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8.6 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. V ZB 190/08
  4. vom
  5. 9. Juli 2009
  6. in dem Zwangsversteigerungsverfahren
  7. -2-
  8. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 9. Juli 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
  9. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth
  10. beschlossen:
  11. Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss
  12. der 18. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 27. November
  13. 2008 wird zurückgewiesen.
  14. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
  15. 600.000 € festgesetzt.
  16. Gründe:
  17. I.
  18. 1
  19. Das Vollstreckungsgericht ordnete mit Beschluss vom 29. November
  20. 2005 die Zwangsversteigerung des eingangs bezeichneten Grundstücks an. Mit
  21. Beschluss vom 11. Oktober 2007 setzte es den Verkehrswert des Grundstücks
  22. auf 813.000 € fest. In dem Termin zur Versteigerung am 3. Juni 2008 kam zur
  23. Sprache, wie sich die Aufhebung des § 57c ZVG auf das Kündungsrecht des
  24. Erstehers nach § 57a ZVG auswirke. Dazu erteilte der Rechtspfleger den Beteiligten einen Hinweis, zu dem das Terminsprotokoll folgendes ausweist:
  25. "Das Gericht wies sodann auf folgendes hin:
  26. ...
  27. - §§ 56, 57 ZVG wurden erläutert. Vor allem wurde die Problematik hinsichtlich des Baukostenzuschusses erläutert und erklärt, dass die Vorschrift des § 57c ZVG nicht mehr anwendbar sei."
  28. -3-
  29. 2
  30. In dem Termin blieb der Beteiligte zu 1 mit einem Gebot von 600.000 €
  31. Meistbietender.
  32. 3
  33. Das Vollstreckungsgericht hat ihm in dem Versteigerungstermin den Zuschlag erteilt. Gegen den Zuschlagsbeschluss hat, soweit hier noch von Interesse, der Beteiligte zu 1 sofortige Beschwerde erhoben. Das Landgericht hat
  34. die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene
  35. Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1, deren Zurückweisung die Beteiligte zu
  36. 3 beantragt.
  37. II.
  38. 4
  39. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
  40. 5
  41. 1. Das Beschwerdegericht meint, die Zuschlagsbeschwerde des Beteiligten zu 1 sei zwar zulässig, weil ein Bieter die Wirksamkeit seines Gebots im
  42. Verfahren über eine Zuschlagsbeschwerde zur Überprüfung stellen könne. Sie
  43. sei aber unbegründet. Dafür brauche nicht entschieden zu werden, ob ein Gebot nach § 119 BGB oder § 123 BGB angefochten werden könne. Ein Anfechtungsgrund liege jedenfalls nicht vor. Der Hinweis des Rechtspflegers im Versteigerungstermin sei zutreffend gewesen. §§ 57c und 57d ZVG seien durch
  44. Art. 11 Nr. 5 des Zweiten Justizmodernisierungsgesetzes vom 22. Dezember
  45. 2006 (BGBl. I S. 3416) mit Wirkung ab dem 1. Februar 2007 aufgehoben worden. Eine Fortgeltung für bereits anhängige Verfahren sei nicht vorgesehen
  46. worden.
  47. 6
  48. 2. Die Rechtsbeschwerde meint, hierauf komme es nicht an. Der Zuschlag habe schon deshalb nicht erteilt werden dürfen, weil dem Vollstreckungsgericht ein Verfahrensfehler unterlaufen sei. Der Rechtspfleger habe mit
  49. dem protokollierten Hinweis die weitere Anwendbarkeit des § 57c ZVG auf Alt-
  50. -4-
  51. fälle als geklärt dargestellt, obwohl sie umstritten gewesen sei. Wäre der Beteiligte zu 1 darauf hingewiesen worden, hätte er sein Gebot nicht abgegeben. Ob
  52. er sein Gebot nach § 119 BGB anfechten könne, könne deshalb offen bleiben.
  53. In der Sache liege ein Erklärungsirrtum nach § 119 BGB aber vor. Die Überleitungsvorschriften des Zweiten Justizmodernisierungsgesetzes seien verfassungskonform dahin auszulegen, dass die §§ 57c und 57d ZVG für Altfälle fortgelten.
  54. 7
  55. 3. Dem folgt der Senat nicht. Ein Bieter kann zwar mit der Zuschlagsbeschwerde nach §§ 95, 100 Abs. 1 ZVG geltend machen, dass das von ihm im
  56. Versteigerungstermin abgegebene Gebot unwirksam gewesen sei (Senat,
  57. BGHZ 177, 62, 64). Hier liegt aber kein Verfahrensfehler des Vollstreckungsgerichts vor. Der von dem Rechtspfleger erteilte Hinweis traf zu und war auch
  58. nicht unvollständig oder irreführend.
  59. 8
  60. a) Der Hinweis des Vollstreckungsgerichts, die Vorschrift des § 57c ZVG
  61. sei nicht mehr anwendbar, entsprach der Rechtslage. Artikel 11 Nr. 5 des Zweiten Justizmodernisierungsgesetzes, der die Aufhebung von §§ 57c und 57d
  62. ZVG vorsieht, ist nach Artikel 28 Abs. 2 dieses Gesetzes am 1. Februar 2007 in
  63. Kraft getreten. Eine besondere Überleitungsvorschrift für die Aufhebung von
  64. §§ 57c und 57d ZVG ist weder im Zweiten Justizmodernisierungsgesetz selbst
  65. vorgesehen noch in das Gesetz über die Zwangsversteigerung und die
  66. Zwangsverwaltung (Zwangsversteigerungsgesetz) eingestellt worden. Die darin
  67. eingefügte Überleitungsregelung des § 186 ZVG befasst sich mit den übrigen
  68. Änderungen des Zwangsversteigerungsgesetzes, jedoch nicht mit der Aufhebung der §§ 57c und 57d ZVG. Das hat zur Folge, dass die Aufhebung mit ihrem Inkrafttreten sofort Wirkung erlangt hat und deshalb auch in laufenden Verfahren zu berücksichtigen ist (BGH, Urt. v. 11. März 2009, VIII ZR 83/08, WuM
  69. 2009, 367, 368; Hintzen in Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engel/Rellermeyer,
  70. -5-
  71. ZVG, 13. Aufl., § 186 Rdn. 3; Stöber, ZVG, 19. Aufl., Anm. zu §§ 57c und 57d
  72. sowie § 186 Rdn. 1; ders. schon in ZVG-Handbuch, 8. Aufl., S. VII; Hintzen/Alff,
  73. Rpfleger 2007, 233, 239; a. M. Storz/Kiderlen, Praxis des Zwangsversteigerungsverfahrens, 11. Aufl., S. 98).
  74. 9
  75. b) Das Vollstreckungsgericht hatte auch keine Veranlassung, auf die
  76. Notwendigkeit einer höchstrichterlichen Klärung der Anwendung der aufgehobenen Vorschriften auf Altfälle oder auf die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung der Überleitungsregelung hinzuweisen.
  77. 10
  78. aa) Anlass, auf die Notwendigkeit einer höchstrichterlichen Klärung hinzuweisen, bestand nicht. Die Überleitungsvorschrift in § 186 ZVG mag nicht in
  79. jeder Hinsicht klar und eindeutig sein (vgl. Hintzen/Alff, Rpfleger 2007, 233,
  80. 239). Dass sie die aufgehobenen §§ 57c und 57d ZVG nicht erwähnt und ihre
  81. Fortgeltung für Altfälle nicht anordnet, ist ihr aber eindeutig zu entnehmen. Das
  82. bestätigt auch die Begründung, die der Regierungsentwurf des Zweiten Justizmodernisierungsgesetzes für die Überleitungsvorschrift gegeben hat. Sie sollte
  83. lediglich sicherstellen, dass für bereits laufende Verfahren den Zahlungspflichtigen und denjenigen, die eine Sicherheitsleistung zu erbringen haben, genügend
  84. Zeit verblieb, sich auf die Ausschließung der Barzahlung einzustellen (BTDrs. 16/3038 S. 43). Daran, dass der Wegfall der §§ 57c und 57d ZVG unmittelbar mit dem Inkrafttreten der Aufhebungsvorschrift wirksam wurde, sollte sie
  85. nichts ändern. Darüber gab und gibt es auch keinen Streit. Hintzen/Alff und
  86. Stöber (aaO) gehen ohne Einschränkungen von dieser Rechtslage aus.
  87. Storz/Kiderlen (aaO) vertreten zwar die gegenteilige Ansicht. Das gab dem
  88. Vollstreckungsgericht jedoch keinen Anlass zu einem Hinweis. Diese Autoren
  89. haben ihre Meinung nicht näher begründet und sich auf den Beitrag von Hintzen/Alff bezogen, den sie in diesem Punkt missverstanden haben.
  90. -6-
  91. 11
  92. bb) Das Vollstreckungsgericht musste auch nicht auf die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung der Überleitungsregelung im Sinne des
  93. Beschwerdeführers hinweisen. Sie drängte sich nicht auf und ist auch in der
  94. Sache nicht geboten, weil das Vertrauen der Mieter in den Fortbestand der
  95. §§ 57c und 57d ZVG nicht schutzwürdig ist. Die Vorschriften waren seit langem
  96. überholt und missbrauchsanfällig (Entwurfsbegründung in BT-Drs. 16/3038
  97. S. 42). Anders als in der Nachkriegszeit und in der Situation des Wiederaufbaus, in der und für die diese Vorschriften geschaffen worden sind, hat ein Mieter heute regelmäßig keinen nachvollziehbaren Anlass, seinen Vermieter durch
  98. eine Mietvorauszahlung oder einen Baukostenzuschuss in die Lage zu versetzen, den Mietraum erst zu schaffen oder instand zu setzen, und auf die Stellung
  99. von Sicherheiten zu verzichten.
  100. 12
  101. 4. Ein Erklärungsirrtum des Beschwerdeführers scheidet schon von
  102. vornherein aus. Ein Irrtum über die Möglichkeiten einer Kündigung nach § 57a
  103. ZVG wäre ebenso wie ein Irrtum über andere Versteigerungsbedingungen ein
  104. unbeachtlicher Motivirrtum (vgl. Senat, BGHZ 177, 62, 68) und ist auch nicht
  105. eingetreten, weil der Hinweis des Rechtspflegers zutraf.
  106. III.
  107. 13
  108. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Beteiligten in
  109. dem Verfahren über die Zuschlagsbeschwerde grundsätzlich nicht als Parteien
  110. im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüber stehen (Senat, Beschl. v. 26. Oktober 2006, V ZB 188/05, NJW-RR 2007, 194, 198; Beschl. v. 15. März 2007,
  111. V ZB 95/06, NJW-RR 2007, 1005). Der Gegenstandswert bestimmt sich
  112. -7-
  113. nach dem Wert des Zuschlags; dieser wiederum entspricht dem Meistgebot des
  114. Rechtsbeschwerdeführers (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 2 Satz 1 GKG).
  115. Krüger
  116. Dr. Klein
  117. Dr. Schmidt-Räntsch
  118. Dr. Lemke
  119. Dr. Roth
  120. Vorinstanzen:
  121. AG Esslingen, Entscheidung vom 03.06.2008 - 3 K 286/05 LG Stuttgart, Entscheidung vom 27.11.2008 - 19 T 275/08 -