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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 2 StR 62/02
  4. vom
  5. 12. Juli 2002
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen Mordes u.a.
  9. -2-
  10. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 12. Juli 2002 gemäß §§ 44-46
  11. StPO sowie § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
  12. 1. Nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Gießen vom 8. August 2001
  13. wird dem Angeklagten auf seinen Antrag und auf seine Kosten
  14. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
  15. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft, im Ausspruch über die Anordnung der
  16. Sicherungsverwahrung mit den Feststellungen aufgehoben.
  17. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer
  18. des Landgerichts zurückverwiesen.
  19. 4. Die weitergehende Revision wird verworfen.
  20. Gründe:
  21. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit
  22. Raub mit Todesfolge und wegen Verabredung eines schweren Raubes zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt, die besondere Schuldschwere festgestellt und die Unterbringung des Angeklagten in der Siche-
  23. -3-
  24. rungsverwahrung angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die
  25. Verletzung formellen und materiellen Rechts.
  26. Das Rechtsmittel hat zum Maßregelausspruch mit der Sachbeschwerde
  27. Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
  28. Die Anordnung der Maßregel kann keinen Bestand haben. Das Landgericht hat, wie sich aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe noch hinreichend
  29. deutlich ergibt, die Vorschrift des § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB der Anordnung der
  30. Sicherungsverwahrung zugrundegelegt. Dabei hat es allerdings die formellen
  31. Voraussetzungen verkannt.
  32. Die Anordnung von Sicherungsverwahrung ist neben der Verhängung
  33. von lebenslanger Freiheitsstrafe als Einzelstrafe ebenso wie bei einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe, die aus mehreren lebenslangen Einzelstrafen
  34. gebildet wurde, unzulässig (BGHSt 33, 398). Denn für die Anordnung der Sicherungsverwahrung ist nach der derzeitigen gesetzlichen Regelung des § 66
  35. StGB die Verurteilung zu "zeitiger" Freiheitsstrafe Voraussetzung. Bei einer
  36. Verurteilung zu lebenslanger Gesamtfreiheitsstrafe kann auf Sicherungsverwahrung jedoch dann erkannt werden, wenn unabhängig von der mit lebenslanger Freiheitsstrafe geahndeten Tat wegen einer weiteren Straftat eine in die
  37. Gesamtfreiheitsstrafe einbezogene zeitige Freiheitsstrafe verwirkt ist, hinsichtlich derer die formellen und materiellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1, 2
  38. oder 3 StGB gegeben sind (BGHSt 34, 138, 143 f. und 37, 161). Diese Grundsätze gelten auch für die Vorschrift des § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB.
  39. Der Angeklagte hat zwei Verbrechen begangen, durch die er jeweils
  40. Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat. Gegen ihn wurde aber
  41. eine lebenslange Freiheitsstrafe als Einzelstrafe für den Mord in Tateinheit mit
  42. -4-
  43. Raub mit Todesfolge verhängt und im übrigen lediglich eine zeitige Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten für die Verabredung des schweren
  44. Raubes. Damit fehlt es an der formellen Voraussetzung der Verurteilung wegen
  45. einer oder mehrerer dieser Taten zu "zeitiger" Freiheitsstrafe von mindestens
  46. drei Jahren.
  47. Die sachlich bedenkliche gesetzliche Regelung des § 66 StGB (so
  48. schon BGHSt 37, 160, 161; BGH NStZ 2000, 417), wonach nur eine Verurteilung zu "zeitiger" Freiheitsstrafe Sicherungsverwahrung auslösen kann, hat
  49. bereits zu einer Gesetzesinitiative der Bundesregierung geführt (BT-Drucks.
  50. 14/9041), wonach in § 66 Abs. 1, 2 und 3 Satz 1 und 2 jeweils das Wort "zeitiger" gestrichen werden soll. Dies ist aber noch nicht Gesetz geworden. Nach
  51. dem derzeit geltenden Gesetz und dessen eindeutigem Wortlaut war der Maßregelausspruch aufzuheben.
  52. Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, die Voraussetzungen des
  53. § 66 Abs. 1 StGB zu prüfen, welcher die Anordnung der Sicherungsverwahrung
  54. obligatorisch vorsieht.
  55. Die formelle Voraussetzung der Verurteilung zu "zeitiger" Freiheitsstrafe
  56. von mindestens zwei Jahren ist gegeben. Es bedarf aber noch der Darlegung,
  57. in welchen früheren Verurteilungen die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1
  58. StGB zu finden sein können. Bei den Vorverurteilungen im Sinne dieser Vorschrift gilt die Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe nach § 66 Abs. 4
  59. Satz 1 StGB als eine einzige Verurteilung. Sie erfüllt nur dann die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB, wenn sie eine Einzelstrafe von mindestens
  60. einem Jahr Freiheitsstrafe enthält (BGHSt 34, 321). Deshalb bedarf es der
  61. Mitteilung der zugrundeliegenden Einzelstrafen. Die genaue Zeitfolge der Vollstreckung und sonstiger Verwahrzeiten sind im Hinblick auf § 66 Abs. 4 Satz 3
  62. -5-
  63. und 4 StGB anzugeben. Schließlich wird der neue Tatrichter eine Gesamtwürdigung des Täters und derjenigen Taten vorzunehmen haben, welche er nach
  64. § 66 Abs. 1 StGB als Taten mit Symptomcharakter ansieht (vgl. BGHR StGB
  65. § 66 Abs. 1 Vorverurteilungen 5).
  66. Rissing-van Saan
  67. Otten
  68. RiBGH Rothfuß ist
  69. in Urlaub und
  70. deshalb an der Unterschrift gehindert.
  71. Rissing-van Saan
  72. Fischer
  73. Elf