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9.6 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. XII ZB 455/13
  4. vom
  5. 16. Januar 2014
  6. in der Familiensache
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. VersAusglG § 2 Abs. 2 Nr. 3; BetrAVG § 17 Abs. 1 Satz 2
  14. a) Bei einem Statuswechsel zwischen Unternehmereigenschaft und Arbeitnehmereigenschaft richtet sich die Einbeziehung der betrieblichen Altersversorgung in den Versorgungsausgleich danach, inwieweit die versprochene Versorgung zeitanteilig auf die Tätigkeit als Arbeitnehmer entfällt.
  15. b) Mit dem Wechsel in die Arbeitnehmereigenschaft beginnen die Unverfallbarkeitsfristen nach dem Betriebsrentengesetz zu laufen.
  16. BGH, Beschluss vom 16. Januar 2014 - XII ZB 455/13 - OLG Schleswig
  17. AG Ahrensburg
  18. -2-
  19. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Januar 2014 durch den
  20. Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
  21. Schilling, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
  22. beschlossen:
  23. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. Senats für
  24. Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandgerichts in
  25. Schleswig vom 17. Juli 2013 wird auf Kosten der Antragstellerin
  26. zurückgewiesen.
  27. Wert: 5.496 €
  28. Gründe:
  29. I.
  30. 1
  31. Auf den am 11. Februar 2012 zugestellten Antrag hat das Familiengericht die am 6. September 2002 geschlossene Ehe der Antragstellerin (Ehefrau)
  32. und des Antragsgegners (Ehemann) geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Während der Ehezeit (1. September 2002 bis 31. Januar 2012;
  33. § 3 Abs. 1 VersAusglG) haben beide Ehegatten Anrechte in der gesetzlichen
  34. Rentenversicherung erworben, darüber hinaus der Ehemann Anrechte aus einer Pensionskassenversicherung und die Ehefrau Anrechte aus einer privaten
  35. Lebensversicherung. Das Familiengericht hat die in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie die vom Ehemann in der Pensionskassenversicherung erworbenen Anrechte jeweils intern geteilt und hinsichtlich des von der Ehefrau
  36. -3-
  37. aus einer privaten Lebensversicherung erworbenen Anrechts angeordnet, dass
  38. der Ausgleich wegen Geringfügigkeit unterbleibe.
  39. 2
  40. Darüber hinaus erteilte die E-GmbH (Beteiligte zu 5) dem Ehemann eine
  41. Versorgungszusage, durch die ihm mit Vollendung des 65. Lebensjahres eine
  42. Altersversorgung durch Zahlung von fünf Jahresraten zu je 100.036 € zugesagt
  43. wurde. Der E-GmbH steht es frei, die Altersversorgung auch in drei Jahresraten
  44. zu je 157.645 € oder in einem Einmalbetrag von 446.671 € oder stattdessen
  45. teilweise oder ganz in Form einer lebenslangen Rente in Höhe von monatlich
  46. 2.556 € mit Anwartschaft auf eine Hinterbliebenenversorgung oder in Höhe von
  47. monatlich 3.125 € ohne Anwartschaft auf eine Hinterbliebenenversorgung zu
  48. erbringen. Ferner wurde eine Invalidenversorgung von monatlich 2.556 € zugesagt. Der Ehemann hält einen Geschäftsanteil von 20 Prozent an der E-GmbH
  49. und war im Zeitpunkt der Versorgungszusage am 1. November 2006 gemeinsam mit seinem Vater und seinem Bruder, die Geschäftsanteile von
  50. 50,004 Prozent und ebenfalls 20 Prozent halten, zur gemeinsamen Geschäftsführung berufen. Am 4. Juni 2011 schied der Vater des Ehemanns als Geschäftsführer aus, behielt jedoch seinen Geschäftsanteil.
  51. 3
  52. Das Familiengericht hat dieses Anrecht bei seiner Entscheidung übergangen. Dagegen hat die Ehefrau Beschwerde eingelegt, mit der sie die Einbeziehung dieses Anrechts in den Versorgungsausgleich verfolgt hat. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen; hiergegen richtet sich die
  53. zugelassene Rechtsbeschwerde der Ehefrau.
  54. II.
  55. 4
  56. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
  57. -4-
  58. 5
  59. 1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie
  60. folgt begründet: Die Versorgungszusage der E-GmbH sei nicht in den Versorgungsausgleich einzubeziehen. Sie sei nicht auf eine Rente, sondern auf eine
  61. in Raten zu zahlende Kapitalleistung gerichtet und auch nicht unabhängig von
  62. der Leistungsform auszugleichen, da es sich nicht um ein Anrecht im Sinne des
  63. Betriebsrentengesetzes handle. Im Zeitpunkt der Versorgungszusage sei der
  64. Ehemann nicht Arbeitnehmer der E-GmbH gewesen, sondern habe als Gesellschafter-Geschäftsführer die Leitungsmacht über das Unternehmen ausgeübt.
  65. Seine Beteiligung an der Gesellschaft mit 20 Prozent Geschäftsanteil sei nicht
  66. ganz unbedeutend und zusammen mit seinem Vater und Bruder, die weitere
  67. 50,004 Prozent bzw. 20 Prozent Geschäftsanteile hielten, sei er zur gemeinsamen Geschäftsführung berufen gewesen. Sie gemeinsam hätten mit insgesamt
  68. 90,004 Prozent Geschäftsanteilen über eine beherrschende Stellung verfügt, da
  69. Gesellschafterbeschlüsse nach den Regelungen des Gesellschaftsvertrages mit
  70. einer Mehrheit von 75 % der vertretenen Geschäftsanteile gefasst werden
  71. könnten.
  72. 6
  73. 2. Das hält einer rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
  74. 7
  75. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG ist ein Anrecht auszugleichen, sofern es auf eine Rente gerichtet ist; ein Anrecht im Sinne des Betriebsrentengesetzes oder des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes ist unabhängig
  76. von der Leistungsform auszugleichen.
  77. 8
  78. a) Zutreffend hat das Oberlandesgericht angenommen, dass das bei der
  79. E-GmbH bestehende Anrecht, soweit es auf eine Altersversorgung zielt, nicht
  80. auf eine Rente, sondern auf eine Kapitalleistung gerichtet ist. Daran ändert
  81. nichts, dass der Versorgungsträger sich vorbehalten hat, die Leistung nach seiner Wahl teilweise oder ganz in Form einer lebenslangen Rente zu erbringen,
  82. -5-
  83. weil er davon nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts bisher keinen
  84. Gebrauch gemacht hat.
  85. 9
  86. b) Ebenso zutreffend ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen,
  87. dass der Ehemann im Zeitpunkt der Versorgungszusage am 1. November 2006
  88. nicht zum Kreis der Versorgungsberechtigten gehörte, die unter das Betriebsrentengesetz fallen. Zwar ist die betriebliche Altersversorgung nicht nur auf den
  89. Kreis der Arbeitnehmer beschränkt, für die die Bestimmungen des Betriebsrentengesetzes in erster Linie gelten (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG). Vielmehr gelten nach Satz 2 dieser Vorschrift die §§ 1 bis 16 BetrAVG entsprechend auch
  90. für andere Personen, wenn ihnen Versorgungsleistungen aus Anlass ihrer Tätigkeit für ein Unternehmen zugesagt worden sind. Nach der Rechtsprechung
  91. des Bundesgerichtshofs ist die ihrem Wortlaut nach zu weit reichende Bestimmung des § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG nach dem Grundcharakter des Betriebsrentengesetzes als eines hauptsächlich dem Schutz von Arbeitnehmern dienenden Gesetzes einschränkend dahin auszulegen, dass die Geltung der genannten Vorschriften auf Personen begrenzt bleibt, deren Lage im Falle einer
  92. Pensionsvereinbarung mit der eines Arbeitnehmers annähernd vergleichbar ist.
  93. Zwar fallen Organpersonen rechtsfähiger Gesellschaften nicht ohne weiteres
  94. aus dem Geltungsbereich des Betriebsrentengesetzes heraus. Das Gesetz ist
  95. aber nicht anzuwenden auf Gesellschafter-Geschäftsführer, die allein oder zusammen mit anderen Gesellschafter-Geschäftsführern eine Beteiligungsmehrheit halten und nach der Verkehrsanschauung ihr eigenes Unternehmen leiten
  96. (BGHZ 77, 94, 97 ff. = NJW 1980, 2254; BGHZ 77, 233, 236, 242 = NJW 1980,
  97. 2257; Senatsbeschluss vom 13. Januar 1993 - XII ZB 75/89 - FamRZ 1993,
  98. 684, 686 und Senatsurteil vom 9. Juni 1993 - XII ZR 36/92 - FamRZ 1993,
  99. 1303, 1304).
  100. -6-
  101. 10
  102. Das ist hier der Fall. Der Ehemann war mit einem nicht ganz unbedeutenden Geschäftsanteil von 20 Prozent sowohl gemeinsam mit seinem Vater
  103. und seinem Bruder zur Geschäftsführung berufen als auch mit diesen gemeinsam fähig, die für Gesellschafterbeschlüsse erforderliche Stimmenmehrheit von
  104. 75 Prozent nach Geschäftsanteilen zu bilden, ohne dass einer von ihnen allein
  105. eine Stimmenmehrheitsbeteiligung innehatte. Damit hat das Oberlandesgericht
  106. den Ehemann zu Recht als Mitunternehmer behandelt, der nicht dem Schutz
  107. des Betriebsrentengesetzes unterfällt.
  108. 11
  109. c) Etwas anderes folgt im Ergebnis auch nicht aus der späteren Entwicklung. Zwar ist der Vater des Ehemanns, der nach wie vor 50,004 Prozent Geschäftsanteil hält, am 4. Juni 2011 als Geschäftsführer ausgeschieden. Das hat
  110. zur Folge, dass der Ehemann seither mit keinem anderen Geschäftsführer mehr
  111. eine Stimmenmehrheit in der Gesellschafterversammlung hat. Eine Zurechnung
  112. von Geschäftsanteilen, die von nicht geschäftsführenden Familienangehörigen
  113. gehalten werden, kommt nicht in Betracht (BGHZ 77, 94, 105 f. = NJW 1980,
  114. 2254). Der Ehemann ist daher seit dem Ausscheiden seines Vaters aus der
  115. Geschäftsführung nicht mehr als Mitunternehmer, sondern als Beschäftigter mit
  116. gleichzeitiger Kapitalanlage einzustufen und unterfällt deshalb seither dem persönlichen Anwendungsbereich des Betriebsrentengesetzes.
  117. 12
  118. Bei einem Statuswechsel zwischen Unternehmereigenschaft und Arbeitnehmereigenschaft richtet sich der Insolvenzschutz des Betriebsrentengesetzes
  119. nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs danach, inwieweit die
  120. versprochene Versorgung zeitanteilig auf die Gesamttätigkeit als - oder wie
  121. ein - Arbeitnehmer entfällt (BGHZ 77, 233, 245, 249 = NJW 1980, 2257; BGH
  122. Urteil vom 4. Mai 1981 - II ZR 100/80 - NJW 1981, 2409). In gleichem Maße
  123. zeitanteilig unterfällt das Versorgungsanrecht auch dem Versorgungsausgleich.
  124. -7-
  125. 13
  126. Allerdings hat der Ehemann deshalb kein auszugleichendes Anrecht bei
  127. der E-GmbH erworben, weil die Versorgungszusage im Zeitpunkt des Ehezeitendes noch nicht unverfallbar war. Mit dem Eintritt in die Arbeitnehmereigenschaft am 4. Juni 2011 begann die Unverfallbarkeitsfrist nach dem Betriebsrentengesetz zu laufen. Diese beträgt fünf Jahre (§ 1b Abs. 1 Satz 1 BetrAVG) und
  128. war zum Ehezeitende am 31. Januar 2012 noch nicht abgelaufen. Auch war
  129. Unverfallbarkeit nicht aufgrund in der Versorgungszusage enthaltener Bestimmungen eingetreten.
  130. Dose
  131. Weber-Monecke
  132. Nedden-Boeger
  133. Schilling
  134. Guhling
  135. Vorinstanzen:
  136. AG Ahrensburg, Entscheidung vom 25.09.2012 - 28 F 102/12 OLG Schleswig, Entscheidung vom 17.07.2013 - 15 UF 151/12 -