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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. IX ZB 300/11
  4. vom
  5. 17. April 2013
  6. in der Zwangsvollstreckungssache
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. InsO § 89; ZPO § 900 Abs. 4 Satz 1 aF
  14. Der Widerspruch des Schuldners gegen die Anordnung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung darf nicht zurückgewiesen werden, wenn das Insolvenzverfahren
  15. eröffnet worden ist und noch andauert, selbst wenn die Eröffnung erst nach Erhebung des Widerspruchs erfolgt ist.
  16. BGH, Beschluss vom 17. April 2013 - IX ZB 300/11 - LG Frankfurt am Main
  17. AG Frankfurt am Main
  18. - 2 -
  19. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
  20. Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Fischer, Grupp und die
  21. Richterin Möhring
  22. am 17. April 2013
  23. beschlossen:
  24. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer
  25. des Landgerichts Frankfurt am Main vom 31. Oktober 2011 wird
  26. auf Kosten der Gläubigerin zurückgewiesen.
  27. Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.732,88 €
  28. festgesetzt.
  29. Gründe:
  30. I.
  31. 1
  32. Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung
  33. wegen einer Geldforderung. Die Schuldnerin gab im August 2010 durch den im
  34. Handelsregister nicht mehr eingetragenen Geschäftsführer die eidesstattliche
  35. Versicherung ab. Im November 2010 beantragte die Gläubigerin, die Schuldnerin möge durch ihren im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführer die
  36. eidesstattliche Versicherung abgeben. Im Termin am 4. Januar 2011 bestritt die
  37. Schuldnerin ihre Verpflichtung zur erneuten Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Der Gerichtsvollzieher legte deswegen die Akte dem zuständigen Voll-
  38. - 3 -
  39. streckungsgericht zur Entscheidung vor. Am 7. Februar 2011 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet.
  40. 2
  41. Durch Beschluss vom 9. März 2011 hat das Vollstreckungsgericht ohne
  42. Kenntnis von der Insolvenzeröffnung den Widerspruch der Schuldnerin für berechtigt erklärt. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat keinen Erfolg gehabt. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt sie die Zurückweisung des Widerspruchs der Schuldnerin gegen die Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung.
  43. II.
  44. 3
  45. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Beschwerdegericht im vollstreckungsrechtlichen Rechtszug nach § 567 Abs. 1, § 793 ZPO entschieden
  46. und die Rechtsbeschwerde zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3
  47. Satz 2 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat
  48. sie keinen Erfolg.
  49. 4
  50. 1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Das Amtsgericht habe dem
  51. Widerspruch der Schuldnerin gegen die Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Zwar sei der Geschäftsführer der Schuldnerin am 4. Januar 2011 gemäß § 807 Abs. 1 Nr. 1,
  52. § 900 ZPO zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verpflichtet gewesen.
  53. Doch könne die Gläubigerin als Insolvenzgläubigerin nach der Eröffnung des
  54. Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht mehr verlangen. Das Vollstreckungsverbot
  55. des § 89 Abs. 1 InsO erfasse auch diesen Fall und sei von Amts wegen zu be-
  56. - 4 -
  57. achten. Entscheidungserheblicher Zeitpunkt sei insoweit der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung.
  58. 5
  59. 2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
  60. 6
  61. a) Das Verfahren war durch die Insolvenzeröffnung nicht gemäß § 240
  62. ZPO unterbrochen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. März 2007 - VII ZB 25/05,
  63. BGHZ 172, 16 Rn. 8 ff; vom 24. Mai 2012 - IX ZB 275/10, WM 2012, 1307
  64. Rn. 5 ff).
  65. 7
  66. b) Zutreffend hat das Beschwerdegericht die Begründetheit des Widerspruchs der Schuldnerin gegen die Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bezogen auf den Zeitpunkt seiner neu zu treffenden Entscheidung geprüft, denn die Beschwerdeinstanz ist eine vollwertige zweite Tatsacheninstanz (BGH, Beschluss vom 27. Juli 2006 - IX ZB 204/04, BGHZ 169,
  67. 17 Rn. 19; vom 10. Dezember 2009 - I ZB 36/09, NJW 2010, 1002 Rn. 9). Auf
  68. dieser tatsächlichen Grundlage hat das Beschwerdegericht den Widerspruch
  69. der Schuldnerin gegen ihre Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Offenbarungsversicherung nach §§ 807, 899 ff ZPO mit Recht als begründet erachtet. Denn seit der nach Erhebung des Widerspruchs erfolgten Eröffnung des
  70. Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin ist gemäß § 89 Abs. 1
  71. InsO die Zwangsvollstreckung für einzelne Insolvenzgläubiger während der
  72. Dauer des Insolvenzverfahrens unzulässig, weil das vorgenannte Verbot von
  73. Zwangsvollstreckungen auch für das Verfahren der eidesstattlichen Offenbarungsversicherung gilt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Mai 2012, aaO Rn. 10 ff).
  74. Rechtlich unerheblich ist es, ob der Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vor oder nach Insolvenzeröffnung gestellt worden ist und wann der
  75. Schuldner der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung widersprochen hat.
  76. - 5 -
  77. 8
  78. c) Die Gläubigerin kann sich nicht darauf berufen, ihre Beschwerde habe
  79. nicht die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zum Gegenstand gehabt,
  80. sondern allein die Frage, ob die Schuldnerin am 4. Januar 2011 die eidesstattliche Versicherung hätte verweigern dürfen, was nicht der Fall war. Bei dem
  81. Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO handelt es sich um ein erst nach
  82. dem Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung entstandenes Vollstreckungshindernis (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2011 - IX ZB 217/08,
  83. WM 2011, 841 Rn. 9; Jaeger/Eckardt, InsO, § 89 Rn. 70; Musielak/Voit, ZPO,
  84. 9. Aufl., § 900 Rn. 7), das als solches im Vollstreckungsverfahren von Amts
  85. wegen zu beachten ist (vgl. Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 900
  86. Rn. 7). Dies gilt in gleicher Weise für das Verfahren vor dem Vollstreckungsgericht wie für das Beschwerdeverfahren (vgl. Stein/Jonas/Münzberg, aaO Rn. 50;
  87. Prütting/Gehrlein/Olzen, ZPO, 4. Aufl., § 900 Rn. 64).
  88. Kayser
  89. Gehrlein
  90. Grupp
  91. Fischer
  92. Möhring
  93. Vorinstanzen:
  94. AG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 09.03.2011 - 82 M 236/11 LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 31.10.2011 - 2-9 T 195/11 -