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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. III ZR 292/17
  5. Verkündet am:
  6. 4. Oktober 2018
  7. Kiefer
  8. Justizangestellter
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. BGHZ:
  14. BGHR:
  15. ja
  16. ja
  17. ja
  18. SGB XI § 87a Abs. 1 Satz 2; WBVG § 11 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 1
  19. a) § 87a Abs. 1 Satz 2 SGB XI regelt nicht allein die Zahlungspflicht des Kostenträgers, sondern erfasst ebenso die zivilrechtliche Vergütungspflicht des
  20. Heimbewohners. Es handelt sich um eine gegenüber den heimvertraglichen
  21. Bestimmungen des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes vorrangige
  22. Sonderregelung zugunsten von Heimbewohnern, die gleichzeitig Leistungsbezieher der Pflegeversicherung sind. Dieser Vorrang kommt darin zum
  23. Ausdruck, dass abweichende Vereinbarungen nichtig sind (§ 15 Abs. 1 Satz
  24. 2 WBVG, § 87a Abs. 1 Satz 4 SGB XI).
  25. b) Ein "Entlassen" im Sinne des § 87a Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 SGB XI liegt auch
  26. dann vor, wenn der Pflegebedürftige - nach einer Kündigung des Heimvertragsverhältnisses - das Pflegeheim vor Ablauf der Kündigungsfrist des § 11
  27. Abs. 1 Satz 1 WBVG endgültig verlässt.
  28. BGH, Urteil vom 4. Oktober 2018 - III ZR 292/17 - LG Heilbronn
  29. AG Öhringen
  30. ECLI:DE:BGH:2018:041018UIIIZR292.17.0
  31. - 2 -
  32. Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  33. vom 4. Oktober 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richter
  34. Tombrink, Dr. Remmert und Reiter sowie die Richterin Pohl
  35. für Recht erkannt:
  36. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts
  37. Heilbronn - 5. Zivilkammer - vom 21. August 2017 teilweise aufgehoben und neu gefasst:
  38. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts
  39. Öhringen vom 15. April 2016 dahingehend abgeändert, dass der
  40. Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung von
  41. 1.130,40 € sowie vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe
  42. von 201,71 €, jeweils nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über
  43. dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2015, verurteilt wird. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
  44. Im Übrigen wird die Revision des Beklagten zurückgewiesen.
  45. Von den Kosten des Rechtstreits haben der Kläger 1/4 und der
  46. Beklagte 3/4 zu tragen.
  47. Von Rechts wegen
  48. Tatbestand:
  49. 1
  50. Der Kläger nimmt den Beklagten auf Rückzahlung von Pflegeheimkosten
  51. in Anspruch.
  52. - 3 -
  53. 2
  54. Der an Multipler Sklerose erkrankte Kläger ist auf die Unterbringung in
  55. einem Pflegeheim angewiesen und bezieht Leistungen nach dem Elften Buch
  56. Sozialgesetzbuch. Der Beklagte betreibt ein Pflegeheim.
  57. 3
  58. Von Dezember 2013 bis zum 14. Februar 2015 war der Kläger in dem
  59. Pflegeheim des Beklagten untergebracht. Gemäß § 8 Abs. 1 des zugrunde liegenden Wohn- und Betreuungsvertrags konnte der Bewohner das Vertragsverhältnis spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf desselben Monats schriftlich kündigen.
  60. 4
  61. Ende Januar 2015 fand der Kläger einen Pflegeplatz in einem anderen,
  62. auf die Pflege von Multiple-Sklerose-Patienten spezialisierten Heim. Daraufhin
  63. kündigte er mit Schreiben vom 28. Januar 2015 den Wohn- und Betreuungsvertrag mit dem Beklagten zum 28. Februar 2015. Da in dem anderen Pflegeheim
  64. kurzfristig schon früher ein Platz frei wurde, zog der Kläger bereits am 14. Februar 2015 aus dem Heim des Beklagten aus und bezog am darauf folgenden
  65. Tag den neuen Pflegeplatz.
  66. 5
  67. Unter dem 3. März 2015 stellte der Beklagte dem Kläger - nach Abzug
  68. der Leistungen der Pflegekasse für die erste Februarhälfte 2015 - Heimkosten
  69. für den gesamten Monat Februar 2015 in Höhe von 1.493,03 € in Rechnung,
  70. die der Kläger zunächst vollständig bezahlte. Da für die zweite Februarhälfte
  71. 2015 infolge des Auszugs aus dem Pflegeheim des Beklagten insoweit keine
  72. Sozialleistungen mehr erbracht wurden, verlangte der Kläger die Rückerstattung der bezahlten 1.493,03 €, was der Beklagte jedoch ablehnte.
  73. - 4 -
  74. 6
  75. Der Kläger hat geltend gemacht, die Zahlung des Heimentgelts sei für
  76. die zweite Februarhälfte 2015 ohne Rechtsgrund erfolgt, da mit seinem Auszug
  77. am 14. Februar 2015 seine Zahlungspflicht entsprechend dem Grundsatz der
  78. taggenauen Abrechnung gemäß § 87a Abs. 1 Satz 2 SGB XI erloschen sei. Die
  79. abweichende Regelung in § 8 Abs. 1 des Wohn- und Betreuungsvertrags sei
  80. nichtig. § 87a Abs. 1 Satz 2 SGB XI sei auch bei einem Wechsel des Pflegeheims und auch im Verhältnis zwischen dem Pflegeheim und dem Bewohner
  81. anwendbar.
  82. 7
  83. Das Amtsgericht hat der auf Zahlung von 1.493,03 € nebst Zinsen und
  84. vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichteten Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt er seinen Antrag auf Klageabweisung weiter.
  85. Entscheidungsgründe:
  86. 8
  87. Die zulässige Revision ist nur zu einem geringen Teil begründet.
  88. I.
  89. 9
  90. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung auf die
  91. "vollständigen und überzeugenden Erwägungen" des Amtsgerichts Bezug genommen, das im Wesentlichen Folgendes ausgeführt hat:
  92. 10
  93. Der Kläger habe gegen den Beklagten gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1
  94. BGB einen Anspruch auf Rückerstattung des für den Zeitraum vom 15. bis zum
  95. - 5 -
  96. 28. Februar 2015 gezahlten Pflegeentgelts in Höhe von 1.493,03 €. Die Zahlung sei ohne Rechtsgrund erfolgt, da die Zahlungspflicht des Klägers mit seinem Auszug am 14. Februar 2015 gemäß § 15 Abs. 1 des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes (WBVG) in Verbindung mit § 87a Abs. 1 Satz 2 SGB XI
  97. erloschen sei. Der Kläger, der unstreitig Leistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch nehme, sei aus der Einrichtung des Beklagten im
  98. Sinne des § 87a Abs. 1 Satz 2 SGB XI "entlassen" worden. Eine "Entlassung"
  99. liege auch dann vor, wenn der Heimbewohner den Heimwechsel nach einer
  100. Kündigung selbst (vor Ablauf der Kündigungsfrist) veranlasse. Ein solches Verständnis der Norm werde durch deren Wortlaut nicht ausgeschlossen. Durch
  101. den Grundsatz der taggenauen Abrechnung habe der Gesetzgeber bezweckt,
  102. die pflegebedürftigen Heimbewohner und deren Kostenträger vor einer doppelten Inanspruchnahme bei etwaigen Leerständen zu schützen, zumal diese von
  103. den Pflegeheimen über die Auslastungskalkulation bei der Festsetzung ihrer
  104. vertraglichen Tarife berücksichtigt werden könnten, was in der Vertragspraxis
  105. auch geschehe. Diese Zielsetzung gelte nicht nur beim Tod des Heimbewohners oder bei seiner Entlassung (im engeren Sinn), sondern erfasse alle Fälle
  106. des Auszugs.
  107. 11
  108. Für diese Auslegung spreche auch das systematische Zusammenspiel
  109. mit § 87a Abs. 1 Satz 3 SGB XI. Die Regelung, wonach für den Tag der Verlegung nur das aufnehmende Pflegeheim ein Heimentgelt berechnen dürfe, würde vollständig sinnentleert, wenn das frühere Pflegeheim ein Entgelt zwar nicht
  110. für den Aufnahmetag, aber auf Grund vertraglicher Bestimmungen für den gesamten restlichen Monat berechnen könnte.
  111. 12
  112. Da der Vergütungsanspruch des Pflegeheims und die damit korrespondierende Zahlungspflicht des Heimbewohners durch die öffentlich-rechtlichen
  113. Bestimmungen des Elften Buches Sozialgesetzbuch umfassend und abschlie-
  114. - 6 -
  115. ßend ausgestaltet würden und abweichende Vereinbarungen nichtig seien (§ 15
  116. Abs. 1 Satz 2 WBVG, § 87a Abs. 1 Satz 4 SGB XI), komme es insoweit auf die
  117. privatrechtlichen Beziehungen zwischen dem Heimbewohner und der Pflegeeinrichtung nicht an.
  118. 13
  119. Ergänzend hat das Landgericht ausgeführt, dass dem geltend gemachten Rückzahlungsanspruch auch § 814 BGB nicht entgegenstehe, da die maßgebliche Rechtsfrage, ob die Zahlungsverpflichtung des Heimbewohners bei
  120. einem freiwilligen Heimwechsel gemäß § 87a Abs. 1 Satz 2 SGB XI entfalle,
  121. obergerichtlich noch nicht geklärt sei. Insofern scheide eine Kenntnis des Klägers vom Nichtbestehen der Schuld aus.
  122. II.
  123. 14
  124. Die Revision des Beklagten ist nur insoweit begründet, als der Kläger
  125. auch die Rückzahlung des in der ersten Februarhälfte 2015 - nach Abzug der
  126. Leistungen der Pflegekasse - auf ihn entfallenden Eigenanteils der Heimkosten
  127. in Höhe von 359,83 € sowie des Entgelts für den "Samstagnachmittagskuchen"
  128. am 17. Januar und 14. Februar 2015 in Höhe von jeweils 1,40 € nebst Zinsen
  129. und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangt. Im Übrigen halten die Ausführungen der Vorinstanzen der rechtlichen Überprüfung stand. Der Beklagte
  130. hat das für die zweite Februarhälfte 2015 vereinnahmte Heimentgelt gemäß
  131. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zurückzuerstatten, da die Zahlungspflicht des
  132. Klägers mit dem Tag seines Auszugs am 14. Februar 2014 gemäß § 87a Abs. 1
  133. Satz 2 SGB XI in Verbindung mit § 15 Abs. 1 WBVG endete.
  134. 15
  135. 1.
  136. Der Kläger hat für die in der ersten Februarhälfte 2015 von dem Beklag-
  137. ten tatsächlich erbrachten Leistungen (Wohnraumüberlassung, Pflege und Be-
  138. - 7 -
  139. treuung) das vereinbarte Gesamtentgelt gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 WBVG in
  140. Verbindung mit dem Wohn- und Betreuungsvertrag zu entrichten, soweit nicht
  141. die Pflegekasse Zahlungen an den Beklagten mit befreiender Wirkung gemäß
  142. § 87a Abs. 3 Satz 1 SGB XI geleistet hat. Ausweislich der Rechnung des Beklagten vom 3. März 2015 hat dieser in dem Zeitraum vom 1. bis zum 14. Februar 2015 Leistungen im Umfang von 1.439,34 € erbracht. Hierauf hat die Pflegekasse 1.079,51 € gezahlt, so dass der auf den Kläger entfallende Eigenanteil
  143. 359,83 € beträgt. Hinzukommen die vorerwähnten Kosten von insgesamt 2,80 €
  144. für Kuchen am 17. Januar und 14. Februar 2015.
  145. 16
  146. 2.
  147. Soweit der Beklagte für die Zeit nach dem Auszug des Klägers bis zum
  148. Ablauf der vertraglichen Kündigungsfrist am 28. Februar 2015 ein Heimentgelt
  149. von 1.130,40 € beansprucht, steht einem Vergütungsanspruch die Regelung
  150. des § 87a Abs. 1 Satz 2 SGB XI in Verbindung mit § 15 Abs. 1 WBVG entgegen, da die durch den Wohn- und Betreuungsvertrag begründete privatrechtliche Regelungsebene zwischen Heimbewohner und Pflegeeinrichtung durch
  151. das abschließend ausgestaltete Vergütungsregime des Elften Buches Sozialgesetzbuch spezialgesetzlich überlagert wird (vgl. Schütze in Udsching/
  152. Schütze, SGB XI, 5. Aufl., § 87a Rn. 5). Demgemäß hat der Beklagte den bereits erhaltenen überzahlten Betrag nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zurückzuerstatten.
  153. 17
  154. a) Auf der Grundlage der vertragsrechtlichen Bestimmungen des Wohnund Betreuungsvertragsgesetzes steht dem Pflegeheim (Unternehmer) weiterhin das vereinbarte Leistungsentgelt (§ 6 Abs. 3 Nr. 2, § 7 Abs. 2 Satz 1
  155. WBVG) bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu, wenn der Heimbewohner (Verbraucher) das Vertragsverhältnis zwar fristgerecht gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1
  156. WBVG spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Monatsende
  157. - 8 -
  158. kündigt, jedoch vor Ablauf der Kündigungsfrist auszieht. Der Bewohner, der
  159. auszieht und die Leistungen des Pflegeheims nicht mehr entgegennimmt, gerät
  160. in Annahmeverzug, wenn der Betreiber den Heimplatz weiterhin freihält und
  161. nicht anderweitig belegt. Da die Leistungen des Pflegeheims (Wohnraumüberlassung, Pflege und Betreuung) täglich zu erbringen sind, werden sie allein
  162. durch Verstreichen des Leistungszeitpunkts unmöglich mit der Folge, dass das
  163. Heim gemäß § 275 Abs. 1 BGB von seiner Leistungspflicht frei wird und unter
  164. den Voraussetzungen des § 326 Abs. 2 Satz 1 BGB seinen Entgeltanspruch
  165. - gegebenenfalls gekürzt um ersparte Aufwendungen oder anderweitige Einnahmen (§ 326 Abs. 2 Satz 2 BGB) - behält (vgl. auch § 7 Abs. 5 Satz 1 WBVG
  166. und § 615 Satz 2 BGB für den Fall der vorübergehenden Abwesenheit des Bewohners; Bachem/Hacke, WBVG, § 11 Rn. 35; O’Sullivan in Schlegel/Voelzke,
  167. jurisPK-SGB XI, 2. Aufl., § 87a Rn. 27; siehe auch Senat, Urteile vom 4. November 2011 - III ZR 371/03, NJW 2005, 824, 825 und vom 6. Februar 2014
  168. - III ZR 187/13, NJW 2014, 1955 Rn. 20 ff zur Anwendbarkeit des § 615 Satz 2
  169. BGB auf Heimverträge). Im vorliegenden Fall stünde daher dem Beklagten bei
  170. rein zivilrechtlicher Betrachtung der Rechtsbeziehungen das vereinbarte Entgelt
  171. (abzüglich ersparter Aufwendungen) für den gesamten Monat Februar 2015 zu,
  172. da die Nichterbringung der geschuldeten Leistungen vom Kläger auf Grund seines vorzeitigen Auszugs zu verantworten war.
  173. 18
  174. b) aa) Im Anwendungsbereich des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes muss jedoch beachtet werden, dass nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WBVG Vereinbarungen in Verträgen mit Verbrauchern, die Leistungen nach dem Elften
  175. Buch Sozialgesetzbuch entgegennehmen, den Regelungen des Siebten und
  176. Achten Kapitels des Elften Buches Sozialgesetzbuch sowie den auf Grund dieser Vorschriften getroffenen Regelungen entsprechen müssen. Abweichende
  177. Vereinbarungen sind unwirksam (§ 15 Abs. 1 Satz 2 WBVG). Schon die amtli-
  178. - 9 -
  179. che Überschrift "Besondere Bestimmungen bei Bezug von Sozialleistungen"
  180. lässt deutlich erkennen, dass es sich bei § 15 Abs. 1 WBVG um eine gegenüber den allgemeinen heimvertraglichen Vorschriften vorrangige Spezialregelung für Verträge mit Leistungsempfängern der Pflegeversicherung handelt
  181. (BVerwG, Urteil vom 2. Juni 2010 - 8 C 24/09, juris Rn. 49; Richter in Klie/
  182. Krahmer/Plantholz, SGB XI, 4. Aufl., § 87a Rn. 7). Dies bedeutet, dass die vertraglichen Vergütungsvereinbarungen den Vorgaben der §§ 82 ff SGB XI zur
  183. Pflegevergütung unterstellt werden. Für diejenigen Pflegeheimbewohner, die
  184. - wie der Kläger - Leistungen der Pflegeversicherung für stationäre Pflege (siehe § 43 SGB XI) beziehen, gilt somit zusätzlich zu den Bestimmungen des
  185. Wohn- und Betreuungsgesetzes die Vorschrift des § 87a Abs. 1 SGB XI als vorrangige Sonderregelung (AG Bad Segeberg, Urteil vom 28. Mai 2014 - 9 C
  186. 209/13, juris Rn. 33; O'Sullivan in jurisPK-SGB XI aaO Rn. 4 f, 20).
  187. 19
  188. bb) § 87a Abs. 1 Satz 1 SGB XI, der das Prinzip der tagesgleichen Vergütung aufgreift (Schütze in Udsching/Schütze aaO § 87a Rn. 3), bestimmt,
  189. dass die im Begriff des Gesamtheimentgelts zusammengefassten Zahlungsansprüche der Einrichtung für den Tag der Aufnahme des Pflegebedürftigen in
  190. das Pflegeheim sowie für jeden weiteren Tag des Heimaufenthalts taggenau
  191. berechnet werden. Danach besteht der Zahlungsanspruch des Heimträgers nur
  192. für die Tage, in denen sich der Pflegebedürftige tatsächlich im Heim aufhält
  193. (Berechnungstage). Dieser Grundsatz wird sodann durch § 87a Abs. 1 Satz 2
  194. bis 7 SGB XI konkretisiert, ergänzt und modifiziert. In Anwendung des Prinzips
  195. der Berechnung auf Tagesbasis ordnet § 87a Abs. 1 Satz 2 SGB XI an, dass
  196. die Zahlungspflicht der Heimbewohner oder ihrer Kostenträger mit dem Tag
  197. endet, an dem der Heimbewohner aus dem Heim entlassen wird oder verstirbt.
  198. Abweichend hiervon darf nach § 87a Abs. 1 Satz 3 SGB XI bei einem Umzug
  199. des Heimbewohners in eine andere stationäre Pflegeeinrichtung nur das auf-
  200. - 10 -
  201. nehmende Pflegeheim ein Gesamtheimentgelt für den Verlegungstag berechnen, während das vorherige Heim hierfür keine Vergütung mehr erhält. § 87a
  202. Abs. 1 Satz 4 SGB XI erklärt die Regelungen zur Zahlungspflicht nach den Sätzen 1 bis 3 für zwingend. Abweichende Vereinbarungen zwischen dem Pflegeheim und dem Heimbewohner oder dessen Kostenträgern sind nichtig. Es ist
  203. aus den vorgenannten Gründen auch nicht möglich, abweichenden heimrechtlichen Vorschriften einen Vorrang zuzubilligen.
  204. 20
  205. Sonderregelungen für Fälle vorübergehender Abwesenheit enthalten die
  206. Sätze 5 bis 7. Nach § 87a Abs. 1 Satz 5 SGB XI ist der Pflegeplatz im Fall vorübergehender Abwesenheit vom Pflegeheim für einen Abwesenheitszeitraum
  207. von bis zu 42 Tagen im Kalenderjahr für den Pflegebedürftigen freizuhalten.
  208. Dieser Zeitraum wird gemäß § 87 Abs. 1 Satz 6 SGB XI bei Aufenthalten in
  209. Krankenhäusern und in Rehabilitationseinrichtungen für die Dauer dieser Aufenthalte verlängert. Nach § 87a Abs. 1 Satz 7 SGB XI sind in den Rahmenverträgen nach § 75 SGB XI für die nach § 87a Abs. 1 Satz 5 und 6 SGB XI bestimmten Zeiträume vorübergehender Abwesenheit, soweit drei Kalendertage
  210. überschritten werden, Abschläge von mindestens 25 vom Hundert der Pflegevergütung, der Entgelte für Unterkunft und Verpflegung sowie der Zuschläge
  211. nach § 92b SGB XI (integrierte Versorgung) vorzusehen. Daraus ergibt sich,
  212. dass bei einer bloß vorübergehenden Abwesenheit und einem bestehenden
  213. Anspruch auf Freihaltung des Pflegeplatzes während der ersten drei Tage
  214. grundsätzlich der volle Pflegesatz zu zahlen ist. Für Zeiträume, in denen der
  215. Pflegebedürftige abwesend ist, ohne dass er einen gesetzlichen Anspruch auf
  216. Freihaltung seines Pflegeplatzes hat, muss er die volle Vergütung zahlen, wenn
  217. sein Pflegeplatz weiterhin freigehalten werden soll (zur Systematik des § 87a
  218. Abs. 1 SGB XI siehe BSGE 122, 248 Rn. 31, 38 f; BVerwG aaO Rn. 39 f;
  219. BeckOK SozR/Wilcken, SGB XI, 49. Ed. [Stand: 1. April 2016], § 87a Rn. 1 f;
  220. - 11 -
  221. KassKomm/Weber, SGB XI, 99. EL [Stand: Mai 2018], § 87a Rn. 3 ff; O'Sullivan
  222. in juris PK-SGB XI aaO Rn. 18 ff; Schütze in Udsching/Schütze aaO Rn. 3 ff).
  223. 21
  224. c) Umstritten ist, ob der Heimbewohner, der Leistungsbezieher nach dem
  225. Elften Buch Sozialgesetzbuch ist, gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 WBVG das vereinbarte Entgelt an das Pflegeheim zu zahlen hat, wenn er nach einer Eigenkündigung vor Ablauf der Kündigungsfrist endgültig auszieht. Es stellt sich zum einen
  226. die Frage, ob sich der Pflegebedürftige gegenüber dem privatrechtlichen Vergütungsanspruch des Heimbetreibers überhaupt auf die Regelung des § 87a
  227. Abs. 1 Satz 2 SGB XI berufen kann, wonach die Zahlungspflicht der Heimbewohner oder ihrer Kostenträger mit dem Tag endet, an dem der Heimbewohner
  228. aus dem Heim entlassen wird. Zum anderen ist fraglich, ob ein "Entlassen" im
  229. Sinne des § 87a Abs. 1 Satz 2 SGB XI auch in den Fällen vorliegt, in denen der
  230. Heimbewohner das Heim vor Ablauf einer Kündigungsfrist endgültig verlässt,
  231. insbesondere um in eine andere stationäre Pflegeeinrichtung einzuziehen.
  232. 22
  233. Zum Teil wird die Ansicht vertreten, dass die Pflegekasse, wenn das Vertragsverhältnis durch den Heimbewohner gekündigt werde, zwar berechtigt sei,
  234. ihre Leistungen mit dem Auszug aus der Pflegeeinrichtung unter Berufung auf
  235. § 87a Abs. 1 Satz 2 SGB XI einzustellen; der Pflegebedürftige könne sich allerdings nicht auf diese Vorschrift stützen und müsse deshalb das vereinbarte
  236. Entgelt, das auch den Anteil der Pflegekasse beinhalte, bis zum Ablauf der
  237. Kündigungsfrist bezahlen (AG Gelnhausen, Urteil vom 26. März 2014 - 52 C
  238. 1178/13; BeckOGK/Drasdo, BGB, § 11 WBVG Rn. 20 [Stand: 1. April 2018];
  239. Bachem/Hacke aaO § 7 Rn. 109; Drasdo, NZM 2015, 601, 606). Nach anderer
  240. Auffassung soll § 87a Abs. 1 Satz 2 SGB XI dahin zu verstehen sein, dass das
  241. Ende der Zahlungsverpflichtung des Bewohners rechtsgeschäftlich an eine
  242. Kündigung nach § 11 WBVG und nicht an das tatsächliche Handeln gebunden
  243. - 12 -
  244. sei. Der Begriff der "Entlassung" sei nicht mit "Auszug" gleichzusetzen. Vielmehr müsse der Heimbewohner seinen vertraglichen Pflichten gegenüber dem
  245. Heimträger bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nachkommen (AG Görlitz, Urteil
  246. vom 26. Januar 2007 - 5 C 0239/06, Umdruck S. 6; Richter in Klie/Krahmer/
  247. Plantholz aaO Rn.6).
  248. 23
  249. Diesen Rechtsansichten wird entgegengehalten, dass der Gesetzgeber
  250. mit der Regelung des § 87a Abs. 1 Satz 2 SGB XI den Schutz des Heimbewohners beziehungsweise seines Kostenträgers vor der doppelten Inanspruchnahme für etwaige Leerstände nach einem Auszug bezweckt habe. Etwaige Leerstände würden bereits über die Auslastungskalkulation der Pflegeeinrichtungen
  251. hinreichend berücksichtigt. Nach der Intention des Gesetzgebers könne das
  252. Gesamtheimentgelt grundsätzlich nur für die Zeiten gefordert werden, in denen
  253. der Heimträger seine Leistungen, abgesehen von einer vorübergehenden Abwesenheit des Heimbewohners auf Grund von Krankenhausaufenthalten oder
  254. Urlaub, tatsächlich erbringe. Dies entspreche der taggenauen Berechnung des
  255. Gesamtheimentgelts, wie sie § 87a Abs. 1 Satz 1 SGB XI vorschreibe. Diese
  256. strikte Regelung wirke unmittelbar auf die Vertragsbeziehung zwischen dem
  257. Heimträger und dem pflegebedürftigen Bewohner ein und schließe zum Beispiel
  258. nachlaufende Vergütungsansprüche während einer Kündigungsfrist aus (AG
  259. Bad Segeberg, Urteil vom 28. Mai 2014 - 9 C 209/13, juris Rn. 25 f, 30;
  260. O'Sullivan in juris PK-SGB XI aaO Rn. 18; Schütze in Udsching/Schütze aaO
  261. Rn. 5).
  262. 24
  263. d) Die zuletzt dargestellte Auffassung, von der auch die Vorinstanzen
  264. ausgegangen sind, trifft zu.
  265. - 13 -
  266. 25
  267. aa) Nach seinem eindeutigen Wortlaut regelt § 87a Abs. 1 Satz 2 SGB XI
  268. nicht allein die Zahlungspflicht des Kostenträgers, sondern erfasst ebenso die
  269. zivilrechtliche Vergütungspflicht des Heimbewohners. Es handelt sich um eine
  270. gegenüber den heimvertraglichen Bestimmungen des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes vorrangige Sonderregelung zugunsten von Heimbewohnern,
  271. die gleichzeitig Leistungsbezieher der Pflegeversicherung sind. Dieser Vorrang
  272. kommt darin zum Ausdruck, dass abweichende Vereinbarungen nichtig sind
  273. (§ 15 Abs. 1 Satz 2 WBVG, § 87a Abs. 1 Satz 4 SGB XI). Nur durch diese Auslegung wird auch dem Anliegen des Gesetzgebers Rechnung getragen, die
  274. heimvertraglichen und pflegeversicherungsrechtlichen Regelungen zu harmonisieren und eine doppelte vergütungsmäßige Berücksichtigung von Leerständen
  275. im Anschluss an einen Auszug des Bewohners auszuschließen (nämlich auf
  276. Grund von dessen Zahlungspflicht oder derjenigen seines Kostenträgers einerseits und der Auslastungskalkulation der Pflegeeinrichtung andererseits). Es
  277. wäre deshalb verfehlt, § 87a Abs. 1 Satz 2 SGB XI als eine allein das pflegeversicherungsrechtliche Rechtsverhältnis der Kostenträger zu den Heimträgern
  278. und -bewohnern betreffende Regelung zu verstehen (Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Qualitätssicherung und zur Stärkung des
  279. Verbraucherschutzes in der Pflege - Pflege-Qualitätssicherungsgesetzes, BTDrucks. 14/5395, S. 35; BVerwG aaO Rn. 40; Schütze in Udsching/Schütze
  280. aaO).
  281. 26
  282. bb) Die Systematik des § 87a Abs. 1 SGB XI sowie die Entstehungsgeschichte und der daraus ableitbare Zweck des Gesetzes sprechen klar dafür,
  283. dass ein "Entlassen" im Sinne des § 87a Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 SGB XI auch dann
  284. vorliegt, wenn der Pflegebedürftige - nach einer Kündigung des Heimvertragsverhältnisses - vor Ablauf der Kündigungsfrist des § 11 Abs. 1 Satz 1 WBVG
  285. endgültig auszieht.
  286. - 14 -
  287. 27
  288. (1) Entgegen der Auffassung der Revision ist der Wortlaut des § 87a
  289. Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 SGB XI nicht in dem Sinne eindeutig, dass der vorzeitige
  290. Auszug des Heimbewohners nicht darunter falle. Es ist durchaus möglich, unter
  291. einem "Entlassen" auch ein endgültiges "Verlassen" zu verstehen. Die Vorinstanzen sind deshalb zu Recht davon ausgegangen, dass ein Verständnis der
  292. Norm dahingehend, auch der eigenmächtige Auszug des Heimbewohners sei
  293. erfasst, nach dem Wortlaut nicht ausgeschlossen ist.
  294. 28
  295. (2) Der systematische Zusammenhang der Regelungen in § 87a Abs. 1
  296. SGB XI belegt, dass ein Vergütungsanspruch des Heimträgers nur besteht,
  297. wenn der Heimbewohner den Pflegeplatz nicht endgültig aufgibt und Leistungen
  298. tatsächlich erbracht werden oder als erbracht anzusehen sind.
  299. 29
  300. (a) Durch die Berechnung des Gesamtheimentgelts auf Tagesbasis, die
  301. in § 87a Abs. 1 Satz 1 SGB XI angeordnet wird, wird sichergestellt, dass die
  302. Zahlungspflicht des Heimbewohners beziehungsweise seines Kostenträgers mit
  303. dem Tag endet, an dem der Bewohner aus dem Heim entlassen wird oder verstirbt (§ 87a Abs. 1 Satz 2 SGB XI). Über die insoweit maßgebenden "Berechnungstage" hinausgehende bereits geleistete Beträge muss das Pflegeheim
  304. zurückerstatten (vgl. BeckOK SozR/Wilcken aaO Rn. 1). Dass der Begriff "Entlassen" auch den Umzug beziehungsweise die Verlegung des Pflegebedürftigen in ein anderes Heim erfasst, erschließt sich aus der Regelung des § 87a
  305. Abs. 1 Satz 3 SGB XI. Darin wird klargestellt, dass die Zahlungspflicht des
  306. Heimbewohners gegenüber dem bisherigen Pflegeheim nicht für den Umzugs-/
  307. Verlegungstag besteht und insofern ein Heimentgelt nur durch die aufnehmende Pflegeeinrichtung berechnet werden darf. Damit bringt das Gesetz zugleich
  308. zum Ausdruck, dass für die restlichen Tage des Monats, in dem der Auszugs-/
  309. Verlegungstag liegt, kein Entgelt mehr an das bisherige Pflegeheim zu zahlen
  310. - 15 -
  311. ist, und zwar unabhängig davon, ob der Heimbewohner, der Leistungen der
  312. sozialen Pflegeversicherung bezieht, die Kündigungsfrist des § 11 Abs. 1 Satz 1
  313. WBVG einhält (vgl. O'Sullivan in juris PK-SGB XI aaO Rn. 18 f). Würde man
  314. dies anders sehen und dem bisherigen Heim einen Entgeltanspruch auch für
  315. die Zeit nach dem endgültigen Auszug des Bewohners bis zum Ende der Kündigungsfrist zubilligen, wäre das Ergebnis ein sinn- und gesetzwidriges. Das
  316. bisherige Heim dürfte dann zwar den Verlegungstag nicht berechnen, obwohl
  317. es an diesem Tag noch (Teil-)Leistungen erbracht hat, könnte aber die restlichen Tage - entgegen § 87a Abs. 1 Satz 1 SGB XI - bis zum Anlauf der Kündigungsfrist in Rechnung stellen, obwohl in diesem Zeitraum keine Leistungserbringung mehr erfolgt (so zutreffend AG Bad Segeberg aaO Rn. 31).
  318. 30
  319. (b) Der Regelung des § 87a Abs. 1 Satz 5 bis 7 SGB XI über die Vergütungspflicht des Bewohners bei vorübergehender Abwesenheit vom Heim ist zu
  320. entnehmen, dass ein Vergütungsanspruch der Einrichtung (gegebenenfalls unter Berücksichtigung ersparter Aufwendungen) voraussetzt, dass der Pflegebedürftige das Heim nur vorübergehend im Sinne des § 87a Abs. 1 Satz 5, 6
  321. SGB XI verlässt (z.B. wegen eines Krankenhausaufenthalts) und deshalb einen
  322. gesetzlichen Anspruch auf Freihaltung seines Pflegeplatzes hat. Insoweit fingiert das Gesetz - im Hinblick auf den Vorhalteaufwand der Einrichtung - eine
  323. Leistung der Pflegeeinrichtung auch während der Zeit der (vorübergehenden)
  324. Abwesenheit des Bewohners und erlegt sowohl der Einrichtung als auch dem
  325. Heimbewohner entsprechende Rechtspflichten (Freihalteverpflichtung beziehungsweise Zahlungspflicht) auf. Ist demgegenüber erkennbar, dass der Pflegebedürftige das Heim endgültig verlässt, muss der Heimträger einerseits den
  326. Pflegeplatz nicht mehr freihalten und kann andererseits aber auch - konsequent - keine Vergütung mehr verlangen.
  327. - 16 -
  328. 31
  329. (3)
  330. Die Entstehungsgeschichte der in § 87a Abs. 1 Satz 1 bis 3 SGB XI ent-
  331. haltenen Regelungen und der daraus ableitbare Gesetzeszweck bestätigen,
  332. dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Zahlungspflicht des Heimbewohners mit dem Tag enden soll, an dem er die Pflegeeinrichtung endgültig verlässt, mag dies auch vor Ablauf einer Kündigungsfrist geschehen. § 87a Abs. 1
  333. Satz 2 SGB XI beruht auf dem Gesetz zur Qualitätssicherung und zur Stärkung
  334. des Verbraucherschutzes in der Pflege vom 9. September 2001 (BGBl. I
  335. S. 2320) und bezweckt den Schutz des Heimbewohners (beziehungsweise seiner Erben) oder seines Kostenträgers vor der doppelten Inanspruchnahme für
  336. etwaige Leerstände nach dem Auszug (oder dem Tod) des Heimbewohners.
  337. Nach der üblichen Praxis der Heimträger werden die durch Leerstände verursachten Kosten im Rahmen der Auslastungskalkulation sowie durch gesonderte
  338. Wagnis- und Risikozuschläge (unerwartete Verzögerungen bei der Neubelegung der Plätze) in die Pflegesätze eingerechnet und anschließend anteilig auf
  339. die Heimbewohner umgelegt (AG Bad Segeberg aaO Rn. 26, 30; O’Sullivan in
  340. juris PK-SGB XI aaO Rn. 18; Schütze in Udsching/Schütze aaO Rn. 5). Dies
  341. hat den Gesetzgeber veranlasst, den Zahlungsanspruch des Einrichtungsträgers bei Versterben oder bei einem Auszug des Heimbewohners auf den Tag
  342. der Beendigung der tatsächlichen Leistungserbringung zu begrenzen, weil ansonsten die Zeit des Leerstandes zulasten des Heimbewohners doppelt berücksichtigt würde (Begründung zum Entwurf des Pflege-Qualitätssicherungsgesetzes, BT-Drucks. 14/5395, S. 35).
  343. 32
  344. e) Danach endete die Zahlungspflicht des Klägers gemäß § 87a Abs. 1
  345. Satz 2 SGB XI mit dem Tag seines Auszugs aus dem Pflegeheim des Beklagten am 14. Februar 2015. Als Empfänger von Leistungen nach dem Elften Buch
  346. Sozialgesetzbuch fällt er in den Anwendungsbereich des § 87a Abs. 1 SGB XI
  347. (vgl. BVerwG aaO Rn. 40). Aus der Kündigung vom 28. Januar 2015 war für
  348. - 17 -
  349. den Beklagten erkennbar, dass der Kläger das Pflegeheim endgültig verlassen
  350. wollte. Da der Beklagte nach dem Auszug des Klägers keine Leistungen mehr
  351. erbracht hat und auch nicht verpflichtet war, den Pflegeplatz freizuhalten, besteht insofern nach den Grundsätzen des § 87a Abs. 1 Satz 1, 2 SGB XI auch
  352. kein Vergütungsanspruch.
  353. 33
  354. Diesem Ergebnis kann nicht entgegengehalten werden, dass dann die
  355. für den Verbraucher nach § 11 Abs. 1 Satz 1 WBVG geltende Kündigungsfrist
  356. keine eigenständige Bedeutung mehr hätte (so aber BeckOGK/Drasdo aaO
  357. Rn. 20; ders., NZM 2015, 601, 606). Dabei wird nicht bedacht, dass § 87a
  358. Abs. 1 Satz 2 SGB XI als heimvertragliche Sonderregelung zugunsten von
  359. Heimbewohnern zu verstehen ist, die gleichzeitig Leistungsempfänger der Pflegeversicherung sind, und abweichende Vereinbarungen zwischen dem Pflegeheim und dem Bewohner oder dem Kostenträger nach § 87a Abs. 1 Satz 4
  360. SGB XI nichtig sind. In diesem Bereich werden die Bestimmungen des Wohnund Betreuungsvertragsgesetzes durch die Vorschriften des Elften Buches Sozialgesetzbuch überlagert (vgl. BVerwG aaO Rn. 39 f). Für diejenigen Bewohner eines Pflegeheims, die keine Leistungen der sozialen Pflegeversicherung
  361. beziehen, gilt § 11 WBVG dagegen uneingeschränkt (O'Sullivan in juris PKSGB XI aaO Rn. 21).
  362. 34
  363. 3.
  364. Auf der Grundlage der nicht angegriffenen Feststellungen der Vorinstan-
  365. zen schuldet der Beklagte seit dem 1. Juni 2015 Verzugszinsen gemäß §§ 286,
  366. 288 Abs. 1 BGB. Für die Berechnung der unter dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzugs nach § 280 Abs. 1, 2, § 286 BGB zu erstattenden vorgerichtlichen
  367. Rechtsanwaltskosten (1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG, Pauschale
  368. nach Nr. 7002 VV RVG, Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG) ist der zuerkannte Betrag von 1.130,40 € als Gegenstandswert maßgebend, da das dar-
  369. - 18 -
  370. über hinausgehende Zahlungsverlangen des Klägers von Anfang an nicht berechtigt war.
  371. III.
  372. 35
  373. Das angefochtene Urteil ist insoweit aufzuheben, als der Beklagte zur
  374. Zahlung eines 1.130,40 € übersteigenden Betrags verurteilt worden ist (§ 562
  375. Abs. 1 ZPO). Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat abschließend entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).
  376. Herrmann
  377. Tombrink
  378. Reiter
  379. Remmert
  380. Pohl
  381. Vorinstanzen:
  382. AG Öhringen, Entscheidung vom 15.04.2016 - 2 C 256/15 LG Heilbronn, Entscheidung vom 21.08.2017 - (II) 5 S 27/16 -