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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. IX ZR 123/13
  5. Verkündet am:
  6. 29. Oktober 2015
  7. Kluckow
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. InsO § 134 Abs. 1; HGB § 128 Satz 1
  19. Befriedigt ein persönlich haftender Gesellschafter die Forderung eines Gläubigers
  20. gegen die Gesellschaft und erlischt dadurch die Haftungsverbindlichkeit des Gesellschafters, ist seine Leistung im Insolvenzverfahren über sein Vermögen nicht als unentgeltliche Leistung anfechtbar.
  21. BGH, Urteil vom 29. Oktober 2015 - IX ZR 123/13 - OLG Bamberg
  22. LG Aschaffenburg
  23. -2-
  24. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  25. vom 29. Oktober 2015 durch die Richter Vill, Prof. Dr. Gehrlein, Grupp, die
  26. Richterin Möhring und den Richter Dr. Schoppmeyer
  27. für Recht erkannt:
  28. Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 14. Mai 2013 wird auf Kosten des Klägers
  29. zurückgewiesen.
  30. Von Rechts wegen
  31. Tatbestand:
  32. 1
  33. Der Kläger ist Verwalter in dem auf einen Antrag vom 14. September
  34. 2010 am 3. Januar 2011 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der
  35. M.
  36. GmbH (fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin
  37. war Komplementärin der Getränke O.
  38. GmbH & Co. KG (künftig: KG),
  39. über deren Vermögen ebenfalls am 3. Januar 2011 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Beklagte hatte an die KG Kraftstoffe geliefert. Für diese Leistungen zahlte die Schuldnerin zwischen dem 20. Januar 2010 und dem
  40. 22. Februar 2010 insgesamt 20.023,46 € an die Beklagte. Zum Zeitpunkt der
  41. Zahlungen war die KG insolvenzreif.
  42. 2
  43. Der Kläger hat die Zahlungen angefochten. Seine auf Rückgewähr gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Senat
  44. - 3 -
  45. wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision verfolgt der Kläger
  46. sein Begehren weiter.
  47. Entscheidungsgründe:
  48. 3
  49. Die Revision hat keinen Erfolg.
  50. I.
  51. 4
  52. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Ein Anspruch auf Rückgewähr bestehe nicht. Die Voraussetzungen einer Schenkungsanfechtung nach § 134
  53. Abs. 1 InsO seien nicht gegeben, weil es sich bei den Zahlungen nicht um unentgeltliche Leistungen gehandelt habe. Die Zahlungen seien entgeltlich erfolgt,
  54. weil die Insolvenzschuldnerin zumindest auch auf ihre eigene Verbindlichkeit
  55. aus ihrer Haftung als Komplementärin gezahlt habe und die Beklagte damit eine
  56. Forderung verloren habe, die werthaltig gewesen sei.
  57. II.
  58. 5
  59. Das Berufungsgericht hat richtig entschieden. Ein Anspruch des Klägers
  60. aus § 143 Abs. 1, § 134 Abs. 1 InsO besteht nicht.
  61. 6
  62. 1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei
  63. der Beurteilung, ob eine Leistung des Schuldners unentgeltlich im Sinne von
  64. § 134 Abs. 1 InsO erfolgte, zwischen Zwei-Personen-Verhältnissen und Drei-
  65. - 4 -
  66. Personen-Verhältnissen zu unterscheiden. Im Zwei-Personen-Verhältnis ist eine Verfügung als unentgeltlich anzusehen, wenn ihr nach dem Inhalt des
  67. Rechtsgeschäfts keine Leistung gegenübersteht, dem Leistenden also keine
  68. dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert entsprechende Gegenleistung zufließen soll. Wird eine dritte Person in den Zuwendungsvorgang eingeschaltet,
  69. kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Leistende selbst einen Ausgleich für seine Leistung erhalten hat; maßgeblich ist vielmehr, ob der Zuwendungsempfänger seinerseits eine Gegenleistung zu erbringen hat. Bezahlt der
  70. Leistende die gegen einen Dritten gerichtete Forderung des Zuwendungsempfängers, liegt dessen Gegenleistung in der Regel darin, dass er mit der Leistung, die er gemäß § 267 Abs. 2 BGB nur bei Widerspruch seines Schuldners
  71. ablehnen kann, eine werthaltige Forderung gegen diesen verliert. Ist hingegen
  72. die Forderung des Zuwendungsempfängers wertlos, verliert dieser wirtschaftlich
  73. nichts, was als Gegenleistung für die Zuwendung angesehen werden kann. In
  74. solchen Fällen ist die Tilgung einer fremden Schuld als unentgeltliche Leistung
  75. anfechtbar. Der Zuwendungsempfänger ist gegenüber den Insolvenzgläubigern
  76. des Leistenden nicht schutzwürdig; denn er hätte ohne dessen Leistung, auf die
  77. er keinen Anspruch hatte, seine Forderung nicht durchsetzen können (BGH,
  78. Urteil vom 17. Oktober 2013 - IX ZR 10/13, WM 2013, 2182 Rn. 6 mwN).
  79. 7
  80. 2. Nach diesen Maßstäben handelte es sich bei den Zahlungen der
  81. Schuldnerin um entgeltliche Leistungen.
  82. 8
  83. a) Als Komplementärin haftete die Schuldnerin nach § 161 Abs. 2, § 128
  84. Satz 1 HGB persönlich und unbeschränkt für die Verbindlichkeiten der KG. Ihre
  85. daraus resultierenden Verbindlichkeiten waren von denjenigen der KG verschieden. Es handelt sich um eine gesetzliche, primäre, zur Schuld der Gesellschaft akzessorische Haftung (MünchKomm-HGB/K. Schmidt, 3. Aufl., § 128
  86. - 5 -
  87. Rn. 1 f, 16, 20). Zahlte die Schuldnerin, wovon die Beklagte mangels einer abweichenden Tilgungsbestimmung (§ 366 Abs. 1 BGB) der Schuldnerin im Zweifel ausgehen musste (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2012 - IX ZR 2/11, BGHZ
  88. 192, 221 Rn. 20), auf ihre Haftungsverbindlichkeit, erlosch diese. Die Zahlung
  89. stellt sich dann als eine entgeltliche Leistung im Zwei-Personen-Verhältnis dar.
  90. Entgeltlichkeit wird dort nicht nur dadurch begründet, dass dem Leistenden eine
  91. vereinbarte Gegenleistung zufließt. Die Erfüllung einer eigenen entgeltlichen
  92. rechtsbeständigen Schuld schließt als Gegenleistung die dadurch bewirkte
  93. Schuldbefreiung mit ein. Darum ist auch die Erfüllung von Ansprüchen aus gesetzlichen Schuldverhältnissen entgeltlich (BGH, Urteil vom 18. März 2010
  94. - IX ZR 57/09, WM 2010, 851 Rn. 9; vgl. auch BGH, Urteil vom 9. Dezember
  95. 2010 - IX ZR 60/10, WM 2011, 364 Rn. 10; vom 19. Januar 2012, aaO Rn. 36;
  96. MünchKomm-InsO/Kayser,
  97. 3. Aufl.,
  98. § 134
  99. Rn.
  100. 17b,
  101. 26;
  102. Schmidt/Ganter/Weinland, InsO, 18. Aufl., § 134 Rn. 45).
  103. 9
  104. b) Die Leistungen der Schuldnerin waren aber auch dann entgeltlich,
  105. wenn sie nicht auf ihre Haftungsverbindlichkeit, sondern auf die Verbindlichkeiten der KG zahlte. Es handelte sich dann um Leistungen in einem DreiPersonen-Verhältnis. Ein die Leistungen der Schuldnerin ausgleichendes Vermögensopfer der Beklagten kann in diesem Fall zwar nicht im Erlöschen ihrer
  106. Forderungen gegen die KG gesehen werden, denn diese waren wegen der
  107. Zahlungsunfähigkeit der KG wertlos. Mit der Erfüllung der Forderungen der Beklagten gegen die KG erlosch aber auch die darauf bezogene, akzessorische
  108. Haftungsverbindlichkeit der Schuldnerin. Im Freiwerden von dieser Schuld liegt
  109. der Ausgleich im Verhältnis zwischen der Beklagten und der Schuldnerin, der
  110. die Anwendung von § 134 InsO ausschließt (BGH, Urteil vom 19. Januar 2012,
  111. aaO Rn. 35; Schmidt/Ganter/Weinland, aaO Rn. 54; HK-InsO/Thole, 7. Aufl.,
  112. § 134 Rn. 9).
  113. - 6 -
  114. 10
  115. aa) In entsprechender Wertung hat der Senat die Leistung desjenigen,
  116. der einer Schuld beigetreten ist und an den Gläubiger des insolventen Forderungsschuldners zahlt, als entgeltlich beurteilt, weil mit der Leistung auch die
  117. eigene Verpflichtung des Leistenden gegenüber dem Gläubiger aus dem
  118. Schuldbeitritt erlischt (BGH, Urteil vom 3. März 2005 - IX ZR 441/00, BGHZ
  119. 162, 276, 282). Nichts anderes kann gelten, wenn aufgrund der Drittzahlung der
  120. Haftungsanspruch des Gläubigers aus § 161 Abs. 2, § 128 Satz 1 HGB erlischt.
  121. Ließe man in diesen Fällen die Anfechtung des Insolvenzverwalters des persönlich haftenden Gesellschafters nach § 134 Abs. 1 InsO durchgreifen, würde
  122. der Zweck dieser persönlichen Haftung, eine Sicherung der Forderung gegen
  123. die Gesellschaft zu erreichen, insolvenzrechtlich verfehlt (vgl. zu § 73 AO: BGH,
  124. Urteil vom 19. Januar 2012 - IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 Rn. 36).
  125. 11
  126. bb) Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Anspruch der Beklagten gegen die persönlich haftende Gesellschafterin aus § 161 Abs. 2, § 128 Satz 1
  127. HGB Aussicht auf Befriedigung bot und deshalb werthaltig war. Bei Leistungen
  128. in einem Drei-Personen-Verhältnis spielt die Werthaltigkeit einer Forderung des
  129. Leistungsempfängers insoweit eine Rolle, als es darum geht, ob der Empfänger
  130. außerhalb seines Verhältnisses zum Leistenden ein Vermögensopfer erbringt,
  131. das die empfangene Leistung als entgeltlich qualifiziert. Die Einbeziehung solcher Vermögensopfer soll die Anfechtbarkeit von Drittzahlungen nach § 134
  132. InsO beschränken, die sonst mangels einer Gegenleistung in der Beziehung
  133. zwischen dem Empfänger und dem Leistenden regelmäßig gegeben wäre.
  134. Schützenswert ist der Leistungsempfänger in diesen Fällen aber nur dann,
  135. wenn der Leistungsempfang zum Verlust eines wirklichen Vermögenswerts geführt hat, sei es zum Verlust einer werthaltigen Forderung gegen seinen
  136. Schuldner oder auch zum Verlust einer werthaltigen Sicherheit, die eine weitere
  137. - 7 -
  138. Person für die Forderung gestellt hatte (BGH, Beschluss vom 3. April 2014
  139. - IX ZR 236/13, WM 2014, 955 Rn. 6). Anders verhält es sich, wenn der Leistungsempfänger einen eigenen Anspruch gegen den Leistenden hatte. Bringt
  140. die Leistung diesen Anspruch zum Erlöschen, sei es auch nur als Folge der
  141. Akzessorietät zu der getilgten Verbindlichkeit eines Dritten, dann liegt bereits
  142. darin die ausgleichende Gegenleistung des Empfängers, die es rechtfertigt, die
  143. empfangene Leistung in seinem Verhältnis zum Leistenden als entgeltlich zu
  144. beurteilen, gleichviel ob der Anspruch gegen den Leistenden im Voraus werthaltig erschien oder nicht. Hier kann nichts anderes gelten, als wenn der
  145. Schuldner auf die eigene Verbindlichkeit geleistet hätte. Es kann deshalb dahinstehen, ob zum Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen nicht nur die KG,
  146. sondern auch die Schuldnerin als ihre persönlich haftende Gesellschafterin zahlungsunfähig war. Die Angriffe der Revision gegen die diesbezüglichen Feststellungen des Berufungsgerichts sind ohne Belang.
  147. 12
  148. cc) Weil es auf die Werthaltigkeit des Haftungsanspruchs nicht ankommt,
  149. kann eine Unentgeltlichkeit der von der Schuldnerin erbrachten Leistungen
  150. auch nicht daraus hergeleitet werden, dass der Haftungsanspruch aus § 161
  151. Abs. 2, § 128 Satz 1 HGB wegen der Regelung in § 93 InsO entwertet gewesen
  152. sei (so OLG Rostock, ZInsO 2004, 555, für Zahlungen des persönlich haftenden
  153. Gesellschafters während des Eröffnungsverfahrens). Es bedarf deshalb keiner
  154. Erörterung, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang dieser Norm über ihren
  155. Wortlaut hinaus eine Wirkung bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beigemessen werden kann.
  156. 13
  157. dd) Dass der Senat die Begleichung der Verbindlichkeit einer KG durch
  158. eine Schwestergesellschaft als unentgeltlich erachtet hat (BGH, Urteil vom
  159. 30. März 2006 - IX ZR 84/05, WM 2006, 1156), steht der vorstehenden Beurtei-
  160. - 8 -
  161. lung nicht entgegen. Anders als im Streitfall hatte der Gläubiger dort keinen Anspruch gegen die leistende Gesellschaft, der durch die Zahlung erlosch.
  162. III.
  163. 14
  164. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch kann auch nicht auf andere
  165. Anfechtungsnormen gestützt werden. Eine Deckungsanfechtung nach §§ 130,
  166. 131 InsO scheidet aus, weil die Zahlungen außerhalb des Dreimonatszeitraums
  167. vor dem Eröffnungsantrag erfolgten. Mangels Darlegung der subjektiven
  168. Voraussetzungen kommt auch eine Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO
  169. nicht in Betracht.
  170. Vill
  171. Gehrlein
  172. Möhring
  173. Grupp
  174. Schoppmeyer
  175. Vorinstanzen:
  176. LG Aschaffenburg, Entscheidung vom 09.11.2012 - 23 O 67/12 OLG Bamberg, Entscheidung vom 14.05.2013 - 5 U 235/12 -