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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VI ZR 132/06
  5. Verkündet am:
  6. 30. Oktober 2007
  7. Böhringer-Mangold,
  8. Justizamtsinspektorin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 227
  19. a) Bei mehreren Schädigungshandlungen trifft den Verteidiger für jede einzelne
  20. die Beweislast, dass die Voraussetzungen einer Notwehrlage vorlagen.
  21. b) Ist streitig, welche Schadensfolgen die einzelnen Verletzungshandlungen
  22. nach sich gezogen haben, und sind nur einige dieser Handlungen durch Notwehr gerechtfertigt, muss der Geschädigte beweisen, dass gerade die Verletzungshandlung für die Entstehung seines Schadens ursächlich war, deretwegen sich der Verteidiger nicht auf Notwehr berufen kann.
  23. BGH, Urteil vom 30. Oktober 2007 - VI ZR 132/06 - OLG Karlsruhe (Freiburg)
  24. LG Offenburg
  25. - 2 -
  26. Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  27. vom 30. Oktober 2007 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, die Richterin
  28. Diederichsen und die Richter Pauge, Stöhr und Zoll
  29. für Recht erkannt:
  30. Die Revision gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe in Freiburg vom 2. Juni 2006 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
  31. Von Rechts wegen
  32. Tatbestand:
  33. 1
  34. Der Kläger verlangt von dem Beklagten materiellen und immateriellen
  35. Schadensersatz wegen der Folgen einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen den Parteien.
  36. 2
  37. Am 7. September 2003 gegen 3 Uhr versetzte der Beklagte dem Kläger
  38. während eines Straßenfestes mehrere Faustschläge ins Gesicht, durch die der
  39. Kläger Frakturen am Unterkiefer erlitt. Über den Tathergang im Einzelnen streiten die Parteien.
  40. 3
  41. Der Kläger verlangt von dem Beklagten die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes sowie Ersatz seines materiellen Schadens. Zudem beantragt er, die Ersatzpflicht des Beklagten für sämtliche ihm aus dem Scha-
  42. - 3 -
  43. densereignis noch entstehenden zukünftigen materiellen und immateriellen
  44. Schäden festzustellen, soweit Ersatzansprüche nicht auf Dritte oder auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind.
  45. 4
  46. Das Landgericht hat dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 500 €
  47. zuerkannt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat
  48. dem Kläger weitere 800 € Schmerzensgeld zuerkannt und die weitergehende
  49. Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter, soweit das Berufungsgericht zu seinem Nachteil erkannt hat.
  50. Entscheidungsgründe:
  51. I.
  52. 5
  53. Nach den Feststellungen des Landgerichts, die das Berufungsgericht
  54. seiner Beurteilung zu Grunde legt, sind die Parteien bei dem fraglichen Vorfall
  55. im Gedränge leicht gegeneinander gestoßen. Der Kläger habe sich beim Weitergehen abfällig über den Beklagten geäußert und "Scheiß Türke" sowie "Du
  56. kannst ja nicht mal richtig deutsch" gesagt, woraufhin der Beklagte dem Kläger
  57. nachgegangen sei und ihn zur Rede gestellt habe. Es sei zu einer sich zuspitzenden verbalen Auseinandersetzung gekommen. In deren Verlauf habe der
  58. Beklagte dem Kläger die Baseball-Kappe vom Kopf geschlagen. Hierauf habe
  59. der Kläger den Beklagten einige Sekunden lang am Hals gewürgt, woraufhin
  60. der Beklagte den Kläger weggeschubst habe. Sodann sei der Kläger mit geballten Fäusten auf den Beklagten zugelaufen. Um diesen Angriff abzuwehren, habe der Beklagte dem Kläger drei Mal ins Gesicht geschlagen, wodurch der Kläger zu Boden gegangen sei. Obwohl der Beklagte die Kampfunfähigkeit des
  61. - 4 -
  62. Klägers erkannt habe, habe er den am Boden liegenden Kläger nochmals bis
  63. zu drei Mal geschlagen.
  64. 6
  65. Das Berufungsgericht hat die drei ersten Schläge in das Gesicht des
  66. Klägers als nach § 227 BGB gerechtfertigt angesehen und die Haftung des Beklagten für die späteren Schläge bejaht. Es teilt allerdings die Beurteilung des
  67. Landgerichts, es könne nicht festgestellt werden, durch welche Schläge die
  68. Verletzungen des Klägers und der von ihm behauptete materielle Schaden verursacht worden seien. Diese Ungewissheit gehe zu Lasten des Klägers, den
  69. insoweit die Beweislast treffe. Wegen der gegen den kampfunfähig am Boden
  70. liegenden Kläger geführten Schläge sei ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 1.300 € angemessen. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil für solche Fälle die Frage der Beweislast höchstrichterlich noch nicht
  71. geklärt sei.
  72. II.
  73. 7
  74. Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
  75. 8
  76. 1. Nicht durchgreifend ist die Rüge der Revision, die Beweiswürdigung
  77. des Berufungsgerichts lasse wesentliche Umstände unberücksichtigt und sei
  78. widersprüchlich. Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters
  79. und nur eingeschränkt daraufhin zu überprüfen, ob sich der Tatrichter mit dem
  80. Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei
  81. auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich
  82. möglich ist und nicht gegen Denk- oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. Senat,
  83. Urteile vom 1. Oktober 1996 - VI ZR 10/96 - NJW 1997, 796, 797 und vom
  84. - 5 -
  85. 14. Oktober 2003 - VI ZR 425/02 - NJW-RR 2004, 425). Derartige Rechtsfehler
  86. weist das angegriffene Urteil nicht auf.
  87. 9
  88. Soweit die Revision meint, die Beweiswürdigung habe wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen, weil das Berufungsgericht die im Strafverfahren protokollierten Aussagen des Beklagten sowie des vom Landgericht als
  89. Zeugen vernommenen D. F. nicht in seine Würdigung einbezogen habe, zeigt
  90. sie nicht auf, dass insoweit in den Tatsacheninstanzen ein Beweisantritt erfolgt
  91. ist. Zudem kann sich das Gericht nach § 540 Abs. 1 ZPO auf die wesentlichen
  92. Gesichtspunkte der Begründung beschränken, so dass sich nicht alleine aus
  93. der fehlenden Auseinandersetzung mit einem einzelnen Gesichtspunkt eine
  94. lückenhafte Beweiswürdigung ergibt. Soweit die Revision rügt, die Feststellungen der Vorinstanzen seien widersprüchlich, weil sie den Beginn der tätlichen
  95. Auseinandersetzung zwischen den Parteien in dem Würgen durch den Kläger
  96. sähen und ihnen zugleich zu entnehmen sei, der Beklagte habe zuvor dem Kläger die Mütze vom Kopf geschlagen, liegt hierin kein Widerspruch. Die Vorinstanzen haben ersichtlich den Vorgang mit der Mütze nicht als tätlichen Angriff
  97. gewertet, der - wie die Revision wohl nahe legen will - eine Notwehrreaktion des
  98. Klägers herausgefordert haben könnte.
  99. 10
  100. 2. Vielmehr tragen die getroffenen Feststellungen die Auffassung des
  101. Berufungsgerichts, die drei ersten Schläge des Beklagten seien nach § 227
  102. BGB gerechtfertigt.
  103. 11
  104. a) Unbedenklich ist die Annahme einer Notwehrlage. Darin, dass der
  105. Kläger aus einer Entfernung von wenigen Metern mit geballten Fäusten auf den
  106. Beklagten zulief, lag unter den vom Berufungsgericht festgestellten konkreten
  107. Umständen ein gegenwärtiger Angriff, da eine Verletzungshandlung unmittelbar
  108. bevorstand. Der Angriff war auch rechtswidrig. Insbesondere ist das Geschehen
  109. - 6 -
  110. entgegen der Auffassung der Revision nicht als komplexer einheitlicher Vorgang einer Schlägerei zwischen zwei Personen zu werten. Zwar mag bei einer
  111. Rauferei, bei der jeder der Beteiligten den Willen zur tätlichen Auseinandersetzung in einem für eine Rauferei üblichen Rahmen hat, ein sich in diesem Rahmen haltender Angriff grundsätzlich nicht rechtswidrig sein (vgl. OLG Saarbrücken VRS 42, 419, 420 f.; MünchKommBGB/Grothe, 5. Aufl., § 227, Rn. 11). So
  112. lag es hier indes nicht, denn der Beklagte beschränkte sich bis zu seiner Verteidigung durch die Schläge auf eine verbale Auseinandersetzung und das Herunterschlagen der Mütze vom Kopf des Klägers und setzte sich im Übrigen
  113. passiv gegen das Würgen zur Wehr, indem er den Kläger wegschubste.
  114. 12
  115. b) Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht unter
  116. den gegebenen Umständen die Verteidigung des Beklagten für erforderlich
  117. gehalten hat.
  118. 13
  119. aa) Erforderlich ist die Verteidigung, die zur Abwehr des Angriffs zumindest teilweise geeignet ist und zugleich das relativ mildeste Gegenmittel darstellt (MünchKommBGB/Grothe, aaO, Rn. 13). Der Rahmen der erforderlichen
  120. Verteidigung wird durch die gesamten Umstände bestimmt, unter welchen Angriff und Abwehr sich abspielen, insbesondere durch die Stärke und Gefährlichkeit des Angreifers und die Verteidigungsmöglichkeit des Angegriffenen (BGH,
  121. Urteile vom 25. November 1980 - 1 StR 563/80 - NStZ 1981, 138; vom
  122. 30. Oktober 1986 - 4 StR 505/86 - NStZ 1987, 172; vom 28. Februar 1989
  123. - 1 StR 741/88 - NJW 1989, 3027). Trutzwehr ist zwar erst erforderlich, wenn
  124. Schutzwehr keinen Erfolg verspricht oder sich bereits als erfolglos erwiesen hat.
  125. Der Verteidiger ist aber nur dann auf ungefährlichere Abwehrmaßnahmen verwiesen, wenn diese eine sofortige und endgültige Beseitigung der Gefahr mit
  126. Sicherheit erwarten lassen, ohne dass Zweifel über die Wirkung des Verteidigungsmittels verbleiben (vgl. Senatsurteil vom 23. September 1975 - VI ZR
  127. - 7 -
  128. 232/73 - NJW 1976, 41, 42; ferner BGHSt 24, 356, 358; BGH, Urteile vom
  129. 27. April 1982 - 5 StR 94/82 - NStZ 1982, 285; vom 24. September 1998 - 4 StR
  130. 309/98 - NStZ-RR 1999, 40, 41; vom 22. November 2000 - 3 StR 331/00 - NJW
  131. 2001, 1075, 1076; vom 13. März 2003 - 3 StR 458/02 - NStZ 2004, 615, 616;
  132. vom 30. Juni 2004 - 2 StR 82/04 - NStZ 2005, 31); auf einen Kampf mit ungewissem Ausgang muss sich der Verteidiger nicht einlassen (BGH, Urteile vom
  133. 27. April 1982 - 5 StR 94/82 - aaO; vom 24. September 1998 - 4 StR 309/98 aaO; vom 12. Februar 2003 - 1 StR 403/02 - NJW 2003, 1955, 1957).
  134. bb) Nach diesen Maßstäben begegnet die Auffassung des Berufungsge-
  135. 14
  136. richts, die Verteidigung des Beklagten mittels dreier gezielter Faustschläge gegen den Kopf des Klägers sei erforderlich gewesen, keinen durchgreifenden
  137. Bedenken. Dass eine Beschränkung auf reine Schutzwehr erfolglos gewesen
  138. wäre, belegt das erfolglose Wegschubsen des Klägers kurz zuvor. Dass Schläge gegen andere Körperregionen oder die Beschränkung auf nur einen Schlag
  139. gegen den Kopf des Klägers ein ebenso wirksames Abwehrmittel dargestellt
  140. hätten und eine sofortige und endgültige Beseitigung der Gefahr mit Sicherheit
  141. hätten erwarten lassen, ergeben die getroffenen Feststellungen nicht. Vielmehr
  142. durfte der Beklagte sich im Hinblick auf seine körperliche Unterlegenheit und
  143. das vorangegangene Würgen durch den Kläger nach den insoweit unbeanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts in dieser Weise verteidigen.
  144. c) Einschränkungen des Notwehrrechts des Beklagten mit der Folge ei-
  145. 15
  146. ner Notwehrüberschreitung hat das Berufungsgericht ebenfalls zu Recht verneint.
  147. - 8 -
  148. 16
  149. aa) Dass der Kläger nach den vom Berufungsgericht zu Grunde gelegten
  150. Feststellungen des Landgerichts zur Tatzeit "nicht unerheblich alkoholisiert"
  151. bzw. "durchaus angetrunken" war, macht die Verteidigung des Beklagten nicht
  152. rechtswidrig. Selbst wenn das Notwehrrecht bei Angriffen Betrunkener, die sich
  153. schuldhaft in diesen Zustand versetzt haben, Einschränkungen unterliegen sollte, ist der Angegriffene sogar gegenüber Angriffen Schuldloser nur dann auf ein
  154. Ausweichen oder eine reine Schutzwehr verwiesen, wenn ihm diese zuzumuten
  155. und gefahrlos möglich ist (vgl. BayObLG NStZ-RR 1999, 9). Das war hier nicht
  156. der Fall.
  157. 17
  158. bb) Ohne Rechtsfehler hält das Berufungsgericht eine Notwehrüberschreitung trotz etwaiger vorausgegangener Provokationen durch den Beklagten für nicht gegeben. Selbst wenn die Herbeiführung bzw. Teilnahme des Beklagten an den den Tätlichkeiten vorangegangenen verbalen Auseinandersetzungen sowie das Herunterschlagen der Baseball-Kappe zu Einschränkungen
  159. des Notwehrrechts des Beklagten nach § 242 BGB geführt haben sollten, hielt
  160. sich seine Verteidigung jedenfalls in den ihr dann gesetzten Grenzen. Zwar
  161. muss der Angegriffene nach gefestigter Rechtsprechung, hat er den Angriff
  162. durch eine Provokation mitverschuldet, im Rahmen des Möglichen ausweichen
  163. oder sich auf mildere, wenngleich weniger sichere Verteidigungsmittel beschränken (vgl. BGHSt 24, 356, 358 f.; 26, 143, 145; 39, 374, 379; 42, 97, 100;
  164. BGH, Urteile vom 18. August 1988 - 4 StR 297/88 - NStZ 1989, 113, 114; vom
  165. 22. November 2000 - 3 StR 331/00 - NJW 2001, 1075, 1076; vgl. auch Schönke/Schröder/StGB-Lenckner/Perron,
  166. 27. Aufl.,
  167. § 32
  168. Rn. 60;
  169. Münch-
  170. KommBGB/Grothe, 5. Aufl., § 227 Rn. 24). Indes hängt das Maß der Einschränkungen des Notwehrrechts von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von dem Gewicht der schuldhaften Verursachung einerseits und
  171. dem Gewicht der drohenden Rechtsgutsverletzung andererseits (BGH, Urteil
  172. vom 2. November 2005 - 2 StR 237/05 - NStZ 2006, 332, 333 m.w.N.). Hier ü-
  173. - 9 -
  174. berschritt die Verteidigung des Beklagten schon deswegen nicht die seinem
  175. Notwehrrecht gesetzten Grenzen, weil seine etwaigen Provokationen eine Folge der Beleidigungen durch den Kläger darstellten und sie im Vergleich zu den
  176. dem Angriff vorausgegangenen Tätlichkeiten des Klägers und den zu befürchtenden erheblichen Folgen des Angriffs selbst nicht schwer wogen. Jedenfalls
  177. aber steht dem Verteidiger, hat er sich mit der Abwehr gegen einen von ihm
  178. provozierten Angriff eine gewisse Zeit fruchtlos zurückgehalten, in der Regel
  179. wieder das volle Notwehrrecht zu (BGHSt 26, 256, 257; 39, 374, 379; Schönke/Schröder/StGB-Lenckner/Perron, aaO; MünchKommBGB/Grothe, aaO; Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 227 Rn. 9). So lag es im Streitfall, in dem sich
  180. der Beklagte gegen das Würgen lediglich damit verteidigte, dass er den Kläger
  181. von sich wegschubste. Ging dieser daraufhin zu einem erneuten, noch gefährlicheren Angriff über, so durfte der Beklagte dagegen trotz etwaiger früherer Provokationen jedenfalls in der geschehenen Weise von seinem Notwehrrecht
  182. Gebrauch machen.
  183. 18
  184. 3. Das Berufungsurteil begegnet schließlich keinen Bedenken, soweit es
  185. eine Haftung des Beklagten für die Schadensfolgen nicht daraus herleitet, dass
  186. der Beklagte dem am Boden liegenden Kläger weitere, nicht durch Notwehr gerechtfertigte Schläge versetzt hat. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht den Nachweis, dass die behaupteten Verletzungs- und sonstigen Schadensfolgen auf die späteren Schläge des Beklagten
  187. zurückgingen, als nicht geführt ansieht und insofern den Kläger für beweisbelastet hält.
  188. 19
  189. a) Die Vorinstanzen haben nicht feststellen können, welche Verletzungen
  190. und sonstigen Schäden des Klägers auf die ersten, durch Notwehr gerechtfertigten, und welche auf die späteren Schläge zurückgingen. Abgesehen davon,
  191. dass der Kläger selbst nicht geltend macht, die erlittenen Verletzungen und
  192. - 10 -
  193. Schäden könnten den einzelnen Schlägen zugeordnet werden, lässt diese Beurteilung Rechtsfehler nicht erkennen. Soweit die Revision meint, es könne jedenfalls festgestellt werden, dass durch die späteren Schläge die Verletzungen
  194. des Klägers erheblich verstärkt worden seien, haben die Vorinstanzen das eben
  195. nicht feststellen können.
  196. 20
  197. b) Dass das Berufungsgericht auf dieser Grundlage eine Haftung des
  198. Beklagten lediglich für die dem Kläger durch die späteren Schläge nachweislich
  199. zugefügten Schmerzen bejaht, ist nicht zu beanstanden.
  200. 21
  201. aa) Zwar trifft die Beweislast dafür, dass eine Verletzungshandlung eine
  202. Verteidigung auf eine Notwehrlage darstellte, denjenigen, der sich darauf beruft
  203. (vgl. Senat, Urteile vom 23. September 1975 - VI ZR 232/73 - NJW 1976, 41,
  204. 42; vom 18. November 1980 - VI ZR 151/78 - VersR 1981, 376, 377; vom
  205. 26. Mai 1987 - VI ZR 157/86 - NJW 1987, 2509; Baumgärtel/Laumen, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Band 1, 2. Aufl., § 227 Rn. 1). Demgemäß
  206. trifft bei mehreren zeitlich auseinander liegenden Schädigungshandlungen den
  207. Verteidiger für jede einzelne die Beweislast, dass jeweils die Voraussetzungen
  208. einer Notwehrlage vorlagen und er sich gegen den Angriff verteidigte. Das hat
  209. das Berufungsgericht für die ersten drei Schläge festgestellt. Ist jedoch streitig,
  210. welche Schadensfolgen die einzelnen Verletzungshandlungen nach sich gezogen haben, und sind nur einige dieser Handlungen durch Notwehr gerechtfertigt, so muss der Angreifer und Geschädigte beweisen, dass gerade die Verletzungshandlung für die Entstehung seines Schadens ursächlich war, deretwegen sich der Verteidiger nicht auf Notwehr berufen kann (OLG Celle VersR
  211. 1989, 751, 752; Baumgärtel/Laumen, aaO, Rn. 3; MünchKomm/BGB-Grothe,
  212. aaO, Rn. 27). Soweit aus dem Senatsurteil vom 31. März 1967 - VI ZR
  213. 166/65 -, VersR 1967, 661 etwas anderes entnommen werden könnte, könnte
  214. daran nicht festgehalten werden. Steht nämlich - wie im Streitfall - fest, welche
  215. - 11 -
  216. der als schadensursächlich in Betracht kommenden Verletzungshandlungen
  217. durch Notwehr gerechtfertigt sind und welche nicht, so ist geklärt, für die Folgen
  218. welcher Handlungen der Verteidiger einzustehen hat. Dann aber muss nach
  219. allgemeinen Grundsätzen der Geschädigte beweisen, dass seine Verletzungen
  220. durch rechtswidrige, also nicht durch Notwehr gerechtfertigte Handlungen des
  221. Schädigers herbeigeführt worden sind.
  222. 22
  223. bb) Entgegen den Ausführungen in der schriftlichen Revisionsbegründung kommt im Streitfall auch nicht eine analoge Anwendung des § 830 Abs. 1
  224. Satz 2 BGB in Betracht.
  225. 23
  226. Nach dieser Vorschrift bedarf es des Nachweises einer Kausalität des
  227. jeweiligen Verursachungsbeitrags nicht, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von
  228. mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat (vgl.
  229. Senatsurteil vom 23. Mai 2006 - VI ZR 259/04 - NJW 2006, 2399 m.w.N.; BGH,
  230. Urteil vom 16. Januar 2001 - X ZR 69/99 - NJW 2001, 2538, 2539). Voraussetzung ist also, dass mehrere Beteiligte für die Verursachung des Schadens in
  231. Frage kommen. Das ist hier nicht der Fall, weil die Verletzungen des Klägers
  232. allein durch den Beklagten verursacht worden sind. Fraglich ist allein, ob er dabei in Notwehr oder rechtswidrig gehandelt hat. Diese Zweifel können jedoch
  233. durch § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht überbrückt werden (st. Rspr., vgl. Senat,
  234. - 12 -
  235. Urteile vom 17. Dezember 1952 - VI ZR 6/52 - LM Nr. 2 zu § 830 BGB; vom
  236. 22. Mai 1979 - VI ZR 82/78 - VersR 1979, 822; Staudinger/Belling/EberlBorges, BGB, Neubearbeitung 2002, § 830 Rn. 80 m.w.N.).
  237. 4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
  238. 24
  239. Müller
  240. Diederichsen
  241. Stöhr
  242. Pauge
  243. Zoll
  244. Vorinstanzen:
  245. LG Offenburg, Entscheidung vom 02.12.2004 - 2 O 141/04 OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 02.06.2006 - 14 U 234/04 -