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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 5 StR 85/18
  4. vom
  5. 24. April 2018
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen versuchten Totschlags u.a.
  9. ECLI:DE:BGH:2018:240418B5STR85.18.0
  10. -2-
  11. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 24. April 2018 gemäß § 349 Abs. 2
  12. und 4 StPO beschlossen:
  13. 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 20. Dezember 2017 im Schuldspruch dahin
  14. geändert, dass der Angeklagte wegen Urkundenfälschung in
  15. zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren
  16. ohne Fahrerlaubnis und vorsätzlichem Gebrauch eines Kraftfahrzeugs ohne Haftpflichtversicherungsschutz, wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit Beleidigung und wegen vorsätzlichen unerlaubtem Besitzes einer
  17. verbotenen Waffe schuldig ist.
  18. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
  19. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
  20. tragen.
  21. Gründe:
  22. 1
  23. Das Landgericht hat den Angeklagten „wegen der Urkundenfälschung in
  24. Tateinheit mit dem vorsätzlichen Fahren ohne Fahrerlaubnis und einem Verstoß
  25. gegen das Pflichtversicherungsgesetz in drei Fällen, wegen eines versuchten
  26. Totschlags in Tateinheit mit einer gefährlichen Körperverletzung, wegen einer
  27. versuchten Nötigung in Tateinheit mit einer Beleidigung und wegen des vorsätz-
  28. -3-
  29. lichen unerlaubten Besitzes einer verbotenen Waffe in Gestalt eines Schlagrings“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten verurteilt
  30. und einen näher bezeichneten Pkw eingezogen. Die Revision des Angeklagten
  31. hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im
  32. Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
  33. 2
  34. 1. Die konkurrenzrechtliche Beurteilung der Fälle 1 und 3 der Urteilsgründe (Tatmehrheit) begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
  35. 3
  36. a) Nach den Feststellungen befuhr der Angeklagte am 13. Dezember 2016 mit seinem nicht zugelassenen und nicht haftpflichtversicherten Pkw
  37. öffentliche Straßen in Kiel, obwohl er wusste, dass er nicht im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis war und für das Fahrzeug kein Haftpflichtversicherungsschutz bestand. Der Angeklagte hatte zuvor an dem Fahrzeug ein für einen anderen Pkw ausgegebenes Kennzeichen angebracht (Fall 1). Nachdem er sein
  38. Auto am Straßenrand abgestellt hatte und ausgestiegen war, um den Zeugen
  39. Pe.
  40. aufzusuchen, erblickte er auf der Straße den Zeugen A.
  41. , über
  42. den er verärgert war. Zwischen beiden kam es zu einer körperlichen Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Angeklagte den Zeugen in den Bauch stach
  43. (Fall 2 – versuchter Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung).
  44. Sodann fuhr der Angeklagte mit seinem Fahrzeug davon. Diese Fahrt hat die
  45. Strafkammer als neue, rechtlich selbständige Tat der Urkundenfälschung in
  46. Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und Verstoß gegen das
  47. Pflichtversicherungsgesetz gewertet (Fall 3).
  48. 4
  49. b) Das Anbringen eines fremden Fahrzeugkennzeichens an dem Auto
  50. des Angeklagten ist als Herstellen einer unechten (zusammengesetzten) Urkunde (§ 267 Abs. 1, 1. Variante StGB) zu werten. Auch die Strafkammer geht
  51. davon aus, dass der Angeklagte von dieser zudem in den Fällen 1 und 3
  52. -4-
  53. Gebrauch machte (§ 267 Abs. 1, 3. Variante StGB), indem er das mit dem
  54. fremden Kennzeichen versehene Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr
  55. nutzte und dadurch den anderen Verkehrsteilnehmern sowie mit der Verkehrsüberwachung befassten Polizeibeamten die unmittelbare Kenntnisnahme der
  56. am Fahrzeug angebrachten Kennzeichen ermöglichte (vgl. BGH, Beschluss
  57. vom 28. Januar 2014 – 4 StR 528/13, NJW 2014, 871). Sie hat allerdings bei
  58. der Bewertung des Konkurrenzverhältnisses zwischen Fall 1 und Fall 3 nicht
  59. bedacht, dass nur eine Urkundenfälschung vorliegt, wenn eine gefälschte Urkunde mehrfach gebraucht wird und dieser mehrfache Gebrauch dem schon bei
  60. der Fälschung bestehenden konkreten Gesamtvorsatz des Täters entspricht
  61. (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Oktober 2008 – 3 StR 156/08, BGHR StGB
  62. § 267 Abs. 1 Konkurrenzen 3, und vom 16. Juli 2015 – 4 StR 279/15). Von einem solchen konkreten Gesamtvorsatz des Angeklagten ist auf der Grundlage
  63. der Feststellungen auszugehen. Das hat zur Folge, dass der mit beiden Fahrten
  64. verwirklichte Gebrauch einer unechten Urkunde und deren vorangegangene
  65. Herstellung als tatbestandliche Handlungseinheit eine Tat der Urkundenfälschung bilden und damit auch die weiteren während der beiden Fahrten begangenen Delikte hierzu in Tateinheit stehen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 2015 – 4 StR 279/15 mwN). Zu dieser Tat steht der im Fall 2 verwirklichte versuchte Totschlag (in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung) in Tatmehrheit. Denn wie aus den Feststellungen hervorgeht, beging der Angeklagte diese
  66. Tat aufgrund eines neuen, spontan gefassten Tatentschlusses, als er nach dem
  67. Aussteigen aus seinem Fahrzeug den Geschädigten auf der Straße erblickte.
  68. 5
  69. 2. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert; § 265 StPO
  70. steht dem nicht entgegen.
  71. -5-
  72. 6
  73. 3. Die Schuldspruchänderung hat den Wegfall der für den Fall 3 verhängten Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten zur Folge. Für das in diesem und
  74. im Fall 1 der Urteilsgründe verwirklichte einheitliche Delikt hat es bei der im
  75. Fall 1 verhängten Freiheitsstrafe von sechs Monaten sein Bewenden.
  76. 7
  77. Im Hinblick auf die Einsatzstrafe von vier Jahren und sechs Monaten sowie die weiteren Einzelstrafen von insgesamt zweimal sechs und zweimal vier
  78. Monaten Freiheitsstrafe schließt der Senat aus, dass das Landgericht eine mildere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte, wenn es die Konkurrenzen in den
  79. Fällen 1 und 3 zutreffend beurteilt hätte.
  80. 8
  81. 4. Angesichts des nur geringfügigen Teilerfolgs erscheint es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten des Rechtsmittels zu belasten
  82. (§ 473 Abs. 4 StPO).
  83. Mutzbauer
  84. Schneider
  85. Berger
  86. König
  87. Mosbacher