unter Berücksichtigung
  362. der Tatsache, dass die Anbieter der Kommunikations-Software Konten
  363. schließen, für die sich Hinweise auf eine Nutzung in Irak oder Syrien ergeben
  364. haben, waren die anderweitig Verfolgten immer wieder auf die Zurverfügungstellung
  365. gebrauchsfertiger
  366. Internet-Kommunikationsmittel
  367. angewiesen,
  368. um
  369. (auch) für den IS notwendige Kommunikation führen zu können, etwa zur
  370. Koordinierung in Kampfeinsätzen, zum Werben um neue Mitglieder oder zum
  371. Indoktrinieren und Instruieren (potentieller) auch europäischer Attentäter.
  372. 37
  373. Dabei kommt es auf eine Unterscheidung danach, ob die Zugangsdaten
  374. bereits aktivierter Internet-Kommunikationsmittel oder aber (nur) Aktivierungscodes übermittelt wurden, nicht an. Entscheidend ist vielmehr, dass es sich um
  375. Kommunikationsmittel handelt, die mit deutschen Mobilfunknummern bzw.
  376. E-Mail-Adressen verknüpft waren und deren Aktivierungscodes daher an diese
  377. Nummern bzw. Adressen versandt wurden. Abgesehen von der Zeit- und
  378. Kostenersparnis, die der Angeschuldigte für die anderweitig Verfolgten erreichte, indem er die aufwändige Erstellung und Aktivierung der Konten für sie übernahm, erhöhte sich durch die Verknüpfung der Konten mit deutschen
  379. - 13 -
  380. Mobilfunknummern bzw. E-Mail-Adressen deren Aktivierungswahrscheinlichkeit
  381. und die Dauer ihrer Nutzbarkeit bis zur Deaktivierung bzw. Löschung durch die
  382. Dienstanbieter.
  383. 38
  384. Das Verhalten des Angeschuldigten stellt sich daher als logistische
  385. Tätigkeit, vergleichbar mit der Zurverfügungstellung von Werkzeugen oder etwa
  386. eines Telefonanschlusses, dar (vgl. hierzu: MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl., § 129a
  387. Rn. 63 i.V.m. § 129 Rn. 112; LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 129a Rn. 76 i.V.m.
  388. § 129 Rn. 142).
  389. 39
  390. cc)
  391. Die
  392. Anwendbarkeit
  393. deutschen
  394. Strafrechts
  395. ergibt
  396. sich
  397. aus
  398. § 3, § 9 Abs. 1 Variante 1 StGB, weil der Angeschuldigte in Deutschland
  399. gehandelt hat. Deshalb ist auch der gemäß § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB erforderliche Deutschlandbezug gegeben.
  400. 40
  401. dd) Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2, 3 StGB erforderliche Ermächtigung
  402. zur strafrechtlichen Verfolgung von Unterstützern des IS liegt in der Fassung
  403. vom 13. Oktober 2015 vor.
  404. 41
  405. 2. Beim Angeschuldigten besteht jedenfalls der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO).
  406. 42
  407. Der Angeschuldigte hat wegen der Taten, derer er dringend verdächtig
  408. ist, eine empfindliche, Fluchtanreiz begründende Freiheitsstrafe zu erwarten.
  409. Dem von der Straferwartung ausgehenden Fluchtanreiz stehen - auch unter
  410. Berücksichtigung der vorhandenen sozialen Bindungen im Inland - keine hinreichenden fluchthindernden Umstände gegenüber. Der Angeschuldigte ist (auch)
  411. algerischer Staatsangehöriger. Er ist in seinem radikal-jihadistischen Gedankengut und in der zugehörigen Szene tief verwurzelt, so dass er - als
  412. zentrale Figur der deutschen jihadistischen Szene - über zahlreiche Kontakte
  413. - 14 -
  414. insbesondere auch zu ausländischen IS-Mitgliedern verfügt. Das konspirative
  415. Verhalten, das er bei den verfahrensgegenständlichen Taten an den Tag gelegt
  416. hat, belegt, dass er in der Lage ist, seine Identität und seinen Aufenthalt zu verschleiern. Auch sein auf die Erlangung eines algerischen Reisepasses gerichtetes Bemühen spricht dafür, dass er sich - auf freiem Fuß belassen - dem Strafverfahren entziehen würde.
  417. 43
  418. 3. Eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls (§ 116 StPO) ist unter
  419. diesen Umständen nicht erfolgversprechend.
  420. 44
  421. 4. Die Voraussetzungen des § 121 Abs. 1 StPO für die Fortdauer der
  422. Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus sind gegeben; der besondere
  423. Umfang der Ermittlungen und ihre Schwierigkeit haben ein Urteil noch nicht
  424. zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft:
  425. 45
  426. Die Sachakten umfassen mittlerweile 104 Stehordner und drei Sachakten-Sonderhefte (insgesamt 50 Datenträger). Die Ermittlungen gestalteten sich
  427. bislang aufwendig. Die Ermittlungsbehörden hatten und haben erhebliche
  428. Datenmengen auszuwerten. So wurden beim Angeschuldigten 35 Datenträger
  429. mit insgesamt mindestens 1,2 TB Daten und bei den Zeugen 132 Datenträger
  430. mit insgesamt mindestens 2,8 TB Daten sichergestellt. Die überwiegend nicht in
  431. deutscher Sprache gehaltenen Dateien mussten und müssen vor ihrer Analyse
  432. und Aufbereitung übersetzt werden.
  433. 46
  434. Die Beweislage gestaltet sich komplex und erfordert die Würdigung zahlreicher ineinander greifender Indizien, die auf Erkenntnissen aus umfangreichen Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen, auf den Ergebnissen der
  435. Finanzermittlungen und auf der Auswertung der sichergestellten Datenträger
  436. beruhen.
  437. - 15 -
  438. 47
  439. Der Generalbundesanwalt hat mittlerweile unter dem 26. Oktober 2018
  440. Anklage zum Oberlandesgericht Stuttgart erhoben.
  441. 48
  442. 5. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Fall einer Verurteilung zu erwartenden
  443. Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
  444. Gericke
  445. Spaniol
  446. Hoch