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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. V ZR 260/00
  5. Verkündet am:
  6. 20. Dezember 2001
  7. K a n i k,
  8. Justizamtsinspektorin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. ErbbRVO § 9
  19. Die Anpassung des Erbbauzinses um einen anderen Betrag als im Erbbaurechtsvertrag vereinbart ist bei einer erneuten Anpassung nur dann fortzuschreiben, wenn
  20. der Wille der Vertragsparteien bei der vergangenen Anpassung darauf gerichtet war,
  21. die im Erbbaurechtsvertrag vereinbarte Anpassungsregelung entsprechend dem
  22. vereinbarten Anpassungsbetrag zu ändern (Ergänzung des Senatsurteils v. 24. April
  23. 1992, V ZR 52/91, NJW 1992, 2088 f).
  24. BGH, Urt. v. 20. Dezember 2001- V ZR 260/00 - OLG Karlsruhe
  25. LG Heidelberg
  26. -2-
  27. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
  28. vom 20. Dezember 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die
  29. Richter Tropf, Schneider, Dr. Klein und Dr. Lemke
  30. für Recht erkannt:
  31. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats
  32. des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 5. Juli 2000 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist.
  33. Der Beklagte wird verurteilt, mit Wirkung ab dem 11. November
  34. 1997 (Martini) einer Erhöhung des jährlich am 11. November
  35. (Martini) im voraus zahlbaren Erbbauzinses für das Erbbaurecht
  36. an dem Grundstück der Gemarkung H./R., eingetragen im Erbbaugrundbuch von H., Grundstück Flst.Nr. 26, auf 84.000 DM zuzustimmen.
  37. Der Beklagte wird verurteilt, die Eintragung einer Reallast zu
  38. Gunsten des jeweiligen Grundstückseigentümers an nächst bereiter Stelle im Erbbaugrundbuch von H., Grundstück Flst.-Nr. 26,
  39. zur Sicherung des Erbbauzinsmehrbetrages von 63.000 DM jährlich, zahlbar jeweils am 11. November (Martini) eines Jahres im
  40. voraus, beginnend mit dem 11. November 1997, mit dinglicher
  41. Wirkung ab Eintragung zu bewilligen.
  42. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  43. Von Rechts wegen
  44. -3-
  45. Tatbestand:
  46. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 23. November 1971 bestellte
  47. der Kläger dem Beklagten auf die Dauer von 99 Jahren ein Erbbaurecht an
  48. einem in einem Gewerbegebiet gelegenen Grundstück von 7000 qm Größe.
  49. Der Vertrag berechtigt den Beklagten zur Bebauung des Grundstücks mit einer
  50. Lagerhalle und einem Bürogebäude mit Wohnung. Der am 11. November eines
  51. jeden Jahres im Vorhinein fällige, durch eine Reallast am Erbbaurecht gesicherte Erbbauzins wurde auf 11.500 DM vereinbart. Zu seiner Änderung heißt
  52. es im Vertrag:
  53. "Ändern sich die wirtschaftlichen oder geldlichen Verhältnisse allgemein oder hinsichtlich des Grundstückswertes in dem Maße, daß
  54. der vereinbarte Erbbauzins für den Eigentümer oder den Erbbauberechtigten nicht mehr angemessen sein sollte (hinsichtlich des
  55. Grundstückswertes um mehr als 25 %), so kann jede Partei verlangen, daß der dann angemessene Erbbauzins neu festgesetzt wird."
  56. Mit Schreiben vom 15. August 1986 verlangte der Kläger im Hinblick auf
  57. einen Anstieg des Wertes des Grundstücks das Einverständnis des Beklagten,
  58. den Erbbauzins beginnend mit dem 11. November 1987 auf 24.500 DM jährlich
  59. zu erhöhen. Die Parteien einigten sich in der Folgezeit darauf, den Erbbauzins
  60. beginnend mit dem 11. November 1988 auf 21.000 DM jährlich zu erhöhen und
  61. das Erbbaurecht mit einer entsprechenden weiteren Reallast zu belasten. Mit
  62. der Behauptung, der Grundstückswert sei weiter gestiegen, verlangte der Kläger mit Schreiben vom 13. Oktober 1997 das Einverständnis des Beklagten zur
  63. Erhöhung des Erbbauzinses ab dem 11. November 1997 auf 84.000 DM jährlich. Das lehnt der Beklagte ab.
  64. -4-
  65. Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, der Erhöhung
  66. des Erbbauzinses um 63.000 DM auf jährlich 84.000 DM, beginnend mit dem
  67. 11. November 1997, zuzustimmen und in die Eintragung einer entsprechenden
  68. Reallast einzuwilligen. Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, der Erhöhung des Erbbauzinses auf jährlich 52.500 DM zuzustimmen und in die Eintragung einer weiteren Reallast einzuwilligen. Auf die Berufung des Klägers hat
  69. das Oberlandesgericht den Beklagten verurteilt, der Erhöhung des Erbbauzinses auf 55.860 DM jährlich, beginnend mit dem 11. November 1997, zuzustimmen und in die Eintragung einer Reallast in Höhe von 34.860 DM jährlich einzuwilligen. Die weitergehende Berufung des Klägers und die Anschlußberufung
  70. des Beklagten, mit der der Beklagte die Herabsetzung seiner Verurteilung beantragt hat, hat es zurückgewiesen.
  71. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Verurteilung des Beklagten im
  72. Umfang seiner ursprünglichen Anträge.
  73. Entscheidungsgründe:
  74. I.
  75. Das Berufungsgericht hält das Erhöhungsverlangen nur teilweise für
  76. begründet.
  77. Es
  78. stellt
  79. fest,
  80. der
  81. Grundstückswert
  82. sei
  83. seit
  84. der
  85. zum
  86. 11.November 1988 wirksam gewordenen Erhöhung des Erbbauzinses von
  87. 90 DM/qm bis 1997 auf 240 DM/qm, mithin um 166 %, gestiegen. Damit seien
  88. die im Vertrag für eine erneute Anpassung des Erbbauzinses vereinbarten
  89. Voraussetzungen gegeben. Es meint, Maßstab der Erhöhung sei der Anstieg
  90. -5-
  91. des Grundstückswerts. Um das Verhältnis zwischen dem Erbbauzins und dem
  92. Grundstückswert, das der 1988 wirksam gewordenen Einigung der Parteien
  93. zugrunde gelegen habe, aufrecht zu erhalten, sei der seit dem 11. November
  94. 1988 geschuldete Erbbauzins im selben Verhältnis wie der Anstieg des Wertes
  95. des Grundstücks, beginnend mit dem 11. November 1997, um 166 % auf
  96. 55.860 DM jährlich zu erhöhen. Dieser Betrag sei durch die Eintragung einer
  97. weiteren Reallast an dem Erbbaurecht zu sichern. Ein weitergehender Anspruch des Klägers bestehe nicht.
  98. Das hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.
  99. II.
  100. Fehlerfrei geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß die vertraglich vereinbarten Voraussetzungen für ein Anpassungsverlangen vorliegen.
  101. Nicht zu beanstanden ist auch die Auslegung der Anpassungsklausel
  102. dahin, daß bei der Bestimmung des "dann angemessenen Erbbauzinses" nicht
  103. auf den im Anpassungszeitpunkt üblichen oder ortsüblichen Erbbauzins abzustellen ist, sondern auf das Ausmaß der Veränderung des Grundstückswerts
  104. mit der Möglichkeit einer Korrektur unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit. Diese Auslegung ist möglich und weist keine revisionsrechtlichen Fehler
  105. auf. Daß es sich bei der Klausel um eine revisible Allgemeine Geschäftsbedingung handeln könnte, ist in den Tatsacheninstanzen nicht behauptet worden.
  106. Die insoweit erhobene Aufklärungsrüge ist unbegründet, weil für einen ent-
  107. -6-
  108. sprechenden gerichtlichen Hinweis in diesem Zusammenhang kein Anlaß bestand.
  109. Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht aber insoweit, als es
  110. bei dem Steigerungssatz nicht von dem bei der letzten Anpassung einvernehmlich zugrunde gelegten Verkehrswert von 60 DM, sondern von dem damals tatsächlichen Verkehrswert von 90 DM ausgeht. Denn die Klausel knüpft
  111. bei den Anpassungsvoraussetzungen entsprechend der üblichen Orientierung
  112. am Bodenwert (Senatsurt. v. 16. April 1999, V ZR 37/98, WM 1999, 1715,
  113. 1716) an den letzten dem Erbbauzins zugrundegelegten Grundstückswert an.
  114. Dies muß nach der Auslegung des Berufungsgerichts dann auch für die Höhe
  115. der Anpassung gelten. Zutreffend weist das Berufungsgericht allerdings darauf
  116. hin, daß nach der Rechtsprechung des Senats bei einem nicht Wohnzwecken
  117. dienenden Erbbaurecht die Prüfung, ob seit der letzten Erhöhung des Erbbauzinses die vereinbarte Anpassungsvoraussetzung erneut eingetreten ist, nicht
  118. ein Maßstab angelegt werden darf, der überhöhte frühere Anpassungen ausgleicht (Senatsurt. v. 24. April 1992, V ZR 52/91, NJW 1992, 2088, 2089). Entscheidend ist in diesem Zusammenhang jedoch immer, ob durch die letzte Anpassung der vereinbarte Anpassungsmaßstab verändert werden sollte oder
  119. nicht. Kommt der Eigentümer dem Erbbauberechtigten bei einer Anpassung
  120. einmal ausnahmsweise entgegen, indem er mit der Zahlung eines niedrigeren
  121. als dem sich aus der Anwendung des Maßstabs ergebenden Erbbauzins einverstanden ist, so hat dieses Entgegenkommen noch nicht eine Veränderung
  122. des Anpassungsmaßstabs zur Folge und kann nicht dazu führen, daß dieses
  123. einmalige Entgegenkommen fortzuschreiben wäre. Daß die Parteien hier bei
  124. der letzten Anpassung von einem Grundstückswert von nur 60 DM ausgegangen sind, beruht nach dem Vortrag des Klägers darauf, daß er sich im Rahmen
  125. -7-
  126. einer vergleichsweisen Regelung damit zufrieden gegeben hat, die Erhöhungsmöglichkeit nicht vollständig auszuschöpfen. Auch nach dem Vortrag des
  127. Beklagten ist der Erhöhungszins frei ausgehandelt worden. Daß dabei der vereinbarte Erhöhungsmaßstab abgeändert werden sollte, ist weder behauptet
  128. noch festgestellt worden. Dann bleibt es dabei, daß bei der nunmehr anstehenden Erhöhung nicht von dem bei der letzten Erhöhung geltenden tatsächlichen Verkehrswert von 90 DM, sondern von dem durch die Parteien einvernehmlich zugrunde gelegten Verkehrswert von 60 DM auszugehen ist. Der
  129. Vorteil aus dem Entgegenkommen bei der letzten Anpassung wird also für die
  130. Zukunft nicht fortgeschrieben, sondern aufgefangen, indem nunmehr wieder
  131. der vereinbarte Anpassungsmaßstab zur Geltung kommt. Von daher ist die
  132. Klage in vollem Umfang begründet. Denn Umstände, die eine Korrektur unter
  133. dem Gesichtspunkt der Angemessenheit erforderten, sind weder vorgetragen
  134. noch ersichtlich.
  135. Wenzel
  136. Tropf
  137. Klein
  138. Schneider
  139. Lemke