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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VI ZR 183/08
  5. Verkündet am:
  6. 3. Februar 2009
  7. Holmes,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 843 Abs. 1, 2. Alt.; ZPO § 287
  19. Bei der Schätzung des Haushaltsführungsschadens nach § 287 ZPO darf sich der
  20. Tatrichter in Ermangelung abweichender konkreter Gesichtspunkte grundsätzlich an
  21. dem Tabellenwerk von Schulz-Borck/Hofmann (Schadensersatz bei Ausfall von
  22. Hausfrauen und Müttern im Haushalt) orientieren.
  23. BGH, Urteil vom 3. Februar 2009 - VI ZR 183/08 - OLG Oldenburg
  24. LG Oldenburg
  25. -2-
  26. Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. Februar 2009 durch die
  27. Vizepräsidentin Dr. Müller, die Richter Zoll und Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richter Stöhr
  28. für Recht erkannt:
  29. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des
  30. Oberlandesgerichts Oldenburg vom 20. Juni 2008 wird auf ihre
  31. Kosten zurückgewiesen.
  32. Von Rechts wegen
  33. Tatbestand:
  34. 1
  35. Die Klägerin macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus
  36. einem Verkehrsunfall vom 15. August 2003 geltend, bei dem sie schwer verletzt
  37. wurde. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Beklagten für die der Klägerin durch den Unfall entstandenen Schäden in vollem Umfang einzustehen
  38. haben. Sie streiten nur noch um die Höhe des der Klägerin - einer allein stehenden erwerbstätigen Frau - entstandenen Haushaltsführungsschadens. Das
  39. Landgericht hat der Klägerin hierfür unter Klageabweisung im Übrigen einen
  40. Betrag von 9.649 € abzüglich vorgerichtlich gezahlter 3.500 €, insgesamt
  41. 6.149 € zuerkannt. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das
  42. erstinstanzliche Urteil teilweise unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung abgeändert und der Klägerin einen Haushaltsführungsschaden in Höhe
  43. -3-
  44. von insgesamt 11.243,26 € abzüglich 3.500 €, mithin insgesamt 7.743,26 € zugesprochen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die
  45. Klägerin ihr Klagebegehren in Höhe eines Betrages von 2.590,95 € weiter.
  46. Entscheidungsgründe:
  47. I.
  48. 2
  49. Das Berufungsgericht hat der Berechnung des der Klägerin entstandenen Haushaltsführungsschadens das Tabellenwerk von Schulz-Borck/Hofmann
  50. zugrunde gelegt und ist entsprechend der dortigen Tabelle 9 bei einer erwerbstätigen Frau mit einem Ein-Personen-Haushalt von einer durchschnittlichen Arbeitszeit im Haushalt von 21,7 Stunden pro Woche ausgegangen. Für die Zeit
  51. der stationären Aufenthalte der Klägerin hat es die von einer (fiktiven) Ersatzkraft zu verrichtenden Tätigkeiten im Haushalt auf 15 % der üblicherweise anfallenden 21,7 Stunden, also auf ca. drei Stunden wöchentlich, geschätzt. Hinsichtlich der Höhe der fiktiven Vergütung einer Ersatzkraft hat das Berufungsgericht für die Zeit einer haushaltsspezifischen Einschränkung der Klägerin von
  52. über 50 % eine Nettovergütung entsprechend der Vergütungsgruppe BAT VIII
  53. und für die übrige Zeit BAT X zugrunde gelegt.
  54. II.
  55. 3
  56. Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
  57. 4
  58. 1. Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass auch
  59. der Klägerin als allein stehender Person mit eigenem Haushalt ein Anspruch
  60. -4-
  61. auf Ersatz ihres unfallbedingten Haushaltsführungsschadens unter dem Gesichtspunkt der vermehrten Bedürfnisse im Sinne des § 843 Abs. 1, 2. Alt. BGB
  62. zusteht (vgl. Senatsurteile vom 25. September 1973 - VI ZR 49/72 - VersR
  63. 1974, 162, 163; vom 18. Februar 1992 - VI ZR 367/90 - VersR 1992, 618, 619
  64. und vom 8. Oktober 1996 - VI ZR 247/95 - VersR 1996, 1565).
  65. 5
  66. 2. Die Überprüfung der im Rahmen des Schätzungsermessens des Tatrichters nach § 287 Abs. 1 ZPO vorzunehmenden Bewertung der unfallbedingt
  67. entgangenen Tätigkeit eines Verletzten im Haushalt durch das Revisionsgericht
  68. ist darauf beschränkt, ob das Berufungsurteil auf grundsätzlich falschen Erwägungen beruht oder entscheidungserhebliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat (vgl. z.B. Senatsurteil vom 10. April 1979 - VI ZR 151/75 - VersR
  69. 1979, 670, 671). Derartige Fehler sind hier nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht hat sich in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise an einem anerkannten Tabellenwerk (Schulz-Borck/Hofmann, Schadensersatz bei Ausfall
  70. von Hausfrauen und Müttern im Haushalt, 6. Aufl.) orientiert. Dass sich der Tatrichter in Ermangelung konkreter Anhaltspunkte für eine abweichende Beurteilung solcher Erfahrungswerte im Rahmen der Bemessung des Haushaltsführungsschadens bedient, hat der erkennende Senat bereits mehrfach gebilligt
  71. (vgl. Senatsurteile BGHZ 104, 113, 117 f.; vom 10. April 1979 - VI ZR 151/75 aaO; vom 8. Juni 1982 - VI ZR 314/80 - VersR 1982, 951, 952; vom 11. Oktober
  72. 1983 - VI ZR 251/81 - VersR 1984, 79, 80 f.). Hieran ist auch für den vorliegenden Fall festzuhalten.
  73. 6
  74. 3. Die Revision nimmt zwar hin, dass das Berufungsgericht auf dieser
  75. Grundlage die durchschnittliche Arbeitsleistung der Klägerin im Haushalt auf
  76. 21,7 Wochenstunden geschätzt hat. Ohne Erfolg wendet sich die Revision jedoch gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Kürzung des Arbeits-
  77. -5-
  78. zeitbedarfes für die Zeit der stationären Aufenthalte der Klägerin im Krankenhaus.
  79. 7
  80. Während der Zeit einer stationären Behandlung ist der Haushaltsführungsschaden in einem Ein-Personen-Haushalt naturgemäß deutlich reduziert
  81. und beschränkt sich im Allgemeinen auf notwendige Erhaltungsmaßnahmen
  82. (vgl. OLG Hamm NZV 2004, 631, 632; Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadensersatzrecht, 3. Aufl., Kap. 7 A Rn. 12). Entgegen der Auffassung der Revision fallen die Positionen "Gartenarbeit", "Haushaltsführung und Organisation",
  83. "häusliche Kleinarbeiten" und "Pflege und Betreuung von Personen" in einem
  84. Zeitraum vollständiger Abwesenheit nicht in vollem Umfange an. Da viele
  85. Haushaltsarbeiten bei vollständiger Abwesenheit nicht anfallen, ist insbesondere der Aufwand für "Haushaltsführung und Organisation" in dieser Zeit reduziert.
  86. Auch zeigt die Revision keinen Sachvortrag der Klägerin auf, welcher die Position "Pflege und Betreuung von Personen" ausfüllen könnte. Entgegen der Auffassung der Revision entspricht es auch der Lebenserfahrung, dass während
  87. der vollständigen Abwesenheit des alleinigen Bewohners der Reinigungsbedarf
  88. auf ein Minimum reduziert ist. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht weiterhin den üblichen Zeitbedarf für die Position "Ernährung" während der Zeit der
  89. stationären Krankenhausaufenthalte der Klägerin wegen der im Krankenhaus
  90. bestehenden Vollverpflegung unberücksichtigt gelassen. Dies betrifft sowohl die
  91. üblicherweise anfallende Zeit für Essenszubereitung und Geschirrspülen als
  92. auch den Zeitaufwand für den Einkauf von Nahrungsmitteln und anderen Artikeln. Da die Revision insgesamt keinen konkreten Sachvortrag der Klägerin
  93. aufzeigt, dass abweichend von diesen Erfahrungswerten Hausarbeiten in größerem Umfang als die vom Berufungsgericht geschätzten drei Wochenstunden
  94. angefallen wären, war das Berufungsgericht aus Rechtsgründen nicht gehindert, den Zeitaufwand nach § 287 ZPO entsprechend zu reduzieren.
  95. -6-
  96. 8
  97. 4. Die Revision hat auch keinen Erfolg mit ihren Angriffen gegen die
  98. Zugrundelegung des BAT X bei der Berechnung des Haushaltsführungsschadens durch das Berufungsgericht. Ein Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin
  99. ist in diesem Zusammenhang nicht ersichtlich.
  100. 9
  101. Das Berufungsgericht durfte sich insoweit im Rahmen seiner tatrichterlichen Würdigung nach § 287 ZPO in Ermangelung abweichender konkreter Anhaltspunkte an der Tabelle 3 von Schulz-Borck/Hofmann orientieren, die bei
  102. teilweisem Ausfall des Haushaltsführenden in einem Durchschnittshaushalt ohne Kinder und Einstellung einer Ersatzkraft, die nicht die Leitung des Haushalts
  103. zu übernehmen braucht, eine Eingruppierung der (fiktiven) Ersatzkraft nach
  104. BAT X vorsieht. Entgegen der Auffassung der Revision ist es revisionsrechtlich
  105. nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht für die Zeit des zeitweiligen
  106. oder dauernden teilweisen Ausfalls des Haushaltsführenden mit verbleibender
  107. Leitungsfunktion nicht die Vergütungsgruppe BAT IXb bzw. BAT VIII zugrunde
  108. gelegt hat. Die Vergütungsgruppe BAT IXb wird nach Tabelle 3 von SchulzBorck/Hofmann Durchschnittshaushalten und gehobenen Haushalten ohne
  109. Kinder oder mit bereits schulpflichtigen Kindern bei fortbestehender Leitungsfunktion des Haushaltsführenden zugeordnet. Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich bei dem Haushalt der Klägerin nur um einen einfachen Ein-Personen-Haushalt mit einfachen Wohnverhältnissen (65 m2), geringer technischer Ausstattung und einem unterdurchschnittlichen Haushaltseinkommen. Da es sich mithin um einen unterdurchschnittlichen Haushalt handelt, ist eine Nichtanwendung der Vergütungsgruppe
  110. BAT IXb nicht rechtsfehlerhaft. Die Vergütungsgruppe BAT VIII ist für die Zeiten, in denen die Klägerin die Leitungsfunktion in ihrem Haushalt zumindest
  111. überwiegend ausüben konnte, ebenfalls nicht einschlägig. Soweit die Revision
  112. insoweit meint, der Klägerin sei nicht möglich bzw. zumutbar gewesen, im
  113. Wechsel mit den Zeiten stationärer Behandlung abwechselnd Hilfskräfte nach
  114. -7-
  115. BAT VIII und BAT X einzustellen, wird nicht hinreichend berücksichtigt, dass die
  116. Klägerin tatsächlich keine Ersatzkraft eingestellt hat, sondern ihren Schaden
  117. fiktiv berechnet. Darüber hinaus weist die Revisionserwiderung zutreffend darauf hin, dass unter den Umständen des Streitfalles während der stationären
  118. Krankenhausaufenthalte der Klägerin mit stark reduziertem Haushaltsführungsbedarf die Einstellung einer qualifizierten Ersatzkraft im Sinne des BAT VIII
  119. nicht erforderlich gewesen wäre. Insofern ist der Klägerin - entgegen der Auffassung der Revision - auch kein rechtlich relevanter Nachteil dadurch entstanden, dass das Berufungsgericht hinsichtlich eines stationären Krankenhausaufenthaltes im Jahre 2007 den Haushaltsführungsschaden - wohl irrtümlich - nicht
  120. wie bei den anderen stationären Krankenhausaufenthalten nach BAT VIII, sondern nach BAT X berechnet hat.
  121. 10
  122. Letztlich vermag auch die Auffassung der Revision, die Einstufung nach
  123. BAT X sei nicht mehr zeitgemäß, keine abweichende Beurteilung zu rechtfertigen, auch wenn dies von dem Mitautor Hofmann in einer Fußnote zur Tabelle 3
  124. von Schulz-Borck/Hofmann vertreten wird. Denn diese (pauschale) Einschätzung ist nicht geeignet, einen Ermessensfehler des Tatrichters im Rahmen der
  125. -8-
  126. Schätzung der Schadenshöhe nach § 287 ZPO zu begründen, wenn er sich in
  127. Ermangelung abweichender Gesichtspunkte an der Einstufung des Tabellenwerks orientiert.
  128. III.
  129. 11
  130. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
  131. Müller
  132. Zoll
  133. Diederichsen
  134. Wellner
  135. Stöhr
  136. Vorinstanzen:
  137. LG Oldenburg, Entscheidung vom 08.01.2008 - 8 O 422/07 OLG Oldenburg, Entscheidung vom 20.06.2008 - 11 U 3/08 -