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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. V ZR 233/10
  5. Verkündet am:
  6. 10. Juni 2011
  7. Mayer
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Juni 2011 durch den
  14. Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Prof. Dr. Schmidt-Räntsch
  15. und Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland
  16. für Recht erkannt:
  17. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer
  18. des Landgerichts Koblenz vom 26. Oktober 2010 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Beklagte verurteilt worden ist, die im Keller des Hausanwesens K.
  19. 10 in O.
  20. ver-
  21. laufenden Strom- und Wasserleitungen, die das Hausgrundstück
  22. K.
  23. 12 und 14 in O.
  24. versorgen, zu entfer-
  25. nen.
  26. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
  27. und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
  28. an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  29. Von Rechts wegen
  30. Tatbestand:
  31. 1
  32. Die Parteien sind Nachbarn. Die Kläger haben ihr Hausgrundstück im
  33. Jahr 2005 aufgrund notariellen Vertrages von dem Beklagten erworben. § 4
  34. („Sach- und Rechtsmängel“) des Vertrages enthält unter Absatz 1 einen Gewährleistungsausschluss. In Absatz 2 ist bestimmt, dass der Käufer den Kauf-
  35. -3-
  36. gegenstand besichtigt hat und ihn im gegenwärtigen Zustand kauft. Das Haus
  37. der Kläger grenzt unmittelbar an die beiden auf dem Grundstück des Beklagten
  38. befindlichen Häuser an. Für alle drei Häuser besteht eine gemeinsame Stromund Wasserversorgung. Die Leitungen für die Versorgung der Häuser des Beklagten verlaufen im Keller des Hauses der Kläger. In einem diesem Rechtsstreit vorangegangenen gerichtlichen Verfahren verlangten die Kläger vom Beklagten die Rückabwicklung des Kaufvertrages; ihre Klage blieb jedoch ohne
  39. Erfolg. Die Kläger begehren nun die Beseitigung der in ihrem Keller verlaufenden, der Versorgung der Anwesen des Beklagten dienenden Leitungen. Das
  40. Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und, soweit hier von Interesse, der Widerklage des Beklagten auf Ersatz seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten, die
  41. ihm anlässlich des vorangegangenen Prozesses und wegen des streitgegenständlichen Verfahrens entstanden sind, stattgegeben. Auf die Berufung der
  42. Kläger hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und der
  43. Klage stattgegeben und die Widerklage, soweit hier von Interesse, abgewiesen.
  44. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision möchte der Beklagte die
  45. Wiederherstellung der Entscheidung des Amtsgerichts erreichen. Die Kläger
  46. beantragen, die Revision zurückzuweisen.
  47. Entscheidungsgründe:
  48. I.
  49. 2
  50. Nach Ansicht des Berufungsgerichts können die Kläger einen Beseitigungsanspruch zwar nicht aus einer mit dem Beklagten getroffenen mündlichen
  51. Vereinbarung herleiten; selbst wenn sich die Parteien anlässlich des notariellen
  52. Kaufvertrages auf eine Beseitigung der Leitungen geeinigt haben sollten, wäre
  53. diese Vereinbarung mangels notarieller Beurkundung unwirksam. Der Anspruch
  54. der Kläger sei jedoch nach § 1004 BGB begründet. Eine Duldungspflicht der
  55. -4-
  56. Kläger nach § 1004 Abs. 2 BGB bestehe nicht. Soweit sich der Beklagte darauf
  57. berufe, sich mit den Klägern über den Verbleib der Leitungen geeinigt zu haben, fehle es ebenfalls an der erforderlichen notariellen Beurkundung. Im Übrigen müsste eine solche Vereinbarung, hätte sie tatsächlich stattgefunden, als
  58. jederzeit kündbarer unentgeltlicher Gestattungsvertrag eingestuft werden. Die
  59. widerklagend geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten seien mangels
  60. Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht erstattungsfähig.
  61. II.
  62. 3
  63. Die Erwägungen des Berufungsgerichts, mit denen es einen Anspruch
  64. der Kläger gem. § 1004 Abs. 1 BGB auf Beseitigung der durch ihren Keller verlaufenden Versorgungsleitungen des Beklagten bejaht, halten rechtlicher Prüfung nicht in allen Punkten stand.
  65. 4
  66. 1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht allerdings eine Eigentumsbeeinträchtigung der Kläger durch den Beklagten bejaht.
  67. 5
  68. Unter einer Eigentumsbeeinträchtigung ist jeder dem Inhalt des Eigentums (§ 903 BGB) widersprechende Zustand zu verstehen. Zu der dem Eigentümer durch § 903 BGB garantierten umfassenden Sachherrschaft gehört es,
  69. fremde Gegenstände von dem eigenen Grundstück fernzuhalten. Deshalb sind
  70. diese Gegenstände bis zu ihrer Entfernung allein durch ihre Anwesenheit eine
  71. Quelle fortdauernder Eigentumsstörungen (Senat, Urteil vom 4. Februar 2005
  72. - V ZR 142/04, NJW 2005, 1366, 1367 Rn. 5). Bei den Leitungen handelt es
  73. sich um für die Kläger fremde Gegenstände. Sie stehen im Eigentum des Beklagten.
  74. 6
  75. a) Entgegen der Auffassung des Beklagten erstreckt sich das Eigentum
  76. der Kläger an dem Hausgrundstück nicht gem. § 946 BGB auf die in deren Kel-
  77. -5-
  78. ler verlaufenden, der Versorgung allein der Anwesen des Beklagten dienenden
  79. Leitungen. Denn diese Leitungen sind nicht wesentlicher Bestandteil (§ 94 BGB)
  80. des Hauses der Kläger. Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes
  81. gehören nach § 94 Abs. 2 BGB die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten
  82. Sachen. Hierfür ist eine feste Verbindung mit dem Gebäude nicht nötig (Senat,
  83. Urteil vom 10. Februar 1978 - V ZR 33/76, NJW 1978, 1311). "Zur Herstellung"
  84. in diesem Sinne sind alle Teile eingefügt, ohne die das Gebäude nach der Verkehrsanschauung noch nicht fertig gestellt ist (Senat, Urteil vom 25. Mai 1984
  85. - V ZR 149/83, NJW 1984, 2277, 2278). Dies ist bei den Versorgungsleitungen
  86. nicht der Fall. Sie sind nicht zur Herstellung des Gebäudes der Kläger eingefügt, sondern dienen allein der Versorgung des Nachbargrundstücks mit Wasser
  87. und Strom.
  88. 7
  89. Die Versorgungsleitungen sind auch nicht aufgrund der allgemeinen Vorschrift des § 93 BGB wesentlicher Bestandteil des Gebäudes der Kläger geworden (vgl. Senat, Urteil vom 25. Oktober 1961 - V ZR 30/60, BGHZ 36, 47,
  90. 51). Anhaltspunkte dafür, dass sie nur im Wege der Zerstörung entfernt werden
  91. können, liegen nicht vor.
  92. 8
  93. b) Anders als der Beklagte meint, stehen die Versorgungsleitungen auch
  94. nicht im Eigentum des Versorgungsunternehmens. Das Beseitigungsverlangen
  95. der Kläger bezieht sich nicht auf die öffentlichen Versorgungsleitungen, sondern
  96. auf die in ihrem Keller verlaufenden Leitungen, die - ausgehend von der gemeinsamen Hauptversorgungsleitung - der Versorgung der angrenzenden Häuser des Beklagten dienen. Dieses „innere Leitungsnetz“ ist nicht Eigentum des
  97. Versorgungsunternehmens (vgl. Staudinger/Jickeli/Stieper, BGB [2004], § 94
  98. Rn. 37).
  99. -6-
  100. 9
  101. c) Die Versorgungsleitungen stehen als Zubehör des Hausgrundstücks
  102. des Beklagten vielmehr in dessen Eigentum. Gemäß § 97 BGB ist eine bewegliche Sache grundsätzlich dann Zubehör, wenn sie, ohne Bestandteil der
  103. Hauptsache zu sein, nicht nur vorübergehend dem wirtschaftlichen Zweck der
  104. Hauptsache zu dienen bestimmt ist und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis steht. Die Leitungen sind - und zwar nicht
  105. nur vorübergehend - dazu bestimmt, die Anwesen des Beklagten mit Strom und
  106. Wasser zu versorgen und so die Nutzbarkeit der Wohngebäude zu ermöglichen. Der Annahme der Zubehöreigenschaft steht nicht entgegen, dass sich die
  107. Leitungen nicht auf dem Grundstück des Beklagten befinden. Geht es um die
  108. Frage, ob ein Gegenstand Zubehör zu einem Grundstück ist, dann braucht er
  109. sich nicht auf diesem Grundstück selbst zu befinden; auch wenn er nur in der
  110. Nähe desselben untergebracht ist, kann dem Erfordernis des räumlichen Verhältnisses genügt sein (Senat, Urteil vom 19. März 1965 - V ZR 270/62, MDR
  111. 1965, 561). So liegt es hier. Zwischen den im Keller des Hauses der Kläger verlaufenden Leitungen und den beiden Häusern des Beklagten besteht eine unmittelbare räumliche Beziehung, da die Anwesen der Parteien aneinander angrenzen. Gerade diese räumliche Situation wurde für die Versorgung des
  112. Hausgrundstücks des Beklagten nutzbar gemacht.
  113. 10
  114. 2. Nicht frei von Rechtsfehlern hat das Berufungsgericht jedoch eine
  115. Duldungspflicht der Kläger gem. § 1004 Abs. 2 BGB verneint.
  116. 11
  117. a) Allerdings begründet entgegen der Ansicht des Beklagten § 26 Landesnachbarrechtsgesetz (LNRG) für Rheinland-Pfalz keine Pflicht der Kläger
  118. zur Duldung der in ihrem Keller verlaufenden Wasserleitung des Beklagten.
  119. Nach dieser Vorschrift hat der Eigentümer zu dulden, dass durch sein Grundstück Wasserversorgungs- und Abwasserleitungen zu einem Nachbargrundstück hindurchgeführt werden, wenn der Anschluss an das Wasserversorgungs-
  120. -7-
  121. oder Entwässerungsnetz anders nicht zweckmäßig oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten durchgeführt werden kann und die damit verbundene Beeinträchtigung nicht erheblich ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Voraussetzungen hier erfüllt sind. § 26 LNRG Rheinland-Pfalz gewährt das Recht
  122. zum Eingriff in die Bodensubstanz des Nachbargrundstücks (Reich, Landesnachbarrechtsgesetz für Rheinland-Pfalz, § 26 Rn. 1), nicht aber das Recht zur
  123. Inanspruchnahme eines auf dem Grundstück befindlichen Wohnhauses für den
  124. Leitungsverlauf.
  125. 12
  126. b) Ebensowenig kann sich der Beklagte auf ein Notleitungsrecht in entsprechender Anwendung von § 917 BGB (vgl. Senat, Urteil vom 4. Juli 2008
  127. - V ZR 172/07, BGHZ 177, 165, 167) berufen. Auch das Notleitungsrecht umfasst nicht die Befugnis zur Inanspruchnahme der Wohngebäude des vom Notleitungsrecht betroffenen Grundstücks.
  128. 13
  129. c) Eine Duldungspflicht der Kläger folgt auch nicht - wie der Beklagte
  130. meint - aus dem kaufvertraglich vereinbarten Gewährleistungsausschluss oder
  131. aus § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach die Rechte des Käufers wegen eines
  132. Mangels ausgeschlossen sind, wenn er bei Vertragsschluss den Mangel kennt.
  133. Denn die Kläger machen nicht kaufvertragliche Gewährleistungsansprüche,
  134. sondern einen aus dem Eigentum abgeleiteten dinglichen Abwehranspruch geltend. Auf die von dem Beklagten aufgeworfene Frage, ob das Vorhandensein
  135. der Leitungen einen Mangel des an die Kläger verkauften Hauses darstellt,
  136. kommt es daher nicht an.
  137. 14
  138. d) Auch aus § 4 Abs. 2 des Kaufvertrages, wonach der Käufer den Kaufgegenstand besichtigt hat und ihn im gegenwärtigen Zustand kauft, lässt sich
  139. eine Duldungspflicht der Kläger nicht herleiten. Wie bereits die Überschrift zu
  140. § 4 „Sach- und Rechtsmängel“ nahe legt, handelt es sich um eine Regelung
  141. -8-
  142. zum kaufvertraglichen Haftungsausschluss für Mängel der Kaufsache. Um
  143. kaufvertragliche Gewährleistungsansprüche geht es hier jedoch nicht.
  144. 15
  145. e) Allerdings hat das Berufungsgericht verkannt, dass sich eine Duldungspflicht der Kläger aus einer im Rahmen des Kaufvertrages zwischen den
  146. Parteien mündlich getroffenen Vereinbarung ergeben kann.
  147. 16
  148. aa) Nach dem (bestrittenen) erstinstanzlichen Vorbringen des Beklagten
  149. hat er den Klägern vor Abschluss des Kaufvertrages erklärt, eine Trennung der
  150. Versorgungsleitungen komme für ihn nicht in Betracht, eher werde er das
  151. Grundstück nicht verkaufen. Hiermit seien die Kläger einverstanden gewesen.
  152. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann auf eine Beweiserhebung über diese Behauptung des Beklagten nicht verzichtet werden. Die von
  153. ihm behauptete Vereinbarung ist als unentgeltlicher Gestattungsvertrag auszulegen. Zwar ist bei unentgeltlichen Gestattungsverträgen grundsätzlich von einer jederzeitigen Kündigungsmöglichkeit auszugehen (Senat, Urteil vom
  154. 26. Januar 2007 - V ZR 175/06, juris, Rn. 9). Ist aber der Verbleib der sein angrenzendes Haus versorgenden Wasser- und Stromleitungen von dem Beklagten zur Voraussetzung für den Abschluss eines Kaufvertrages über das Anwesen, in dem sich die Leitungen befinden, gemacht worden und haben die Erwerber hiermit ihr Einverständnis erklärt, so liegt darin die Vereinbarung einer
  155. dauerhaften Nutzungsmöglichkeit durch den Veräußerer, bei der eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit durch den Erwerber gerade nicht gegeben sein soll.
  156. Lediglich eine außerordentliche Kündigungsmöglichkeit bliebe unberührt.
  157. 17
  158. bb) Der Annahme eines wirksamen Gestattungsvertrages steht die fehlende Beurkundung der behaupteten Vereinbarung nicht entgegen. Zutreffend
  159. ist zwar der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass ein Vertrag, durch den
  160. sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertra-
  161. -9-
  162. gen oder zu erwerben, der notariellen Beurkundung bedarf (§ 311b Abs. 1
  163. Satz 1 BGB) und dass das Beurkundungserfordernis alle Vereinbarungen umfasst, aus denen sich nach dem Willen der Vertragspartner das schuldrechtliche
  164. Veräußerungsgeschäft zusammensetzt (st. Rspr., vgl. Senat, Urteil vom
  165. 20. Dezember 1974 - V ZR 132/73, BGHZ 63, 359, 361; Urteil vom 30. Juni
  166. 2006 - V ZR 148/05, NJW-RR 2006, 1292 mwN). Eine formnichtige Abrede der
  167. Parteien über den Verbleib der Versorgungsleitungen wäre aber gemäß § 311b
  168. Abs. 1 Satz 2 BGB mit der Auflassung des Grundstücks an die Kläger und ihrer
  169. Eintragung als Eigentümer in das Grundbuch wirksam geworden und damit beachtlich.
  170. 18
  171. Allerdings wäre aus denselben Erwägungen auch die von den Klägern
  172. behauptete gegenteilige Vereinbarung, wonach sich der Beklagte anlässlich
  173. des Kaufvertrages ausdrücklich zur Entfernung der Versorgungsleitungen verpflichtet habe, wirksam mit der Folge, dass hieraus ein vertraglicher Beseitigungsanspruch der Kläger abzuleiten wäre.
  174. 19
  175. Für die Begründetheit der Klage kommt es daher darauf an, ob und mit
  176. welchem Inhalt die Parteien eine Vereinbarung hinsichtlich der Versorgungsleitungen getroffen haben. Diese Frage hat das Berufungsgericht nicht geprüft.
  177. Die Sache ist daher zurückzuverweisen, damit die für eine Endentscheidung
  178. erforderlichen Feststellungen getroffen werden können (§ 563 Abs. 1 Satz 1
  179. ZPO).
  180. III.
  181. 20
  182. Die auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Widerklage des Beklagten hat das Berufungsgericht zu Recht abgewiesen.
  183. - 10 -
  184. 21
  185. 1. Dem Beklagten steht ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB auf Ersatz
  186. der vorgerichtlichen Anwaltskosten für seine Verteidigung gegen das Begehren
  187. der Kläger auf Auflösung des notariellen Kaufvertrages nicht zu. Das Berufungsgericht hat zutreffend ein fahrlässiges Handeln der Kläger verneint.
  188. 22
  189. Fahrlässig handelt der Gläubiger nicht schon dann, wenn er nicht erkennt, dass seine Forderung in der Sache nicht berechtigt ist. Die Berechtigung
  190. seiner Forderung kann sicher nur in einem Rechtsstreit geklärt werden. Dessen
  191. Ergebnis vorauszusehen, kann von dem Gläubiger im Vorfeld oder außerhalb
  192. eines Rechtsstreits nicht verlangt werden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt entspricht der Gläubiger vielmehr schon dann, wenn er prüft, ob die Vertragsstörung auf eine Ursache zurückzuführen ist, die dem eigenen Verantwortungsbereich zuzuordnen, der eigene Rechtsstandpunkt mithin plausibel ist. Mit
  193. dieser Plausibilitätskontrolle hat es sein Bewenden. Bleibt dabei ungewiss, ob
  194. tatsächlich eine Pflichtverletzung der anderen Vertragspartei vorliegt, darf der
  195. Gläubiger die sich aus einer Pflichtverletzung ergebenden Rechte geltend machen, ohne Schadensersatzpflichten wegen einer schuldhaften Vertragsverletzung befürchten zu müssen, auch wenn sich sein Verlangen im Ergebnis als
  196. unberechtigt herausstellt (Senat, Urteil vom 16. Januar 2009 - V ZR 133/08,
  197. BGHZ 179, 238, 246 Rn. 20).
  198. 23
  199. Anhaltspunkte für ein schuldhaftes Verhalten der Kläger liegen nicht vor.
  200. Es ist nicht ersichtlich, dass die Kläger die fehlende Berechtigung ihrer Forderung kannten oder sie anlässlich der erforderlichen Plausibilitätsprüfung hätten
  201. erkennen müssen, dass ihr Rechtsstandpunkt nicht plausibel ist. Der Hinweis
  202. des Beklagten auf die „Komplexität der Sache“ bestätigt vielmehr die Würdigung des Berufungsgerichts, wonach für die Kläger ungewiss war, ob eine
  203. Pflichtverletzung des Beklagten vorlag und sie zum Rücktritt berechtigte.
  204. - 11 -
  205. 24
  206. 2. Die vorgerichtlichen Anwaltskosten des Beklagten zur Abwehr des
  207. Verlangens der Kläger auf Entfernung der Versorgungsleitungen sind ebenfalls
  208. nicht gemäß § 280 Abs. 1 BGB ersatzfähig. In diesem Zusammenhang ist es
  209. ohne Bedeutung, ob sich das Verlangen der Kläger letztlich als berechtigt oder
  210. unberechtigt erweisen wird. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass den Klägern der Vorwurf eines fahrlässigen Verhaltens zu machen ist, zumal sie mit
  211. ihrem Abwehrverlangen vor dem Berufungsgericht Erfolg hatten.
  212. 25
  213. 3. Gegen die rechtlich zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts, mangels Verzugs der Kläger stehe dem Beklagten ein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten für die widerklagend geltend gemachten verauslagten öffentlichen Abgaben und Versicherungsleistungen nicht zu,
  214. erhebt der Beklagte keine Einwendungen.
  215. Krüger
  216. Schmidt-Räntsch
  217. Brückner
  218. Roth
  219. Weinland
  220. Vorinstanzen:
  221. AG Sinzig, Entscheidung vom 14.04.2010 - 14 C 118/09 LG Koblenz, Entscheidung vom 26.10.2010 - 6 S 109/10 -