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17 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. V ZB 11/10
  4. vom
  5. 7. April 2011
  6. in der Grundbuchsache
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. BGB § 1090; InsO § 112
  14. Die Kündigungssperre des § 112 InsO hindert nicht das Erlöschen einer Dienstbarkeit, welche das aus einem Mietvertrag folgende Nutzungsrecht an dem belasteten
  15. Grundstück sichert und unter der auflösenden Bedingung steht, dass über das Vermögen des Berechtigten ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, wenn diese Bedingung
  16. vor dem Sicherungsfall eintritt.
  17. BGH, Beschluss vom 7. April 2011 - V ZB 11/10 - OLG Frankfurt am Main
  18. AG Gießen
  19. -2-
  20. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. April 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richterin Dr. Stresemann, den Richter
  21. Dr. Czub und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland
  22. beschlossen:
  23. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt die Schuldnerin. Hinsichtlich der übrigen Kosten bleibt es bei den Entscheidungen der Vorinstanzen.
  24. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
  25. 20.000 €.
  26. Gründe:
  27. I.
  28. 1
  29. Zugunsten der Schuldnerin waren im Grundbuch und im Erbbaugrundbuch von G.
  30. zwei beschränkte persönliche Dienstbarkeiten eingetragen,
  31. durch die jeweils die Befugnis zum Betrieb von Geschäften aller Art, insbesondere eines Waren- oder Parkhauses, eingeräumt wurde. Die Bewilligung erfolgte im Rahmen eines im Jahr 2006 von der Schuldnerin als Mieterin abgeschlossenen Gesamtmietvertrags über den Grundbesitz. Darin wurden hinsichtlich der
  32. Dienstbarkeiten unter anderem folgende Bestimmungen getroffen:
  33. -3-
  34. "§ 16 Dienstbarkeiten
  35. (…)
  36. 16.3 Die Dienstbarkeiten erlöschen, wenn eine der folgenden auflösenden Bedingungen eingetreten ist:
  37. (…)
  38. c) über das Vermögen des Mieters ist von diesem selbst ein Insolvenzantrag
  39. gestellt worden oder ein solcher Antrag wurde von einem Dritten gestellt und
  40. das zuständige Gericht hat vorläufige Insolvenzsicherungsmaßnahmen beschlossen oder über das Vermögen des Mieters wurde das Insolvenzverfahren
  41. eröffnet oder die Eröffnung mangels Masse abgelehnt;
  42. (…)
  43. 16.4 Die Löschung der jeweiligen Dienstbarkeit kann nicht verlangt werden,
  44. wenn im Zusammenhang mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das betroffene Grundstück (§ 57a ZVG), mit einem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Vermieters (§ 111 InsO) oder mit Eintritt einer Nacherbfolge (§§ 2135,
  45. 1056 Abs. 2 BGB) das Mietverhältnis vorzeitig endet. (…) § 16.3 geht der Regelung dieses Absatzes vor.
  46. Sobald einer der vorstehend genannten Sicherungsfälle eintritt und solange er
  47. andauert, ist der Mieter berechtigt, die Dienstbarkeit auszuüben. Die gegenwärtigen Eigentümer und die Hauptvermieter sowie die Mieter sind verpflichtet, Art
  48. und Umfang der Ausübung an den einschlägigen Bestimmungen des Mietvertrags, die hier entsprechend anzuwenden sind, auszurichten, auch wenn die
  49. Dienstbarkeit einen weitergehenden dinglichen Inhalt hat.
  50. Der Mieter ist verpflichtet, für die Dauer der Ausübung der Dienstbarkeit anstelle der Miete eine Ausübungsvergütung an den jeweiligen (gegenwärtigen oder
  51. zukünftigen) Grundstückseigentümer zu zahlen, die der Höhe der Miete nebst
  52. Umsatzsteuer entspricht, die er ohne Beendigung oder Beeinträchtigung des
  53. Mietverhältnisses zu entrichten hätte. (…)"
  54. -4-
  55. 2
  56. Nachdem im Juni 2009 gegen die Schuldnerin Sicherungsmaßnahmen
  57. im Sinne von § 21 Abs. 2 InsO angeordnet worden waren, wurden die Dienstbarkeiten - auf einen entsprechenden Antrag der Beteiligten zu 2, einer nachrangigen Grundpfandrechtsgläubigerin - am 16. September 2009 im Grundbuch
  58. gelöscht. Hiergegen erhob der frühere Beteiligte zu 1 als zwischenzeitlich bestellter Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin Widerspruch
  59. und beantragte zugleich die Eintragung eines Amtswiderspruchs.
  60. 3
  61. Das Grundbuchamt hat den Widerspruch zurückgewiesen und die Eintragung eines Amtswiderspruchs abgelehnt. Gegen die Zurückweisung seiner
  62. Beschwerde durch das Oberlandesgericht hat sich der Insolvenzverwalter mit
  63. der zugelassenen Rechtsbeschwerde gewandt. Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens haben die Verfahrensbevollmächtigten des Insolvenzverwalters
  64. erklärt, das Rechtsbeschwerdeverfahren für die Schuldnerin fortführen bzw.
  65. aufnehmen zu wollen. Anschließend hat die Schuldnerin der Beteiligten zu 2
  66. Löschungsbewilligungen für die Dienstbarkeiten erteilt und das Verfahren für
  67. erledigt erklärt. Die Beteiligte zu 2 beantragt, die Kosten des Verfahrens der
  68. Schuldnerin aufzuerlegen.
  69. II.
  70. 4
  71. 1. a) Das Verfahren hat sich erledigt. Die in Grundbuchsachen in jeder
  72. Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachtende Erledigung der Hauptsache tritt ein, wenn der Verfahrensgegenstand durch eine Änderung in der Sachund Rechtslage fortgefallen und die Fortsetzung des Verfahrens dadurch sinnlos geworden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Februar 1983 - V ZB 18/82,
  73. BGHZ 86, 393, 395; BayObLG, NJW-RR 1997, 1445). So liegt es hier. Der dem
  74. Verfahren zugrunde liegende Antrag auf Eintragung eines Amtswiderspruchs
  75. -5-
  76. gegen die Löschung der Dienstbarkeiten (§ 71 Abs. 2 Satz 2 GBO) ist hinfällig
  77. geworden, nachdem die Schuldnerin im Laufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens Löschungsbewilligungen für diese Dienstbarkeiten erteilt hat.
  78. 5
  79. b) Durch die Erledigungserklärung der Schuldnerin ist die Rechtsbeschwerde auf die Frage der Kostentragung beschränkt worden (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Februar 1983 - V ZB 18/82, aaO). Die Erklärung ist wirksam,
  80. da die Schuldnerin infolge der Aufhebung des Insolvenzverfahrens als Rechtsbeschwerdeführerin an die Stelle des Insolvenzverwalters getreten ist.
  81. 6
  82. Mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens geht das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über die Insolvenzmasse auf den Schuldner über (§ 259 Abs. 1
  83. Satz 2 InsO). Der Schuldner wird, von dem hier nicht einschlägigen Ausnahmefall des § 259 Abs. 3 InsO abgesehen, wieder selbst prozessführungsbefugt.
  84. Dies hat - da der Insolvenzverwalter einen anhängigen Prozess nicht nach
  85. § 265 Abs. 2 ZPO weiterführen kann (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 2008 - II ZR
  86. 26/07, WM 2008, 1615 Rn. 9 mwN) - nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur einen Parteiwechsel kraft Gesetzes zur Folge (vgl. BGH,
  87. Urteil vom 19. Dezember 1966 - VIII ZR 110/64, BGHZ 46, 249, 250; Grunsky,
  88. EWiR 1987, 829). Ein solcher ist im Gegensatz zu einem gewillkürten Parteiwechsel auch noch in der Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdeinstanz zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 2008 - II ZR 26/07, WM 2008, 1615
  89. Rn. 7).
  90. 7
  91. Ob sich der gesetzliche Parteiwechsel von dem Insolvenzverwalter auf
  92. den Schuldner ohne Weiteres (so z.B. OLG Frankfurt OLGR 1997, 43; Zöller/
  93. Greger, ZPO, 28. Aufl., § 240 Rn. 15; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann,
  94. ZPO, 69. Aufl., § 240 Rn. 23; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl., § 240
  95. Rn. 12) oder entsprechend den Vorschriften der §§ 239 ff. ZPO vollzieht (so
  96. -6-
  97. z.B. OLG Köln, ZIP 1987, 1004; LAG Hamm, KTS 1997, 318, 321;
  98. Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 240 Rn. 34; Windel in Jaeger, InsO, § 80
  99. Rn. 206; MünchKomm-InsO/Hintzen, 2. Aufl., § 200 Rn. 37; Uhlenbruck, InsO,
  100. 13. Aufl, § 200 Rn. 17; Kübler/Prütting/Holzer, InsO, Stand November 2010,
  101. § 200 Rn. 8; BK-InsO-Breutigam, Stand Juni 2010, § 200 Rn. 17; offen gelassen in BGH, Urteil vom 10. Februar 1982 - VIII ZR 158/80, BGHZ 83, 102,
  102. 104 f.; vgl. auch Senat, Urteil vom 25. September 1964 - V ZR 202/61, NJW
  103. 1964, 2301 für den Testamentsvollstrecker), kann hier dahinstehen, da der Verfahrensbevollmächtigte des Insolvenzverwalters ausdrücklich erklärt hat, das
  104. Verfahren für die Schuldnerin fortzuführen.
  105. 8
  106. Ob auch bei einem Zwangsverwalter der Wegfall der Prozessführungsbefugnis einen Parteiwechsel kraft Gesetzes zur Folge hat oder ob in diesem
  107. Fall die besseren Gründe für einen - in der Revisionsinstanz allerdings nicht
  108. möglichen - gewillkürten Parteiwechsel sprechen (vgl. Senat, Urteil vom 7. April
  109. 1978 - V ZR 154/75, BGHZ 71, 216, 219 f.; BGH, Urteil vom 7. Februar 1990
  110. - VIII ZR 98/89, NJW-RR 1990, 1213; Urteil vom 8. Mai 2003 - IX ZR 385/00,
  111. BGHZ 155, 38, 45), bedarf hier keiner Entscheidung.
  112. 9
  113. c) Die Kostenentscheidung ist gemäß § 83 Abs. 2 i.V.m. § 81 Abs. 1
  114. Satz 1 FamFG nach billigem Ermessen zu treffen. Dabei kommt als besonderer
  115. Billigkeitsgrund für die Auferlegung von Kosten aus Rechtsmittelverfahren der
  116. Umstand in Betracht, ob das Rechtsmittel erfolglos geblieben wäre (vgl. Keidel/Zimmermann, FamFG, 16. Aufl., § 84 Rn. 28). Dagegen ist der Umstand,
  117. dass sich die Schuldnerin durch Abgabe der Löschungsbewilligungen freiwillig
  118. in die Rolle der Unterlegenen begeben hat, hier nicht maßgeblich. Es ist nicht
  119. erkennbar, dass der Entschluss der Schuldnerin, die Auseinandersetzung um
  120. die Dienstbarkeiten zu beenden, Ausdruck einer von ihr anerkannten Rechtspflicht zu deren Löschung ist; vielmehr dürfte er auf wirtschaftlichen Erwägun-
  121. -7-
  122. gen beruhen. Eine solche Verfahrensbeendigung muss möglich sein, ohne dass
  123. sie zwingend zu der Verpflichtung führt, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
  124. Dass es hier dennoch der Billigkeit entspricht, der Schuldnerin die Kosten des
  125. Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen, folgt daraus, dass die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg und es damit bei der Zurückweisung ihrer sofortigen Beschwerde durch das Beschwerdegericht geblieben wäre.
  126. 10
  127. 2. Die Rechtsbeschwerde war unbegründet, weil die Voraussetzungen
  128. für einen Amtswiderspruch, der sich auch gegen die Löschung einer Grundbucheintragung richten kann (BayObLG Rpfleger 1987, 101; KEHE/Eickmann,
  129. GBO, 6. Aufl., § 53 Rn. 2; Meikel/Streck, GBO, 10. Aufl., § 53 Rn. 7), nicht vorlagen. Das Grundbuch - für das Erbbaugrundbuch gilt insoweit nichts anderes
  130. (vgl. § 14 Abs. 3 Satz 1 ErbbauRG) - ist auf Grund der Löschung der beiden
  131. beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten (§ 1090 BGB) nicht unrichtig geworden. Diese sind durch den Eintritt der in § 16.3 c) des Gesamtmietvertrags
  132. geregelten auflösenden Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB) auch materiell-rechtlich
  133. erloschen.
  134. 11
  135. a) Die Dienstbarkeiten sind jeweils wirksam unter eine auflösende Bedingung gestellt worden, obwohl diese nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht in den Eintragungsvermerk aufgenommen worden ist. Dabei
  136. kommt es nicht darauf an, ob - was der Senat bislang offen gelassen hat (Urteil
  137. vom 29. September 2006 - V ZR 25/06, WM 2006, 2226, 2228 mwN) - eine auflösende Bedingung zum wesentlichen Rechtsinhalt der Dienstbarkeit zählt und
  138. daher nach § 873 Abs. 1 BGB der Eintragungspflicht unterliegt oder ob es sich
  139. hierbei lediglich um eine den näheren Inhalt des dinglichen Rechts in zeitlicher
  140. Hinsicht konkretisierende Bestimmung handelt mit der Folge, dass insoweit
  141. nach § 874 BGB auf die Eintragungsbewilligung Bezug genommen werden
  142. kann. Folgt man der zuerst genannten Ansicht, wäre das Recht zwar unbedingt
  143. -8-
  144. eingetragen. Die Dienstbarkeit wäre dennoch lediglich bedingt entstanden, da
  145. sich Einigung und Eintragung nur insoweit decken (BGH, Urteil vom 12. Juli
  146. 1989 - IVb ZR 79/88, NJW 1990, 112, 114; BayObLG NJW-RR 1998, 1025,
  147. 1026 - jew. mwN).
  148. 12
  149. Die auflösende Bedingung gemäß § 16.3 c) des Gesamtmietvertrags war
  150. eingetreten, da das Insolvenzgericht auf Grund eines das Vermögen der
  151. Schuldnerin betreffenden Insolvenzantrags Sicherungsmaßnahmen gemäß
  152. § 21 Abs. 2 InsO angeordnet hatte.
  153. 13
  154. b) Die Regelungen der §§ 112, 119 InsO stehen dem Erlöschen der
  155. Dienstbarkeiten in der hier gegebenen Konstellation nicht entgegen.
  156. 14
  157. aa) Durch § 112 InsO wird zugunsten des Insolvenzschuldners für ein
  158. von diesem als Mieter (oder Pächter) eingegangenes Vertragsverhältnis insoweit ein Kündigungsschutz begründet, als der Vermieter daran gehindert ist,
  159. nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Vertrag aus den
  160. näher bezeichneten Gründen (Zahlungsverzug aus der Zeit vor dem Eröffnungsantrag; Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Schuldners) zu
  161. kündigen.
  162. 15
  163. Die Regelung, die nach der herrschenden Meinung - zumindest in Verbindung mit dem in § 119 InsO enthaltenen Verbot abweichender Vereinbarungen - auch eine Vertragsbeendigung durch Eintritt einer auflösenden Bedingung
  164. erfasst (vgl. MünchKomm-InsO/Eckert, 2. Aufl., § 112 Rn. 16; K/P/B/Tintelnot,
  165. InsO, Stand November 2010, § 112 Rn. 13; Uhlenbruck/Wegener, InsO,
  166. 13. Aufl., § 112 Rn. 13; Braun, InsO, 4. Aufl., § 112 Rn. 2 - jew. mwN; a.A.
  167. Hess/Pape, InsO und EGInsO, Rn. 340), bezieht sich nach ihrem Wortlaut ausschließlich auf (schuldrechtliche) Miet- und Pachtverträge. Eine beschränkte
  168. persönliche Dienstbarkeit als ein dingliches Nutzungsrecht fällt somit grundsätz-
  169. -9-
  170. lich nicht in den Anwendungsbereich der Norm (vgl. BGH, Urteil vom
  171. 20. Oktober 2005 - IX ZR 145/04, ZIP 2005, 2267, 2268 [für einen Erbbaurechtsvertrag]; MünchKomm-InsO/Eckert, aaO, § 108 Rn. 41; K/P/B/Tintelnot,
  172. aaO, § 108 Rn. 15; HK-InsO/Ahrendt, InsO, 3. Aufl., § 108 Rn. 3).
  173. 16
  174. Das gilt auch dann, wenn die zur Begründung der Dienstbarkeit erforderliche dingliche Einigung (§ 873 Abs. 1 BGB) - wie hier - in einem gleichzeitig
  175. abgeschlossenen Mietvertrag über das Grundstück enthalten ist und das dingliche Recht der Sicherung des schuldrechtlichen Gebrauchsrechts (§ 535 Abs. 1
  176. Satz 1 BGB) dient. Soweit die Rechtsbeschwerde demgegenüber von einem
  177. typengemischten Vertrag ausgeht, der wegen des bloßen Sicherungscharakters
  178. der Dienstbarkeit einheitlich nach Mietrecht zu beurteilen sei, verkennt sie, dass
  179. die Dienstbarkeit von den ihr zugrunde liegenden schuldrechtlichen Vereinbarungen
  180. (Sicherungsabrede,
  181. Mietvertrag)
  182. abstrakt
  183. ist
  184. (Senat,
  185. Urteil
  186. vom 29. Januar 1988 - V ZR 310/86, NJW 1988, 2364; Urteil vom 20. Januar
  187. 1989 - V ZR 181/87, NJW-RR 1989, 519; BGH, Urteil vom 15. April 1998
  188. - VIII ZR 377/96, NJW 1998, 2286, 2287). Das schließt es aus, das dingliche
  189. Nutzungsverhältnis einem schuldrechtlichen Vertragstyp zuzuordnen. Darauf,
  190. ob sich die für die Zeit nach dem Eintritt des Sicherungsfalls getroffenen Bestimmungen ihrerseits an dem Inhalt des Mietvertrags ausrichten (vgl. § 16.4
  191. des Gesamtmietvertrags), kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
  192. 17
  193. bb) Auch eine teleologische, an Sinn und Zweck der Norm ausgerichtete
  194. Auslegung des § 112 InsO steht der Annahme eines wirksamen Bedingungseintritts nicht entgegen.
  195. 18
  196. Der Vorschrift liegt die Erwägung zugrunde, dass die wirtschaftliche Einheit im Besitz des Schuldners nicht zur Unzeit auseinander gerissen werden
  197. darf (RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 148). Mit dem Erlöschen einer Sicherungs-
  198. - 10 -
  199. dienstbarkeit durch den Eintritt einer auflösenden Bedingung ist indes nicht
  200. zwingend ein Verlust der Berechtigung des Schuldners verbunden, das ihm an
  201. dem Grundstück eingeräumte Recht auszuüben. Denn die Sicherungsdienstbarkeit bildet nicht bereits von dem Zeitpunkt ihrer Bestellung an die rechtliche
  202. Grundlage für die Nutzung des Grundbesitzes. Ihre Bestellung erfolgt vielmehr
  203. zusätzlich zu dem Abschluss eines Mietvertrags, um das daraus resultierende
  204. Gebrauchsrecht entsprechend dem Inhalt der Sicherungsabrede - mit dinglicher
  205. Wirkung - auf die Zeit nach der Vertragsbeendigung zu erstrecken.
  206. 19
  207. Auf diese Weise soll den rechtlichen und wirtschaftlichen Nachteilen begegnet werden, die dem (insbesondere gewerblichen) Mieter für den Fall drohen, dass das Vertragsverhältnis auf der Vermieterseite auf einen Dritten übergeht und dieser sodann von einem aus Anlass des Vertragsübergangs bestehenden Sonderkündigungsrecht (z.B. nach § 57a ZVG, § 111 InsO, § 2135
  208. i.V.m. § 1056 Abs. 2 BGB; vgl. § 16.4 des Gesamtmietvertrags) Gebrauch
  209. macht (dazu etwa Staudinger/Mayer, BGB [2009], § 1093 Rn. 12; Stapenhorst/Voß, NZM 2003, 873 f.; Stiegele, Die Mietsicherungsdienstbarkeit,
  210. S. 26 ff.; Wiemann, GS Gruson, S. 441 ff.). Der Rechtsinhaber ist daher auf
  211. Grund der Sicherungsabrede erst nach dem Eintritt des Sicherungsfalls zur
  212. Ausübung der Dienstbarkeit berechtigt, während sich zuvor die Nutzung des
  213. Grundstücks ausschließlich nach Maßgabe des Mietvertrags richtet.
  214. 20
  215. Daraus folgt, dass das Recht zur Nutzung der Mietsache durch das Erlöschen der Dienstbarkeit nicht nachteilig betroffen wird, wenn die auflösende
  216. Bedingung - wie hier - vor dem Sicherungsfall eintritt. Das Gebrauchsrecht besteht dann auf der Grundlage des Mietvertrags fort, der seinerseits der Kündigungssperre nach § 112 InsO unterliegt. Ein Bedürfnis für die Anwendung dieser Vorschrift auf die Dienstbarkeit besteht insoweit nicht. Etwas anderes ergibt
  217. sich auch nicht im Hinblick darauf, dass die Dienstbarkeit jedenfalls bei einem
  218. - 11 -
  219. späteren Eintritt des Sicherungsfalls, etwa wegen einer Kündigung des Mietvertrags als Folge einer Insolvenz des Vermieters (vgl. § 111 InsO), die weitere
  220. Nutzung des Grundstücks durch den Mieter sichern könnte. Denn § 112 InsO
  221. schützt nicht jeglichen Fortbestand des Nutzungsverhältnisses. Der Mieter wird
  222. (in bestimmten Fällen) lediglich vor einem Verlust seines Gebrauchsrechts im
  223. Zusammenhang mit einem sein eigenes Vermögen betreffenden Insolvenzantrag bewahrt.
  224. Krüger
  225. Stresemann
  226. Brückner
  227. Czub
  228. Weinland
  229. Vorinstanzen:
  230. AG Gießen, Entscheidung vom 08.10.2009 - GI-24720-23 OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 14.12.2009 - 20 W 315/09 -