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  1. Nachschlagewerk: ja
  2. BGHSt
  3. : nein
  4. Veröffentlichung: ja
  5. StGB § 353b Abs. 1 Satz 1
  6. Strafbarkeit nach § 353b Abs. 1 Satz 1 StGB liegt mangels
  7. Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen nicht vor,
  8. wenn ein Datenschutzbeauftragter mit der Veröffentlichung
  9. datenschutzrechtlicher Verstöße auch auf ein gesetzmäßiges Verhalten hinwirkt.
  10. BGH, Urt. v. 9. Dezember 2002
  11. - 5 StR 276/02
  12. LG Dresden –
  13. 5 StR 276/02
  14. BUNDESGERICHTSHOF
  15. IM NAMEN DES VOLKES
  16. URTEIL
  17. vom 9. Dezember 2002
  18. in der Strafsache
  19. gegen
  20. wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses
  21. -3-
  22. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Dezember 2002, an der teilgenommen haben:
  23. Vorsitzende Richterin Harms,
  24. Richter Häger,
  25. Richter Dr. Raum,
  26. Richter Dr. Brause,
  27. Richter Schaal
  28. als beisitzende Richter,
  29. Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
  30. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  31. Rechtsanwalt
  32. D
  33. Rechtsanwalt H
  34. ,
  35. ,
  36. Rechtsanwalt
  37. L
  38. als Verteidiger,
  39. Justizangestellte T
  40. ,
  41. Justizangestellte R
  42. als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
  43. -4-
  44. für Recht erkannt:
  45. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des
  46. Landgerichts Dresden vom 7. November 2001 wird verworfen.
  47. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der
  48. Staatskasse auferlegt.
  49. – Von Rechts wegen –
  50. Gründe
  51. Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf freigesprochen, im August 2000 als Sächsischer Datenschutzbeauftragter in drei Fällen
  52. Dienstgeheimnisse verletzt zu haben. Die hiergegen gerichtete Revision der
  53. Staatsanwaltschaft, die mit der Sachrüge die Beweiswürdigung und die
  54. rechtliche Würdigung angreift, bleibt ohne Erfolg.
  55. I.
  56. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
  57. Der Angeklagte ist seit 1992 Datenschutzbeauftragter des Freistaats
  58. Sachsen. In dieser Eigenschaft wurde er vom damaligen Oberbürgermeister
  59. der Stadt Görlitz, Le
  60. , zwischen 1998 und 2000 mehrfach von dem Ver-
  61. dacht unterrichtet, das Sächsische Staatsministerium der Justiz könne in einem Ermittlungsverfahren gegen den Beigeordneten für Finanzen der Stadt
  62. -5-
  63. Görlitz und stellvertretenden Kreisvorsitzenden der CDU, N
  64. , in unlaute-
  65. rer Weise auf die Staatsanwaltschaft eingewirkt haben. Das Verfahren gegen
  66. N
  67. war auf Grund einer Strafanzeige des ebenfalls der CDU angehö-
  68. renden Oberbürgermeisters Le
  69. eingeleitet worden. Im Rahmen der da-
  70. tenschutzrechtlichen Anrufung überprüfte der Angeklagte im Juli 2000 die
  71. Akten des Ministeriums zum „Fall N
  72. “. Dabei stellte er fest, daß sich der
  73. Görlitzer Landtagsabgeordnete und dortige Kreisvorsitzende der CDU,
  74. B
  75. , am 19. August 1997 telefonisch an den Justizminister He
  76. gewandt und den Wunsch nach einer raschen Klärung der Vorwürfe – auch
  77. im Hinblick auf einen am 20. September 1997 stattfindenden Kreisparteitag
  78. der CDU – zum Ausdruck gebracht hatte. Der Justizminister hatte daraufhin
  79. die Strafrechtsabteilung seines Hauses mit der Vorlage eines Berichts über
  80. dieses Verfahren beauftragt, der ihm möglichst noch vor einer am 28. August 1997 in Görlitz stattfindenden Klausur der Landtagsfraktion der CDU
  81. zugeleitet werden sollte; zugleich hatte er darum gebeten, auf eine „beschleunigte Behandlung“ des Ermittlungsverfahrens hinzuwirken. Der für
  82. strafrechtliche Einzelsachen zuständige Referatsleiter hatte in der Folgezeit
  83. den Leitenden Oberstaatsanwalt in Görlitz telefonisch vom Anliegen des Justizministers unterrichtet. Nach Eingang des Berichtes der Staatsanwaltschaft Görlitz hatte er am 26. August 1997 über den Gegenstand des Ermittlungsverfahrens gegen N
  84. und den damaligen Sachstand einen um-
  85. fangreichen Vermerk verfaßt, in dem darauf hingewiesen wurde, er hätte den
  86. Leitenden Oberstaatsanwalt gebeten, „für eine rasche und sensible Behandlung der Sache Sorge zu tragen“. Dieser Vermerk war auf dem Dienstweg
  87. dem Minister vorgelegt worden. Dieser hatte am 27. August 1997 die Vorlage
  88. zur Kenntnis genommen; er hatte den Landtagsabgeordneten B
  89. am
  90. folgenden Tag unterrichtet und am 30. August 1997 die Strafrechtsabteilung
  91. gebeten, ihn weiter „auf dem Laufenden zu halten“.
  92. Diese aus den Akten ersichtlichen Vorgänge bewertete der Angeklagte als erhebliche Verstöße gegen die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes. Nachdem er die Führung des Justizministeriums unverzüglich vor-
  93. -6-
  94. ab informiert hatte, kündigte er mit Schreiben vom 18. Juli 2000 eine datenschutzrechtliche Beanstandung an und gab dem Ministerium Gelegenheit zur
  95. Stellungnahme bis 24. Juli 2000. Mit Schreiben vom 25. Juli 2000 wies der
  96. Leiter der Strafrechtsabteilung die Vorwürfe des Datenschutzbeauftragten
  97. zurück; die von diesem beanstandete Vorgehensweise sei rechtmäßig gewesen. Der Angeklagte wandte sich daraufhin an den Chef der Sächsischen
  98. Staatskanzlei mit der Bitte, den Justizminister zu bewegen, Berichtsanforderungen der beanstandeten Art sowie die Informierung Dritter zu unterlassen
  99. und die in Verwaltungsvorschriften festgelegten Berichtspflichten der Staatsanwaltschaft zu ändern.
  100. Nachdem am 16. August 2000 ein Journalist der B
  101. -Zeitung einem
  102. Mitarbeiter des Angeklagten einen Entwurf eines Zeitungsartikels über das
  103. Verhalten des Justizministers im Hinblick auf das Ermittlungsverfahren gegen
  104. N
  105. zur Kenntnis gebracht, vor einer beabsichtigten Veröffentlichung
  106. aber noch einige Tage Stillschweigen zugesagt hatte, wandte sich der Angeklagte am 21. August 2000 erneut an den Chef der Staatskanzlei und kündigte an, wegen des Drucks der Presse am Folgetag um 18.00 Uhr nach
  107. Eingang einer von ihm erwarteten Stellungnahme des Justizministers eine
  108. Pressekonferenz abzuhalten. Am Morgen des 22. August 2000 erschien indes bereits in großer Aufmachung der zuvor angekündigte bebilderte Bericht
  109. in der B
  110. -Zeitung, in dem unter anderem das Anliegen des Landtagsabge-
  111. ordneten B
  112. und dessen Unterrichtung durch den Justizminister
  113. – letzteres ohne Einzelheiten, aber auf dem Hintergrund politischer Verbindungen – geschildert wurde; ferner wurden N
  114. Le
  115. als Beschuldigter sowie
  116. als Anzeigeerstatter benannt. In der auf 18.00 Uhr einberufenen
  117. Pressekonferenz verlas der Angeklagte daraufhin vor den anwesenden
  118. Pressevertretern die vom Justizminister stammenden Verfügungen (Fall 1
  119. der Anklage). Am nächsten Tag übersandte er dem Justizministerium gegen 9.00 Uhr eine datenschutzrechtliche Beanstandung, in der er die Gesetzesverstöße nochmals im Einzelnen darstellte, die Verfügungen des Justizministers zitierte und eine abstrakte Darstellung des Berichts des Leiten-
  120. -7-
  121. den Oberstaatsanwalts in Görlitz vom 25. August 1997 beifügte. Gegen 10.00 Uhr übermittelte er das gesamte Beanstandungsschreiben an den
  122. Petenten Le
  123. (Fall 2 der Anklage), eine Stunde später berief er eine
  124. weitere Pressekonferenz ein. In diesem Rahmen verlas er die gesamte datenschutzrechtliche Beanstandung im Wortlaut und legte für die Journalisten
  125. Kopien zur Mitnahme aus (Fall 3 der Anklage).
  126. Das Landgericht hat die im August 1997 aktenkundig gewordenen
  127. verwaltungsinternen Vorgänge im Sächsischen Staatsministerium der Justiz,
  128. die in diesem Zusammenhang erfolgte Unterrichtung Dritter über den
  129. Sachstand des damaligen Ermittlungsverfahrens sowie die datenschutzrechtliche Beanstandung des Datenschutzbeauftragten gegenüber dem Justizministerium vom 23. August 2000 jeweils als Dienstgeheimnisse gemäß
  130. § 353b Abs. 1 StGB angesehen. Der Angeklagte habe aber bei Offenbarung
  131. dieser Geheimnisse keine wichtigen öffentlichen Interessen im Sinne dieser
  132. Vorschrift gefährdet; zudem habe er nicht unbefugt gehandelt, sondern sei
  133. aus verfassungsrechtlichen Gründen wegen Notstands gerechtfertigt.
  134. II.
  135. Die gegen das freisprechende Urteil gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.
  136. 1. Ohne Erfolg rügt die Beschwerdeführerin, die Beweiswürdigung sei
  137. unvollständig und genüge nicht den Anforderungen des § 267 Abs. 5 StPO.
  138. Dem Urteil ist zu entnehmen, daß der Angeklagte den Sachverhalt so geschildert hat, wie er im Urteil festgestellt worden ist. Seine Angaben werden
  139. bestätigt durch die in der Hauptverhandlung verlesenen Schriftstücke und die
  140. Aussagen der vom Landgericht benannten Zeugen, die als Beteiligte die
  141. Darstellung des Angeklagten „objektiviert“ haben. Mehr ist bei einem Freispruch aus rechtlichen Gründen nicht geboten.
  142. -8-
  143. 2. Der Freispruch hält auch im übrigen sachlichrechtlicher Nachprüfung stand.
  144. a) Mit der Verlesung der vom Justizminister stammenden Verfügungen
  145. am 22. August 2000 (Fall 1 der Anklage) hat der Angeklagte nicht gegen
  146. § 353b StGB verstoßen.
  147. Gemäß § 353b Abs. 1 Nr. 1 StGB macht sich strafbar, wer ein Geheimnis, das ihm als Amtsträger anvertraut worden oder sonst bekannt geworden ist, unbefugt offenbart und dadurch wichtige öffentliche Interessen
  148. gefährdet.
  149. aa) Geheimnisse im Sinne dieser Vorschrift sind Tatsachen, die nur
  150. einem begrenzten Personenkreis bekannt und zudem geheimhaltungsbedürftig sind. Darunter fallen auch personenbezogene Umstände, die vertraulich zu behandeln sind. Sie müssen dem betreffenden Amtsträger im inneren
  151. Zusammenhang mit seiner Diensttätigkeit bekanntgeworden sein (vgl.
  152. BGHSt 46, 339, 340 f.; 10, 108 f.; BGH NStZ 2000, 596, 598; Hoyer in SKStGB 41. Lfg. § 353b Rdn. 6). In diesem Sinne kann auch rechtswidriges
  153. Handeln Dritter im Einzelfall eine geheimhaltungsbedürftige Tatsache darstellen (vgl. BGHSt 20, 342, 354 ff.; Hoyer in SK aaO Rdn. 5).
  154. Das als normatives Element des Geheimnisbegriffs erforderliche Geheimhaltungsbedürfnis (vgl. BGHSt 46, 339, 341) ergibt sich vorliegend aus
  155. § 23 Abs. 6 Satz 1 des hier maßgeblichen Sächsischen Datenschutzgesetzes (SächsDSG). Nach dieser Vorschrift unterfallen die dem Angeklagten als
  156. Sächsischem Datenschutzbeauftragten bei seiner Tätigkeit bekanntgewordenen personenbezogenen Daten der Pflicht zur Verschwiegenheit. Von ihr
  157. miterfaßt werden auch personenbezogene Daten der vom Datenschutzbeauftragten kontrollierten Amtswalter, weil insoweit das dienstliche Grundverhältnis betroffen ist, in dem der öffentliche Bedienstete seinem Dienstherrn
  158. als Grundrechtsträger gegenübertritt (vgl. Globig, DÖD 1991, 217, 218, 220).
  159. -9-
  160. Ausgenommen sind nach Satz 2 dieser Bestimmung Mitteilungen im dienstlichen Verkehr oder allgemein zugängliche Daten. Solche sind – wie offenkundige Tatsachen im Sinne von § 61 Abs. 1 Satz 2 BBG, § 39 Abs. 1 Satz 2
  161. BRRG, § 23 Abs. 5 Satz 2 BDSG (vgl. BGH, Urt. vom 8. Oktober 2002
  162. – 1 StR 150/02 S. 7; zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) – insbesondere dann anzunehmen, wenn von ihnen verständige und erfahrene Menschen
  163. ohne weiteres Kenntnis haben und sie keiner weiteren Überprüfung oder Bestätigung bedürfen (vgl. BGH aaO S. 6, BGH NStZ 2000, 596, 597 m. w. N.;
  164. Träger in LK 10. Aufl. § 353b Rdn. 7; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 353b
  165. Rdn. 7, § 93 Rdn. 9).
  166. Entsprechendes ergibt sich aus § 78 Abs. 1 Satz 2 SächsBG, wonach
  167. die Verschwiegenheitspflicht entfällt, wenn die fraglichen Tatsachen offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. Diese für weisungsunterworfene Landesbeamte getroffene Regelung kann als
  168. allgemeiner Grundsatz auf den nach § 23 Abs. 4 Satz 1 SächsDSG unabhängigen, weisungsfreien und nur dem Gesetz unterworfenen Sächsischen
  169. Datenschutzbeauftragten, der Beamter auf Zeit ist, angewandt werden. Bedeutungslosigkeit kann allerdings nicht angenommen werden, wenn eine Angelegenheit unter irgendeinem Gesichtspunkt aus irgendeinem Grund jetzt
  170. oder auch später Bedeutung gewinnen (vgl. BGHSt 46, 339, 341 m. w. N.),
  171. insbesondere ihre Offenbarung auf ein laufendes oder zukünftiges Verfahren
  172. Einfluß haben kann (Zängl in GKÖD Bd. I BR Lfg. 5/99 § 61 Rdn. 45).
  173. bb) Auf dieser rechtlichen Grundlage ergibt sich für die dem Angeklagten zur Last gelegten Handlungen, daß er durchaus Geheimnisse im
  174. Sinne von § 353b Abs. 1 StGB offenbarte, indem er als Sächsischer Datenschutzbeauftragter anläßlich der ersten Pressekonferenz am Abend des
  175. 22. August 2000 die innerdienstlichen Vermerke und Verfügungen des Sächsischen Justizministers vom 19. und 30. August 1997 zu den Vorgängen im
  176. Fall N
  177. verlas und damit einem größeren Personenkreis bekanntmach-
  178. - 10 -
  179. te, der von diesen Vorgängen bis zu diesem Zeitpunkt in dieser konkreten
  180. Form noch keine Kenntnis hatte.
  181. Den Charakter als Geheimnis verloren diese Aktenbestandteile auch
  182. nicht ohne weiteres allein dadurch, daß der Angeklagte im Rahmen seiner
  183. datenschutzrechtlichen Überprüfung Verstöße des Justizministers gegen das
  184. Sächsische Datenschutzgesetz festgestellt hatte. Zwar hatte der Justizminister vor dem Hintergrund seiner parteipolitischen Motivation offensichtlich
  185. nicht in Ausübung des ihm nach § 146 GVG zustehenden externen Weisungsrechts gegenüber der Staatsanwaltschaft (vgl. Schoreit in KK 4. Aufl.
  186. § 146 GVG Rdn. 2; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. GVG § 146
  187. Rdn. 1) gehandelt. Die Anforderung des Berichts über die Strafrechtsabteilung beim Leitenden Oberstaatsanwalt in Görlitz hinsichtlich der Einzelheiten
  188. des Verfahrens gegen N
  189. stellt das Erheben personenbezogener Daten
  190. im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 1 SächsDSG dar; eine zweckbestimmte Auswertung dieser Daten oder auch nur eine zielgerichtete Kenntnisnahme von
  191. ihnen ist eine Nutzung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 SächsDSG (OVG Bautzen NJW 1999, 2832, 2835) und die Unterrichtung Dritter ein Übermitteln im
  192. Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 4 lit. a SächsDSG. Diese Datenverarbeitungen waren nach § 4 Abs. 1 SächsDSG unzulässig. Weder das Sächsische Datenschutzgesetz noch andere Rechtsvorschriften lassen ein solches Vorgehen
  193. zu. Auch eine Einwilligung der Betroffenen ist nicht ersichtlich. Die Verschwiegenheitspflicht schützt nicht nur die Betroffenen, sondern auch die zu
  194. kontrollierenden öffentlichen Stellen und deren Mitarbeiter (Gola/Schomerus,
  195. BDSG
  196. 7. Aufl.
  197. § 23
  198. Rdn.
  199. 10;
  200. vgl.
  201. auch
  202. Dammann
  203. in
  204. Simi-
  205. tis/Dammann/Geiger/Mallmann/ Walz, BDSG 4. Aufl. § 23 Rdn. 25). Der vorliegende Fall nötigt den Senat nicht, näher zu bestimmen, unter welchen
  206. Voraussetzungen die Offenbarung rechtswidrigen Verhaltens die Verschwiegenheitspflicht verletzen kann.
  207. cc) Gleichermaßen kann dahingestellt bleiben, ob der Angeklagte
  208. deshalb von der Verschwiegenheitspflicht entsprechend § 61 Abs. 4 BBG
  209. - 11 -
  210. befreit oder befugt war, die aktenkundigen verwaltungsinternen Vorgänge zu
  211. offenbaren, weil er zum Erhalt der freiheitlich-demokratischen Grundordnung
  212. handelte (vgl. BVerfGE 28, 191, 202 ff.; BGHSt 20, 342, 365, 367 f.; Träger
  213. in LK 10. Aufl. § 353b Rdn. 35; Plog/Wiedener/Lemhöfer, BBG/BeamtenVG
  214. § 61 Rdn. 7; Battis, BBG 2. Aufl. § 61 Rdn. 4 f.). Zugleich kann offenbleiben,
  215. ob damit – wie der Tatrichter meint – der Angeklagte im Sinne von § 34 StGB
  216. gerechtfertigt war. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen
  217. diesen Schluß nicht ohne weiteres.
  218. dd) Das Landgericht hat aber im Ergebnis zutreffend eine Gefährdung
  219. wichtiger öffentlicher Interessen im Sinne von § 353b Abs. 1 StGB verneint
  220. (vgl. BGHSt 46, 339, 343).
  221. Eine konkrete unmittelbare Gefährdung öffentlicher Interessen ist nicht
  222. ersichtlich. Auch die Revision stellt nicht in Abrede, daß die Offenbarung der
  223. fast drei Jahre zurückliegenden Verstöße des Justizministers gegen das
  224. Datenschutzrecht wichtige öffentliche Interessen nicht gefährden konnte. Eine Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen käme allenfalls mittelbar in
  225. Betracht, falls durch das Offenbaren der Verfügungen des Justizministers
  226. das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität des Datenschutzbeauftragten
  227. beeinträchtigt wäre. Eine solche mittelbare Gefährdung kann nach der
  228. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausnahmsweise genügen (vgl.
  229. BGH NStZ 2000, 596, 598; vgl. auch Träger in LK 10. Aufl. § 353b Rdn. 26
  230. m. w. N.; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 353b Rdn. 13a; ablehnend
  231. Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 353b Rdn. 9; Hoyer
  232. in SK-StGB 41. Lfg. § 353b Rdn. 8; Kuhlen in NK-StGB § 353b Rdn. 22 ff.;
  233. Perron JZ 2002, 50, 51 f.; Behm StV 2002, 29, 32 f.). Dazu bedarf es einer
  234. Gesamtabwägung im Einzelfall, um dem Merkmal der Gefährdung wichtiger
  235. öffentlicher Interessen seinen eigenständigen Bedeutungsgehalt zu erhalten.
  236. Dabei müssen Inhalt und Umfang der geheimhaltungsbedürftigen Daten, deren in Aussicht genommene Verwendung und die Person des Amtsträgers
  237. Berücksichtigung finden (BGH aaO).
  238. - 12 -
  239. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung, an der der Senat festhält,
  240. hat das Landgericht im Ergebnis rechtsfehlerfrei eine Gefährdung öffentlicher
  241. Interessen durch den Angeklagten verneint. Ein Amtsträger, der wie der Angeklagte zur Kontrolle der Gesetzestreue eines anderen Amtsträgers berufen
  242. ist, kann wichtige öffentliche Interessen nicht durch die Offenbarung eines
  243. Gesetzesverstoßes gefährden, wenn er die Öffentlichkeit – wie ersichtlich
  244. hier – auch als Verbündeten gewinnen will, um auf ein gesetzmäßiges Verhalten hinzuwirken. Damit verfolgte der Angeklagte selbst ein wichtiges öffentliches Interesse, was einen Verlust des Vertrauens hinsichtlich der Integrität des Datenschutzbeauftragten in der Öffentlichkeit ausschließt. Entgegen der Auffassung der Revision kann ein Verlust des Vertrauens in die Integrität des Justizministeriums keine wichtigen öffentlichen Interessen begründen. Die offenbarten Verfügungen des Justizministers waren offensichtlich
  245. rechtmäßig in den Besitz des Angeklagten gelangt. Damit wurden sie Bestandteil eines Verwaltungsvorgangs der vom Angeklagten geleiteten Behörde (vgl. Dammann in Simitis/Dammann/Geiger/Mallmann/Walz, BDSG
  246. 4. Aufl. § 23 Rdn. 25) und bildeten ausschließlich deren Geheimnis. Dessen
  247. Offenbarung könnte dann auch nur einen Verlust des Vertrauens hinsichtlich
  248. der Integrität dieser Behörde bewirken. Die Anerkennung einer weiteren Mittelbarkeit – hier bezogen auf das Justizministerium als Ursprungsbehörde –
  249. würde auch die Grenzen dessen, was im Gesetzgebungsverfahren als von
  250. der Rechtsprechung ausreichend klar umrissen bezeichnet wurde (vgl. BayObLG NStZ–RR 1999, 299, 300; Träger in LK 10. Aufl. § 353b StGB
  251. Rdn. 26), überschreiten und dem Erfordernis der Tatbestandsbestimmtheit
  252. zuwiderlaufen (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 353b Rdn. 13a).
  253. b) Dieselben Grundsätze gelten auch hinsichtlich des Verlesens der
  254. datenschutzrechtlichen Beanstandung am 23. August 2000 (Fall 3 der Anklage). Auch insoweit war die Verschwiegenheitspflicht des Angeklagten aus
  255. § 23 Abs. 6 Satz 1 SächsDSG nicht schon wegen Bedeutungslosigkeit entfallen. Jedenfalls war insoweit die Offenbarung dieser Geheimnisse aber aus
  256. - 13 -
  257. den oben dargelegten Gründen nicht geeignet, wichtige öffentliche Interessen zu gefährden.
  258. c) Hinsichtlich der Übersendung der datenschutzrechtlichen Beanstandung an Le
  259. (Fall 2 der Anklage) bestand für den Angeklagten in-
  260. soweit schon keine Verschwiegenheitspflicht mehr, weil die ihren spezifischen Zweck erfüllende Unterrichtung zu den Mitteilungen im dienstlichen
  261. Verkehr im Sinne von § 23 Abs. 6 Satz 2 SächsDSG zu rechnen ist (vgl.
  262. Dammann in Simitis/Dammann/Geiger/Mallmann/Walz, BDSG 4. Aufl. § 23
  263. Rdn. 26). Nach Abschluß des Kontrollverfahrens mit der datenschutzrechtlichen Beanstandung erlangte Le
  264. , der den Angeklagten entsprechend
  265. § 22 SächsDSG angerufen hatte, – wie ein Petent – einen Anspruch auf Bescheidung seiner Eingabe (vgl. BayVGH NJW 1989, 2643; Dammann aaO
  266. § 21 Rdn. 18). Zwar ist eine ins einzelne gehende Begründung nicht vorgeschrieben (Dammann aaO). Stellt der Datenschutzbeauftragte aber eine
  267. Rechtsverletzung fest, muß er angeben, welches Recht er durch welchen
  268. Vorgang verletzt sieht (Dammann aaO). Erfolgt eine datenschutzrechtliche
  269. Beanstandung, ist der Anrufende auch davon zu unterrichten (Dammann
  270. aaO). Diese aus dem Wesen des Anrufungsrechts entwickelten – allgemein
  271. praktizierten – Maßstäbe haben durch die die Informationsrechte des Bürgers betonende Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des
  272. Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Abl EG
  273. Nr. L 281/31 vom 23. November 1995) und deren Umsetzung im Gesetz zur
  274. Änderung
  275. des
  276. Bundesdatenschutzgesetzes
  277. und
  278. anderer
  279. Gesetze
  280. vom 18. Mai 2001 (BGBl I 904) eine neue Qualität gefunden. Die in
  281. Art. 28 III. dritter Spiegelstrich der Richtlinie vorgesehene Anzeigebefugnis
  282. des Datenschutzbeauftragten wurde um die ausdrückliche Befugnis in § 23
  283. Abs. 5 Satz 7 BDSG ergänzt, den Betroffenen über den Datenschutzverstoß
  284. zu informieren (vgl. BT Drucks. 14/4329, S. 1, 41). Der Angeklagte hat sich
  285. bei der Unterrichtung Le
  286. s an diese Erfordernisse gehalten und die
  287. Grenzen seiner Befugnis nicht überschritten. Zwar war die Wiedergabe der
  288. - 14 -
  289. Verfügungen des Justizministers im Wortlaut nicht geboten. Dies führte aber
  290. nicht zu einer Offenbarung weiterer Tatsachen, weil nichts mitgeteilt wurde,
  291. was nicht inhaltsgleich mit eigenen Worten hätte umschrieben werden können.
  292. Harms
  293. Brause
  294. Häger
  295. Raum
  296. Schaal