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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 2 StR 129/17
  4. vom
  5. 27. Juni 2017
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen Betruges
  9. hier: Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
  10. ECLI:DE:BGH:2017:270617B2STR129.17.0
  11. -2-
  12. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 27. Juni 2017 gemäß
  13. § 46 StPO beschlossen:
  14. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen
  15. Stand nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision
  16. gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom
  17. 20. April 2016 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
  18. Gründe:
  19. I.
  20. 1
  21. Das Landgericht hat den Angeklagten durch Urteil vom 20. April 2016
  22. wegen Betruges in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren
  23. und sechs Monaten verurteilt. Nach Urteilsverkündung wurde dem Angeklagten
  24. eine Rechtsmittelbelehrung erteilt, die sich auch zur Frist für die Revisionsbegründung äußerte.
  25. 2
  26. Der Angeklagte legte durch Schriftsätze der beiden Verteidiger B.
  27. und P.
  28. Revision ein. Das Urteil wurde Rechtsanwalt B.
  29. 2016 und Rechtsanwalt P.
  30. 3
  31. am 2. August
  32. am 8. September 2016 zugestellt.
  33. Da eine Revisionsbegründung bisher nicht eingegangen war, hat das
  34. Landgericht mit Beschluss vom 31. Oktober 2016, der Rechtsanwalt P.
  35. am 8. November 2016 zugestellt wurde, die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen. Mit einem am 15. November 2016 eingegangenen Schriftsatz hat dieser für den Angeklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
  36. -3-
  37. beantragt und das Rechtsmittel begründet. Dazu hat er vorgetragen und anwaltlich versichert, das Protokoll der Hauptverhandlung sei ihm nicht zugestellt worden. Habe keiner der verschiedenen Verteidiger in der Tatsacheninstanz
  38. durchgehend an der Hauptverhandlung teilgenommen, sei dem Angeklagten
  39. – schon von Amts wegen – nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist
  40. Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn auch nur einem seiner Verteidiger das
  41. Hauptverhandlungsprotokoll nicht zugestellt worden sei. Jedenfalls treffe den
  42. Angeklagten kein Verschulden an der Fristversäumung. Dieser habe sich mehrfach bei ihm, Rechtsanwalt P.
  43. , nach den Fristen erkundigt. Der Ange-
  44. klagte habe auf seine Erklärung vertrauen dürfen, die Revisionsbegründungsfrist beginne erst nach Zustellung des Hauptverhandlungsprotokolls an ihn.
  45. II.
  46. 4
  47. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
  48. ist unzulässig.
  49. 5
  50. 1. Dies folgt zwar nicht bereits daraus, dass der Revisionsverwerfungsbeschluss des Landgerichts gemäß § 346 Abs. 1 StPO vom Angeklagten nicht
  51. gesondert angegriffen wurde, denn Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
  52. kann auch unabhängig von einem solchen Revisionsverwerfungsbeschluss beantragt werden und die Wiedereinsetzung führt dann gegebenenfalls zur
  53. Durchbrechung der Rechtskraft (vgl. RG, Beschluss vom 4. Juli 1919 – IV T.B.
  54. 44/19, RGSt 53, 286, 288 f.; BGH, Beschluss vom 21. Dezember 1972 – 1 StR
  55. 267/72, BGHSt 25, 89, 91). Jedoch leidet der Wiedereinsetzungsantrag des
  56. Angeklagten an Mängeln im Tatsachenvortrag und dessen Glaubhaftmachung
  57. im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO.
  58. -4-
  59. 6
  60. 2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist demjenigen zu gewähren,
  61. der ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO).
  62. Der Antrag ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen.
  63. Innerhalb der Wochenfrist muss der Antragsteller auch Angaben über den Wiedereinsetzungsgrund machen. Die erforderlichen Angaben sind, ebenso wie
  64. ihre Glaubhaftmachung, Voraussetzung der Zulässigkeit des Antrags (vgl. BGH,
  65. Beschluss vom 14. Januar 2015 – 1 StR 573/14, NStZ-RR 2015, 145 f.). Ein
  66. Wiedereinsetzungsantrag muss daher unter konkreter Behauptung von Tatsachen so vollständig begründet werden, dass ihm die unverschuldete Verhinderung des Antragstellers entnommen werden kann (vgl. LR/Graalmann-Scherer,
  67. StPO, 27. Aufl., § 45 Rn. 13). Daran fehlt es hier.
  68. 7
  69. a) Aus einem Formfehler bei der Zustellung des Hauptverhandlungsprotokolls an einen von mehreren Verteidigern ergibt sich kein Wiedereinsetzungsgrund. Es gibt nur ein Rechtsmittel des Angeklagten, dessen Revisionsbegründungsfrist im vorliegenden Fall bereits mit der ersten Urteilszustellung, hier derjenigen an Rechtsanwalt B.
  70. am 2. August 2016, beginnt und deshalb am
  71. 2. September 2016 endete. Durch eine am 5. September 2016 angeordnete
  72. und am 8. September 2016 bewirkte Urteilszustellung an Rechtsanwalt P.
  73. wurde die dann bereits abgelaufene Revisionsbegründungsfrist nicht wieder
  74. neu eröffnet, denn für erst nach Fristablauf bewirkte Doppelzustellungen gilt
  75. § 37 Abs. 2 StPO nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 1968 – 1 StR 77/68,
  76. BGHSt 22, 221, 223). Auf die Zustellungen an Rechtsanwalt P.
  77. kommt
  78. es daher nicht an.
  79. 8
  80. b) Ein anwaltliches Verschulden bei der Versäumung der Frist hat sich
  81. der Angeklagte nicht zurechnen zu lassen. Jedoch ergibt sich aus dem Vorbringen kein Sachverhalt, bei dessen Vorliegen der Angeklagte ohne eigenes Verschulden an der Wahrnehmung der Frist gehindert war. Er kannte aufgrund der
  82. -5-
  83. Rechtsmittelbelehrungen die Revisionsbegründungsfrist. Welche Abreden er
  84. mit Rechtsanwalt B.
  85. zur Durchführung des Revisionsverfahrens getroffen
  86. hat, der ebenfalls für ihn Revision eingelegt hat, ist nicht dargetan. Auch die
  87. Gespräche mit Rechtsanwalt P.
  88. , aus denen sich ein schutzwürdiges
  89. Vertrauen des Angeklagten auf dessen Auskünfte ergeben soll, sind nicht näher
  90. mitgeteilt worden. Ob der Angeklagte sich vor Fristablauf oder etwa erst nach
  91. dem Revisionsverwerfungsbeschluss „mehrfach“ bei Rechtsanwalt P.
  92. „nach den einzuhaltenden Fristen und deren Beginn bzw. Ablauf erkundigt“ hat,
  93. ist dem Antragsvorbringen nicht zu entnehmen. Es ist im Übrigen auch
  94. – ungeachtet des Antrags des Generalbundesanwalts, den Wiedereinsetzungsantrag zu verwerfen – im nachgereichten Schriftsatz vom 17. Mai 2017 nicht
  95. erläutert worden. Dass der Angeklagte tatsächlich auf die unzutreffende Behauptung von Rechtsanwalt P.
  96. vertraut hat, die Frist zur Revisionsbe-
  97. gründung werde erst nach ordnungsgemäßer Zustellung des Hauptverhand-
  98. -6-
  99. lungsprotokolls an ihn in Lauf gesetzt, hat der Angeklagte nicht behauptet. Er
  100. hat nur die Meinung geäußert, er habe darauf vertrauen dürfen. Das genügt
  101. nicht.
  102. Appl
  103. Eschelbach
  104. Grube
  105. Zeng
  106. Schmidt