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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. VII ZB 74/06
  4. vom
  5. 25. Januar 2007
  6. in dem Rechtsstreit
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1, § 103, § 104; JVEG § 9
  14. Die erstattungsfähigen Kosten eines prozessbegleitend eingeholten Privatgutachtens
  15. können nicht deshalb der Höhe nach begrenzt werden, weil die Partei ihrem Gegner
  16. den Kostenrahmen des Gutachtens nicht vor dessen Einholung mitgeteilt hat.
  17. Die Erstattungsfähigkeit dieser Kosten richtet sich nicht nach den Vergütungssätzen
  18. des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG).
  19. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2007 - VII ZB 74/06 Thüringisches Oberlandesgericht in Jena
  20. LG Erfurt
  21. -2-
  22. Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Januar 2007 durch den
  23. Vorsitzenden
  24. Richter
  25. Dr. Dressler,
  26. die
  27. Richter
  28. Dr. Wiebel,
  29. Dr. Kuffer,
  30. Prof. Dr. Kniffka und die Richterin Safari Chabestari
  31. beschlossen:
  32. Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des
  33. 9. Zivilsenats des Thüringischen Oberlandesgerichts in Jena vom
  34. 21. Juni 2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum
  35. Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.
  36. In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Entscheidung,
  37. auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das
  38. Beschwerdegericht zurückverwiesen.
  39. Gründe:
  40. I.
  41. 1
  42. Die Beklagte begehrt die Festsetzung von Kosten für ein privates Sachverständigengutachten.
  43. 2
  44. Der Kläger hat die Beklagte auf Zahlung restlichen Werklohns in Anspruch genommen. Im Berufungsrechtszug hat das Oberlandesgericht ein
  45. Sachverständigengutachten eingeholt, für das der Sachverständige eine Vergütung in Höhe von 8.660,56 € in Rechnung gestellt hat. Dieses Gutachten hat die
  46. Beklagte unter Bezugnahme auf ein von ihr eingeholtes Gutachten des Sachverständigen Z. angegriffen.
  47. -3-
  48. Die Beklagte hat beantragt, die ihr für die Einholung des Gutachtens des
  49. 3
  50. Sachverständigen Z. entstandenen Kosten in Höhe von 47.062,50 € netto festzusetzen. Das Landgericht hat antragsgemäß entschieden. Auf die sofortige
  51. Beschwerde des Klägers hat das Beschwerdegericht den Kostenfestsetzungsbeschluss abgeändert und die streitgegenständlichen Kosten auf 13.000 € festgesetzt.
  52. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde er-
  53. 4
  54. strebt die Beklagte die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde des Klägers
  55. gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts, hilfsweise die Zurückverweisung der Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht.
  56. II.
  57. 5
  58. Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2, 575 ZPO statthafte
  59. und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat im Hilfsantrag Erfolg. Sie
  60. führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zur Zurückverweisung
  61. der Sache an das Beschwerdegericht.
  62. 6
  63. 1. Das Beschwerdegericht meint, die Kosten des prozessbegleitenden
  64. Privatgutachtens seien nach den Grundsätzen der prozessualen Kostenerstattung nur in einem Umfang von 13.000 € erstattungsfähig. Es könne offen bleiben, welcher Zeitaufwand im Einzelnen für die Erstellung des privaten Gutachtens erforderlich gewesen sei. Auch auf die Frage, ob die Vergütung des Sachverständigen sich in einem durch die Entschädigungssätze des JVEG vorgezeichneten Rahmen zu bewegen hat, komme es im Ergebnis nicht entscheidend an, wenngleich das Beschwerdegericht zur Annahme einer solchen Be-
  65. -4-
  66. grenzung neige. Die Beklagte habe die sich aus Treu und Glauben, § 242 BGB,
  67. bzw. dem Gesichtspunkt der Schadensminderung, § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB,
  68. ergebende Obliegenheit verletzt, dem Kläger den Kostenrahmen des außergerichtlich eingeholten Gutachtens vorab mitzuteilen. Diese Obliegenheit ergebe
  69. sich aus dem kostenrechtlichen Transparenzgebot. Das Kostenrecht schütze
  70. die Parteien vor unabsehbaren Kostenfolgen und ermögliche ihnen, ihr Prozessverhalten daran auszurichten. Dieser Schutz dürfe nicht dadurch unterlaufen werden, dass eine Partei auf eigene Faust außerprozessuale Aufwendungen in einer das gesetzliche Kostenrecht weit übersteigenden Größenordnung
  71. tätige, ohne dabei der Gegenseite zumindest vorab Kenntnis und somit Gelegenheit zu einer Änderung ihrer Prozessplanung zu geben. Hätte der Kläger
  72. gewusst, dass auf ihn im Unterliegensfall zu dem gesetzlich zu erstattenden
  73. Gesamtbetrag von rund 18.000 € zusätzliche Gutachterkosten von 47.000 €
  74. hinzu kämen, erscheine es abstakt betrachtet als nicht ausgeschlossen, dass er
  75. bei einer Chancen-Risiko-Analyse möglicherweise anders disponiert und eine
  76. Klagerücknahme in Betracht gezogen oder zumindest einen Teil der streitigen
  77. Sachfragen unstreitig gestellt hätte, um den Untersuchungsaufwand zu verringern. Da die Beklagte ihm den Kostenrahmen des Gutachtens vorab nicht mitgeteilt habe, habe der Kläger allenfalls mit zusätzlichen Kosten in der Größenordnung des vorhandenen Gerichtsgutachtens einschließlich eines gewissen
  78. Toleranzspielraums zu rechnen gehabt. Lediglich diese Kosten, die das Beschwerdegericht als nicht höher als 13.000 € bemesse, könne die Beklagte im
  79. Kostenfestsetzungsverfahren geltend machen. Hinsichtlich der weitergehenden
  80. Kosten sei sie auf einen im Klagewege zu verfolgenden materiellen Kostenerstattungsanspruch zu verweisen.
  81. 7
  82. 2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die erstattungsfähigen Kosten eines prozessbegleitend eingeholten Privatgutachtens können nicht
  83. -5-
  84. deshalb der Höhe nach begrenzt werden, weil die Partei ihrem Gegner den
  85. Kostenrahmen des Gutachtens nicht vor dessen Einholung mitgeteilt hat.
  86. 8
  87. Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht sind in § 91 ZPO geregelt.
  88. Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des
  89. Rechtsstreit zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu
  90. erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Mit dieser Regelung ist einerseits klargestellt,
  91. dass die unterliegende Partei nicht alle in unmittelbarem Zusammenhang mit
  92. dem Rechtsstreit verursachten Kosten zu tragen und zu erstatten hat, sondern
  93. nur diejenigen, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Andererseits sind damit die Voraussetzungen
  94. der Kostenpflicht auch abschließend festgelegt. Sind demnach bestimmte Kosten einer Partei als notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO anzusehen, sind
  95. diese von der unterliegenden Partei ohne weiteres zu tragen. Die Auffassung
  96. des Beschwerdegerichts, wonach die vollständige Erstattungsfähigkeit bestimmter Kosten von der Erfüllung zusätzlicher Voraussetzungen abhängig ist,
  97. entbehrt daher der rechtlichen Grundlage.
  98. 9
  99. Für die Annahme einer der erstattungsberechtigten Partei obliegenden
  100. Vorabankündigung in der vom Beschwerdegericht angenommenen Art und
  101. Weise besteht auch kein Bedürfnis, insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt des kostenrechtlichen Transparenzgebots. Da nach § 91 Abs. 1 Satz 1
  102. ZPO nur die notwendigen Kosten zu erstatten sind, kann die unterliegende Partei lediglich mit den Kosten des Gegners belastet werden, die eine verständige
  103. Partei für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung oder -verteidigung als
  104. sachdienlich ansehen musste. Mit derartigen Kosten muss eine Partei im Rahmen eines zivilrechtlichen Rechtsstreits grundsätzlich rechnen. Einer vorherigen
  105. Ankündigung derartiger Kosten seitens ihres Gegners bedarf es nicht.
  106. -6-
  107. III.
  108. 10
  109. Die Beschwerdeentscheidung kann daher keinen Bestand haben. Der
  110. angefochtene Beschluss ist, soweit er zum Nachteil der Beklagten ergangen ist,
  111. aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen. Dieses wird bei der weiteren
  112. Prüfung zu berücksichtigen haben:
  113. 11
  114. Von keiner der Parteien wird in Zweifel gezogen, dass die Einholung des
  115. privaten Sachverständigengutachtens zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung der Beklagten notwendig war und deshalb von einer Erstattungsfähigkeit
  116. dem Grunde nach auszugehen ist (vgl. dazu z.B. BGH, Urteil vom 13. April
  117. 1989 - IX ZR 148/88, NJW 1990, 122, 123). Ob dies für alle Teile des Gutachtens gilt und in welchem Umfang die für dieses aufgewandten Kosten notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 ZPO waren, wird hingegen einer eingehenden
  118. Prüfung bedürfen , insbesondere hinsichtlich der Angemessenheit der ermittelten Stundenzahl und des in Ansatz gebrachten Stundensatzes. Insoweit wird es
  119. auf die in Rechtsprechung und Literatur streitige Frage ankommen, ob und inwieweit zur Angemessenheitsprüfung die Regelungen des Justizvergütungsund -entschädigungsgesetzes (JVEG) herangezogen werden können (vgl. dazu
  120. Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 91 Rdn. 86; MünchKommZPO-Belz, 4. Aufl.,
  121. § 91 Rdn. 56; Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl. § 91 Rdn. 13 "Privatgutachten", jeweils m. w. N.; OLG Zweibrücken, NJW-RR 1997, 613, 614; OLG Koblenz, JurBüro 1996, 90, 91; OLG Köln, BauR 1989, 372; OLG München, JurBüro 1987,
  122. 897, 898). Dabei wird zu beachten sein, dass hinsichtlich der Frage der Angemessenheit des Stundenlohns des Sachverständigen die Sätze des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes - JVEG - (oder gegebenenfalls noch
  123. des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen
  124. - ZSEG -) nicht unmittelbar herangezogen werden dürfen, da dieses lediglich
  125. das dem gerichtlichen Sachverständigen zustehende Honorar regelt. Auch eine
  126. -7-
  127. entsprechende Anwendung kommt nicht in Betracht, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass es einer Partei in der Regel möglich sein wird, einen
  128. geeigneten Sachverständigen zu den im JVEG vorgesehenen Vergütungssätzen zu gewinnen. Weichen allerdings die Stundensätze des Privatgutachters
  129. ganz erheblich von den im JVEG vorgesehenen Sätzen ab, so bedarf es einer
  130. besonderen Darlegung ihrer Notwendigkeit.
  131. Dressler
  132. Wiebel
  133. Kniffka
  134. Kuffer
  135. Safari Chabestari
  136. Vorinstanzen:
  137. LG Erfurt, Entscheidung vom 03.11.2005 - 9 O 3017/99 OLG Jena, Entscheidung vom 21.06.2006 - 9 W 168/06 -