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9.9 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. XI ZR 292/14
  5. Verkündet am:
  6. 25. Oktober 2016
  7. Herrwerth,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. ECLI:DE:BGH:2016:251016UXIZR292.14.0
  13. -2-
  14. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat gemäß § 128 Abs. 2 ZPO im
  15. schriftlichen Verfahren, in dem Schriftsätze bis zum 27. September 2016
  16. eingereicht
  17. werden
  18. konnten,
  19. durch
  20. den
  21. Vorsitzenden
  22. Richter
  23. Prof. Dr. Ellenberger, die Richter Dr. Grüneberg und Maihold sowie die
  24. Richterinnen Dr. Menges und Dr. Derstadt
  25. für Recht erkannt:
  26. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des
  27. Oberlandesgerichts München vom 9. April 2014 im Kostenpunkt
  28. und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Berufung
  29. der Klägerin unter dem Gesichtspunkt einer unzureichenden Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert zurückgewiesen hat.
  30. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
  31. und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
  32. an den 19. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
  33. Von Rechts wegen
  34. Tatbestand:
  35. 1
  36. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen angeblich fehlerhafter Beratung
  37. im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Swap-Geschäfts in Anspruch.
  38. -3-
  39. 2
  40. Die Klägerin, ein mittelständisches Unternehmen, hatte im August 2008
  41. Kontokorrentkredite in Höhe von mehr als 3,8 Mio. € von verschiedenen Banken und in Höhe von 500.000 € von der Beklagten erhalten. Für diese Kredite
  42. hatte die Klägerin variable Zinsen zu zahlen.
  43. 3
  44. Am 28. August 2008 schlossen die Parteien einen "Rahmenvertrag für
  45. Finanztermingeschäfte" sowie den streitgegenständlichen Zinssatz-SwapVertrag mit einer Laufzeit vom 1. September 2008 bis zum 28. Juni 2013. In
  46. diesem Vertrag verpflichtete sich die Klägerin zur Zahlung von 4,22% p.a. auf
  47. einen Bezugsbetrag von 2 Mio. €, während die Beklagte die Verpflichtung zur
  48. Zahlung von Zinsen in Höhe des 3-Monats-EUR-EURIBOR-Reuters auf denselben Bezugsbetrag übernahm.
  49. 4
  50. Bis zum 31. März 2011 wurden die von der Klägerin nach den vierteljährlichen Fixingbestätigungen geschuldeten Zahlungen - insgesamt 134.288,63 € auf einem Kontokorrentkonto der Klägerin bei der Beklagten verbucht. In der
  51. Folgezeit wurden diese Zahlungen auf ein "Leistungsrückstandskonto" gebucht.
  52. 5
  53. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin - insbesondere unter Berufung auf
  54. eine in mehrfacher Hinsicht unzulängliche Beratung über das Swap-Geschäft die Verurteilung der Beklagten zur Freistellung der Klägerin von sämtlichen
  55. Verpflichtungen aufgrund des Swap-Vertrags, zur Zahlung von 134.288,63 €
  56. nebst Verzugszinsen, zur Freigabe sämtlicher Sicherheiten sowie zur Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
  57. 6
  58. Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Der Senat hat die Revision der Klägerin gegen das Berufungsurteil nur zugelassen, soweit es um
  59. den Vorwurf der unterbliebenen Aufklärung über den anfänglichen negativen
  60. Marktwert des Swap-Vertrags geht. In diesem Umfang verfolgt die Klägerin ihr
  61. Klagegebegehren weiter.
  62. -4-
  63. Entscheidungsgründe:
  64. 7
  65. Die Revision ist begründet. Sie führt in dem aus der Entscheidungsformel
  66. ersichtlichen Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  67. I.
  68. 8
  69. Das Berufungsgericht (OLG München, WM 2014, 1581) hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:
  70. 9
  71. Das Landgericht habe die Klage zu Recht abgewiesen und festgestellt,
  72. dass eine für die Anlageentscheidung der Klägerin ursächliche Fehlberatung
  73. durch Mitarbeiter der Beklagten nicht vorliege. Zwischen den Parteien habe ein
  74. Beratungsvertrag bestanden. Die Beklagte habe nicht gegen eine Pflicht zur
  75. Aufklärung über einen anfänglich negativen Marktwert verstoßen. Soweit die
  76. Klägerin auf das Senatsurteil vom 22. März 2011 (XI ZR 33/10, BGHZ 189, 13)
  77. verweise, könne sie damit nicht durchdringen. Bei dem hier streitgegenständlichen Swap finde lediglich der Austausch von Zinssätzen statt und es sei weder
  78. von der Klägerin vorgetragen noch lägen sonstige Anhaltspunkte dafür vor,
  79. dass dieser Swap eine Konstruktion zu Lasten der Klägerin aufweise wie der
  80. CMS Spread Ladder Swap aus dem vorgenannten Senatsurteil. Über einen
  81. anfänglich negativen Marktwert, der allein aus der eingepreisten und einkalkulierten Gewinnmarge der Bank resultiere, sei nicht aufzuklären. Nicht entscheidend sei in diesem Zusammenhang, ob dem Swap-Geschäft ein konnexer Darlehensvertrag zugrunde liege, was hier im Übrigen nicht der Fall sei.
  82. -5-
  83. II.
  84. 10
  85. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.
  86. 11
  87. 1. Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts bestand zwischen den Parteien ein Anlageberatungsvertrag.
  88. 12
  89. 2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, im Fall eines
  90. Zinssatz-Swap-Vertrags, der wie der streitgegenständliche konzipiert sei, bestehe keine beratungsvertragliche Pflicht zur Aufklärung über einen anfänglichen negativen Marktwert, der aus der eingepreisten Gewinnmarge der Bank
  91. resultiere.
  92. 13
  93. a) Auch wenn das Einpreisen einer Bruttomarge in ein Swap-Geschäft
  94. kein Umstand ist, über den die beratende Bank im Rahmen der objektgerechten
  95. Beratung informieren müsste (Senatsurteile vom 20. Januar 2015 - XI ZR
  96. 316/13, WM 2015, 575 Rn. 33 ff., vom 28. April 2015 - XI ZR 378/13, BGHZ
  97. 205, 117 Rn. 31 f. und vom 22. März 2016 - XI ZR 425/14, WM 2016, 821 Rn.
  98. 23), hat sie unter dem Gesichtspunkt eines schwerwiegenden Interessenkonflikts bei Swap-Verträgen im Zweipersonenverhältnis - und damit unabhängig
  99. von deren konkreten Bedingungen - die Pflicht, über die Einpreisung eines anfänglichen negativen Marktwerts, d.h. der den Nettogewinn und die Kosten der
  100. Bank umfassenden Bruttomarge, sowie über dessen Höhe aufzuklären, es sei
  101. denn der Swap-Vertrag dient nur dazu, die Konditionen eines konnexen Kreditverhältnisses abzuändern (vgl. Senatsurteile vom 28. April 2015 - XI ZR 378/13,
  102. BGHZ 205, 117 Rn. 39 ff. und vom 22. März 2016 - XI ZR 425/14, WM 2016,
  103. 821 Rn. 24, 27; Senatsbeschluss vom 15. März 2016 - XI ZR 208/15, juris
  104. Rn. 10).
  105. -6-
  106. 14
  107. b) Hier war die Verpflichtung der Beklagten zur Aufklärung über das Einpreisen eines anfänglichen negativen Marktwerts nicht wegen des Bestehens
  108. eines konnexen Gegengeschäfts entfallen. Gemäß den Grundsätzen, die der
  109. Senat nach Erlass des Berufungsurteils mit Urteilen vom 22. März 2016 (XI ZR
  110. 425/14, WM 2016, 821 Rn. 26 ff.) und vom 12. Juli 2016 (XI ZR 150/15, juris
  111. Rn. 25) aufgestellt hat, ist der Swap-Vertrag nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht konnex mit den von der Beklagten gewährten Darlehen verknüpft gewesen, da der Bezugsbetrag des Swap-Vertrags von 2 Mio. € die an
  112. die Beklagte zurückzuzahlende Darlehensvaluta von 500.000 € deutlich überstieg.
  113. III.
  114. 15
  115. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
  116. 16
  117. 1. Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich, dass die
  118. Beklagte unstreitig ihre Gewinnmarge in den streitgegenständlichen SwapVertrag eingepreist und die Klägerin nicht darauf hingewiesen hat.
  119. 17
  120. Nach diesen Feststellungen hat die Klägerin behauptet, nicht auf den anfänglichen negativen Marktwert des Swap-Vertrags hingewiesen worden zu
  121. sein. Damit hat die Klägerin die geltend gemachte Pflichtverletzung hinreichend
  122. dargelegt. Denn schlüssiger Vortrag zur unzureichenden Aufklärung über den
  123. anfänglichen negativen Marktwert eines Swap-Vertrags setzt nur voraus, dass
  124. der Kunde die Einpreisung eines anfänglichen negativen Marktwerts als solches
  125. und das Verschweigen dieser Tatsache vorträgt. Dagegen muss der Kunde den
  126. Umfang des anfänglichen negativen Marktwerts nicht beziffern, auch nicht im
  127. -7-
  128. Sinne der Angabe einer Größenordnung (Senatsbeschlüsse vom 20. Oktober
  129. 2015 - XI ZR 532/14, WM 2015, 2279 Rn. 16 f. und vom 15. März 2016 - XI ZR
  130. 208/15, juris Rn. 16 f. sowie Senatsurteil vom 22. März 2016 - XI ZR 93/15, WM
  131. 2016, 827 Rn. 17).
  132. 18
  133. Zudem hat die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
  134. in beiden Vorinstanzen eingeräumt, ihre Gewinnmarge in den streitgegenständlichen Swap-Vertrag eingepreist zu haben, und nicht in Abrede gestellt, die Klägerin nicht darüber aufgeklärt zu haben. Denn die Beklagte hat sich nur darauf
  135. berufen, dass über einen anfänglichen negativen Marktwert, der ausschließlich
  136. aus der Gewinnmarge resultiere, nicht aufzuklären sei, und insbesondere nicht
  137. behauptet, der Klägerin die Höhe des anfänglichen negativen Marktwerts mitgeteilt zu haben.
  138. 19
  139. 2. Schließlich kommt ein das Verschulden der Beklagten ausschließender unvermeidbarer Rechtsirrtum nicht in Betracht (Senatsurteile vom 22. März
  140. 2011 - XI ZR 33/10, BGHZ 189, 13 Rn. 39, vom 28. April 2015 - XI ZR 378/13,
  141. BGHZ 205, 117 Rn. 73 und vom 12. Juli 2016 - XI ZR 150/15, juris Rn. 19).
  142. IV.
  143. 20
  144. Das Berufungsurteil ist deshalb in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur
  145. Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an
  146. das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei hat
  147. der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
  148. -8-
  149. 21
  150. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf die Ausführungen in seinen Urteilen vom 28. April 2015 (XI ZR 378/13, BGHZ 205, 117 Rn. 44, 79 ff.),
  151. vom 22. März 2016 (XI ZR 425/14, WM 2016, 821 Rn. 34 f., 54) und vom
  152. 12. Juli 2016 (XI ZR 150/15, juris Rn. 15 f.) hin. In Bezug auf den Antrag auf
  153. Verurteilung der Beklagten zur "Freistellung" der Klägerin von sämtlichen Verpflichtungen aufgrund des streitgegenständlichen Swap-Vertrags weist der Senat zudem auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. Oktober 2015 (III ZR
  154. 264/14, WM 2015, 2238 Rn. 33) hin.
  155. Ellenberger
  156. Grüneberg
  157. Menges
  158. Maihold
  159. Derstadt
  160. Vorinstanzen:
  161. LG München I, Entscheidung vom 19.09.2013 - 12 HKO 17387/11 OLG München, Entscheidung vom 09.04.2014 - 7 U 3838/13 -