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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. IV ZR 47/05
  5. Verkündet am:
  6. 14. Mai 2008
  7. Heinekamp
  8. Justizhauptsekretär
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat im schriftlichen
  14. Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum 4. April
  15. 2008 durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt,
  16. die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch
  17. für Recht erkannt:
  18. Auf die Rechtsmittel der Parteien werden das Urteil der
  19. 6. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 14. Januar 2005 aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts
  20. Karlsruhe vom 10. August 2004 geändert.
  21. Es wird festgestellt, dass die von der Beklagten gemäß
  22. ihrer Satzung vom 22. November 2002 erteilte Startgutschrift den Wert der vom Kläger bis zum 31. Dezember
  23. 2001 erlangten Anwartschaft auf eine bei Eintritt des
  24. Versicherungsfalles zu leistende Betriebsrente nicht
  25. verbindlich festlegt.
  26. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  27. Die weitergehenden Rechtsmittel der Parteien werden
  28. zurückgewiesen.
  29. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander
  30. aufgehoben.
  31. Von Rechts wegen
  32. Streitwert: 4.900,90 €
  33. -3-
  34. Tatbestand:
  35. 1
  36. Die beklagte Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder
  37. (VBL) hat die Aufgabe, Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten
  38. Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege privatrechtlicher Versicherung eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Mit Neufassung ihrer Satzung vom 22. November 2002 (BAnz. Nr. 1 vom 3. Januar 2003) hat die Beklagte ihr Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum 31. Dezember 2001 (Umstellungsstichtag) umgestellt. Den Systemwechsel hatten die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes im Tarifvertrag Altersversorgung vom
  39. 1. März 2002 (ATV) vereinbart. Damit wurde das frühere - auf dem Versorgungstarifvertrag vom 4. November 1966 (Versorgungs-TV) beruhende - endgehaltsbezogene Gesamtversorgungssystem aufgegeben und
  40. durch ein auf einem Punktemodell beruhendes Betriebsrentensystem ersetzt.
  41. 2
  42. Die neue Satzung der Beklagten (VBLS) enthält Übergangsregelungen zum Erhalt von bis zur Systemumstellung erworbenen Rentenanwartschaften. Diese werden wertmäßig festgestellt und als so genannte
  43. Startgutschriften auf die neuen Versorgungskonten der Versicherten
  44. übertragen. Dabei werden Versicherte, deren Versorgungsfall noch nicht
  45. eingetreten ist, in rentennahe und rentenferne Versicherte unterschieden. Rentennah ist nur, wer am 1. Januar 2002 das 55. Lebensjahr vollendet hatte und im Tarifgebiet West beschäftigt war bzw. dem Umlagesatz des Abrechnungsverbandes West unterfiel oder Pflichtversicherungszeiten in der Zusatzversorgung vor dem 1. Januar 1997 vorweisen
  46. kann. Die Anwartschaften der ca. 200.000 rentennahen Versicherten
  47. werden weitgehend nach dem alten Satzungsrecht ermittelt und übertra-
  48. -4-
  49. gen. Die Anwartschaften der übrigen ca. 1,7 Millionen rentenfernen Versicherten berechnen sich demgegenüber nach den §§ 32 Abs. 1 und 4,
  50. 33 Abs. 1 Satz 1 ATV, 78 Abs. 1 und 2, 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS i.V. mit
  51. § 18 Abs. 2 des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG). Unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einem rentennahen oder einem rentenfernen Jahrgang erhalten Beschäftigte, die am 1. Januar 2002 mindestens 20 Jahre
  52. pflichtversichert waren, als Startgutschrift für jedes volle Kalenderjahr
  53. der Pflichtversicherung bis zum 31. Dezember 2001 mindestens 1,84
  54. Versorgungspunkte (VP), bei Teilzeitbeschäftigung gemindert durch Multiplikation mit dem am 31. Dezember 2001 maßgebenden Gesamtbeschäftigungsquotienten (§§ 9 Abs. 3 ATV, 37 Abs. 3 VBLS).
  55. 3
  56. Der am 10. Juli 1948 geborene und somit einem rentenfernen
  57. Jahrgang zugehörige Kläger und die Beklagte streiten über die Zulässigkeit der Systemumstellung, die Wirksamkeit der Übergangsregelung für
  58. rentenferne Versicherte und die Höhe der dem Kläger erteilten Startgutschrift von 73,72 Versorgungspunkten (das entspricht einem Wert von
  59. monatlich 294,88 €). Der Kläger hält die Beklagte für verpflichtet, ihm bei
  60. Eintritt des Versicherungsfalles eine Betriebsrente mindestens in Höhe
  61. des geringeren Betrages zu gewähren, wie er sich unter Zugrundelegung
  62. der bis zum 31. Dezember 2001 gültigen (alten) Satzung der Beklagten
  63. zu diesem Zeitpunkt oder zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles ergebe. Darüber hinaus erstrebt er eine Verpflichtung der Beklagten, bei der Ermittlung der Startgutschrift bestimmte, in verschiedenen
  64. Klageanträgen näher konkretisierte Berechnungselemente zugrunde zu
  65. legen und bei einer Neuberechnung zumindest eine Anwartschaft im
  66. Wert von monatlich 406,04 € (entsprechend 101,51 Versorgungspunkten)
  67. zu erreichen. Die Beklagte stützt ihren Antrag auf Klagabweisung unter
  68. anderem darauf, dass die beanstandete Übergangsregelung für renten-
  69. -5-
  70. ferne Versicherte auf eine im Tarifvertrag vom 1. März 2002 von den Tarifvertragsparteien getroffene Grundentscheidung zurückgehe, die mit
  71. Rücksicht auf die in Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie der ohnehin eingeschränkten rechtlichen Überprüfung standhalte. Im Übrigen
  72. wahre die erteilte Startgutschrift den verfassungsrechtlich geschützten
  73. Besitzstand des Klägers.
  74. 4
  75. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des
  76. Klägers hat das Landgericht unter Klagabweisung im Übrigen die Beklagte verpflichtet,
  77. dem Kläger bei Eintritt des Versicherungsfalles mindestens
  78. eine Betriebsrente zu gewähren, die dem geringeren Betrag
  79. aus der Berechnung der Zusatzrente nach ihrer früheren
  80. Satzung zum Umstellungsstichtag (31. Dezember 2001)
  81. oder zum Eintritt des Versicherungsfalles entspricht, und
  82. die Startgutschrift bei einem entsprechenden Antrag des
  83. Klägers nicht unter Verwendung des so genannten Näherungsverfahrens, sondern einer (individuellen) Rentenauskunft des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers zu berechnen und dabei auch den Altersfaktor nach § 36 Abs. 3
  84. VBLS anzuwenden.
  85. 5
  86. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision. Sie erstrebt
  87. die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils. Der Kläger verfolgt
  88. mit seiner Revision seine bisherigen Anträge weiter, hilfsweise begehrt
  89. er die Feststellung, dass die ihm erteilte Startgutschrift den Wert der bis
  90. zum 31. Dezember 2001 erlangten Anwartschaft auf eine bei Eintritt des
  91. Versicherungsfalles zu leistende Betriebsrente nicht verbindlich festlege.
  92. -6-
  93. Entscheidungsgründe:
  94. 6
  95. Die Revisionen beider Parteien haben teilweise Erfolg.
  96. 7
  97. I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Gegen den von den Tarifvertragsparteien vereinbarten und von der Beklagten mit ihrer neuen
  98. Satzung umgesetzten Systemwechsel als solchen bestünden keine
  99. rechtlichen Bedenken. In der Gestaltung der Bestimmungen über die Errechnung der Startgutschrift seien die Tarifvertragsparteien und ihnen
  100. folgend die Beklagte allerdings nur insoweit frei gewesen, als sie nicht in
  101. erdiente Anwartschaften eingegriffen hätten. Als erdiente Anwartschaft
  102. könne nicht nur angesehen werden, was sich als Versicherungsrente
  103. zum 31. Dezember 2001 ergeben hätte. In § 4 Abs. 1 Versorgungs-TV
  104. vom 4. November 1966 sei vielmehr ausdrücklich bestimmt, dass der
  105. Pflichtversicherte "eine Anwartschaft auf eine dynamische Versorgungsrente" solle erwerben können. Wer die Wartezeit erfüllt habe, habe nach
  106. der früheren Satzung der Beklagten bei bis zum Zeitpunkt der Verrentung fortbestehendem Arbeitsverhältnis grundsätzlich einen Anspruch auf
  107. Versorgungsrente erworben. Daraus sei bereits für die Zeit vor Erreichen
  108. des Rentenalters eine gesicherte Rechtsposition im Sinne einer Anwartschaft abzuleiten, in die nicht ohne Weiteres eingegriffen werden könne.
  109. 8
  110. Ein Eingriff in die erdiente Anwartschaft liege dann vor, wenn ein
  111. Versicherter bei Eintritt des Versicherungsfalles im Zeitpunkt des Systemwechsels nach der alten Satzung eine wesentlich höhere Leistung
  112. erhalten hätte als in der Startgutschrift ausgewiesen. Das lasse sich
  113. nicht abstrakt, sondern nur im Einzelfall ermitteln. Nach den von der Beklagten vorgelegten Berechnungen sei jedenfalls zur Zeit des System-
  114. -7-
  115. wechsels eine überaus große Verminderung der errechneten Rentenanwartschaft festzustellen, die sich meist noch über einen langen Zeitraum
  116. erstrecke. Die jeweilige Verminderung stelle einen erheblichen Eingriff in
  117. die erdiente Anwartschaft dar. Auch der Kläger sei von einem derartigen
  118. Eingriff betroffen.
  119. 9
  120. Nach Ansicht des Berufungsgerichts kann nicht unterstellt werden,
  121. dass die Tarifvertragsparteien derartige Eingriffe beabsichtigt hätten
  122. oder sie sich auch nur bewusst gewesen seien, dass in einer nicht unerheblichen Zahl von Fällen der Betrag der Startgutschrift geringer ausfallen werde als die Versicherungsrente nach altem Satzungsrecht. Dem
  123. Tarifvertrag Altersversorgung vom 1. März 2002 (ATV) lasse sich nur
  124. entnehmen, dass das bisherige Gesamtversorgungssystem durch ein
  125. Punktemodell ersetzt und die im früheren Gesamtversorgungssystem erworbenen Anwartschaften in dieses Punktemodell überführt werden sollten. Anderes gehe auch aus dem Altersvorsorgeplan vom 13. November
  126. 2001 nicht hervor. Der Vortrag der Beklagten zu ihrer finanziellen Situation und der ihrer Beteiligten besage ebenfalls noch nichts darüber, ob
  127. die Tarifvertragsparteien einen derartigen Eingriff gewollt hätten. Die Beklagte habe selbst geltend gemacht, dass die Systemumstellung zu keinem Eingriff in erdiente oder unverfallbare Anwartschaften geführt habe.
  128. Sie sei mithin offensichtlich ungewollt von den Zielvorgaben des Tarifvertrages Altersversorgung vom 1. März 2002 abgewichen.
  129. 10
  130. Der somit unbeabsichtigte Eingriff in bestehende Anwartschaften
  131. der Versicherten stehe einer unbewussten Regelungslücke gleich. Letztere müsse von den Gerichten durch eine ergänzende Auslegung geschlossen werden, wenn sich unter Berücksichtigung von Treu und Glauben ausreichende Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen der Ver-
  132. -8-
  133. tragsparteien ergäben oder eine bestimmte Regelung nach objektiver Betrachtung dringend geboten sei. Hier liege es nahe, dass die Tarifvertragsparteien die Lücke mit der von ihm, dem Berufungsgericht, getroffenen Regelung geschlossen hätten, wenn sie sich des Eingriffs in geschützte Anwartschaften bewusst gewesen wären.
  134. 11
  135. Weiter fordert das Berufungsgericht, dass die den Startgutschriften
  136. zugrunde gelegte voraussichtliche gesetzliche Rente auch für Versicherte der rentenfernen Jahrgänge nicht ausnahmslos nach dem so genannten Näherungsverfahren, sondern auf Antrag des jeweiligen Versicherten
  137. anhand einer konkreten Rentenauskunft des gesetzlichen Rentenversicherers zu berechnen sei. Die Übergangsregelung für die rentenfernen
  138. Jahrgänge benachteilige letztere unangemessen gegenüber den rentennahen Jahrgängen. Ein sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung
  139. (Art. 3 Abs. 1 GG) sei nicht ersichtlich.
  140. 12
  141. Mit Art. 3 Abs. 1 GG sei es auch nicht vereinbar, dass der Altersfaktor gemäß § 36 Abs. 3 VBLS auf die Gruppe der vor dem Umstellungsstichtag bereits Versicherten nicht angewendet und diese so
  142. gleichheitswidrig schlechter gestellt werde als die Gruppe der erst seit
  143. dem 1. Januar 2002 bei der Beklagten versicherten Personen. Im Ergebnis gebiete es der Gleichheitssatz, die Startpunkte mit dem Altersfaktor
  144. zu multiplizierten.
  145. 13
  146. Entgegen der Ansicht des Klägers müsse die Errechnung der zum
  147. 31. Dezember 2001 erdienten Anwartschaft jedoch nicht unter voller Berücksichtigung von Vordienstzeiten erfolgen. Mit der Umstellung des Zusatzversorgungssystems seien die Tarifvertragsparteien - und ihnen folgend die Beklagte - der vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG VersR
  148. -9-
  149. 2000, 835) geäußerten Auffassung gefolgt, Vordienstzeiten müssten bei
  150. der Ermittlung der von der Beklagten zu gewährenden Betriebsrente
  151. nicht berücksichtigt werden.
  152. 14
  153. II. Dies hält, wie sich aus dem - nach Erlass des Berufungsurteils
  154. ergangenen - Senatsurteil vom 14. November 2007 (IV ZR 74/06 - veröffentlicht auf der Internetseite des Bundesgerichtshofs und in juris, zur
  155. Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) ergibt, rechtlicher Nachprüfung
  156. nicht in allen Punkten stand.
  157. 15
  158. 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Satzung der Beklagten auch ohne Zustimmung der Versicherten geändert
  159. und vom bisherigen Gesamtversorgungssystem auf das neue Punktemodell (Betriebsrentensystem) umgestellt werden konnte. Denn zum einen
  160. schließt die Beklagte seit 1967 (vgl. zum Inkrafttreten ihrer Satzung vom
  161. 2. Dezember 1966 mit Wirkung zum 1. Januar 1967: Beilage zum BAnz.
  162. Nr. 239 vom 22. Dezember 1966) Gruppenversicherungsverträge ab, bei
  163. denen nicht die einzelnen Arbeitnehmer - diese werden lediglich als Versicherte und Bezugsberechtigte in die Gruppenversicherung einbezogen -, sondern die an der Beklagten beteiligten Arbeitgeber Versicherungsnehmer sind (BGHZ 103, 370, 379 f., 382; 142, 103, 106 und ständig). Zum andern enthielt die Satzung der Beklagten seither in § 14 einen Änderungsvorbehalt, der auch für bestehende Versicherungen galt
  164. und eine Zustimmung der Versicherten bei Satzungsänderungen nicht
  165. voraussetzt. Gegen die Wirksamkeit dieses Änderungsvorbehalts, der
  166. sich nicht lediglich auf die Änderung einzelner Satzungsregelungen beschränkt, sondern auch zu einer umfassenden Systemumstellung ermächtigt (Senatsurteil vom 14. November 2007 aaO unter B I 3 =
  167. - 10 -
  168. Tz. 27), bestehen keine Bedenken. Satzungsänderungen sind daher ohne die Zustimmung des Arbeitnehmers als Versichertem möglich (Senatsurteil vom 14. November 2007 aaO unter B I 1 = Tz. 25 m.w.N.). Für
  169. den Systemwechsel hat auch ein ausreichender Anlass bestanden (Senatsurteil vom 14. November 2007 aaO unter B I 2 = Tz. 26).
  170. 16
  171. 2. Der Schutz der im Zeitpunkt des Systemwechsels bereits bestehenden Rentenansprüche und -anwartschaften ist durch Übergangsbzw. Besitzstandsregelungen sicherzustellen. Insofern hängt die Frage,
  172. inwieweit Versicherte in ihren bis zur Umstellung erworbenen Rechten
  173. verletzt sind, allein davon ab, inwieweit die Übergangsvorschriften diese
  174. Rechte wahren (Senatsurteil vom 14. November 2007 aaO unter B I 3 =
  175. Tz. 27). Für die Ermittlung der Startgutschriften rentenferner Pflichtversicherter ist in den §§ 32 Abs. 1 und 4, 33 Abs. 1 Satz 1 ATV, 78 Abs. 1
  176. und 2, 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS i.V. mit § 18 Abs. 2 BetrAVG eine Übergangsregelung getroffen worden. Sie zielt darauf ab, den rentenfernen
  177. Pflichtversicherten bei der Berechnung ihrer Startgutschrift die nach dem
  178. Betriebsrentengesetz bis zum Umstellungsstichtag unverfallbar gewordenen Rentenanwartschaften in das neue Betriebsrentensystem zu übertragen (Senatsurteil vom 14. November 2007 aaO unter B II 4 = Tz. 39).
  179. 17
  180. a) Diese Übergangsregelung ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts im Grundsatz nicht zu beanstanden (Senatsurteil vom
  181. 14. November 2007 aaO vor A = Tz. 11 und unter B III 1 = Tz. 64). Das
  182. gilt auch, soweit sie durch Festschreibung der maßgeblichen Berechnungsfaktoren zum Umstellungsstichtag (§§ 32 Abs. 4, 33 Abs. 1 Satz 1
  183. ATV, 78 Abs. 2, 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS i.V. mit §§ 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2
  184. Buchst. c, 2 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG) - insbesondere des Arbeitsentgelts
  185. und der Steuerklasse - zu Eingriffen in die erdiente Dynamik und damit in
  186. - 11 -
  187. einen nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes geschützten Bereich führt (Senatsurteil vom 14. November 2007 aaO unter B III 1 d bb =
  188. Tz. 77-79).
  189. 18
  190. Dass die Startgutschriften an einer mit der Anwendung des Altersfaktors (§ 36 Abs. 2 und 3 VBLS) verbundenen Verzinsung nicht teilnehmen, verstößt ebenfalls nicht gegen höherrangiges Recht. Denn die Dynamisierung ist mit der Neuregelung nicht entfallen. Nach den §§ 33
  191. Abs. 7, 19 ATV, 79 Abs. 7, 68 VBLS werden die zunächst festgeschriebenen Startgutschriften vielmehr insoweit dynamisiert, als sie Bonuspunkte auslösen können, die eine tatsächliche oder fiktive Beteiligung an
  192. den - von der Beklagten bzw. den jeweils zehn nach der Bilanzsumme
  193. größten Pensionskassen (vgl. § 68 Abs. 2 Satz 3 VBLS) - erwirtschafteten Überschüssen darstellen. Diese von den Tarifvertragsparteien gewählte und von der Beklagten in ihrer Satzung übernommene Dynamisierung ist angesichts des Anlasses und der Ziele der Systemumstellung
  194. zumindest vertretbar und schon deshalb verfassungsrechtlich nicht zu
  195. beanstanden. Die Tarifvertragsparteien haben insoweit ihren durch die
  196. Tarifautonomie eröffneten weiten Handlungsspielraum nicht überschritten
  197. (Senatsurteil vom 14. November 2007 aaO unter B III 1 d bb bis dd =
  198. Tz. 77-81).
  199. 19
  200. Eine Verletzung höherrangigen Rechts kann schließlich weder darin gesehen werden, dass die Übergangsregelung den rentenfernen
  201. Pflichtversicherten nach der alten Satzung zugesagte Mindestleistungen
  202. - insbesondere auch diejenige nach § 44a VBLS a.F. - entzieht, noch in
  203. dem Umstand, dass die nach § 42 Abs. 2 Satz 1 VBLS a.F. bei Ermittlung der gesamtversorgungsfähigen Zeit zu berücksichtigende hälftige
  204. Anrechnung so genannter Vordienstzeiten nach der Übergangsregelung
  205. - 12 -
  206. keinen Eingang in die Startgutschriften rentenferner Versicherter findet.
  207. Beides hat der Senat im Urteil vom 14. November 2007 näher dargelegt
  208. (aaO unter B III 2 und 3 = Tz 82-101).
  209. 20
  210. b) Ob es zulässig ist, bei der Errechnung der Startgutschrift die für
  211. die Ermittlung der Voll-Leistung von der Höchstversorgung in Abzug zu
  212. bringende voraussichtliche gesetzliche Rente gemäß den §§ 33 Abs. 1
  213. Satz 1 ATV, 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS i.V. mit § 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2
  214. Buchst. f BetrAVG ausschließlich nach dem bei der Berechnung von
  215. Pensionsrückstellungen allgemein zulässigen Verfahren (dem so genannten Näherungsverfahren) zu ermitteln, oder ob dies gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt, hat der Senat im
  216. Urteil vom 14. November 2007 offen gelassen (aaO unter B III 4 =
  217. Tz. 102-121).
  218. 21
  219. Die Frage bedarf auch hier keiner Entscheidung. Denn die Übergangsregelung für rentenferne Pflichtversicherte verstößt jedenfalls anderweitig gegen Art. 3 Abs. 1 GG und ist schon deshalb unwirksam (Senatsurteil vom 14. November 2007 aaO unter B III 4 g = Tz. 120).
  220. 22
  221. c) Durchgreifenden Bedenken gegen die Vereinbarkeit mit Art. 3
  222. Abs. 1 GG begegnet nämlich der nach den §§ 33 Abs. 1 Satz 1 ATV, 79
  223. Abs. 1 Satz 1 VBLS i.V. mit § 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 BetrAVG der Startgutschriftenberechnung zugrunde zu legende Versorgungssatz von
  224. 2,25% für jedes volle Jahr der Pflichtversicherung (Senatsurteil vom
  225. 14. November 2007 aaO unter B III 5 = Tz. 122-140). Dieser Versorgungssatz führt - wie der Senat im Urteil vom 14. November 2007 im Einzelnen ausgeführt hat (aaO unter B III 5 b = Tz. 128-139) - zu einer
  226. sachwidrigen und damit gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Ungleich-
  227. - 13 -
  228. behandlung innerhalb der Gruppe der rentenfernen Versicherten, die
  229. selbst vom weiten Handlungsspielraum der Tarifvertragsparteien nicht
  230. mehr gedeckt ist. Die Ungleichbehandlung besteht darin, dass Arbeitnehmer mit längeren Ausbildungszeiten die zum Erwerb der Vollrente
  231. (100%) erforderlichen 44,44 Pflichtversicherungsjahre in ihrem Arbeitsleben nicht erreichen können und deshalb von vornherein überproportionale Abschläge hinnehmen müssen. Neben Akademikern sind hiervon
  232. auch all diejenigen betroffen, die aufgrund besonderer Anforderungen
  233. eines Arbeitsplatzes im öffentlichen Dienst, etwa einer abgeschlossenen
  234. Berufsausbildung oder eines Meisterbriefes in einem handwerklichen Beruf, erst später in den öffentlichen Dienst eintreten (Senatsurteil vom
  235. 14. November 2007 aaO unter B III 5 b bb (2) = Tz. 133-138).
  236. 23
  237. 3. Die dargelegte Verfassungswidrigkeit und die sich daraus ergebende Unwirksamkeit dieser Detailregelung des Tarifvertrages vom
  238. 1. März 2002 und der neuen Satzung der Beklagten ändern an der Wirksamkeit der Systemumstellung als solcher nichts. Unwirksam ist lediglich
  239. die in den §§ 32 Abs. 1 und 4, 33 Abs. 1 Satz 1 ATV, 78 Abs. 1 und 2, 79
  240. Abs. 1 Satz 1 VBLS i.V. mit § 18 Abs. 2 BetrAVG für die rentenfernen
  241. Versicherten getroffene Übergangsregelung, was zur Folge hat, dass die
  242. dem Kläger erteilte Startgutschrift einer ausreichenden rechtlichen
  243. Grundlage entbehrt. Sie legt damit den Wert der vom Kläger bis zum
  244. Umstellungsstichtag erdienten Anwartschaft auf eine bei Eintritt des Versicherungsfalles zu leistende Rente nicht verbindlich fest (vgl. Senatsurteil vom 14. November 2007 aaO unter C = Tz. 141).
  245. 24
  246. Auf diese Feststellung war der Urteilsausspruch zu beschränken.
  247. Dem weitergehenden Begehren des Klägers, die durch den Wegfall der
  248. unwirksamen Übergangsregelung verursachte Lücke in der Satzung der
  249. - 14 -
  250. Beklagten durch eine gerichtliche Regelung zu ersetzen oder zumindest
  251. bestimmte verbindliche Vorgaben für die Neuerrechnung der Startgutschrift festzuschreiben, kann mit Rücksicht auf die in Art. 9 Abs. 3 GG
  252. geschützte Tarifautonomie nicht entsprochen werden. Eine solche gerichtliche Entscheidung ist auch nach dem Rechtsstaatsprinzip nicht geboten. Es ist vielmehr zunächst den Tarifvertragsparteien vorbehalten,
  253. eine verfassungskonforme Neuregelung zu treffen. In diesem Zusammenhang haben diese zugleich Gelegenheit, die Auswirkungen der ausschließlichen Anwendung des Näherungsverfahrens erneut zu bedenken.
  254. Terno
  255. Seiffert
  256. Dr. Kessal-Wulf
  257. Wendt
  258. Felsch
  259. Vorinstanzen:
  260. AG Karlsruhe, Entscheidung vom 10.08.2004 - 10 C 324/03 LG Karlsruhe, Entscheidung vom 14.01.2005 - 6 S 30/04 -