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  1. 5 StR 240/01
  2. BUNDESGERICHTSHOF
  3. IM NAMEN DES VOLKES
  4. URTEIL
  5. vom 10. Juli 2001
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen sexueller Nötigung u. a.
  9. -2-
  10. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Juli 2001, an der teilgenommen haben:
  11. Vorsitzende Richterin Harms,
  12. Richter Basdorf,
  13. Richterin Dr. Tepperwien,
  14. Richter Dr. Raum,
  15. Richter Dr. Brause
  16. als beisitzende Richter,
  17. Richterin am Landgericht
  18. als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
  19. Rechtsanwältin
  20. als Verteidigerin,
  21. Justizangestellte
  22. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  23. -3-
  24. für Recht erkannt:
  25. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 4. Januar 2001 wird verworfen.
  26. Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels und die
  27. den Nebenklägerinnen hierdurch entstandenen notwendigen
  28. Auslagen zu tragen.
  29. – Von Rechts wegen –
  30. Gründe
  31. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in
  32. zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, zu vier
  33. Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
  34. 1. Am 20. August 2000 überfiel der 22jährige unbestrafte Angeklagte
  35. nachts kurz nach 23 Uhr in Berlin-Hellersdorf auf dunkler Straße im Abstand
  36. von zehn Minuten zwei junge Frauen. Der Angeklagte war beträchtlich alkoholisiert mit höchstens 2,42 ‰ und infolgedessen möglicherweise in seiner
  37. Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. An die 17jährige
  38. S
  39. trat er von hinten heran, hielt ihr Mund und Augen zu, brachte sie zu Boden
  40. und berührte die sich heftig wehrende junge Frau kräftig und nachhaltig über
  41. der Kleidung im Schambereich. Er versuchte, sie am Tragriemen ihres
  42. Rucksacks ins Gebüsch zu ziehen. Sie konnte durch Preisgabe des Rucksacks entfliehen. Kurz danach umfaßte der Angeklagte von hinten den Hals
  43. -4-
  44. der 15jährigen
  45. N
  46. , hielt ihr den Mund zu, brachte sie zu Boden, öff-
  47. nete ihre Hose und berührte sie unter der Kleidung am Unterleib und an der
  48. Brust. Der Angeklagte entfernte sich, als eine Frau, die sein Vorgehen bemerkt hatte, Einhalt gebot.
  49. 2. Der Schuldspruch ist rechtsfehlerfrei. Auch im ersten Fall überschreitet die sexualbezogene Handlung des Angeklagten die Erheblichkeitsschwelle des § 184c Nr. 1 StGB.
  50. Die Überprüfung des Strafausspruchs ergibt gleichfalls keinen
  51. Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Zwar sind die Einzelfreiheitsstrafen von zwei Jahren und drei Monaten im ersten und von drei Jahren
  52. und drei Monaten im zweiten Fall ebenso wie die Gesamtstrafe hoch. Die
  53. Sanktionierung überschreitet gleichwohl noch nicht eindeutig das Maß des
  54. Schuldangemessenen, so daß nicht etwa ein Rechtsfehler allein im Blick auf
  55. die Strafhöhe festzustellen ist. Die Strafzumessungsgründe im angefochtenen Urteil sind ebenfalls nicht zu beanstanden.
  56. a) Die Strafrahmenwahl des Landgerichts, das minder schwere Fälle
  57. (§ 177 Abs. 5 StGB) abgelehnt und den Strafrahmen des § 177 Abs. 1
  58. (i.V.m. § 52 Abs. 2) StGB nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert hat, ist
  59. rechtsfehlerfrei begründet.
  60. Das Landgericht hat die – identische – Begründung für Strafrahmenwahl und allgemeine Strafzumessung zusammengefaßt. Dieser sachgerechte Aufbau der Strafzumessungserwägungen ergibt eindeutig, daß das
  61. Landgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des “vertypten” Milderungsgrundes aus § 21 StGB bei der Strafrahmenwahl mitbedacht hat.
  62. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht minder schwere Fälle maßgeblich im Blick auf das Tatbild abgelehnt, das in beiden Fällen gleichermaßen
  63. -5-
  64. von dem für die Opfer außerordentlich beängstigenden gewaltsamen Vorgehen des Angeklagten in der konkreten Tatsituation geprägt war. Daß das
  65. Landgericht demgegenüber den eher geringen Grad der spezifisch sexualbezogenen Rechtsgutverletzungen unerwähnt gelassen hat, begründet nicht
  66. die Besorgnis, es könne diesen Umstand übersehen haben; es durfte ihn vor
  67. dem Hintergrund des gesamten Tatbildes als nicht bestimmenden Strafzumessungsgrund ansehen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO). Zwar hat sich das
  68. Landgericht, obgleich der Angeklagte in beiden Fällen bei der Tatausführung gestört worden ist, nicht davon überzeugt, daß er intensivere
  69. sexuelle Handlungen erstrebte. Dennoch begründete die Art seines Vorgehens, das er bewußt gewählt und damit zu verantworten hat, bei beiden Geschädigten die berechtigte Furcht, Opfer einer brutalen Vergewaltigung
  70. durch einen Unbekannten zu werden.
  71. b) Auch sonst enthält das Urteil keine rechtsfehlerhaften Strafzumessungserwägungen. Das Landgericht durfte dem Angeklagten die Massivität
  72. der konkret angewandten Gewalt ohne Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB
  73. anlasten. Die Bewertung besonders massiver Gewalt ist hier zwar nicht aufgrund physischer Verletzungen der Opfer gerechtfertigt, indes ohne weiteres
  74. aufgrund der überraschenden und außerordentlich beängstigenden Vorgehensweise des Angeklagten in der konkreten Tatsituation. Für die Geschädigten belastende Umstände der Taten, nämlich deren Ausführung zur
  75. Nachtzeit auf einsamer Straße und die körperliche Unterlegenheit der attakkierten jungen Frauen, durften dem Angeklagten trotz seines spontanen
  76. Entschlusses zur Tatbegehung als gleichwohl verschuldete negative Faktoren der Art der Ausführung und der Auswirkungen der Tat angelastet werden
  77. (§ 46 Abs. 2 StGB).
  78. c) Der Senat hat erwogen, ob die im Urteil abschließend angestellten Anmerkungen zu notwendiger Therapierung des Angeklagten befürchten
  79. lassen, das Landgericht könne die Sanktionierung jenseits von zulässiger
  80. -6-
  81. Ausrichtung an der Schuld des Angeklagten maßgeblich im Blick auf die erwartete Dauer einer zu seiner Resozialisierung als geboten angesehenen
  82. Therapie besonders hoch bemessen haben. Indes rechtfertigt allein die Höhe der gravierenden, aber nicht als nicht mehr schuldangemessen zu bewertenden Bestrafung solche Besorgnis nicht; der Aufbau des Urteils steht
  83. ihr entgegen. Die entsprechenden Erwägungen sind vielmehr ersichtlich als
  84. sachgerechte Anregung für die konkrete Ausgestaltung eines individuell auf
  85. die Bedürfnisse des Angeklagten im Interesse der Allgemeinheit zugeschnittenen Strafvollzuges zu verstehen. Sofern sich eine Therapie – namentlich auch durch aktive Mitwirkung des Angeklagten – verwirklichen lassen sollte, wird hierin möglicherweise zu gegebener Zeit ein besonderer
  86. Grund für eine Aussetzung des Strafrestes bereits nach hälftiger Verbüßung
  87. gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB zu finden sein.
  88. Harms
  89. Basdorf
  90. Raum
  91. Tepperwien
  92. Brause