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354 lines
20 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. KZR 6/09
  5. Verkündet am:
  6. 30. März 2011
  7. Bürk
  8. Justizhauptsekretärin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. ja
  16. BGHR:
  17. ja
  18. MAN-Vertragswerkstatt
  19. GWB § 19 Abs. 1, 4 Nr. 1, § 20 Abs. 1, 2, § 33
  20. a) Die Zulassung einer freien Werkstatt zum Vertragswerkstattnetz eines Herstellers von Nutzfahrzeugen betrifft einen dem Endkundenmarkt zur Erbringung von Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen für Nutzfahrzeuge vorgelagerten Markt.
  21. b) Der vorgelagerte Markt umfasst alle Produkte, Dienstleistungen und Rechte,
  22. die den Zutritt auf dem nachgelagerten Markt erleichtern, wie etwa das Angebot von Ersatzteilen, Diagnosegeräten und Spezialwerkzeugen, die Vermittlung der erforderlichen jeweiligen markenspezifischen Fachkenntnisse
  23. und die Zulassungen als Vertragswerkstatt für bestimmte Fahrzeugmarken.
  24. c) Dieser vorgelagerte Markt ist markenübergreifend abzugrenzen.
  25. BGH, Urteil vom 30. März 2011 - KZR 6/09 - OLG München
  26. LG München I
  27. -2-
  28. Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 2010 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs
  29. Prof. Dr. Tolksdorf und die Richter Dr. Raum, Dr. Strohn, Dr. Kirchhoff und
  30. Dr. Bacher
  31. für Recht erkannt:
  32. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Kartellsenats des
  33. Oberlandesgerichts München vom 8. Januar 2009 (U [K] 1501/08)
  34. aufgehoben.
  35. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts München I vom 29. November 2007 in
  36. der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 11. Januar 2008
  37. und gegen das Ergänzungsurteil desselben Gerichts vom 3. April
  38. 2008 wird zurückgewiesen.
  39. Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
  40. Von Rechts wegen
  41. Tatbestand:
  42. 1
  43. Die Klägerin betreibt in Eberswalde, Strausberg, Schwedt und Prenzlau
  44. Vertragswerkstätten für die Daimler AG. Außerdem ist sie für dieses Unternehmen im Neuwagengeschäft als Handelsvertreterin tätig. Die Beklagte gehört
  45. zum MAN-Konzern, der - ebenso wie der Daimler-Konzern - Nutzfahrzeuge her-
  46. -3-
  47. stellt. MAN unterhält ein internationales Servicenetz, dem unter anderem
  48. 28 herstellereigene Niederlassungen, 168 eigene Servicebetriebe und 222 autorisierte Servicewerkstätten angehören.
  49. 2
  50. Mit Schreiben vom 29. September 2003 wandte sich die Klägerin an die
  51. im MAN-Konzern dafür zuständige Beklagte und bat um Abschluss eines Service-Vertrages als zugelassene MAN-Werkstatt. Nachdem die Beklagte dies abgelehnt hatte, hat die Klägerin die Beklagte auf Abgabe einer entsprechenden
  52. Willenserklärung - hilfsweise auf Abgabe einer Willenserklärung zum Abschluss
  53. eines Vertrages über den Vertrieb von MAN-Originalteilen - und auf Feststellung einer entsprechenden Schadensersatzpflicht - hilfsweise auf Schadensersatz - verklagt.
  54. 3
  55. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat
  56. den Hauptanträgen mit der Einschränkung stattgegeben, dass die Klägerin Zug
  57. um Zug die Erfüllung der von der Beklagten verlangten Standards nachzuweisen habe. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom erkennenden Senat
  58. zugelassenen Revision.
  59. Entscheidungsgründe:
  60. 4
  61. Die Revision der Beklagten hat Erfolg und führt zur Wiederherstellung
  62. des landgerichtlichen Urteils.
  63. 5
  64. A. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt (OLG München, BB 2009, 518):
  65. -4-
  66. 6
  67. Der Anspruch der Klägerin auf Aufnahme in das MAN-Servicenetz ergebe sich aus § 20 Abs. 1 GWB. Danach sei die Ablehnung von Bewerbern für
  68. selektive Vertriebssysteme unzulässig, soweit hierin eine sachlich nicht gerechtfertigte Behinderung oder Diskriminierung liege. Die Beklagte sei als marktbeherrschendes Unternehmen Normadressatin des § 20 Abs. 1 GWB. Der räumlich auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkte Markt umfasse in sachlicher Hinsicht die Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen für
  69. Nutzfahrzeuge der Marke MAN. Auf dem so abgegrenzten Markt verfüge die
  70. Beklagte, was sie nicht substanziiert bestritten habe, über einen Marktanteil von
  71. 30% beziehungsweise von über einem Drittel. Die daran anknüpfende Vermutung einer marktbeherrschenden Stellung (§ 19 Abs. 3 Satz 1 GWB) habe sie
  72. nicht widerlegt.
  73. 7
  74. Die Klägerin werde in einem für gleichartige Unternehmen üblicherweise
  75. zugänglichen Geschäftsverkehr diskriminiert, indem sie von dem Vertriebssystem der Beklagten ausgeschlossen werde. Dass die Klägerin im Neufahrzeugvertrieb und auf dem Kundendienstmarkt bereits für einen Wettbewerber tätig
  76. sei, stelle keinen sachlichen Grund für eine Ablehnung dar. Denn bei der Interessenabwägung seien die Wertungen der VO (EG) 1400/2002 vom 31. Juli
  77. 2002 (Kfz-GVO 2002) zu berücksichtigen. Nach Art. 5 Abs. 1b Kfz-GVO stehe
  78. es einer Freistellung entgegen, wenn ein Lieferant die Zulassung eines Bewerbers mit der Begründung verweigere, dieser sei als Handelsvertreter für eine
  79. andere Marke tätig.
  80. 8
  81. B. Die Ausführungen des Berufungsgerichts sind nicht frei von Rechtsfehlern.
  82. -5-
  83. 9
  84. I. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich ein Anspruch der Klägerin auf Zulassung als Vertragswerkstatt oder "zugelassene
  85. Werkstatt" i.S. des Art. 1 Abs. 1 Buchst. l Kfz-GVO 2002 bzw. Art. 1 Abs. 1
  86. Buchst. c VO (EU) 461/2010 vom 27. Mai 2010 (Kfz-GVO 2010) zum Werkstattnetz der Beklagten nicht aus § 33 i.V.m. § 19 Abs. 1, 4 Nr. 1, § 20 Abs. 1
  87. GWB. Die Beklagte ist auf dem relevanten Markt nicht marktbeherrschend i.S.
  88. von § 19 Abs. 2 GWB.
  89. 10
  90. Die Abgrenzung des maßgebenden Marktes ist grundsätzlich Sache des
  91. Tatrichters, da sie wesentlich von den tatsächlichen Gegebenheiten des Marktes abhängt. Das Revisionsgericht kann nur überprüfen, ob der Tatrichter von
  92. zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen ist, ob er alle für die Abgrenzung wesentlichen Umstände hinreichend in Betracht gezogen hat und ob seine
  93. Entscheidung in Einklang mit den Denkgesetzen und einschlägigen Erfahrungssätzen steht (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 1984 - KVR 5/83, BGHZ 92,
  94. 223, 238 - Gruner+Jahr/Die Zeit I; Urteil vom 16. Januar 2007 - KVR 12/06,
  95. BGHZ 170, 299 Rn. 13 ff. - National Geographic II). Die Marktabgrenzung im
  96. angefochtenen Urteil beruht auf einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab.
  97. 11
  98. 1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts betrifft das Klagebegehren nicht den - sachlichen - Endkundenmarkt für die Inanspruchnahme von
  99. Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen für Nutzfahrzeuge, sondern
  100. den vorgelagerten Markt, auf dem sich die Werkstätten als Nachfrager und die
  101. Hersteller von Nutzfahrzeugen und andere Unternehmen als Anbieter von Ressourcen gegenüberstehen, die zur Erbringung von Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten eingesetzt werden.
  102. 12
  103. a) Nach dem für die Marktabgrenzung maßgeblichen Bedarfsmarktkonzept sind dem relevanten (Angebots-)Markt alle Produkte zuzurechnen, die
  104. -6-
  105. nach Eigenschaft, Verwendungszweck und Preislage zur Deckung eines bestimmten Bedarfs austauschbar sind (BGHZ 170, 299 Rn. 14 - National
  106. Geografic II; BGH, Urteil vom 11. November 2008 - KVR 60/07, BGHZ 178, 285
  107. Rn. 15 - E.ON/Stadtwerke Eschwege). Entscheidend ist hierbei die Sicht der
  108. Nachfrager auf der betroffenen Stufe. Die Verhältnisse auf einem nachgelagerten Markt können allerdings im Einzelfall Auswirkungen auf die Abgrenzung des
  109. vorgelagerten Marktes haben, zum Beispiel wenn eine bestimmte Leistung auf
  110. der vorgelagerten Stufe deshalb nicht austauschbar ist, weil sie für eine Teilnahme am Wettbewerb auf der nachgelagerten Stufe schlechthin unentbehrlich
  111. ist.
  112. 13
  113. Einen vorgelagerten Markt kann es nicht nur beim Vertrieb von Gütern
  114. über mehrere Handelsstufen hinweg geben, sondern auch bei der Erbringung
  115. von Dienstleistungen oder bei der Einräumung von Rechten. Ist durch eine Industrienorm oder durch ein vergleichbares Regelwerk eine standardisierte,
  116. durch Schutzrechte geschützte Gestaltung eines Produkts vorgegeben, so bildet die Vergabe von Rechten, die potentielle Anbieter dieses Produkts erst in
  117. die Lage versetzen, das Produkt auf den Markt zu bringen, regelmäßig einen
  118. eigenen, dem Produktmarkt vorgelagerten Markt (BGH, Urteil vom 13. Juli 2004
  119. - KZR 40/02, BGHZ 160, 67, 74 - Standard-Spundfass). In seinem - nach Verkündung der angefochtenen Entscheidung ergangenen - Urteil vom 3. März
  120. 2009 (KZR 2/07, WuW/E DE-R 2708 Rn. 18 - Reisestellenkarte) hat der Senat
  121. angenommen, dem Markt für Reisestellenkarten mit Umsatzsteuerausweis sei
  122. ein Markt für die Gestattung des Umsatzsteuerausweises für Reiseleistungen,
  123. die über Reisestellenkarten abgerechnet werden können, vorgelagert. Dies entspricht der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der etwa
  124. zwischen einem Markt für Programmzeitschriften und einem vorgelagerten
  125. Markt für die Überlassung von Programminformationen unterscheidet (EuGH,
  126. -7-
  127. Urteil vom 6. April 1995 - C-241/91 P, Slg. 1995, I-743 = GRUR Int. 1995, 490
  128. Rn. 47 - Magill TV Guide).
  129. 14
  130. Die Klägerin will Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen für
  131. Nutzfahrzeuge gegenüber Endkunden anbieten und begehrt von der Beklagten
  132. vorgelagerte Leistungen, die dazu dienen sollen, diese Tätigkeit auszuüben.
  133. Für die Frage, ob die Beklagte marktbeherrschend ist, sind deshalb die Verhältnisse auf diesem vorgelagerten Markt maßgebend.
  134. 15
  135. b) Der vorgelagerte Markt umfasst im Streitfall alle Produkte, Dienstleistungen und Rechte, die den Zutritt auf dem nachgelagerten Endkundenmarkt
  136. zur Erbringung von Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen für Nutzfahrzeuge erleichtern. Dazu gehören das Angebot von Ersatzteilen, Diagnosegeräten und Spezialwerkzeugen, die Vermittlung der erforderlichen jeweiligen
  137. markenspezifischen Fachkenntnisse und die Zulassungen als Vertragswerkstatt
  138. für bestimmte Fahrzeugmarken. Dabei bildet die Zulassung als Vertragswerkstatt keinen eigenständigen Markt. Sie ist vielmehr nur eine von mehreren untereinander austauschbaren Ressourcen und stellt damit einen Teil des umfassenderen Marktes dar, auf dem diese Ressourcen angeboten werden.
  139. 16
  140. Der Status als Vertragswerkstatt ist nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien erforderlich für die Erbringung von Garantieleistungen, von
  141. Kulanzleistungen nach Ablauf der Gewährleistungsfrist und von Leistungen im
  142. Rahmen von Rückrufaktionen, nach dem für das Revisionsverfahren als richtig
  143. zu unterstellenden Vortrag der Klägerin außerdem noch für Inspektionen innerhalb der Garantiefrist. Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben
  144. sich keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, dass dieser Teilbereich einen eigenständigen Markt bildet, der von dem Markt für die Ressourcen
  145. zur Erbringung sonstiger Werkstattleistungen abzugrenzen ist.
  146. -8-
  147. 17
  148. c) Für die Abgrenzung des vorgelagerten Marktes ist im Streitfall unerheblich, ob der nachgelagerte Endkundenmarkt markenbezogen abzugrenzen
  149. ist. Zwar kann es aus Sicht eines Endkunden, der beispielsweise eine Garantiereparatur nachfragt, an der Austauschbarkeit fehlen, weil er in aller Regel nicht
  150. bereit sein wird, auf die ihm zustehenden Gewährleistungsrechte zu verzichten
  151. und die Reparatur stattdessen gegen Vergütung in einer anderen Werkstatt
  152. vornehmen zu lassen. Aus der maßgeblichen Sicht des Betreibers einer Reparaturwerkstatt ist jedoch auch die Erbringung derartiger Leistungen nur ein Ausschnitt aus einer Reihe möglicher Dienstleistungen, die sich nicht hinsichtlich
  153. des Gegenstandes der erbrachten Leistung unterscheiden, sondern nur hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen diese Leistungen
  154. erbracht werden. Der Betreiber einer Werkstatt ist auch, soweit er Werkstattleistungen speziell für eine bestimmte Marke anbieten will, nicht darauf angewiesen, diese im Rahmen eines Garantie- oder Kulanzverhältnisses oder einer
  155. sonstigen rechtlichen Beziehung zwischen seinem Kunden und dem Hersteller
  156. des Fahrzeugs anzubieten, sondern kann sich stattdessen um vergleichbare
  157. Aufträge außerhalb dieses rechtlichen Rahmens bemühen. Dass das Angebot
  158. von Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen für Nutzfahrzeuge ohne
  159. eine Zulassung als Vertragswerkstatt unmöglich oder wirtschaftlich sinnlos wäre, ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich und wird für Fahrzeuge der Marke MAN schon durch den vom Berufungsgericht festgestellten Umstand widerlegt, dass der überwiegende Teil der entsprechenden Werkstattleistungen von
  160. freien Werkstätten ausgeführt wird.
  161. 18
  162. 2. Räumlich hat das Berufungsgericht den relevanten Markt auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland abgegrenzt. Dagegen erheben die Parteien keine Einwände. Aus Rechtsgründen ist dagegen nichts zu erinnern.
  163. -9-
  164. 19
  165. 3. Die Beklagte ist auf dem danach sachlich und räumlich relevanten
  166. Markt nicht marktbeherrschend.
  167. 20
  168. a) Eine marktbeherrschende Stellung der Beklagten ergibt sich nicht daraus, dass die Zulassung als MAN-Vertragswerkstatt nur mit ihrer Mitwirkung
  169. möglich ist. Die Stellung als MAN-Vertragswerkstatt ist aus den oben genannten Gründen keine Ressource, die für den Zugang zum Endkundenmarkt unerlässlich ist.
  170. 21
  171. Entgegen der vom Vertreter des Bundeskartellamts in der mündlichen
  172. Verhandlung geäußerten Auffassung reicht es für die Annahme einer beherrschenden Stellung auf dem vorgelagerten Markt nicht aus, dass ein Anbieter
  173. über eine Ressource verfügt, die Voraussetzung für die Erbringung einer marktrelevanten Leistung ist - hier zum Beispiel für die Garantie- und Kulanzleistungen. Erforderlich ist vielmehr, dass es sich um eine Ressource handelt, ohne
  174. die der Zugang zu dem nachgelagerten Markt nicht oder jedenfalls nicht sinnvoll
  175. möglich ist. Einen solchen Zusammenhang hat der Senat beispielsweise für
  176. den Fall bejaht, dass eine Reisestellenkarte mit Vorsteuerabzugsmöglichkeit
  177. nur dann wettbewerbsfähig ist, wenn sie auch für innerdeutsche Flüge mit der in
  178. diesem Bereich führenden Fluggesellschaft genutzt werden kann (BGH WuW/E
  179. DE-R 2708 Rn. 28 - Reisestellenkarte). Ein Anbieter von Instandsetzungs- und
  180. Wartungsdienstleistungen für Nutzfahrzeuge ist, wie bereits dargelegt, hingegen auch dann wettbewerbsfähig, wenn er nicht den Status einer Vertragswerkstatt hat. Die Zulassung als Vertragswerkstatt ist nicht erforderlich, um als
  181. Werkstatt auf dem Endkundenmarkt für die Erbringung von Werkstattleistungen
  182. erfolgreich tätig werden zu können.
  183. 22
  184. b) Eine marktbeherrschende Stellung der Beklagten ergibt sich auch
  185. nicht aus ihrer Stellung auf dem Endkundenmarkt für Instandsetzungs- und
  186. - 10 -
  187. Wartungsdienstleistungen für Nutzfahrzeuge. Die vom Berufungsgericht zu
  188. Grunde gelegte Annahme, der MAN-Konzern habe mit seinen Eigen- und Vertragswerkstätten auf dem markenabhängig abgegrenzten Endkundenmarkt für
  189. die Wartung und Instandsetzung von MAN-Nutzfahrzeugen einen Marktanteil
  190. von "über 30% bzw. über einem Drittel", reicht für die Annahme einer marktbeherrschenden Stellung auf dem hier relevanten vorgelagerten Markt nicht aus.
  191. Denn dieser Markt ist, wie bereits dargelegt, nicht markenspezifisch abzugrenzen.
  192. II. Das angefochtene Urteil kann nicht aus anderen Gründen Bestand
  193. 23
  194. haben.
  195. 24
  196. 1. Zutreffend hat das Berufungsgericht einen Anspruch auf Zulassung
  197. zum Werkstattnetz der Beklagten nicht aus der Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung hergeleitet. Daraus kann sich ein derartiger Anspruch schon grundsätzlich nicht ergeben. In der Verordnung sind allein die Voraussetzungen geregelt, unter denen Vertriebsvereinbarungen gruppenweise gemäß Art. 101
  198. Abs. 3 AEUV (= Art. 81 Abs. 3 EG) vom Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV freigestellt sind. Zivilrechtlich durchsetzbare Verhaltenspflichten des Fahrzeugherstellers im Hinblick auf Freistellungsvoraussetzungen oder -hindernisse lassen
  199. sich daraus nicht herleiten (BGH, Urteil vom 28. Juni 2005 - KZR 26/04, WuW/E
  200. DE-R 1621, 1623 f. = NJW-RR 2006, 689 Rn. 21 ff. - Qualitative Selektion).
  201. 25
  202. 2. Der Klageanspruch ergibt sich auch nicht aus §§ 33, 20 Abs. 2 GWB.
  203. Im Verhältnis zur Klägerin ist die Beklagte nicht Adressatin dieser Norm.
  204. 26
  205. Die Klägerin steht außerhalb des Vertriebsnetzes der Beklagten. Ihr fehlt
  206. deshalb, anders als einem Vertragshändler, der sich ausschließlich an einen
  207. Fahrzeughersteller gebunden hat (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 1988
  208. - 11 -
  209. - KZR 20/86, WuW/E 2491, 2493 - Opel-Blitz; Urteil vom 21. Februar 1995
  210. - KZR 33/93, WuW/E 2983, 2988 - Kfz-Vertragshändler), oder einer Vertragswerkstatt, die ihren Geschäftsbetrieb durch erhebliche Investitionen auf einen
  211. bestimmten Fahrzeughersteller ausgerichtet hat (vgl. BGH, Urteil vom 9. Februar 2006 - KZR 26/04, WuW/E DE-R 1621 = NJW-RR 2006, 689 Rn. 1, 16
  212. - Qualitative Selektion), eine zur Anwendung des § 20 Abs. 2 GWB führende
  213. unternehmensbedingte Abhängigkeit.
  214. 27
  215. Auch unter dem Gesichtspunkt der sortimentsbedingten Abhängigkeit
  216. bedarf die Klägerin keiner Zulassung zum Servicenetz der Beklagten. Sie kann
  217. ohne eine solche Zulassung erfolgreich im Werkstattgeschäft tätig sein. Als Vertragswerkstatt der Daimler AG kann sie für Nutzfahrzeuge dieser Marke sämtliche Werkstattleistungen erbringen, einschließlich der Garantie- und Kulanzleistungen. Darüber hinaus kann sie in erheblichem Umfang auch für andere Marken einschließlich der Marke MAN tätig werden. Sie kann die dafür benötigten
  218. Originalersatzteile kaufen, wenn auch nach ihrem Vortrag mit geringeren Rabatten, als sie MAN-Vertragswerkstätten eingeräumt werden, und mit längeren Lieferfristen. Weiter kann sie die für die Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten
  219. erforderlichen Diagnose- und sonstigen Geräte beziehen und die von der Beklagten angebotenen Schulungen in Anspruch nehmen. Die Klägerin ist allein
  220. davon ausgeschlossen, Garantie- und Kulanzleistungen - in geringem Umfang
  221. auch Inspektionsleistungen - für andere als Daimler-Nutzfahrzeuge zu erbringen. Dass sie für eine erfolgreiche Geschäftstätigkeit als Werkstatt für Nutzfahrzeuge davon abhängig ist, gerade derartige Leistungen ausführen zu können, ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich.
  222. 28
  223. 3. Auch aus Art. 102 AEUV (= Art. 82 EG) ergibt sich - aus den zu § 20
  224. GWB genannten Gründen - kein Anspruch der Klägerin auf Abschluss eines
  225. Werkstattvertrages. Dass die Beklagte, die auf dem relevanten nationalen Markt
  226. - 12 -
  227. keine marktbeherrschende Stellung hat, eine solche auf dem Gemeinsamen
  228. Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben haben könnte, ist auszuschließen.
  229. 29
  230. 4. Da weitere Feststellungen nicht erforderlich sind, kann der Senat in
  231. der Sache entscheiden und den ersten Hauptantrag der Klägerin abweisen.
  232. 30
  233. III. Damit ist zugleich der Feststellungsantrag abzuweisen. Da die Klägerin keinen Anspruch auf Abschluss eines Servicevertrages hat, besteht auch
  234. kein auf die Verweigerung des Abschlusses gestützter Schadensersatzanspruch. Aus dem gleichen Grund ist auch der hilfsweise geltend gemachte
  235. Schadensersatzanspruch unbegründet.
  236. 31
  237. IV. Der Hilfsantrag, die Beklagte zum Abschluss eines Vertrages über
  238. den Verkauf und Vertrieb von MAN-Originalteilen, MAN-Originalaustauschteilen
  239. und MAN-Zubehör zu verurteilen, ist ebenfalls unbegründet.
  240. 32
  241. Die Beklagte ist im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit berechtigt, den Abschluss eines solchen Vertrages, den sie auch anderen Unternehmen nicht anbietet, abzulehnen. Sie hat weder eine marktbeherrschende Stellung i.S. des
  242. § 19 Abs. 2 GWB, noch ist die Klägerin insoweit von der Beklagten abhängig
  243. i.S. des § 20 Abs. 2 GWB.
  244. 33
  245. Eine solche Abhängigkeit könnte hier allenfalls dann vorliegen, wenn die
  246. Klägerin nicht in der Lage wäre, Ersatzteile und Zubehör der Marke MAN in
  247. zumutbarer Weise anderweitig zu beziehen (BGH, Beschluss vom 23. Februar
  248. 1988 - KVR 2/87, WuW/E 2479, 2482 f. - Reparaturbetrieb). Nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien hat die Klägerin aber die Möglichkeit, die begehrten
  249. Teile einzukaufen. Dass sie dabei nach ihrem Vortrag geringere Rabatte erhält
  250. - 13 -
  251. und längere Lieferfristen zu gewärtigen hat als die MAN-Vertragswerkstätten,
  252. macht diesen Bezug für sie noch nicht unzumutbar i.S. des § 20 Abs. 2 GWB.
  253. Tolksdorf
  254. Raum
  255. Kirchhoff
  256. Strohn
  257. Bacher
  258. Vorinstanzen:
  259. LG München I, Entscheidung vom 29.11.2007 - 4 HKO 2002/07 OLG München, Entscheidung vom 08.01.2009 - U (K) 1501/08 -