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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. IV ZR 334/14
  5. Verkündet am:
  6. 7. Januar 2015
  7. Heinekamp
  8. Amtsinspektor
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
  14. Richterin
  15. Mayen,
  16. die
  17. Richterin
  18. Harsdorf-Gebhardt,
  19. die
  20. Richter
  21. Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmüller im schriftl ichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum
  22. 17. Dezember 2014
  23. für Recht erkannt:
  24. Die Revision der Klägerseite gegen das Urteil des
  25. 20. Zivilsenats
  26. des
  27. Oberlandesgerichts
  28. Köln
  29. vom
  30. 3. Februar 2012 wird als unzulässig verworfen, soweit
  31. sie sich gegen die Verneinung eines Schadensersatzanspruchs richtet.
  32. Im Übrigen sowie im Kostenpunkt wird das Berufungsurteil auf die Revision aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten
  33. des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  34. Der Streitwert wird auf 2.737,56 € festgesetzt.
  35. Von Rechts wegen
  36. Tatbestand:
  37. 1
  38. Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) b egehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rüc k-
  39. -3-
  40. zahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Lebensversicherung.
  41. 2
  42. Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Vertragsbeginn zum
  43. 1. Oktober 1997 abgeschlossen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN bei Antragstellung nicht sämtliche relevanten
  44. Vertragsunterlagen, insbesondere nicht die Verbraucherinformation, und
  45. wurde auch nicht über das Widerspruchsrecht nach § 5a VVG a.F. in der
  46. bei Antragstellung gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) belehrt. Im Juli 2009 kündigte d. VN den Vertrag und der Versicherer zahlte
  47. den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 31. März 2010 erklärte d. VN
  48. schließlich den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F.
  49. 3
  50. Mit der Klage verlangt d. VN Rückzahlung aller auf den Vertrag g eleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rüc kkaufswerts (insgesamt 2.737,56 €).
  51. 4
  52. Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam
  53. zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können.
  54. 5
  55. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht
  56. die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision ve rfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.
  57. -4-
  58. Entscheidungsgründe:
  59. 6
  60. Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Z urückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  61. 7
  62. I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. Der Versicherer habe zwar nicht
  63. über das Widerspruchsrecht belehrt. Der Vertrag sei aber gemäß § 5a
  64. Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie rüc kwirkend endgültig wirksam geworden. D. VN stehe auch kein Schadensersatzanspruch wegen vorvertraglicher Pflichtverletzung zu.
  65. 8
  66. II. Die Revision ist mangels Zulassung hinsichtlich des geltend
  67. gemachten Schadensersatzanspruchs unzulässig.
  68. 9
  69. Sie ist nur statthaft, soweit das Berufungsgericht den Widerspruch
  70. nach § 5a VVG a.F. für unwirksam erachtet hat. Es hat die Revision zugelassen, da die Frage, ob § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. europarechtskonform sei, von grundsätzlicher Bedeutung sei. Diese in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils mit der gebotenen Deutlichkeit zum
  71. Ausdruck gebrachte Beschränkung der Revisionszulassung auf den aus
  72. dem Widerspruch abgeleiteten Bereicherungsanspruch ist wirksam. Der
  73. diesem zugrunde liegende Sachverhalt kann in tatsächlicher und rechtl icher Hinsicht unabhängig von dem für die Schadensersatzforderung
  74. maßgeblichen Prozessstoff beurteilt werden (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai
  75. 2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101). Die gegen die Nichtzulassung der
  76. Revision eingelegte Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom
  77. 26. Juni 2013 zurückgewiesen.
  78. -5-
  79. 10
  80. III. Die Revision ist, soweit sie zulässig ist, begründet.
  81. 11
  82. 1. Der Anspruch auf Prämienrückzahlung folgt dem Grunde nac h
  83. aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB.
  84. 12
  85. a) Der nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts
  86. zwischen den Parteien im Wege des sogenannten Policenmodells gemäß
  87. § 5a
  88. VVG
  89. a.F.
  90. geschlossene
  91. Versicherungsvertrag
  92. schafft
  93. keinen
  94. Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist infolge des Widerspruchs d.
  95. VN nicht wirksam zustande gekommen. Der Widerspruch war - ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. normierten Jahresfrist - rechtzeitig.
  96. 13
  97. aa) Wie das Berufungsgericht ebenfalls mit bindender Wirkung
  98. festgestellt hat, belehrte der Versicherer d. VN nicht ordnungsgemäß i.S.
  99. von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über das Widerspruchsrecht. Für einen
  100. solchen Fall bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. zwar, dass das W iderspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt.
  101. 14
  102. Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahre sfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.
  103. 15
  104. Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2
  105. Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (VersR
  106. 2014, 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11,
  107. BGHZ 201, 101 Rn. 17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die
  108. Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert
  109. -6-
  110. werden, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten
  111. Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon e rfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen
  112. zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht,
  113. wenn d. VN - wie hier - nicht ordnungsgemäß über das Recht zum W iderspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder
  114. die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.
  115. 16
  116. bb) Die Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem späteren
  117. Widerspruch nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO
  118. Rn. 36 m.w.N.). Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits
  119. vollständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl.
  120. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 37 m.w.N.).
  121. 17
  122. b) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarecht swidrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sind nicht auf eine Wirkung
  123. ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur eine Rückwirkung entspricht dem Effektivitätsgebot (dazu im Einzelnen
  124. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 42-44).
  125. 18
  126. 2. Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch nach § 812
  127. Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien.
  128. Vielmehr muss sich d. VN bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwic klung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Vers icherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes
  129. kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden;
  130. bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 45 m.w.N.).
  131. -7-
  132. 19
  133. Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen
  134. Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuve rweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu
  135. geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 46).
  136. Mayen
  137. Harsdorf-Gebhardt
  138. Lehmann
  139. Dr. Karczewski
  140. Dr. Brockmöller
  141. Vorinstanzen:
  142. LG Aachen, Entscheidung vom 17.06.2011 - 9 O 585/10 OLG Köln, Entscheidung vom 03.02.2012 - 20 U 140/11 -