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  1. 5 StR 494/06
  2. BUNDESGERICHTSHOF
  3. BESCHLUSS
  4. vom 1. Februar 2007
  5. in der Strafsache
  6. gegen
  7. wegen Mordes u. a.
  8. -2-
  9. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Februar 2007
  10. beschlossen:
  11. 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
  12. Landgerichts Görlitz vom 19. Juni 2006 gemäß § 349
  13. Abs. 4 StPO dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte allein wegen Raubes mit Todesfolge verurteilt ist,
  14. und im Strafausspruch aufgehoben.
  15. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach
  16. § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
  17. 3. Die Sache wird zur Bemessung einer neuen Strafe, auch
  18. zur Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels, an
  19. eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  20. G r ü n d e
  21. 1
  22. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit
  23. mit Raub mit Todesfolge zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zum Wegfall der tateinheitlichen
  24. Verurteilung wegen Mordes. Die weitergehende Revision ist unbegründet im
  25. Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
  26. 2
  27. 1. Die Jugendkammer des Landgerichts hat mit Urteil vom 3. Dezember 1996 zwei Mittäter der nämlichen Tat wegen „gemeinschaftlichen
  28. schweren Raubes in Tateinheit mit versuchtem Mord durch Unterlassen“
  29. schuldig gesprochen und den erwachsenen Angeklagten N.
  30. zu einer
  31. Freiheitsstrafe von zehn Jahren und den heranwachsenden Angeklagten S.
  32. -3-
  33. auch wegen weiterer – eher geringfügiger – Straftaten zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Die dagegen gerichteten
  34. Revisionen dieser Angeklagten hat der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes durch Beschluss vom 21. Mai 1997 – 3 StR 137/97 – gemäß § 349 Abs. 2
  35. StPO als unbegründet verworfen. Den Schuldsprüchen der Jugendkammer
  36. lagen Geständnisse der damaligen Angeklagten zugrunde, die in ihren Einlassungen den damals nicht auffindbaren jetzigen Angeklagten als alleinigen
  37. Verursacher sämtlicher Verletzungen des Verstorbenen bezeichnet hatten.
  38. 2. In weitestgehend wörtlicher Übereinstimmung mit den damaligen
  39. 3
  40. Feststellungen der Jugendkammer hat die Schwurgerichtskammer nunmehr
  41. folgende Feststellungen getroffen:
  42. 4
  43. Der damals 22 Jahre alte Angeklagte durchwatete mit S.
  44. N.
  45. und
  46. am 24. Februar 1996 in Zittau von Polen kommend den Grenzfluss
  47. Neiße. Sie entschlossen sich, ein Fahrzeug zu entwenden, und warteten bis
  48. zum 27. Februar 1996 in einer
  49. G.
  50. gehörenden Gartenlaube in
  51. Eckartsberg auf eine Gelegenheit zum Diebstahl. G.
  52. fuhr zwischen
  53. 17.30 Uhr und 17.45 Uhr „mit seinem Pkw Peugeot 309 auf die Wiese vor
  54. seinem Gartengrundstück vor. Er stellte seinen Pkw ab und begab sich in
  55. Richtung seiner Laube. Der Angeklagte bemerkte dies und weckte die schlafenden N.
  56. und S.
  57. . Er teilte ihnen mit, dass nunmehr der Zeitpunkt
  58. gekommen sei, ein Fahrzeug zu besorgen. Alle drei beobachteten den Geschädigten G.
  59. . Sie fassten gemeinsam den Entschluss, den Mann zu
  60. überraschen, um sich des Fahrzeugs notfalls mit Gewalt, insbesondere durch
  61. Vorhalt eines aus einer zuvor aufgebrochenen Laube entwendeten Luftgewehrs und eines Küchenmessers sowie Fesseln des Geschädigten zu bemächtigen und mit dem Fahrzeug weiter in das Landesinnere gelangen zu
  62. können. Entsprechend dem zuvor gemeinsam gefassten Tatplan übergab
  63. der Angeklagte dem N.
  64. das Luftgewehr und nahm ein in der Laube vor-
  65. gefundenes Küchenmesser an sich. Der Angeklagte durchschnitt den an der
  66. Laubentür angebrachten Klebestreifen, mit dem zuvor das selbstständige
  67. -4-
  68. Aufgehen der nach außen zu öffnenden aufgebrochenen Laubentür verhindert worden war, und sicherte diese, indem er sie mit seinen Händen an sich
  69. zog. Gleichzeitig stellten sich N.
  70. und S.
  71. hinter den an der Tür ste-
  72. henden Angeklagten und alle drei traten zusammen vor die Laube, als der
  73. Geschädigte G.
  74. im Begriff war, die Laubentür zu öffnen. N.
  75. stellte
  76. sich mit dem Luftgewehr vor den Geschädigten, während der Angeklagte
  77. hinter diesen trat und ihm sofort das mitgeführte Küchenmesser an die Kehle
  78. hielt. Er wollte die vom Geschädigten erwartete Flucht und Gegenwehr von
  79. vornherein im Keim ersticken. S.
  80. N.
  81. stellte sich etwa zwei Meter neben
  82. . Der Angeklagte verlangte von dem Geschädigten die Herausgabe
  83. der Autoschlüssel. Der völlig überraschte, durch die kräfte- und zahlenmäßige Überlegenheit und infolge des vorgehaltenen Messers und Luftgewehrs
  84. eingeschüchterte, zu keiner Gegenwehr fähige Geschädigte gab an, dass
  85. sich die Fahrzeugschlüssel im Wagen befinden würden. Der Angeklagte forderte S.
  86. auf, im Fahrzeug des Geschädigten nach dem Autoschlüssel zu
  87. sehen. Dieser weigerte sich und fragte N.
  88. de. N.
  89. , ob dieser das machen wür-
  90. übergab daraufhin das Luftgewehr an den Angeklagten und be-
  91. gab sich zu dem Fahrzeug des Geschädigten G.
  92. . Der Angeklagte
  93. schob den Geschädigten in die Laube …, fasste das Luftgewehr am Lauf und
  94. schlug dem Geschädigten für diesen und auch für den unmittelbar nach ihm
  95. in die Laube getretenen und daneben stehenden S.
  96. unerwartet zunächst
  97. einmal mit dem Gewehrkolben auf den Kopf, so dass der Geschädigte zu
  98. Boden ging. S.
  99. , der sich der Gefährlichkeit dieser Handlung für das Leben
  100. des Geschädigten G.
  101. bewusst war, rief dem Angeklagten zu, was er
  102. denn da mache. Der Angeklagte forderte ihn auf, ruhig zu sein und die Sachen einzusammeln. Er wisse, was zu machen sei. S.
  103. ließ den Angeklag-
  104. ten gewähren, begann die in der Laube herumliegenden Sachen zusammenzusuchen … Der Angeklagte schlug erneut mindestens dreimal auf den sich
  105. erhebenden Geschädigten mit dem Gewehrkolben ein … Der Angeklagte
  106. durchsuchte, wie von ihm beabsichtigt, die Taschen des Geschädigten und
  107. nahm die vorgefundenen Autoschlüssel sowie etwa 30 DM an sich. In der
  108. Zwischenzeit kam N.
  109. wieder in die Laube zurück und sah den im Ge-
  110. -5-
  111. sicht blutenden Geschädigten G.
  112. am Boden liegen. Er bemerkte das
  113. am Kolben zerbrochene Luftgewehr und schloss daraus, dass der Geschädigte mit diesem niedergeschlagen worden war. N.
  114. schrie den Ange-
  115. klagten an, was er gemacht habe, da auch er erkannte, dass dem Geschädigten lebensgefährliche Kopfverletzungen zugefügt wurden. Unbeeindruckt
  116. von N.
  117. s Reaktion trat der Angeklagte dem am Boden liegenden Ge-
  118. schädigten zweimal mit seinem beschuhten Fuß in das Gesicht. Auf die Frage des N.
  119. , warum er dies tue, antwortete der Angeklagte, dass dies ge-
  120. schehe, damit der Geschädigte nicht mehr aufstehe. Der Angeklagte schlug
  121. eine in der Nähe befindliche Bodenvase dem Geschädigten auf den Kopf, um
  122. sicher zu gehen, dass der Geschädigte nicht mehr in der Lage ist, bei der
  123. Polizei eine Anzeige zu erstatten, und um ohne jegliche Gegenwehr das
  124. Fahrzeug des Geschädigten in seine Gewalt zu bekommen. Zuletzt sprühte
  125. der Angeklagte dem am Boden liegenden Geschädigten den Inhalt einer mitgeführten Dose Reizgas in das Gesicht … Der Angeklagte und seine Mittäter
  126. schlossen die Tür der Laube und schoben die Bank davor, um den ursprünglichen äußeren Zustand wieder herzustellen und ein selbstständiges Aufgehen der Tür zu verhindern. Danach verließen sie mit dem Fahrzeug des Geschädigten die Gartenanlage und ließen den Geschädigten völlig hilflos zurück, um ihr Weiterkommen in das Landesinnere und damit den erfolgreichen
  127. Abschluss ihres Unternehmens zu sichern“ (UA S. 7 bis 9).
  128. Gegen 18.00 Uhr des gleichen Tages verstarb
  129. 5
  130. G.
  131. infol-
  132. ge einer Einblutung in das Hirnkammersystem.
  133. Der Angeklagte und die bereits Verurteilten fuhren nach Kehl. Dort
  134. 6
  135. stellten sie den Pkw ab. Nach einem kurzen Aufenthalt in Frankreich begehrten S.
  136. und N.
  137. am 1. März 1996 in Mannheim Asyl mit richtigen, zwei
  138. Tage später in Berlin unter falschen Namen. N.
  139. und S.
  140. wurden Ende
  141. April 1996 in Berlin verhaftet, nachdem festgestellt worden war, dass am
  142. Tatort aufgefundene Fingerabdrücke mit den ihren übereingestimmt hatten.
  143. -6-
  144. 3. Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung eingeräumt, dass er
  145. 7
  146. an der Tat zum Nachteil des G.
  147. N.
  148. zusammen mit S.
  149. und
  150. beteiligt war, ohne hierzu nähere Angaben zu machen. Er hat in Ab-
  151. rede genommen, dass er „alles gemacht“ habe (UA S. 11). S.
  152. habe den
  153. Mann mit dem Gewehr mindestens einmal ins Gesicht geschlagen. Er hätte
  154. den Verletzten nicht liegen gelassen, wenn er nicht von S.
  155. mit einem
  156. Messer bedroht und hierdurch zum Wegfahren gezwungen worden wäre.
  157. 8
  158. 4. Das Landgericht hat sich von einer mittäterschaftlichen Beteiligung
  159. des Angeklagten am Raub des Pkw aufgrund vom Angeklagten stammender
  160. Spuren am Tatort und der Zeugenaussage des Haftrichters des Amtsgerichts
  161. Laufen überzeugt, demgegenüber der Angeklagte während der Vernehmung
  162. am 30. März 2005 den im Haftbefehl vom 7. Mai 1996 konkret aufgeführten
  163. Tatvorwurf des gemeinschaftlichen Raubes des Pkw unter Herbeiführung
  164. lebensgefährlicher Verletzungen des Eigentümers des Fahrzeugs als grundsätzlich richtig bestätigt hatte, allerdings mit der Einschränkung, dass nicht
  165. er, sondern S.
  166. das Opfer geschlagen habe. Der Angeklagte hat ferner er-
  167. klärt, er sei während der Vorfälle zum Auto gelaufen, da er Angst bekommen
  168. habe. Nach vergeblicher Suche nach den Kfz-Schlüsseln sei er in die Laube
  169. zurückgegangen und habe den bereits schwer Verletzten zusammen mit den
  170. Landsleuten durchsucht und die Schlüssel gefunden. Die Mittäter hätten sich
  171. geweigert, das Opfer in ein Krankenhaus zu bringen. Den erst in der Hauptverhandlung erhobenen Einwand des Angeklagten, er sei zur Abfahrt gezwungen worden, hat das Landgericht – für sich rechtsfehlerfrei – als unschlüssige Schutzbehauptung widerlegt.
  172. 9
  173. Solches trägt als Mindestfeststellung den Schuldspruch wegen Raubes mit Todesfolge gemäß § 251 StGB. Der Angeklagte hat in Verfolgung
  174. des auf gewaltsame Wegnahme eines Pkw gerichteten gemeinsamen Tatplanes die, wenn nicht von ihm, so jedenfalls im Rahmen verabredeter Gewaltausübung von einem Mittäter dem Gewahrsamsinhaber beigebrachten
  175. lebensgefährlichen Körperverletzungen dazu ausgenutzt, sich und die Tat-
  176. -7-
  177. genossen in den Besitz des Kraftfahrzeugs zu bringen (vgl. BGHSt 48, 365,
  178. 366 f.). Durch das Ansichnehmen der Kfz-Schlüssel aus der Kleidung des
  179. dann zurückgelassenen Schwerverletzten hat sich deren Vorsatz – entsprechend der Version des Angeklagten – wenigstens sukzessiv auf die Gewalthandlung des Mittäters erstreckt (vgl. BGH NJW 1998, 3361, 3362; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 251 Rdn. 5). Der Angeklagte hat den Todeseintritt jedenfalls leichtfertig mit herbeigeführt (vgl. BGH aaO S. 3363).
  180. 5. Die Revision ist indes erfolgreich, soweit sie die Verurteilung des
  181. 10
  182. Angeklagten wegen Mordes angreift. Die diesem Schuldspruch zugrunde
  183. liegende Beweiswürdigung hat keinen Bestand.
  184. 11
  185. a) Das Landgericht hat sich ausschließlich anhand indirekter Beweismittel, der früheren Aussagen der Mittäter S.
  186. und N.
  187. als Be-
  188. schuldigte und Angeklagte, eingeführt durch Verlesung der Beschuldigtenvernehmungen und des Urteils der Jugendkammer vom 3. Dezember 1996
  189. sowie Vernehmung des ermittelnden Kriminalbeamten und zweier beisitzender Richter der Jugendkammer als Zeugen davon überzeugt, dass es allein
  190. der Angeklagte war, der gegen das Opfer sämtliche Verletzungshandlungen
  191. ausgeführt hat. S.
  192. wurde als Zeuge in Rumänien geladen. Gegenüber der
  193. Polizei hat er dort erklärt, dass er seiner früher gemachten Aussage nichts
  194. hinzuzufügen habe. Er hat sich geweigert, eine schriftliche Erklärung abzugeben. Auch der Verurteilte N.
  195. ist als Zeuge in Rumänien geladen
  196. worden. Er soll sich aber in Spanien – für das Gericht unerreichbar – aufhalten.
  197. 12
  198. b) Der Senat ist nicht genötigt zu entscheiden, ob bei der vom Landgericht insoweit herangezogenen Beweislage eine Verurteilung wegen Mordes ohne Verstoß gegen Artikel 6 Abs. 3 lit. d in Verbindung mit Artikel 6
  199. Abs. 1 MRK möglich ist (vgl. BGH NJW 2005, 1132; 2007, 237 zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt; EGMR NJW 2003, 2893, 2894; 2006, 2753,
  200. -8-
  201. 2755 f.), weil die Beweiswürdigung des Landgerichts jedenfalls sachlichrechtlichen Anforderungen nicht entspricht.
  202. 13
  203. aa) Schon der Ausgangspunkt der Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet gewichtigen Bedenken. Die Schwurgerichtskammer würdigt
  204. die Einlassung der anderweitig Verurteilten im Stil von Zeugenaussagen (vgl.
  205. BGH NStZ 2001, 491, 492) und prüft, ob die ehemaligen Angeklagten etwas
  206. Selbsterlebtes wiedergegeben haben. Dies lässt besorgen, dass das Landgericht nicht hinreichend bedacht hat, dass am Tatort anwesend gewesene
  207. und gemeinsam geflüchtete Mittäter fraglos weitestgehend Selbsterlebtes
  208. bekunden können und es lediglich zu beurteilen gewesen ist, ob Mittäter gemeinsam oder einzeln dem Opfer die tödlichen Verletzungen beigebracht
  209. haben. Hinzu kommt, dass die vom Landgericht herangezogenen glaubhaftigkeitssteigernden Begleitumstände, die von den Verurteilten übereinstimmend in deren polizeilichen Vernehmungen geschildert worden sind (UA
  210. S. 28 f.: Tatzeit, Art der Verschließung der Laubentür, Äußerungen des Angeklagten nach der Tat, Fahrereigenschaft des Angeklagten) und das mit
  211. den bekundeten Belastungen der Verurteilten übereinstimmende Obduktionsergebnis für die ausschlaggebende Beurteilung einer möglicherweise alternativen Aufteilung der Tatausführungsbeiträge irrelevant sind.
  212. 14
  213. bb) Die Beweiswürdigung des Landgerichts erfüllt die sich aus der
  214. hier ebenfalls vorliegenden Konstellation Aussage-gegen-Aussage (vgl. BGH
  215. NStZ–RR 2002, 146 m.w.N.) ergebenden besonderen Erörterungspflichten
  216. nicht ausreichend. Die Schwurgerichtskammer hat nicht alle Umstände, die
  217. die Entscheidung beeinflussen können, in ihre Überlegungen einbezogen
  218. (vgl. BGHSt 44, 153, 158 f.).
  219. 15
  220. Das Landgericht hat die den Beschuldigtenvernehmungen und Einlassungen der Verurteilten widersprechenden Aussagen vor dem jeweiligen
  221. Haftrichter nicht in die Würdigung miteinbezogen. N.
  222. hatte ursprünglich
  223. – wie jetzt teilweise der Angeklagte – angegeben, S.
  224. und der Angeklagte
  225. -9-
  226. hätten G.
  227. getötet. S.
  228. sagt, er sei mit N.
  229. hatte entgegen dem Beweisergebnis ausge-
  230. weggerannt und habe nicht mitbekommen, was in der
  231. Laube geschehen sei. Damit wäre zu beachten gewesen, dass die vom
  232. Landgericht aus den im Wesentlichen als übereinstimmend bewerteten Aussagen der Verurteilten in ihren polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen
  233. und Einlassungen als Angeklagte abgeleitete Aussagekonstanz zumindest
  234. so stark in Zweifel zu ziehen gewesen wäre, dass die vom Schwurgericht
  235. selbst festgestellten, sogar das Kerngeschehen berührenden Widersprüche
  236. (UA S. 30: Übernahme des Gewehrs durch den Angeklagten, Umfang der
  237. Wahrnehmungen des N.
  238. , Weigerung des S.
  239. , zum Pkw zu gehen,
  240. weiteres Tatmittel Bodenvase) nicht mehr mit einer Erinnerungslücke, fehlendem Belastungseifer oder Detailergänzungen hätten erklärt werden dürfen. Der Tatrichter wäre bei dieser Sachlage vielmehr genötigt gewesen,
  241. sämtliche Qualitätsmängel der Aussagen der Verurteilten in einer Gesamtschau daraufhin zu würdigen, ob sie in ihrer Häufung zu durchgreifenden
  242. Zweifeln an der Richtigkeit des Tatvorwurfs Anlass geben konnten (vgl.
  243. BGHR StPO § 261 Zeuge 3; Indizien 1, 7). Dabei wäre auch der Umstand
  244. heranzuziehen gewesen, dass die Verurteilten zu ihrem eigenen Vorteil
  245. deutsche Behörden unmittelbar nach der Tat durch Stellung von Asylanträgen unter falschen Namen zu täuschen in der Lage waren.
  246. 16
  247. cc) Soweit das Landgericht einen Hinweis auf die Glaubhaftigkeit der
  248. Aussagen der Verurteilten darin erblickt, dass diese sich erheblich selbst belastet haben, steht solches in gewissem Widerspruch zu der im Urteil dargestellten, die Verurteilten stark belastenden Beweislage. S.
  249. und N.
  250. hatten am Tatort Fingerabdrücke hinterlassen. Der Todeszeitpunkt des Opfers stand im Einklang mit dem Verschwinden von dessen Pkw, der im weiteren Umkreis des Aufenthaltsorts der Verurteilten nach der Tat aufgefunden
  251. worden war. Als selbstbelastend konnte nur der aus der Zeit nach der unmittelbaren Tatausführung geschilderte Umstand bewertet werden, dass das
  252. Opfer noch gelebt habe, als die Verurteilten den Tatort verlassen und dabei
  253. nicht gewollt hatten, dass das Opfer zur Polizei hätte gehen können. Solches
  254. - 10 -
  255. steht aber nicht im Zusammenhang mit der zu beurteilenden Zufügung der
  256. tödlichen Verletzungen.
  257. 17
  258. dd) Das Landgericht hat es schließlich unterlassen, bei der Wertung
  259. der Beweise auf die sich aus der Konstellation Aussage-gegen-Aussage in
  260. Kumulation mit dem geringeren Beweiswert der bloß zur Verfügung stehenden mittelbaren Aussagen ergebenden erhöhten Schwierigkeiten Bedacht zu
  261. nehmen (vgl. BGH NStZ 2004, 691, 692; NJW 2007, 237, 239 m.w.N.).
  262. Daneben hätte der Umstand kritischer Erörterung bedurft, dass sich S.
  263. ,
  264. den der Angeklagte in seiner Einlassung belastet hat und der nach dem Beweisergebnis des Landgerichts während der Tatausführung anwesend war,
  265. ohne Grund der Zeugenrolle entzogen hat, ähnlich einem Zeugen, der § 55
  266. StPO in Anspruch nimmt (vgl. BGHSt 47, 220, 223 f.).
  267. 18
  268. 6. Der Senat schließt aus, dass ein neuer Tatrichter in der Lage sein
  269. wird, die aufgezeigten Schwierigkeiten der Beweisführung in dem Sinne
  270. überwinden zu können, dass eine Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes möglich sein wird. Demnach verbleibt es bei dem aufgrund der fehlerfrei
  271. getroffenen Mindestfeststellungen des Landgerichts (Ziffer 4 dieses Beschlusses) sich ergebenden Schuldspruch wegen Raubes mit Todesfolge.
  272. Eine weitergehende Verurteilung ist bei der gegebenen Beweislage nicht
  273. möglich. Der Grundsatz in dubio pro reo nötigt bei den hier vorhandenen Mittätern zur Annahme, dass diese und nicht der Angeklagte das Opfer getötet
  274. haben (vgl. BGHR StPO § 261 in dubio pro reo 8).
  275. - 11 -
  276. 19
  277. Der neue Tatrichter wird demnach auf Grundlage dieser Mindestfeststellungen nur noch die Strafe zu bestimmen haben. Einer Aufhebung von
  278. Feststellungen bedurfte es nicht. Zum Lebenslauf des Angeklagten dürfen
  279. ergänzende Feststellungen getroffen werden.
  280. Basdorf
  281. Raum
  282. Schaal
  283. Jäger
  284. Brause