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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. IX ZR 13/07
  5. Verkündet am:
  6. 13. Januar 2011
  7. Kluckow
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. AnfG § 11 Abs. 1 Satz 1; BGB § 1142
  19. Der Anfechtungsgegner kann den Bereitstellungsanspruch durch Zahlung eines
  20. Geldbetrags abwehren, der die Gläubigerbenachteiligung beseitigt. Hierfür ist in der
  21. Regel das zu erwartende Ergebnis der Zwangsversteigerung in dem Zeitpunkt maßgebend, in welchem die Einlösungsbefugnis ausgeübt wird. Die Darlegungs- und
  22. Beweislast für das zu erwartende Zwangsversteigerungsergebnis trifft in diesem Zusammenhang im Allgemeinen den Anfechtungsgegner.
  23. BGH, Urteil vom 13. Januar 2011 - IX ZR 13/07 - OLG Karlsruhe in Freiburg
  24. LG Konstanz
  25. -2-
  26. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  27. vom 13. Januar 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, den
  28. Richter Raebel, die Richterin Lohmann, den Richter Dr. Pape und die Richterin
  29. Möhring
  30. für Recht erkannt:
  31. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats in
  32. Freiburg des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 28. Dezember
  33. 2006 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das
  34. Berufungsgericht zurückverwiesen.
  35. Von Rechts wegen
  36. Tatbestand:
  37. Der Ehemann der Beklagten (nachfolgend auch Vollstreckungsschuld-
  38. 1
  39. ner) wurde am 8. Januar 2003 rechtskräftig zur Zahlung von 977.313,60 € nebst
  40. Zinsen an die Klägerin verurteilt, deren Vollstreckungsversuche weitgehend erfolglos blieben. Aufgrund Vertrags vom 13. Februar 2003 erhielt die Beklagte
  41. von ihrem Ehemann seine hälftigen Miteigentumsbruchteile an den mit einem
  42. Reihenhaus bebauten Grundstücken G.
  43. G.
  44. Bl.
  45. , A.
  46. (Grundbuch von
  47. lfd. Nr. 1 und 2; im Folgenden nur Reihenhaus-
  48. grundstück) und dem Wohnungseigentum ebenda H.
  49. nungsgrundbuch von G.
  50. Bl.
  51. Straße
  52. (Woh-
  53. ) geschenkt und wurde am 26. Fe-
  54. -3-
  55. bruar dieses Jahres als Alleineigentümerin der Liegenschaften in das Grundbuch eingetragen.
  56. 2
  57. Die Klägerin ficht die schenkweise Übertragung dieser Liegenschaften
  58. an. Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, die Zwangsvollstreckung in die
  59. weggegebenen Liegenschaften zur Befriedigung der der Klägerin rechtskräftig
  60. zuerkannten Forderung aus dem hälftigen Erlös zu dulden. Die Berufung der
  61. Beklagten, die zugunsten der Klägerin wegen ihrer Anfechtung einen Betrag
  62. von 40.000 € hinterlegt hat, ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
  63. Entscheidungsgründe:
  64. 3
  65. Die Revision ist begründet, der Rechtsstreit in der Sache selbst wegen
  66. fehlender Feststellungen aber noch nicht zur Endentscheidung reif.
  67. I.
  68. 4
  69. Das Berufungsgericht hat den Vortrag der Klägerin für möglich erachtet,
  70. dass sie durch Zwangsvollstreckung mehr als den von der Beklagten hinterlegten Betrag erlöse, obwohl die festgestellten Verkehrswerte des Reihenhauses
  71. von 198.600 € bei Belastungen von 139.665 € und der Eigentumswohnung von
  72. 181.000 € bei Belastungen von 179.760 € diese Erwartung nicht stützen. Dazu
  73. hatte die Beklagte in der Berufungsinstanz behauptet, dass in der Zwangsversteigerung des Reihenhauses und der vermieteten Eigentumswohnung Ergebnisse über den festgestellten Verkehrswerten nicht in Aussicht stünden und da-
  74. -4-
  75. für Beweis angetreten. Dem Beweisantritt der Beklagten ist das Berufungsgericht nicht nachgegangen. Es hat auch nicht darauf hingewiesen, dass es den
  76. Beweisantritt als nicht hinreichend erachte. Dieses Verfahren rügt die Revision
  77. mit Recht als entscheidungserheblichen Verstoß gegen die Verfassungsgarantie rechtlichen Gehörs vor Gericht (Art. 103 Abs. 1 GG). Das Berufungsurteil
  78. kann danach keinen Bestand haben.
  79. 5
  80. Der bisherige Beweisantritt der Beklagten ist allerdings nicht genügend,
  81. worauf das Berufungsgericht sie nach § 139 Abs. 1 ZPO hätte hinweisen müssen. Eine amtliche Auskunft des Vollstreckungsgerichts über die dort erzielten
  82. Zwangsversteigerungsergebnisse im Vergleich mit den zuvor festgesetzten
  83. Verkehrswerten kann möglicherweise nicht erteilt werden und gestattet jedenfalls noch keine verlässliche Prognose für die nach Ansicht der Klägerin besonders liegenden Verwertungsfälle des Streitgegenstands. Die Zurückverweisung
  84. gibt der Beklagten nunmehr Gelegenheit, sich zum Beweis ihrer Behauptung
  85. auf ein weiteres Sachverständigengutachten zu beziehen, durch welches auf
  86. der Grundlage der zur amtlichen Kaufpreissammlung mitgeteilten Zuschlagsbeschlüsse das voraussichtliche Zwangsversteigerungsergebnis für das von der
  87. Anfechtung betroffene Reihenhausgrundstück unter Prüfung etwaiger Besonderheiten festgestellt wird (vgl. BGH, Urt. v. 20. Oktober 2005 - IX ZR 276/02,
  88. ZIP 2006, 387 Rn. 9 a.E.). Wertermittlungsstichtag ist insoweit für das Reihenhausgrundstück der Zeitpunkt, an welchem die Beklagte ihre Einlösungsbefugnis mit angemessenen Bedingungen ausgeübt hat (vgl. § 95 Abs. 2 Nr. 3
  89. BauGB). Im Übrigen und wegen der Wertänderungen, die bis zu dem maßgeblichen Zeitpunkt möglicherweise eingetreten sind, bewendet es bei den im Urteil
  90. des Bundesgerichtshofs vom 24. September 1996 (IX ZR 190/95, NJW 1996,
  91. 3341, 3342 unter 1.) entwickelten Grundsätzen.
  92. -5-
  93. II.
  94. Das Berufungsurteil ist auch insoweit fehlerhaft, als seine Feststellung
  95. 6
  96. der Gläubigerbenachteiligung sich auf die rechtlich unzureichenden Sachverständigengutachten der ersten Instanz stützt. Wie bereits dargelegt, kann die
  97. Gläubigerbenachteiligung infolge von Grundstücksschenkungen als Voraussetzung eines Bereitstellungsanspruchs gemäß § 11 AnfG nicht unter alleiniger
  98. Heranziehung der nach allgemeinen Grundsätzen ermittelten Verkehrswerte
  99. beurteilt werden. Geprüft werden muss, welchen Erlös ein Grundstück bei einer
  100. Zwangsversteigerung voraussichtlich erbringen wird oder erbracht hätte (BGH,
  101. Urt. v. 20. Oktober 2005, aaO). Danach scheint hier in besonderem Maße zweifelhaft, ob die Übertragung der Eigentumswohnung nicht infolge von Belastungen, die den zu erwartenden Zwangsversteigerungserlös ausschöpften, unanfechtbar war. Dem Vorliegen einer Gläubigerbenachteiligung als Anfechtungsvoraussetzung, für welche die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast trifft
  102. (BGH, aaO), wird daher im zweiten Berufungsdurchgang weiter nachzugehen
  103. sein.
  104. III.
  105. 7
  106. Die weiteren Angriffe der Revision gegen das Berufungsurteil dringen
  107. nicht durch.
  108. 8
  109. 1. Die Klägerin könnte hier beide Liegenschaften der Beklagten insgesamt zwangsversteigern lassen, weil die anfechtbar übertragenen Miteigentumsbruchteile des Vollstreckungsschuldners durch Vereinigung mit denen der
  110. Beklagten untergegangen sind. Die anfechtungsrechtliche Folgenbeseitigung
  111. -6-
  112. der Gläubigerbenachteiligung ergreift jedoch dann nur den halben Zwangsversteigerungserlös (vgl. BGH, Urt. v. 23. Februar 1984 - IX ZR 26/83, BGHZ 90,
  113. 207, 217 f; v. 17. Juli 2008 - IX ZR 245/06, ZIP 2008, 2136 Rn. 12).
  114. 9
  115. 2. Die Beklagte beruft sich in erheblicher Weise auf ihre Befugnis, den
  116. pfandrechtsähnlichen Bereitstellungsanspruch (vgl. § 1147 BGB) des § 11
  117. Abs. 1 Satz 1 AnfG durch Zahlung eines Geldbetrags entsprechend § 1142
  118. BGB abzulösen, wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgeht (zur Einlösungsbefugnis des Anfechtungsgegners vgl. Jaeger, Gläubigeranfechtung
  119. 2. Aufl. 1938, § 7 AnfG Anm. 5; Huber, AnfG 10. Aufl. § 11 Rn. 10; zum Zweck
  120. des § 1142 BGB vgl. BGHZ 108, 372, 378 f).
  121. 10
  122. Verweigert der Anfechtungsgläubiger die Annahme des Einlösungsbetrags, so kann er hinterlegt werden und der Bereitstellungsanspruch erlischt
  123. gemäß §§ 372, 378 BGB oder ist nach § 379 Abs. 1 BGB durch Verweisung auf
  124. den Hinterlegungsbetrag abzuwehren. Der Streit der Parteien geht seither noch
  125. darüber, ob der hinterlegte Einlösungsbetrag genügt, um die Folgen der Gläubigerbenachteiligung zu beseitigen, welche die Klägerin durch die angefochtene
  126. Bruchteilsübertragung des Reihenhausgrundstücks vom Vollstreckungsschuldner an die Beklagte erlitten hat.
  127. 11
  128. Die Revision möchte die Beweislast für eine ungenügende Einlösungssumme der Klägerin überbürden und meint, wie beim Sekundäranspruch gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AnfG, § 818 Abs. 2 BGB müsse der Anfechtungskläger
  129. den Umfang der Gläubigerbenachteiligung beweisen. Das gelte insbesondere,
  130. wenn ein Erlös der Zwangsversteigerung über dem festgestellten Verkehrswert
  131. behauptet werde (vgl. MünchKomm-InsO/Kirchhof 2. Aufl. § 143 Rn. 86; in dem
  132. dort Fn. 396 zitierten Urteil des BGH vom 20. Februar 1980 - VIII ZR 48/79,
  133. -7-
  134. NJW 1980, 1580, 1581 jedoch letztlich offen gelassen). Die Beweislastfrage zur
  135. Einlösungsbefugnis, wenn der Anfechtungskläger behauptet, mit der Zwangsversteigerung bessere Befriedigungsaussichten zu haben als aus dem Einlösungsbetrag, ist noch nicht höchstrichterlich geklärt. Sie wird im Schrifttum
  136. kaum behandelt (vgl. aber Jaeger, aaO S. 254 Mitte: Beweislast Anfechtungsgegner).
  137. 12
  138. Die Auffassung Jaegers, der auch das Berufungsgericht im Ergebnis gefolgt ist, trifft zu. Es geht bei der Einlösungsbefugnis um die Einwendung des
  139. Anfechtungsgegners, dass der Bereitstellungsanspruch des § 11 Abs. 1 Satz 1
  140. AnfG durch genügende Befriedigung in Geld erloschen ist oder abgewehrt werden kann. Schuldet der Anfechtungsgegner die Bereitstellung der anfechtbar
  141. erworbenen Sache, so muss er beweisen, dass er die Gläubigerbenachteiligung
  142. durch Gebrauchmachen von seiner Einlösungsbefugnis beseitigt hat. Das steht
  143. auch im Einklang mit der zum insolvenzrechtlichen Rückgewähranspruch gemäß §§ 129, 143 InsO vertretenen - richtigen - Auffassung, dass der Anfechtungsgegner die Beweislast für die Einwendung trägt, die Gläubigerbenachteiligung durch Rückführung des Erlangten in das Schuldnervermögen bereits vollständig beseitigt zu haben (vgl. MünchKomm-InsO/Kirchhof, aaO § 129 Rn. 178
  144. Fn. 847 a.E., Rn. 228a).
  145. 13
  146. Die Lebenserfahrung über die Verwertungsergebnisse von Grundstückszwangsversteigerungen rechtfertigt keine abweichende Verteilung der Beweislast. Aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20. Februar 1980 (aaO
  147. S. 1581 unter 2.) kann nicht abgeleitet werden, dass der Vollstreckungsgläubiger oder Anfechtungskläger jedenfalls Umstände darlegen und beweisen muss,
  148. aus denen hervorgeht, dass in der Zwangsversteigerung mit Geboten zu rechnen sei, die den Verkehrswert abzüglich bestehen bleibender Belastungen
  149. -8-
  150. übersteigen. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Klägerin ihre Annahme, hier solche ungewöhnlich günstigen Verwertungsergebnisse der Zwangsversteigerung erwarten zu können, durch Sachvortrag nicht weiter untermauert
  151. hat. Allerdings wäre ein ungewöhnlich starkes Bietinteresse, welches in persönlichen Gegebenheiten wurzelt, von ihr darzulegen gewesen.
  152. IV.
  153. 14
  154. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass der von der
  155. Revisionserwiderung vertretene Standpunkt, die Klägerin könne sich auch eine
  156. Zwangssicherungshypothek am fiktiven Grundstücksbruchteil des Vollstreckungsschuldners eintragen lassen (vgl. dazu BGHZ 90, 207, 213 f), das Ergebnis für die Klägerin nicht verbessert. Denn gegen die Zwangssicherungshypothek könnte die Beklagte das Befriedigungsrecht des Eigentümers gemäß
  157. § 1142 BGB ausüben. Das angemessene Befriedigungsangebot würde sich
  158. jedenfalls bei anfechtungsrechtlich begründeter Entstehung der Zwangssicherungshypothek auf das Maß ihrer Wertdeckung als dem Umfang der Gläubigerbenachteiligung beschränken, deren Folgenbeseitigung die Anfechtung bezweckt (vgl. BGH, Urt. v. 24. September 1996, aaO S. 3342 unter 4.; Raebel,
  159. Festschrift für Ganter, 2010, S. 339, 347 f).
  160. 15
  161. Das ebenfalls prüfungsbedürftige (vgl. BGH, Urt. v. 24. September 1996,
  162. aaO S. 3342 unter 3.) Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für eine Bruchteilszwangsverwaltung ist bisher nicht erkennbar. Bei der Eigentumswohnung der
  163. Beklagten fehlt es angesichts der nach § 155 Abs. 2 ZVG vorrangig zu bedienenden Belastungen an einem erzielbaren Überschuss. Bei dem Reihenhaus ist
  164. ein entsprechendes Ergebnis zwar zweifelhaft, jedoch steht die Klägerin mut-
  165. -9-
  166. maßlich bereits allein mit der Kapitalnutzung des Einlösungsbetrags auch insoweit günstiger. Nach dem Rechtsgedanken des § 1142 BGB muss sich die Klägerin hierauf verweisen lassen, wenn der hinterlegte Einlösungsbetrag als solcher angemessen war.
  167. Kayser
  168. Raebel
  169. Pape
  170. Lohmann
  171. Möhring
  172. Vorinstanzen:
  173. LG
  174. Konstanz, Entscheidung vom 16.03.2006 - 5 O 358/04 D -
  175. OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 28.12.2006 - 9 U 79/06 -