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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. IX ZR 118/08
  5. Verkündet am:
  6. 16. Juli 2009
  7. Preuß
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. ja
  16. BGHR:
  17. ja
  18. InsO § 82
  19. Ist nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Erfüllung einer Verbindlichkeit an den Schuldner geleistet worden, obwohl die Verbindlichkeit zur Insolvenzmasse zu erfüllen war, so wird der Leistende nicht befreit, wenn er zu einer
  20. Zeit, als er den Leistungserfolg noch zu verhindern vermochte, von der Verfahrenseröffnung Kenntnis erlangt hat.
  21. BGH, Urteil vom 16. Juli 2009 - IX ZR 118/08 - LG Neubrandenburg
  22. AG Neubrandenburg
  23. -2-
  24. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  25. vom 16. Juli 2009 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter und die Richter
  26. Raebel, Prof. Dr. Kayser, Dr. Pape und Grupp
  27. für Recht erkannt:
  28. Die Revision gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Neubrandenburg vom 22. Mai 2008 wird auf Kosten der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der zugesprochene Betrag mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist.
  29. Von Rechts wegen
  30. Tatbestand:
  31. 1
  32. Der Kläger ist Verwalter in dem am 10. Februar 2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der B.
  33. GmbH (fortan
  34. Schuldnerin). Die Eröffnung wurde am 11. Februar 2005 im Internet und am
  35. 23. Februar 2005 im Bundesanzeiger veröffentlicht.
  36. 2
  37. Die Schuldnerin war bei der Beklagten gegen Schäden aus Einbruchsdiebstahl versichert. Zur Regulierung eines vor Insolvenzeröffnung eingetretenen Versicherungsfalls übersandte die Beklagte an die Postanschrift der
  38. Schuldnerin am 25. Februar 2005 einen Scheck über 2.853 €. Mit einem spätestens am 3. März 2005 zugegangenen Schreiben vom 28. Februar 2005 zeigte der Kläger der Beklagten die Eröffnung des Insolvenzverfahrens an und for-
  39. -3-
  40. derte sie zur Zahlung der Versicherungsleistung auf. Am 8. März 2005 wurde
  41. der Scheck eingelöst, ohne dass der Kläger den Einlösungsbetrag erhielt.
  42. 3
  43. Die auf Zahlung von 2.853 € nebst Zinsen gerichtete Klage war in beiden
  44. Instanzen erfolgreich. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision
  45. verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
  46. Entscheidungsgründe:
  47. 4
  48. Die Revision ist mit Ausnahme der angegriffenen Zinshöhe unbegründet.
  49. I.
  50. 5
  51. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte könne sich für die
  52. erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene Zahlung nicht mit
  53. Erfolg auf den Schutz des guten Glaubens nach § 82 Satz 1 InsO berufen. Die
  54. fehlende Kenntnis von der Verfahrenseröffnung habe die Beklagte darzulegen
  55. und zu beweisen. Sie sei ihrer Darlegungslast aber nicht nachgekommen. Bei
  56. einer Zahlung durch Scheck trete die Erfüllung erst mit Einlösung des Schecks
  57. durch Barzahlung oder Gutschrift ein. Dieser Zeitpunkt sei maßgeblich dafür, ob
  58. die Beklagte keine Kenntnis von der Verfahrenseröffnung gehabt habe. Am
  59. 8. März 2005 habe die Beklagte bereits Kenntnis von der Insolvenzeröffnung
  60. gehabt, weil ihr das Schreiben des Klägers spätestens am 3. März 2005 zugegangen sei. Auch wenn bei einem Versicherungsunternehmen die Organisationsstrukturen möglicherweise nicht derart ausgestaltet seien, dass jede eingehende Information dem Sachbearbeiter unverzüglich vorgelegt würde, sei bei
  61. -4-
  62. einem Zeitraum von fünf Tagen eine eingegangene Information als der Beklagten zugegangen zu bewerten.
  63. II.
  64. Dies hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand. Die Beklagte ist von
  65. 6
  66. ihrer Leistungsverpflichtung aus dem Versicherungsverhältnis nicht fei geworden.
  67. 7
  68. 1. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahren geht nach § 80 Abs. 1 InsO die
  69. Empfangszuständigkeit für alle Leistungen, welche auf die zur Insolvenzmasse
  70. gehörenden Forderungen erbracht werden, auf den Insolvenzverwalter über
  71. (Jaeger/Windel, InsO § 82 Rn. 2; MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, 2. Aufl. § 82
  72. Rn. 3; HK-InsO/Kayser, 5. Aufl. § 82 Rn. 6). Die Parteien haben nicht vorgetragen, dass die Scheckzahlung der Beklagten als eine nach dem Versicherungsvertrag zulässige Leistung an Erfüllungs statt gemäß § 364 Abs. 1 BGB erbracht worden ist. Deshalb konnte die Beklagte den Scheck mangels Einigung
  73. mit dem Kläger nur erfüllungshalber hingeben und ihre Deckungspflicht erst erfüllen, wenn der Scheck ordnungsgemäß eingelöst wurde (vgl. BGHZ 44, 178,
  74. 179 f; 131, 66, 74). Entsprechend § 270 Abs. 1 BGB trug die Beklagte Gefahr
  75. und Kosten der Scheckübermittlung an den Gläubiger (vgl. BGH, Urt. v. 12. Juli
  76. 2000 - VIII ZR 99/99, ZIP 2000, 1719, 1721 unter II. 2. d). Diese Übermittlung
  77. an den Kläger ist im Streitfall nur insoweit gescheitert, als der Scheck in die
  78. Hände eines Organwalters der nicht mehr empfangszuständigen Insolvenzschuldnerin gelangt und von diesem nicht an den Kläger weitergeleitet, sondern
  79. eingelöst worden ist. Ob die Beklagte aufgrund der Einlösung durch die Insolvenzschuldnerin von ihrer Verpflichtung aus dem Versicherungsvertrag freige-
  80. -5-
  81. worden ist oder von dem Kläger auf nochmalige Leistung in Anspruch genommen werden kann, beurteilt sich nach § 82 Satz 1 InsO, nicht nach dem allgemeinen Gefahrtragungsgrundsatz des § 270 Abs. 1 BGB, wie die Revisionserwiderung meint. Nach § 82 Satz 1 InsO wird der Leistende befreit, wenn er zur
  82. Zeit der Leistung an den Insolvenzschuldner die Eröffnung des Verfahrens nicht
  83. kannte.
  84. a) Die Beklagte trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie die
  85. 8
  86. Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gekannt hat, weil sie ihre Leistungshandlung - Übersendung des Schecks - nach der öffentlichen Bekanntmachung
  87. der Verfahrenseröffnung vorgenommen hat (vgl. BGH, Urt. v. 15. Dezember
  88. 2005 - IX ZR 227/04, ZIP 2006, 138, 140 Rn. 12). Maßgeblich für den Übergang
  89. der Beweislast ist der Zeitpunkt, an dem die Bekanntmachung nach § 9 Abs. 1
  90. Satz 3 InsO als bewirkt gilt (HK-InsO/Kayser, aaO § 82 Rn. 20). Die öffentliche
  91. Bekanntmachung ist durch die Veröffentlichung im Internet erfolgt. Das Land
  92. Mecklenburg-Vorpommern hat von der durch § 9 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2
  93. InsO in der bis zum 30. Juni 2007 geltenden Fassung in Verbindung mit § 1
  94. Satz 1 der Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet vom 12. Februar 2002 (BGBl. I, S. 677) eingeräumten Möglichkeit zu einer entsprechenden Veröffentlichung Gebrauch gemacht. Nach Ziffer
  95. I. 3.
  96. der
  97. Verwaltungsvorschrift
  98. des
  99. Justizministeriums
  100. Mecklenburg-
  101. Vorpommern vom 2. September 2003 (III 150/1518 - 42 SH/5, AmtsBl. M-V
  102. 2003, 931) erfolgten ab dem 1. Januar 2004 die öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren ausschließlich im Internet. Auf die von § 30 Abs. 1
  103. Satz 2 InsO in der bis zum 30. Juni 2007 geltenden Fassung daneben vorgeschriebene und hier erst am 23. Februar 2005 erfolgte Veröffentlichung im Bundesanzeiger kommt es für den Zeitpunkt der öffentlichen Bekanntmachung gemäß § 9 Abs. 3 InsO nicht an (vgl. Keller ZIP 2003, 149, 153). Die öffentliche
  104. -6-
  105. Bekanntmachung ist demzufolge durch Internetveröffentlichung mit Ablauf des
  106. 14. Februar 2005 (Montag) bewirkt worden (§ 9 Abs. 1 Satz 3, § 4 InsO, § 222
  107. Abs. 2 ZPO).
  108. 9
  109. b) Der Leistende wird in seinem Vertrauen auf die Empfangszuständigkeit eines Gläubigers nach § 82 InsO nur geschützt, wenn ihm die Eröffnung
  110. des Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen solange unbekannt geblieben
  111. ist, wie er den Leistungserfolg noch zu verhindern vermag (Jaeger/Windel, aaO
  112. § 82 Rn. 48; HK-InsO/Kayser, aaO § 82 Rn. 16; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 82
  113. Rn. 11; Lüke in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 82 Rn. 23; FK-InsO/App, 5. Aufl.
  114. § 82 Rn. 9; HmbKomm-InsO/Kuleisa, 2. Aufl. § 82 Rn. 27; Braun/Kroth, InsO
  115. 3. Aufl. § 82 Rn. 10; Nerlich/Römermann/Wittkowski, InsO § 82 Rn. 18; Smid,
  116. InsO 2. Aufl. § 82 Rn. 9; Graf-Schlicker/Scherer, InsO § 82 Rn. 5; Hess, Insolvenzrecht § 82 InsO Rn. 14; Häsemeyer, Insolvenzrecht 4. Aufl. Rn. 10.15
  117. Fußn. 57; ebenso zum früheren Recht Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 8 Rn. 59).
  118. Die hiervon abweichende Ansicht, die den Zeitpunkt der Leistungshandlung für
  119. maßgeblich hält (MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, aaO Rn. 13; zum früheren Recht
  120. ebenso Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze 17. Aufl. § 8 KO Anm. 2) und sich
  121. hierfür auf den mit § 407 BGB übereinstimmenden Schutzzweck beruft, berücksichtigt die Unterschiede zwischen § 407 BGB und § 82 Satz 1 InsO nicht hinreichend.
  122. 10
  123. aa) Der Vorschrift des § 407 BGB kann nicht das allgemeine Prinzip entnommen werden, dass der Schuldner stets geschützt werden soll, wenn er sich
  124. im Zeitpunkt seiner letzten Leistungshandlung in Unkenntnis der wirklichen
  125. Rechtslage befunden hat (Jaeger/Windel, aaO). Der maßgebliche Zeitpunkt ist
  126. vielmehr für jede dem Schuldnerschutz dienende Vorschrift aus ihrem Normzweck abzuleiten. § 407 BGB liegt die Vorstellung zugrunde, dass der Schuld-
  127. -7-
  128. ner, ohne dessen Zutun die Abtretung erfolgt ist, in seiner Rechtsstellung möglichst nicht beeinträchtigt werden soll (BGHZ 105, 358, 360; BGH, Urt. v.
  129. 18. März 2004 - IX ZR 177/03, WM 2004, 981, 984 f). Er soll vor den Nachteilen
  130. der Abtretung geschützt werden; ihn sollen aber keine zusätzlichen Verpflichtungen treffen (BGHZ 105, 358, 360 f).
  131. 11
  132. bb) Bei § 407 BGB und § 82 Satz 1 InsO sind die Risikolagen und die
  133. Schutzzwecke verschieden.
  134. 12
  135. In den Fällen des § 407 BGB gibt die Kenntnis des Schuldners, die seinen Leistungsschutz begrenzt, dem Individualinteresse eines Zessionars Vorrang, der die wirksame Leistung an den Zedenten vorher zwar gemäß § 816
  136. Abs. 2 BGB von diesem herausverlangen kann, dem aber die Gefahr einer anspruchsvereitelnden Verfügung des Zedenten im ordentlichen Geschäftsverkehr, eines Vollstreckungszugriffs von Gläubigern des Zedenten und das Risiko
  137. von dessen Insolvenz droht. Vergleichbare Gefahren drohen dem Insolvenzverwalter nicht. Anders als nach der Konkursordnung fällt auch die Leistung des
  138. Drittschuldners an den Insolvenzschuldner gemäß § 35 Abs. 1 InsO in die Masse. Trotz seiner Fehlleitung unterliegt der Leistungsgegenstand nicht der
  139. Zwangsvollstreckung durch den Neugläubiger des Insolvenzschuldners (§ 89
  140. Abs. 1 InsO). Dritte können daran keine Rechte erwerben (§ 91 Abs. 1 InsO).
  141. Die Risikolage, welcher § 82 InsO Rechnung tragen will und der in den Fällen
  142. des § 407 BGB nichts Entsprechendes gegenüber steht, liegt darin, dass dem
  143. Insolvenzverwalter der nach § 80 Abs. 1 InsO seiner Verfügungsmacht unterstehenden Leistungsgegenstand von einem ungetreuen Insolvenzschuldner
  144. vorenthalten wird. So soll es auch im Streitfall gewesen sein.
  145. -8-
  146. Der durch § 82 Satz 1 InsO den Drittschuldnern aus Billigkeitsgründen
  147. 13
  148. eingeräumte Gutglaubensschutz gewährt deshalb nicht wie § 407 BGB ein Mindestmaß an Sicherheit; er stellt sich vielmehr als eine besondere Vergünstigung
  149. dar (so schon BGHZ 140, 54, 58 f zu § 8 Abs. 2 und 3 KO) und dient zugleich
  150. dem öffentlichen Interesse an einem effektiven Insolvenzverfahren. Diesem
  151. Regelungsziel entspricht es, dem Leistenden weitergehende Obliegenheiten als
  152. nach § 407 BGB aufzuerlegen und darauf abzustellen, ob der Drittschuldner
  153. seine Leistung noch zurückrufen und so dem Risiko eines treuwidrigen Verfahrensschuldners vorbeugen kann (vgl. Jaeger/Windel, aaO; HK-InsO/Kayser,
  154. aaO).
  155. 14
  156. cc) Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die gesetzliche Wertung für den
  157. Fall, dass ein gutgläubiger Schuldner nicht an den wirklichen Erben, sondern an
  158. den Erbscheinserben als Gläubiger geleistet hat. Abweichend von § 407 Abs. 1
  159. BGB ist für die Kenntnis des Schuldners von der Unrichtigkeit des Erbscheins
  160. bei Leistung an den Erbscheinserben (§§ 2367, 2366 BGB) der Zeitpunkt entscheidend,
  161. an
  162. dem
  163. sich
  164. der
  165. Leistungserfolg
  166. vollendet
  167. (Staudinger/
  168. Schilken, BGB Neubearbeitung 2004, § 2366 Rn. 8; MünchKomm-BGB/Mayer,
  169. 4. Aufl. § 2366 Rn. 17; Siegmann/Höger in Bamberger/Roth, BGB 2. Aufl.
  170. § 2366 Rn. 14; Erman/Schlüter, BGB 12. Aufl. § 2366 Rn. 4; Palandt/Edenhofer, BGB 68. Aufl. § 2366 Rn. 3). Dort gelangt der Leistungsgegenstand kraft
  171. dinglicher Surrogation in Rechtsanalogie zu § 718 Abs. 2, § 1418 Abs. 2 Nr. 3,
  172. § 1473 Abs. 1, § 1638 Abs. 2, §§ 2041, 2111 Abs. 1 BGB unmittelbar in den
  173. Nachlass. Der Erbscheinserbe ist dem wirklichen Erben als Erbschaftsbesitzer
  174. nach § 2018 BGB zur Herausgabe verpflichtet. Die Zwangsvollstreckung von
  175. Gläubigern des Erbschaftsbesitzers in Nachlasssurrogate kann vom wirklichen
  176. Erben nach § 771 ZPO abgewehrt werden (MünchKomm-BGB/Helms, 4. Aufl.
  177. § 2019 Rn. 1 a.E.). Zusätzlich wird der wirkliche Erbe durch § 2019 Abs. 1 BGB
  178. -9-
  179. geschützt. Auch hier ist demzufolge die Gefahr im Falle einer Fehlleitung der
  180. Leistung wesentlich geringer als das Gläubigerrisiko von Zessionar oder
  181. Schuldner, die gegen den Zedenten nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung vorgehen müssen. Das Hauptrisiko
  182. liegt ähnlich wie bei § 82 InsO in einem unredlichen Empfänger, dort dem Insolvenzschuldner, hier dem Erbscheinserben. Die Folgerung ist hier wie in den
  183. Fällen des § 82 InsO, dass das geringere Regressrisiko des leistenden Schuldners es rechtfertigt, von ihm auch Bemühungen zur Verhinderung des Leistungserfolges zu erwarten und den Schutz der Unkenntnis von der fehlenden
  184. Empfangszuständigkeit des Scheingläubigers nur dann zu gewähren, wenn sie
  185. bis zur Unabwendbarkeit des Leistungserfolges andauert. Für die abweichende
  186. Ansicht spricht entgegen der Auffassung der Revision auch nicht entscheidend
  187. die in § 81 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 892 Abs. 2 BGB getroffene Regelung, weil sie
  188. darauf beruht, dass der Erwerber auf den Gang des Grundbuchverfahrens keinen Einfluss hat (Jaeger/Windel, aaO). Diese Regel ist bei § 82 InsO ebenso
  189. wenig anwendbar wie bei den §§ 2366, 2367 BGB (vgl. hierzu BGH, Urt. v.
  190. 12. Oktober 1970 - III ZR 254/68, WM 1971, 54; ferner BGHZ 57, 341, 343).
  191. 15
  192. 2. Danach konnte die Beklagte nur dann von der Verpflichtung zur erneuten Leistung frei werden, wenn sie zu dem Zeitpunkt, bis zu dem sie die Einlösung des Schecks noch durch dessen Sperrung verhindern konnte, keine
  193. Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte. Dies ist auf der
  194. Grundlage ihres eigenen Vortrags nicht der Fall.
  195. 16
  196. a) Jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation muss im Rahmen
  197. des ihr Zumutbaren sicherstellen, dass die ihr ordnungsgemäß zugehenden,
  198. rechtserheblichen Informationen unverzüglich an die entscheidenden Personen
  199. weitergeleitet und von diesen zur Kenntnis genommen werden (BGHZ 140, 54,
  200. - 10 -
  201. 62; BGH, Urt. v. 15. Dezember 2005, - IX ZR 227/04, ZIP 2006, 138, 140
  202. Rn. 13). Entgegen der Auffassung der Revision beschränkt sich diese Rechtsprechung nicht auf den Bankenbereich (vgl. BGHZ 140, 54). Ob sich die Organisation, wenn es an einem darartigen internen Informationssystem fehlt, das
  203. Wissen einzelner Mitarbeiter, die nicht zu den Entscheidungsträgern gehören,
  204. etwa bei der Posteingangsstelle beschäftigt sind, unmittelbar zurechnen lassen
  205. muss (vgl. BGH, Urt. v. 15. Dezember 2005, aaO), mag dahinstehen. Jedenfalls
  206. müssen sich die Entscheidungsträger so behandeln lassen, als hätten sie das
  207. Wissen gehabt, wenn die Zeit verstrichen ist, die bei Bestehen eines effizienten
  208. internen Informationssystems benötigt worden wäre, um ihnen die Kenntnis zu
  209. verschaffen. Diese Zeitspanne ist angesichts des Standes der modernen Büround Kommunikationstechnik als gering zu veranschlagen.
  210. 17
  211. b) Nach dem Vortrag der Beklagten sei es von ihr innerhalb der "assekuranzüblichen und angemessenen Bearbeitungszeit von mindestens neun Arbeitstagen" nicht zu erwarten gewesen, nach Erhalt der Eröffnungsanzeige des
  212. Klägers am 3. März 2005 geeignete Maßnahmen gegen die drohende Scheckeinlösung zu ergreifen. Die Beklagte hat damit nicht vorgetragen, dass sie eine
  213. Organisationsstruktur geschaffen hat, die eine kurzfristige Kenntnisnahme des
  214. Inhaltes eilbedürftiger Schreiben durch die Entscheidungsträger ermöglicht.
  215. Dies hat nichts mit der Frage nach der angemessenen Bearbeitungsfrist für den
  216. eine Sachverhaltsaufklärung erfordernden Leistungsantrag eines Versicherten
  217. zu tun (hierzu LG Köln VersR 1982, 389). Aus dem Nachweis der Insolvenzeröffnung ergab sich vielmehr unmittelbar, dass laufende Zahlungsvorgänge an
  218. die Schuldnerin sofort anzuhalten waren. Ob es solche Vorgänge gab, konnte
  219. auf dem Bildschirm in kürzester Zeit festgestellt werden. Da diese Kenntnisnahme mangels entsprechender organisatorischer Vorsorge nicht gewährleistet
  220. war, muss sich die Beklagte so behandeln lassen, wie wenn sie am 7. März
  221. - 11 -
  222. 2005, als sie den am Folgetag eingelösten Scheck noch sperren lassen konnte,
  223. Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehabt hätte.
  224. III.
  225. 18
  226. Der Ausspruch zur Zinshöhe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
  227. Das Amtsgericht hat dem Kläger Zinsen nach § 288 Abs. 2 BGB zuerkannt. Bei
  228. der Klageforderung handelt es sich indes nicht um eine Entgeltforderung nach
  229. dieser Vorschrift. § 286 Abs. 3 BGB setzt die Vorgaben der Richtlinie
  230. 2000/35/EG vom 29. Juni 2000 um (Palandt/Grüneberg, aaO § 286 Rn. 1).
  231. - 12 -
  232. Nach Erwägungsgrund 13 der Richtlinie unterfallen ihr nicht Zahlungen von
  233. Versicherungsgesellschaften. Es bewendet daher bei der Zinshöhe des § 288
  234. Abs. 1 Satz 2 BGB.
  235. Ganter
  236. Raebel
  237. Pape
  238. Kayser
  239. Grupp
  240. Vorinstanzen:
  241. AG Neubrandenburg, Entscheidung vom 20.03.2007 - 12 C 238/06 LG Neubrandenburg, Entscheidung vom 22.05.2008 - 1 S 39/07 -