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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. 2 StR 513/02
  5. vom
  6. 9. April 2003
  7. in der Strafsache
  8. gegen
  9. wegen Betrugs
  10. -2-
  11. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. April 2003,
  12. an der teilgenommen haben:
  13. Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
  14. Dr. Rissing-van Saan
  15. als Vorsitzende,
  16. die Richterin am Bundesgerichtshof
  17. Dr. Otten,
  18. die Richter am Bundesgerichtshof
  19. Rothfuß,
  20. Prof. Dr. Fischer
  21. und die Richterin am Bundesgerichtshof
  22. Roggenbuck
  23. Bundesanwalt
  24. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  25. Justizhauptsekretärin
  26. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  27. für Recht erkannt:
  28. -3-
  29. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 16. Juli 2002 mit den Feststellungen aufgehoben.
  30. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
  31. des Landgerichts zurückverwiesen.
  32. Von Rechts wegen
  33. Gründe:
  34. I. Das Landgericht hat den Angeklagten, der des Betrugs in 17 Fällen
  35. angeklagt worden war, nach Einstellung von 14 Fällen vom Vorwurf der restlichen drei Betrugstaten freigesprochen. Hiergegen richtet sich die Revision der
  36. Staatsanwaltschaft, mit der die Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts
  37. gerügt wird. Das Rechtsmittel hat mit der Rüge einer Verletzung des § 338
  38. Nr. 7 StPO Erfolg. Da das angefochtene Urteil schon auf Grund dieser Rüge in
  39. vollem Umfang aufzuheben ist, bedarf es keines Eingehens auf die Sachrüge.
  40. II. Die Verfahrensrüge, das Urteil sei verspätet zu den Akten gebracht
  41. worden (§§ 275 Abs. 1, 338 Nr. 7 StPO), die auch die Staatsanwaltschaft erheben kann (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 30. Januar 2002 - 2 StR 504/01; BGH NStZ
  42. 1985, 184), greift durch.
  43. -4-
  44. Das am 16. Juli 2002 nach 17-tägiger Verhandlung verkündete Urteil
  45. hätte nach § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO spätestens nach neun Wochen (vgl. hierzu BGHSt 35, 259 f.), also zumindest bis zum 17. September 2002, zu den
  46. Akten gelangt sein müssen. Ausweislich des Vermerks der Geschäftsstelle auf
  47. der Urteilsurkunde ist dies jedoch erst am 20. September 2002 geschehen.
  48. Gemäß § 275 Abs. 1 Satz 4 StPO darf die Frist nur überschritten werden, wenn und solange das Gericht durch einen im Einzelfall nicht voraussehbaren unabwendbaren Umstand an ihrer Einhaltung gehindert worden ist. Ein
  49. solcher Umstand ist hier nicht ersichtlich, ergibt sich insbesondere auch nicht
  50. aus den dienstlichen Erklärungen der berufsrichterlichen Mitglieder der Strafkammer. Danach lag - trotz zeitweiliger Urlaubsabwesenheit des Vorsitzenden
  51. und des Berichterstatters - bereits am 13. September 2002 eine Reinschrift des
  52. Urteilsentwurfs vor, bei der "noch einige Schreib- und Übertragungsfehler zu
  53. berichtigen" waren. Wegen Tätigkeiten in anderen eilbedürftigen Verfahren, für
  54. die der Vorsitzende durch Präsidiumsbeschluß des Landgerichts vom
  55. 12. September 2002 zusätzlich auch als Vorsitzender der 12. Strafkammer zuständig wurde, gelangte das Urteil erst am 20. September 2002 von den Berufsrichtern unterschrieben zu den Akten. Die geltend gemachten Umstände
  56. rechtfertigen eine Fristüberschreitung nicht. Die Berufsrichter waren gehalten,
  57. zunächst die bereits verkündete Sache fristgemäß zum Abschluß zu bringen.
  58. Dies gilt hier umso mehr, als mehrere Tage zur Verfügung standen, lediglich
  59. einige Schreib- und Übertragungsfehler zu berichtigen. Sollte es sich nur um
  60. offensichtliche Schreibfehler gehandelt haben, mit deren Berichtigung keine
  61. sachliche Änderung des Urteils verbunden war, hätte ohnehin bereits das vorhandene Urteilsexemplar versehen mit den richterlichen Unterschriften fristwahrend zu den Akten gelangen können. Die für die Zustellung erforderliche
  62. -5-
  63. Reinschrift hätte auch später erstellt werden können (vgl. BGHR StPO § 275
  64. Abs. 1 Satz 1 Akten 1 und 2).
  65. Hinzu kommt hier noch, daß das Präsidium in seinem Beschluß vom
  66. 12. September 2002 ausdrücklich bestimmt hatte, daß bei gleichzeitiger Inanspruchnahme die 10. (große) Strafkammer, um deren Urteil es hier geht, vorgeht.
  67. Im übrigen würden in der Regel weder Umstände, die die Organisation
  68. des Gerichts betreffen noch die allgemeine Arbeitsüberlastung der Richter eine
  69. Fristüberschreitung rechtfertigen (vgl. BGH NJW 1988, 1094; BGH NStZ 1989,
  70. 285; BGH NStZ 1992, 398).
  71. Die Fristüberschreitung beruht demgemäß nicht auf einem nicht vorhersehbaren Umstand im Einzelfall, sondern auf einem Organisationsmangel, der
  72. von den für die rechtzeitige Fertigstellung der schriftlichen Urteilsgründe verantwortlichen Berufsrichtern zu vertreten ist (vgl. auch BGH, Beschl. v.
  73. 7. Januar 1998 - 5 StR 528/97).
  74. Das Überschreiten der in § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO bezeichneten Frist
  75. begründet einen absoluten Revisionsgrund (§ 338 Nr. 7 StPO), so daß es nicht
  76. darauf ankommt, ob das Urteil auf diesem Fehler beruhen kann.
  77. Rissing-van Saan
  78. Otten
  79. Fischer
  80. Rothfuß
  81. Roggenbuck