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10 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 4 StR 657/10
  4. vom
  5. 31. März 2011
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen Bestechlichkeit u. a.
  9. -2-
  10. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 31. März 2011 gemäß § 206a,
  11. § 357 Satz 1 StPO, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
  12. 1. Auf die Revision des Angeklagten R.
  13. gegen das Urteil
  14. des Landgerichts Bielefeld vom 13. Juli 2010 wird
  15. a) das Verfahren gegen ihn und den Angeklagten P.
  16. in
  17. den Fällen 1 bis 21 der Urteilsgründe eingestellt; im Umfang
  18. der Einstellung fallen die Verfahrenskosten und die notwendigen Auslagen der Angeklagten R.
  19. und P.
  20. der
  21. Staatskasse zur Last;
  22. b) das genannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass
  23. der Angeklagte R.
  24. der Bestechlichkeit in Tateinheit
  25. mit Untreue in 54 Fällen und der Angeklagte P.
  26. der
  27. Bestechung in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue in 54 Fällen
  28. schuldig ist;
  29. c) das genannte Urteil im Gesamtstrafenausspruch gegen den
  30. Beschwerdeführer aufgehoben.
  31. 2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten R.
  32. wird als unbegründet verworfen.
  33. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  34. -3-
  35. Gründe:
  36. Das Landgericht hat den Angeklagten R.
  37. 1
  38. wegen Bestechlich-
  39. keit in Tateinheit mit Untreue in 75 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
  40. zwei Jahren und neun Monaten und den Angeklagten P.
  41. wegen Beste-
  42. chung in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue in 75 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der gegen den Angeklagten P.
  43. verhängten Strafe hat das Landgericht zur Bewährung aus-
  44. gesetzt. Die Revision des Angeklagten R.
  45. , mit der er die Verletzung
  46. formellen und materiellen Rechts rügt, hat den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg.
  47. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils war der Angeklagte
  48. 2
  49. R.
  50. Leiter der Technischen Abteilung des Klinikums M.
  51. , einer
  52. Anstalt des Öffentlichen Rechts. Spätestens ab 1999 ließ er sich von dem Mitangeklagten P.
  53. , der zwei Krankenhausservicefirmen betrieb, für die
  54. Auftragserteilung 10 % des Umsatzes versprechen. P.
  55. erhöhte die
  56. Rechnungen der von ihm betriebenen Firmen, indem er die Anzahl der Stunden oder den Materialaufwand heraufsetzte, so dass außer dem Anteil für den
  57. Angeklagten R.
  58. R.
  59. auch ein Anteil von 5 % für ihn selbst verblieb, was
  60. nicht wusste. Der Angeklagte R.
  61. durfte Rechnungen bis
  62. 15.000 € als sachlich und rechnerisch richtig abzeichnen; die Rechnungen
  63. wurden dann ohne weitere Überprüfung zur Zahlung angewiesen. Auch soweit
  64. 15.000 € geringfügig überschritten wurden, fand eine Überprüfung der vom
  65. Angeklagten R.
  66. klagte P.
  67. abgezeichneten Rechnungen nicht statt. Der Ange-
  68. erstellte zwischen dem 26. Januar 2002 und dem 5. Oktober 2008
  69. über 600 überhöhte Rechnungen mit einem Gesamtrechnungsbetrag von
  70. 2.383.444,56 €, die der Angeklagte R.
  71. wurden. Der Angeklagte R.
  72. abzeichnete und die bezahlt
  73. notierte sich die Rechnungen sowie die Zah-
  74. -4-
  75. lungen des Angeklagten P.
  76. und hielt ihn zur Zahlung an, wenn 10 % des
  77. Umsatzes nicht erreicht waren. Der Angeklagte R.
  78. erhielt zwischen
  79. dem 4. Februar 2002 und dem 25. September 2008 75 Zahlungen des Angeklagten P.
  80. 3
  81. über insgesamt 248.929,20 €.
  82. 1. Die Revision des Angeklagten R.
  83. führt in den Fällen 1 bis
  84. 21 der Urteilsgründe zur Einstellung des Verfahrens wegen Verjährung auch
  85. hinsichtlich des nicht revidierenden Mitangeklagten P.
  86. und zur Aufhe-
  87. bung des Gesamtstrafenausspruchs gegen den Beschwerdeführer. Im Übrigen
  88. ist die Revision des Angeklagten R.
  89. aus den Gründen der Antrags-
  90. schrift des Generalbundesanwalts vom 18. Januar 2011 unbegründet im Sinne
  91. des § 349 Abs. 2 StPO.
  92. 4
  93. a) Das Landgericht hat zu Recht 75 Straftaten der Bestechlichkeit (§ 332
  94. Abs. 1 StGB) und der Bestechung (§ 334 Abs. 1 StGB) angenommen. Mehrere
  95. Vorteilsannahmen stehen untereinander grundsätzlich im Verhältnis der Tatmehrheit. Eine tatbestandliche Handlungseinheit hinsichtlich aller aus einer
  96. Unrechtsvereinbarung erlangten Vorteile hat der Bundesgerichtshof nur anerkannt, wenn die Annahme auf eine Unrechtsvereinbarung zurückgeht, die den
  97. zu leistenden Vorteil genau festlegt, mag er auch in bestimmten Teilleistungen
  98. zu erbringen sein (BGH, Urteile vom 18. Oktober 1995 – 3 StR 324/94, BGHSt
  99. 41, 292, 302; 11. Mai 2001 – 3 StR 549/00, BGHSt 47, 22, 30 und vom 20. August 2003 – 2 StR 160/03, wistra 2008, 29). Eine solche genaue Festlegung
  100. des Vorteils bei der Unrechtsvereinbarung ist hier nicht festgestellt. Bei ihrem
  101. Zustandekommen war lediglich der Prozentsatz vom Rechnungsbetrag vereinbart, den der Angeklagte R.
  102. für die dem Angeklagten P.
  103. künftig
  104. erteilten Aufträge erhalten sollte. Das genaue Volumen der Aufträge lag noch
  105. -5-
  106. nicht fest. Dies reicht nicht aus, die späteren Zahlungsannahmen zu einer Tat
  107. zu verbinden.
  108. Rechtlich zutreffend hat das Landgericht Tateinheit zwischen der Un-
  109. 5
  110. treue des Angeklagten R.
  111. und der Bestechlichkeit bejaht. Die pflichtwid-
  112. rige Abzeichnung der überhöhten Rechnungen als sachlich und rechnerisch
  113. richtig stellte sowohl den Missbrauch der Befugnis, über fremdes Vermögen zu
  114. verfügen bzw. bei den einen Betrag von 15.000 € überschreitenden Rechnungen den Treubruch gegenüber dem Klinikum M.
  115. als auch die Vornah-
  116. me der vereinbarten pflichtwidrigen Diensthandlung dar. Durch die Annahme
  117. von jeweils nur einer tateinheitlichen Untreuehandlung ist der Angeklagte
  118. R.
  119. nicht beschwert.
  120. b) Nach den rechtsfehlerfrei vom Landgericht getroffenen Feststellungen
  121. 6
  122. erhielt der Angeklagte R.
  123. die Zahlungen in den Fällen 1 bis 21 bis
  124. zum 25. März 2004 einschließlich. Die erste die Verjährung unterbrechende
  125. Handlung erfolgte am 31. März 2009 durch den Erlass von Haftbefehlen und
  126. Durchsuchungsbeschlüssen gegen die Angeklagten. Damit war hinsichtlich
  127. dieser Fälle die Verjährungsfrist gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB bereits vor den
  128. Unterbrechungshandlungen abgelaufen und Verfolgungsverjährung eingetreten.
  129. 7
  130. Zugunsten der Angeklagten ist davon auszugehen, dass die Beendigung der 75 Einzeltaten der Bestechlichkeit jeweils mit der Empfangnahme der
  131. Zahlungen eintrat und diesen Zahlungen eine vorherige pflichtwidrige Abzeichnung überhöhter Rechnungen zugrunde lag (zur Anwendung des Zweifelssatzes auf die die Verjährung begründenden Tatsachen vgl. BGH, Urteil vom
  132. 15. März 2001 – 5 StR 454/00, BGHR StGB § 78a Satz 1 Betrug 3). Das Landgericht hat die über 600 pflichtwidrig abgezeichneten Rechnungen nicht den
  133. -6-
  134. einzelnen Zahlungsempfängen des Angeklagten R.
  135. zugeordnet. Der
  136. Senat schließt jedoch aus, dass sich noch konkrete Feststellungen dahingehend treffen lassen, dass der Angeklagte R.
  137. als Gegenleistung für
  138. die bis zum 25. März 2004 erhaltenen Zahlungen nach dem 1. April 2004
  139. Rechnungen abgezeichnet hat, so dass die Beendigung der Taten der Bestechlichkeit und der Untreue erst zu diesem Zeitpunkt in nicht verjährter Zeit
  140. eingetreten wäre (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 2008 – 3 StR 90/08, BGHSt 52,
  141. 300).
  142. 8
  143. Für die Beendigung der 75 Taten ist jeweils auf die einzelne Tat, nicht
  144. auf die Entgegennahme der letzten Zahlung bzw. der Abzeichnung der letzten
  145. überhöhten Rechnung der Tatserie abzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 1995 – 3 StR 324/94, BGHSt 41, 292, 303). Jeweils für die einzelne konkrete Tat gilt, dass sie erst mit der vollständigen Umsetzung der Unrechtsvereinbarung (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2005 – 5 StR 119/05, NJW 2006,
  146. 925, 927 f.) beziehungsweise mit der vollständigen Realisierung des Schadens
  147. (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 2004 – 5 StR 412/03, BGHR StGB § 78a Satz
  148. 1 Untreue 3) ihren Abschluss findet, so dass es für den Verjährungsbeginn auf
  149. die letzte Handlung zur Erfüllung der Unrechtsvereinbarung beziehungsweise
  150. auf den Zeitpunkt des letzten den Schaden vertiefenden Ereignisses ankommt.
  151. 9
  152. 2. Die Einstellung von 21 von 75 Taten hat die Aufhebung der Gesamtstrafe gegen den Beschwerdeführer zur Folge. Auch wenn die Einzelstrafen für
  153. die Taten des Angeklagten R.
  154. milde bemessen sind, strafbares ver-
  155. jährtes Vortatverhalten – wenngleich nicht in voller Schwere – strafschärfend
  156. berücksichtigt werden darf (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 1994 – 4 StR
  157. 117/94, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 24) und die Gesamtstrafe äußerst
  158. straff zusammen gezogen worden ist, kann der Senat letztlich nicht ausschlie-
  159. -7-
  160. ßen, dass der Tatrichter für nur 54 Fälle eine noch geringere Gesamtstrafe verhängt hätte.
  161. 10
  162. 3. Die Einstellung des Verfahrens in den Fällen 1 bis 21 ist auf den Angeklagten P.
  163. zu erstrecken. Es ist anerkannt, dass § 357 StPO auch
  164. dann anzuwenden ist, wenn die Aufhebung des Urteils wegen Fehlens einer
  165. von Amts wegen zu beachtenden Verfahrensvoraussetzung oder des Vorliegens von Verfahrenshindernissen erfolgt (st. Rspr., vgl. BGH, Beschlüsse vom
  166. 23. Januar 1959 – 4 StR 428/58, BGHSt 12, 335, 340 f., vom 16. September
  167. 1971 – 1 StR 284/71, BGHSt 24, 208, 210 f., vom 29. November 1994 – 3 StR
  168. 221/94 und vom 29. Juli 1998 – 2 StR 197/98; KK-Kuckein, StPO, 6. Aufl.
  169. § 357 Rn. 7).
  170. 11
  171. Der Senat hat davon abgesehen, auch beim Angeklagten P.
  172. die Ge-
  173. samtfreiheitsstrafe aufzuheben, da er ausschließen kann, dass eine neue Verhandlung zu einer milderen Bestrafung führen würde (vgl. BGH, Beschluss
  174. vom 22. Januar 2002 - 1 StR 564/01). Das Landgericht hat bei diesem Angeklagten lediglich für 19 Taten Einzelstrafen festgesetzt (UA S. 30). Durch die
  175. Einstellung entfallen zwar vier dieser Einzelstrafen. Bei einer Aufhebung des
  176. Gesamtstrafenausspruchs müssten aber Einzelstrafen für die Fälle 22 bis 24,
  177. 27, 28, 30 bis 37, 40 bis 53, 57 bis 63, 65, 66, 68, 69 und 72 neu festgesetzt
  178. werden. Das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO stünde dem
  179. nicht entgegen (st. Rspr., vgl. Urteile vom 22. September 1953 – 1 StR 726/52,
  180. -8-
  181. BGHSt 4, 346 und vom 26. Februar 1993 – 3 StR 207/92, BGHR StPO § 358
  182. Abs. 2 Satz 1 Einzelstrafe, fehlende 2.)
  183. Ernemann
  184. Solin-Stojanović
  185. Franke
  186. Roggenbuck
  187. Bender