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18 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. IX ZR 20/00
  5. Verkündet am:
  6. 29. März 2001
  7. Preuß
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. BGHZ:
  14. ja
  15. nein
  16. ------------------------------------
  17. BGB § 765, AGBG § 9 Bl, CG
  18. a) Eine formularmäßige weite Zweckerklärung ist auch dann regelmäßig unwirksam,
  19. wenn der Bürge eine juristische Person ist.
  20. b) Zur Haftung des Bürgen für zukünftige Forderungen gegen den Hauptschuldner
  21. trotz Unwirksamkeit der formularmäßigen weiten Zweckerklärung.
  22. BGH, Urteil vom 29. März 2001 - IX ZR 20/00 - OLG Brandenburg
  23. LG Cottbus
  24. -2-
  25. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  26. vom 29. März 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter
  27. Stodolkowitz, Dr. Zugehör, Dr. Ganter und Raebel
  28. für Recht erkannt:
  29. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats
  30. des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 22. Dezember
  31. 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu ihrem
  32. Nachteil erkannt worden ist.
  33. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  34. Von Rechts wegen
  35. Tatbestand:
  36. Die klagende Bank nimmt die Beklagte - eine eingetragene Genossenschaft - als Bürgin in Anspruch.
  37. Seit Mai 1993 verhandelte die Klägerin mit der B. GmbH (im folgenden:
  38. Hauptschuldnerin), über die Gewährung eines Kredits von 1,5 Mio. DM. Die
  39. Anteile an der Hauptschuldnerin wurden zu gleichen Teilen von fünf Gesellschaftern - darunter der Beklagten - gehalten.
  40. -3-
  41. Im Frühjahr 1994 ließ die Klägerin auf einem Kontokorrentkonto der
  42. Hauptschuldnerin Überziehungen zu. Am 10. Juni 1994 übernahm die Beklagte
  43. gegenüber der Klägerin eine selbstschuldnerische Globalbürgschaft bis zum
  44. Höchstbetrag von 200.000 DM. Entsprechende Bürgschaften übernahmen außerdem zwei weitere Gesellschafter der Hauptschuldnerin. Diese trat sicherungshalber Mietforderungen an die Klägerin ab. Ferner übernahm die B.bank
  45. eine Ausfallbürgschaft.
  46. Am 14./16. Juni 1994 schlossen die Klägerin und die Hauptschuldnerin
  47. einen Vertrag über die Gewährung eines Kontokorrent-/Avalkredits in Höhe von
  48. 1 Mio. DM,
  49. am
  50. 22./27. September
  51. 1994
  52. einen
  53. Darlehensvertrag
  54. über
  55. 1,5 Mio. DM und am 28. September/7. Oktober 1994 einen Avalkreditvertrag
  56. über 500.000 DM.
  57. Mit Schreiben vom 14. November 1995 kündigte die Klägerin die mit der
  58. Hauptschuldnerin bestehenden Kreditverträge unter Fristsetzung zur Rückzahlung
  59. bis
  60. 14. Dezember
  61. 1995.
  62. Sie
  63. bezifferte
  64. ihre
  65. Ansprüche
  66. auf
  67. 1.395.661,99 DM aus dem Darlehensvertrag, 339.780,34 DM aus dem Avalkredit und 16.403,21 DM aus der Überziehung des Kontokorrentkontos. Die
  68. Hauptschuldnerin zahlte nicht. Nach Abweisung eines Antrags auf Eröffnung
  69. der Gesamtvollstreckung über ihr Vermögen mangels Masse wurde sie im
  70. Handelsregister gelöscht.
  71. Die Klage hatte in den Vorinstanzen lediglich in Höhe von 16.403,21 DM
  72. - dies entspricht dem noch bestehenden Fehlbetrag wegen Überziehung des
  73. Kontokorrentkontos - Erfolg. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Begeh-
  74. -4-
  75. ren auf Verurteilung der Beklagten in Höhe des Höchstbetrages der Bürgschaft
  76. weiter.
  77. Entscheidungsgründe:
  78. Das Rechtsmittel führt, soweit das angefochtene Urteil der Klägerin
  79. nachteilig ist, zur Aufhebung und Zurückverweisung.
  80. I.
  81. Das Berufungsgericht hat sein Urteil wie folgt begründet:
  82. Die der Globalbürgschaft eigene weite Zweckerklärung, derzufolge die
  83. Bürgschaft für alle bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche der Klägerin aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung mit der Hauptschuldnerin
  84. habe gelten sollen, sei gemäß § 9 AGBG unwirksam. Damit sei eine formularmäßige Haftung für zukünftige Forderungen zwar noch nicht schlechthin ausgeschlossen. Insoweit sei jedoch erforderlich, daß der Kreis dieser Verbindlichkeiten nach Grund und Umfang schon im Zeitpunkt der Verbürgung klar
  85. umrissen sei, so daß der Bürge erkennen könne, worauf sich seine Haftung
  86. erstrecken solle. Im vorliegenden Fall könne nicht davon ausgegangen werden,
  87. daß der Beklagten bei Übernahme der Bürgschaft bekannt gewesen sei, es
  88. stehe ein Kreditengagement für die Hauptschuldnerin in Höhe von 1,5 Mio. DM
  89. -5-
  90. bevor. Daß der Beklagten ein entsprechender Hinweis erteilt worden sei, habe
  91. die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen. Die von ihr benannten Zeugen
  92. seien nicht zu vernehmen gewesen, weil das auf eine unzulässige Ausforschung hinausgelaufen wäre. Für die Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin
  93. aus den nach dem 10. Juni 1994 geschlossenen Kreditverträgen müsse die
  94. Beklagte deshalb nicht einstehen.
  95. II.
  96. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
  97. 1. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts.
  98. Die weite Zweckerklärung ist unwirksam (§ 9 AGBG). Daß es sich bei der verklagten Bürgin um eine juristische Person handelt (vgl. § 17 Abs. 1 GenG), ändert daran nichts.
  99. Der Senat hat die Unwirksamkeit der formularmäßigen weiten Zweckerklärung in Bürgschaftsverträgen hauptsächlich daraus hergeleitet, daß sie in
  100. Widerspruch zu dem in § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB zum Ausdruck gekommenen
  101. Leitgedanken steht. Danach kann die Haftung des Bürgen nicht ohne dessen
  102. Mitwirkung durch Rechtsgeschäfte des Hauptschuldners mit dem Gläubiger
  103. nachträglich erweitert werden (grundlegend BGHZ 130, 19, 26 f.). Die formularmäßige weite Zweckerklärung begründet für den Bürgen ein unabsehbares
  104. und nicht beherrschbares Risiko, das zu einer untragbaren Belastung führen
  105. kann. Nach der Rechtsprechung des Senats gilt das grundsätzlich auch im
  106. -6-
  107. kaufmännischen Verkehr (BGH, Urteil vom 24. September 1998 - IX ZR 425/97,
  108. WM 1998, 2186, 2187), es sei denn, die Übernahme von Bürgschaften gehört
  109. zum typischen Geschäftsbetrieb des Kaufmanns und die Einstandspflicht wird
  110. gegenüber dem Hauptschuldner entgeltlich übernommen (BGH, aaO S. 2188).
  111. An die Formkaufleute im Sinne von § 6 Abs. 2 HGB, zu denen auch die eingetragene Genossenschaft gehört (§ 17 Abs. 2 GenG), strengere Anforderungen
  112. zu stellen, ist nicht gerechtfertigt. Die Übernahme der Bürgschaft gehörte nicht
  113. zum typischen Geschäftsbetrieb der Beklagten.
  114. Da diese nur einen Geschäftsanteil von 20 % hielt und infolgedessen
  115. neue Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin ohne Zustimmung der Beklagten
  116. begründet werden konnten, ist die weite Zweckerklärung unwirksam (vgl.
  117. BGHZ 142, 213, 216 f.).
  118. 2. Nicht zu beanstanden ist ferner die Annahme des Berufungsgerichts,
  119. daß die aus der Unwirksamkeit der weiten Zweckerklärung folgende Beschränkung der Sicherheit auf den Anlaßkredit (§ 6 AGBG; vgl. BGHZ 137, 153, 156;
  120. 142, 213, 216 ff.; 143, 95, 97, 102) eine formularmäßige Haftung für zukünftige
  121. Forderungen nicht ausschließt, sofern diese nach Grund und Umfang schon
  122. bei Vertragsschluß für den Bürgen klar erkennbar sind (BGHZ 142, 213, 220;
  123. BGH, Urteil vom 13. Juni 1996 - IX ZR 229/95, WM 1996, 1391, 1392; vom
  124. 2. Juli 1998 - IX ZR 255/97, WM 1998, 1675).
  125. Soweit das Berufungsgericht gemeint hat, für diese Voraussetzungen
  126. habe die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen, so daß ihren Beweisantritten
  127. nicht nachzugehen sei, greift jedoch die von der Revision erhobene Verfahrensrüge (§ 286 ZPO) durch.
  128. -7-
  129. a) Nach gefestigter Rechtsprechung genügt eine Partei ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, die geltend gemachte Rechtsfolge zu tragen (BGH, Urteil vom 23. April 1991 - X ZR 77/89, NJW 1991, 2707, 2709; vom
  130. 13. August 1997 - VIII ZR 246/96, NJW-RR 1998, 712, 713; vom 26. Mai 1999
  131. - VIII ZR 123/98, WM 1999, 1986, 1988 f.). Die Angabe näherer Einzelheiten
  132. ist grundsätzlich nur dann nötig, wenn diese für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind, der Vortrag infolge der Einlassung des Gegners unklar wird oder die
  133. Angabe weiterer Umstände erforderlich ist, um dem Gegner die Nachprüfung
  134. der behaupteten Tatsachen und den Antritt von Gegenbeweisen zu ermöglichen.
  135. b) Bei Anlegung dieser Maßstäbe war das Vorbringen der Klägerin hinreichend substantiiert. Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts beruht - wie die Revision zu Recht geltend macht - auf einer unzureichenden Erfassung des Prozeßstoffes (§ 286 ZPO).
  136. aa) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß die Klägerin am
  137. 10. Juni 1994 - also am selben Tage, an dem sich die Beklagte bis zum
  138. Höchstbetrag von 200.000 DM verbürgte - der Hauptschuldnerin einen Kontokorrentkredit über ebenfalls 200.000 DM gewährt habe. Wäre das zutreffend,
  139. erschiene es in der Tat naheliegend, in der Gewährung des fraglichen Kontokorrentkredits den Anlaß für die Verbürgung zu sehen. Indes hat die Annahme
  140. des Berufungsgerichts, die Klägerin habe der Hauptschuldnerin am 10. Juni
  141. 1994 einen Kontokorrentkredit über 200.000 DM gewährt, im Vorbringen der
  142. Parteien keine tragfähige Grundlage. Das Berufungsgericht hat seine Fest-
  143. -8-
  144. stellung ersichtlich auf das Vorbringen der Klägerin gestützt, die Bürgschaft sei
  145. "an dem selben Tage erklärt" worden, "an dem die Klägerin der Hauptschuldnerin einen Kontokorrentkredit in Höhe von mindestens 200.000,00 DM ... gewährt hatte". War der Kreditbetrag aber "mindestens" so hoch wie der Höchstbetrag der Bürgschaft, so konnte nicht davon ausgegangen werden, daß die
  146. Bürgschaftssumme betragsmäßig der Kreditsumme entsprach.
  147. bb) Außerdem hat das Berufungsgericht weitere Behauptungen der Klägerin außer Acht gelassen, durch welche das oben wiedergegebene - für sich
  148. genommen mißverständliche - Vorbringen klargestellt wurde. Eine Partei ist
  149. nicht gehindert, ihr Vorbringen im Laufe des Rechtsstreits zu ändern, insbesondere zu präzisieren, zu ergänzen oder zu berichtigen (BGH, Urteil vom
  150. 13. August 1997 - VIII ZR 246/96, aaO).
  151. Die Klägerin hat - unter Beweisantritt - vorgetragen, sie habe seit Mai
  152. 1993 in Verhandlungen mit der Hauptschuldnerin, die sich damals noch im
  153. Gründungsstadium befunden habe, über die Finanzierung ihres Geschäftsbetriebes gestanden. Das geplante Investitionsvolumen habe bei 1,5 Mio. DM
  154. gelegen. Da die Hauptschuldnerin ihre Geschäfte habe aufnehmen wollen, bevor die endgültige Finanzierung geregelt gewesen sei, habe die Klägerin vorfinanziert. Sie habe zunächst auf dem am 7. Januar 1994 eröffneten Kontokorrentkonto Überziehungen der Hauptschuldnerin gestattet. Diese hätten am
  155. 3. Juni 1994 705.206,14 DM, am 10. Juni 1994 - dem Tag der Bürgschaftsübernahme - 840.338,72 DM und am 14. Juni 1994 938.114,37 DM
  156. ausgemacht. Am 14./16. Juni 1994 sei dann ein vorläufiger Kreditrahmen über
  157. 1 Mio. DM eingeräumt worden. Zum Zwecke der endgültigen Finanzierung habe die Klägerin am 22./27. September 1994 den Darlehensvertrag über
  158. -9-
  159. 1,5 Mio. DM und am 28. September/7. Oktober 1994 den Avalkreditvertrag
  160. über 500.000 DM geschlossen. Die vorläufige Kreditzusage vom 14./16. Juni
  161. 1994 habe damit ihre Gültigkeit verloren. Die Gesellschafter der Hauptschuldnerin - also auch die Beklagte - seien in die Finanzierungsplanung gleichermaßen einbezogen worden. Durch die Bürgschaft der Beklagten hätten die anstehenden Finanzierungsprojekte besichert werden sollen. Die Parteien des Bürgschaftsvertrages seien sich einig gewesen, daß die Bürgschaft zur Sicherung
  162. der bereits im Mai 1993 beantragten Finanzierung habe dienen sollen. Der
  163. Umfang der Vorfinanzierung und der geplanten Endfinanzierung sei der Beklagten voll umfänglich bekannt gewesen. Obendrein sei ihr der Haftungsumfang erläutert worden.
  164. Da das Berufungsgericht im Tatbestand seines Urteils die verschiedenen der Hauptschuldnerin gewährten Kredite lediglich aufgezählt, aber nicht
  165. deutlich gemacht hat, ob die späteren die früheren ersetzt haben oder ob es
  166. sich um neue, selbständige Verträge handelt, entfaltet der Tatbestand insoweit
  167. keine Bindungswirkung gemäß § 314 ZPO. Der Senat ist deshalb nicht gehindert, für die Revisionsinstanz das vom Berufungsgericht in Bezug genommene
  168. Vorbringen der Klägerin zugrunde zu legen.
  169. cc) Unter Berücksichtigung dieses Vortrags kann auch der Ansicht des
  170. Berufungsgerichts nicht zugestimmt werden, der Antrag der Klägerin, die Zeugen W. und U. dazu zu vernehmen, habe nur der Ausforschung gedient. Bei
  171. den beiden Zeugen handelt es sich um Angestellte der Klägerin; sie haben offenbar mit der Beklagten - diese wohl vertreten durch ihr Vorstandsmitglied
  172. W. - die Verhandlungen geführt, die dem Abschluß des Bürgschaftsvertrages
  173. vorausgingen. Wenn die Klägerin ihre eigenen Angestellten als Zeugen be-
  174. - 10 -
  175. nannte, kann es ihr nicht darum gegangen sein, sich Erkenntnisquellen zu erschließen, die es ihr erst ermöglichten, bestimmte Tatsachen zu behaupten
  176. (vgl. Zöller/Greger, ZPO 22. Aufl. vor § 284 Rdnr. 5).
  177. dd) Nicht zu folgen ist der von der Revision in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht, der Beweis für ihren im Vorstehenden wiedergegebenen Vortrag brauche nicht erhoben zu werden, weil der “Anlaßkredit” objektiv
  178. - nach dem im Zeitpunkt der Verbürgung bestehenden Kreditbedarf - zu bestimmen sei, der Kreditbedarf sich nach der Höhe des am Tage der Verbürgung in Anspruch genommenen Kontokorrentkredits gerichtet habe und dieser
  179. durch das Darlehen über 1,5 Mio. DM lediglich umgeschuldet worden sei. Aus
  180. der Höhe des im Zeitpunkt der Verbürgung bestehenden Sollsaldos läßt sich
  181. nur auf einen Kreditbedarf von ca. 840.000,00 DM schließen. Eine Umschuldung scheidet zudem deshalb aus, weil am 30. September 1994 - als das Darlehen dem Kontokorrentkonto der Hauptschuldnerin gutgeschrieben wurde –
  182. der Sollstand lediglich 157.756,28 DM betrug. Zwei Tage zuvor hatte das
  183. Konto - aufgrund einer Zahlung der Landeshauptkasse Potsdam (nach der
  184. übereinstimmenden Darstellung der Parteien handelte es sich dabei um Fördermittel des Landes) – sogar noch einen positiven Saldo ausgewiesen.
  185. Ihre Behauptungen näher zu substantiieren, war die Klägerin nicht wegen des Vorbringens der Beklagten gehalten. Diese hat nicht bestritten, daß
  186. die Klägerin den Aufbau des Geschäftsbetriebes der Hauptschuldnerin finanzieren sollte und daß dafür 1,5 Mio. DM veranschlagt waren. Sie hat lediglich
  187. geltend gemacht, sie habe weder "genauen Einblick in das geplante Projekt"
  188. gehabt, noch sei "mit ihr die Ablösung der Vorfinanzierung durch ein langfristi-
  189. - 11 -
  190. ges Darlehen ausdrücklich zum Vertragsgegenstand gemacht worden". Für
  191. ihren gegenteiligen Vortrag hat die Klägerin Beweis angetreten.
  192. Allerdings hat die Revisionsbeklagte in der mündlichen Verhandlung auf
  193. den oben bereits erwähnten Umstand aufmerksam gemacht, daß der Kontokorrentkredit, der sich bis zum 27. September 1994 auf 1.492.096,01 DM belief,
  194. durch die Zahlung der Landeshauptkasse Potsdam – und nicht durch die Auszahlung des von der Klägerin ausgereichten Darlehens in Höhe von 1,5 Mio.
  195. DM – zurückgeführt wurde. Damit sollte wohl geltend gemacht werden, der
  196. Vortrag der Klägerin sei widersprüchlich; ein Kreditbedarf, der später durch
  197. Dritte abgedeckt worden sei, könne nicht den Anlaß der Verbürgung dargestellt
  198. haben. Diese Annahme ist nicht zwingend. Nach dem Vortrag der Klägerin sind
  199. die Fördermittel des Landes zweckgebunden “zur investiven Förderung des
  200. Absatzes land- und ernährungswirtschaftlicher Erzeugnisse” bzw. für “den Aufbau eines Direktvermarktungssystemes” zugewandt worden; später sei ihre
  201. Bewilligung wegen “zweckwidriger Verwendung” widerrufen worden. Gegebenenfalls schieden sie als Mittel zur Rückführung eines von der Klägerin zur
  202. Verfügung gestellten Kredits aus.
  203. c) Die Klage ist insgesamt schlüssig, obwohl nach dem Vorbringen der
  204. Klägerin möglicherweise nicht davon ausgegangen werden kann, daß auch der
  205. am 28. September/7. Oktober 1994 vereinbarte Avalkredit Anlaß der Verbürgung war. Dieser Kredit ging über das ursprünglich "geplante Investitionsvolumen" von 1,5 Mio. DM hinaus. Daß die Beklagte am 10. Juni 1994 mit einer
  206. Ausweitung auf 2 Mio. DM konkret habe rechnen müssen, hat die Klägerin
  207. nicht dargetan.
  208. - 12 -
  209. Selbst wenn sich die Haftung der Beklagten auf die noch bestehende
  210. Schuld aus dem am 22./27. September 1994 vereinbarten Darlehen beschränkte, könnte die Klägerin aber auf der Grundlage ihres Vorbringens die
  211. Klagesumme fordern. Danach bestand im Zeitpunkt der Kreditkündigung noch
  212. eine Verbindlichkeit von 1.395.661,99 DM. Aus der Verwertung weiterer Sicherheiten (Sicherungsabtretung von Mietansprüchen) sind der Klägerin angeblich 13.279,15 DM oder "ca. 35.000 DM" zugeflossen. Diese Erlöse sind
  213. von der Höhe der Schuld abzusetzen. Nicht zu berücksichtigen sind - im Verhältnis zu der Beklagten - die von der Ausfallbürgin, der B.bank, geleisteten
  214. Zahlungen in Höhe von 1.130.749,06 DM. Diese Zahlungen sind vorläufig. Ob
  215. die Klägerin sie behalten darf, hängt davon ab, ob sie nach Realisierung der ihr
  216. neben der Ausfallbürgschaft zur Verfügung stehenden Sicherheiten einen
  217. Ausfall hat (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 1998 - IX ZR 120/97, WM 1998, 976,
  218. 979; vom 10. Dezember 1998 - IX ZR 156/98, WM 1999, 173, 177). Ergäbe die
  219. Verwertung der sonstigen Sicherheiten - insbesondere die Erfüllung der Bürgenschuld durch die Beklagte - zusammen mit der Zahlung der Ausfallbürgin
  220. eine Überzahlung der Klägerin, müßte diese deshalb den Überschuß an die
  221. Ausfallbürgin zurückzahlen. Davon abgesehen verbliebe, selbst wenn man die
  222. Zahlung der Ausfallbürgin zugunsten der Beklagten voll berücksichtigen wollte,
  223. immer noch eine Restforderung in einer die Bürgschaftssumme übersteigenden
  224. Höhe (1.395.661,99 DM - 35.000 DM - 1.130.749,06 DM = 229.912,93 DM).
  225. Von den anderen Bürgen waren angeblich keine Leistungen zu erlangen.
  226. - 13 -
  227. III.
  228. Da sich das angefochtene Urteil auch nicht aus anderen Gründen als
  229. richtig erweist, ist es aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur Beweisaufnahme an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
  230. Kreft
  231. Stodolkowitz
  232. Dr. Ganter
  233. Richter am Bundesgerichtshof
  234. Dr. Zugehör ist ortsabwesend
  235. und deshalb verhindert, seine
  236. Unterschrift beizufügen.
  237. Kreft
  238. Raebel