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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. III ZR 223/06
  5. Verkündet am:
  6. 24. April 2008
  7. Freitag
  8. Justizamtsinspektor
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BNotO § 19; BeurkG § 17; GmbHG § 55
  19. Bei der Beurkundung eines Kapitalerhöhungsbeschlusses muss sich
  20. der Notar regelmäßig auch darüber vergewissern, ob eine Vorauszahlung an die Gesellschaft erfolgt ist und gegebenenfalls über die Voraussetzungen einer Zahlung auf künftige Einlagenschuld aufklären
  21. (Fortführung von BGH, Urteil vom 16. November 1995 - IX ZR 14/95 NJW
  22. 1996,
  23. 524).
  24. BGH, Urteil vom 24. April 2008 - III ZR 223/06 - OLG Frankfurt am Main
  25. LG Wiesbaden
  26. - 2 -
  27. Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  28. vom 24. April 2008 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
  29. Dr. Kapsa, Dr. Herrmann, Wöstmann und Hucke
  30. für Recht erkannt:
  31. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 4. Zivilsenats des
  32. Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 23. August 2006 aufgehoben.
  33. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  34. über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  35. Von Rechts wegen
  36. Tatbestand
  37. 1
  38. Der Kläger war Alleingesellschafter und Geschäftsführer der 1994 mit
  39. einem Stammkapital von 50.000 DM gegründeten G.
  40. GmbH.
  41. In einer von dem beklagten Notar beurkundeten Gesellschafterversammlung
  42. vom 23. Dezember 1996 beschloss er eine Erhöhung des Stammkapitals der
  43. Gesellschaft um 1.450.000 DM auf 1.500.000 DM. Die neue Stammeinlage sollte dadurch erbracht werden, dass ein Geldbetrag in Höhe von 1 Mio. DM "in bar
  44. geleistet wird" und dass im Übrigen der Kläger seinen Anspruch auf Rückzahlung eines der Gesellschaft gewährten Darlehens von 450.000 DM in die Ge-
  45. - 3 -
  46. sellschaft einbrachte. Der Kläger übernahm die neue Stammeinlage. Unter
  47. demselben Datum unterzeichnete er mit Beglaubigung des Beklagten eine Anmeldung der Kapitalerhöhung zum Handelsregister und versicherte dabei, dass
  48. die Einlagen auf das neue Stammkapital in voller Höhe bewirkt seien und der
  49. Geschäftsführung zur freien Verfügung ständen. Einen Geldbetrag in Höhe des
  50. bar zu erbringenden Teils seiner Einlage hatte der Kläger, ohne dass der Beklagte dies wusste, bereits am 19. Dezember 1996 auf das Geschäftskonto der
  51. Gesellschaft überwiesen. Das Konto wurde seinerzeit - bei geduldeter Überziehung - im Debet geführt und wies am Tag vor der Einzahlung einen Saldo von
  52. 1.452.978,13 DM zu Lasten der Gesellschaft auf. Nach Gutschrift der nach Behauptung des Klägers als "Vergütung R.
  53. W.
  54. Stammeinlage G.
  55. GmbH" bezeichneten Einzahlung und weiteren Buchungen lag der Debetsaldo auf dem Gesellschaftskonto bei 436.729,84 DM. Der Beklagte sollte
  56. nach Vorliegen einer Werthaltigkeitsbescheinigung für den einzubringenden
  57. Darlehensrückzahlungsanspruch die Kapitalerhöhung beim Registergericht anmelden. Der Kläger stellte die Bescheinigung für den 27. Dezember 1996 in
  58. Aussicht, tatsächlich ging sie erst am 30. Dezember 1996 bei dem Beklagten
  59. ein. Mit Anschreiben vom selben Tage leitete dieser die Urkunden dem Handelsregister zu. Die Kapitalerhöhung wurde am 11. Februar 1997 im Handelsregister eingetragen.
  60. 2
  61. Am 23. November 1999 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und der jetzige Streithelfer des Klägers zum Insolvenzverwalter bestellt. In einem durch drei Instanzen geführten Vorprozess nahm
  62. dieser den Kläger erfolgreich auf erneute Zahlung der Bareinlage in Anspruch,
  63. weil durch die Überweisung vom 19. Dezember 1996 die Einlageschuld des
  64. Klägers nicht getilgt worden sei. Durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom
  65. 15. März 2004 (II ZR 210/01, BGHZ 158, 283) wurde der Kläger zur Zahlung
  66. - 4 -
  67. von 511.291,88 € nebst Zinsen verurteilt. Daraufhin ließ der Insolvenzverwalter
  68. Schadensersatzansprüche des Klägers gegen den Beklagten pfänden und sich
  69. zur Einziehung überweisen.
  70. 3
  71. In dem vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Kläger Freistellung von der
  72. im Vorverfahren titulierten Verbindlichkeit nebst Zinsen sowie von den Prozesskosten in Höhe weiterer 82.047,92 €. Landgericht und Oberlandesgericht haben
  73. die Klage abgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision
  74. verfolgt der Kläger seine Klageforderung weiter.
  75. Entscheidungsgründe
  76. 4
  77. Die Revision hat Erfolg.
  78. I.
  79. 5
  80. Nach Ansicht des Berufungsgericht ist zwar von einer Amtspflichtverletzung des Urkundsnotars auszugehen. Es fehle aber am Nachweis der Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden.
  81. 6
  82. Allerdings seien dem Beklagten Verstöße gegen seine Amtspflichten
  83. nicht schon im Zusammenhang mit der Beurkundung vom 23. Dezember 1996
  84. vorzuwerfen. Er sei nicht verpflichtet gewesen, nach der vom Kläger wegen der
  85. Satzungsänderung aufzubringenden Zahlung zu fragen. Eine am 19. Dezember
  86. 1996 erfolgte - von ihm bestrittene - Voreinzahlung auf die erhöhte Stammeinlage sei dem Beklagten nicht bekannt gewesen. Auch der Text der Urkunde
  87. - 5 -
  88. erlaube einen solchen Schluss nicht. Eine Belehrungspflicht habe sich ebenso
  89. wenig aus der zeitgleichen Beurkundung der Kapitalerhöhung und der Beglaubigung der Unterschrift des Klägers in der Anmeldung zum Handelsregister ergeben. Eine derartige Verpflichtung rechtfertige sich ferner nicht unter Berücksichtigung der vom Beklagten entworfenen Versicherung des Klägers als Geschäftsführer der GmbH, dass die Einlagen auf das neue Stammkapital in voller
  90. Höhe bewirkt seien. Diese Erklärung habe sich lediglich auf den Zeitpunkt der
  91. Anmeldung zum Handelsregister bezogen.
  92. 7
  93. Gleichwohl habe den Beklagten unter Berücksichtigung des Umstands,
  94. dass er es übernommen habe, die Satzungsänderung zum Handelsregister anzumelden, eine aus § 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO folgende Amtspflicht getroffen,
  95. sich beim Vollzug der Urkunde zu vergewissern, ob die erhöhte Bareinlage tatsächlich gezahlt worden sei und dieser Betrag der Gesellschaft endgültig und
  96. auflagenfrei zur Verfügung gestanden habe. Der Kläger sei im Zusammenhang
  97. mit der angemeldeten Kapitalerhöhung der Gefahr einer zivilrechtlichen Haftung
  98. als Geschäftsführer nach § 57 Abs. 4, § 9a Abs. 1 GmbHG sowie einer Strafbarkeit wegen Abgabe einer falschen Versicherung nach § 82 Abs. 1 Nr. 3
  99. GmbHG ausgesetzt gewesen. Aufgrund seiner Verpflichtung, den sichersten
  100. Weg zu gehen, habe sich der Beklagte daher vor der Anmeldung vergewissern
  101. müssen, dass die Bareinzahlung auf die erhöhte Stammeinlage tatsächlich erfolgt sei.
  102. 8
  103. Es lasse sich indes nicht feststellen, dass diese Amtspflichtverletzung für
  104. den geltend gemachten Schaden ursächlich geworden sei. Hierfür komme es
  105. darauf an, wie sich der Kläger verhalten hätte, wenn sich der Beklagte vor Vollzug der Kapitalerhöhung über die erfolgte Zahlung vergewissert hätte. Für diesen Fall könne lediglich unterstellt werden, dass der Kläger die Zahlung als sol-
  106. - 6 -
  107. che bestätigt hätte, den Beklagten jedoch nicht über den Zeitpunkt der Zahlung
  108. und insbesondere nicht über die Voreinzahlung auf ein debitorisches Konto aufgeklärt hätte. Danach habe der Kläger den ihm obliegenden Kausalitätsnachweis nicht geführt.
  109. II.
  110. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung im entscheiden-
  111. 9
  112. den Punkt nicht stand.
  113. 10
  114. 1.
  115. Gegen die Prozessführungsbefugnis des Klägers bestehen keine Beden-
  116. ken. Die für den Gläubiger gepfändete und ihm zur Einziehung überwiesene
  117. Forderung verbleibt im Vermögen des Vollstreckungsschuldners. Er darf zwar
  118. nicht zum Nachteil des Pfändungsgläubigers hierüber verfügen (§ 829 Abs. 1
  119. Satz 2 ZPO) und deswegen nicht Leistung an sich selbst verlangen. Rechtshandlungen, die weder den Bestand des Pfändungsrechts noch den der gepfändeten Forderung beeinträchtigen, sind dem Schuldner dagegen infolge der
  120. ihm verbliebenen Berechtigung gestattet (BGHZ 147, 225, 229). Aus diesem
  121. Grunde ist er aus eigenem Recht nicht nur befugt, auf Leistung an den Pfändungsgläubiger zu klagen (BGHZ 147 aaO), sondern er kann als weniger seinen Klageantrag auch auf Freistellung von dessen Ansprüchen richten (BGHZ
  122. 114, 138, 141).
  123. 11
  124. 2.
  125. In der Sache folgt der Senat dem Berufungsgericht nicht. Der Beklagte
  126. hat bereits bei der Beurkundung des Kapitalerhöhungsbeschlusses und der Übernahmeerklärung seine notariellen Belehrungspflichten nach § 17 Abs. 1
  127. BeurkG verletzt, indem er die Frage, ob möglicherweise eine Vorleistung auf
  128. - 7 -
  129. die übernommene Bareinlage gegeben war, ungeklärt ließ. Auf die vom Berufungsgericht im Ausgangspunkt bejahte, nach seiner Auffassung jedoch wegen
  130. Kausalitätszweifeln für eine Haftung nicht ausreichende notarielle Amtspflichtverletzung - erst - beim Vollzug der Urkunde kommt es nicht an.
  131. 12
  132. a) Die Belehrungspflicht, die dem Notar durch § 17 Abs. 1 BeurkG auferlegt ist, soll gewährleisten, dass dieser eine rechtswirksame Urkunde über das
  133. von den Beteiligten beabsichtigte Rechtsgeschäft errichtet. Der Notar muss zu
  134. diesem Zweck den Willen der Beteiligten erforschen, den Sachverhalt klären,
  135. die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren und deren
  136. Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift wiedergeben. Dabei darf
  137. er zwar regelmäßig die tatsächlichen Angaben der Beteiligten ohne eigene
  138. Nachprüfung als richtig zugrunde legen; er muss aber unter anderem bedenken, dass die Beteiligten möglicherweise entscheidende Gesichtspunkte, auf
  139. die es für das Rechtsgeschäft ankommen kann, nicht erkennen oder rechtliche
  140. Begriffe, die auch unter Laien gebräuchlich sind und die sie ihm als Tatsachen
  141. vortragen, falsch verstehen. Lässt sich dies und damit eine unzutreffende Erfassung des Sachverhalts oder des Willens der Beteiligten nicht ausschließen,
  142. dann muss der Notar entsprechende Fragen stellen (§ 17 Abs. 2 Satz 1
  143. BeurkG; BGH, Urteil vom 16. November 1995 - IX ZR 14/95 - NJW 1996, 524,
  144. 525 = DStR 1996, 273 m. Anm. Goette = DNotZ 1996, 572 m. Anm. Rinsche
  145. und Kanzleiter; Senatsbeschluss vom 2. Oktober 2007 - III ZR 13/07 - NJW
  146. 2007, 3566, 3567 = DStR 2007, 2124 m. Anm. Goette = GmbHR 2007, 1331 m.
  147. Anm. Wachter; dazu ferner Volmer, EWiR 2007, 753).
  148. 13
  149. b) Anlass zu einer solchen Aufklärung des Sachverhalts hat der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in dem genannten Urteil vom 16. November
  150. 1995 (aaO) bei einer Barkapitalerhöhung in der Mitteilung der Gesellschafter
  151. - 8 -
  152. gesehen, die neuen Geschäftsanteile seien voll "eingezahlt". Dies habe die
  153. Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass die Gesellschafter damit die - unzulässige - Verrechnung der übernommenen Einlagen mit Ansprüchen gegen die
  154. Gesellschaft wegen früherer Darlehen meinten. Der Notar brauche zwar nicht
  155. "ins Blaue hinein" nachzufragen und zu belehren. Eine Aufklärung sei aber in
  156. einer derartigen Fallgestaltung deswegen geboten, weil der Begriff der "Bareinzahlung" nach den Erfahrungen der Praxis häufig nicht richtig verstanden und
  157. vielfach auch eine Verrechnung für möglich gehalten werde. Ein Gesellschafter,
  158. der einen derartigen neuen Anteil übernehme, sei dann aber verpflichtet, die
  159. Einlage unbeschadet seines bestehen bleibenden, jedoch vielfach praktisch
  160. wertlosen Darlehensrückzahlungsanspruchs in bar einzuzahlen. Diese einschneidende Rechtsfolge gebiete es, dass der Notar, dem bei der Beurkundung
  161. eines Kapitalerhöhungsbeschlusses erklärt werde, die neuen Einlagen seien
  162. bereits "eingezahlt", sich darüber vergewissere, dass die Beteiligten die Bedeutung dieses Begriffs kennen, und sie notfalls darüber aufkläre. Dem hat sich der
  163. erkennende Senat hinsichtlich einer Sachkapitalerhöhung für den Rechtsbegriff
  164. des "eigenkapitalersetzenden Darlehens" und allgemein für die Frage, ob eine
  165. einzubringende Gesellschafterforderung gegen die GmbH "vollwertig" sei, angeschlossen (Beschluss vom 2. Oktober 2007 aaO).
  166. 14
  167. c) Die vorliegende Fallgestaltung rechtfertigt keine grundsätzlich abweichende Beurteilung. Die Zahlung auf künftige Einlagenschuld hat nach der
  168. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - von denkbaren Einschränkungen
  169. aus Sanierungsgründen abgesehen (vgl. hierzu BGHZ 145, 150, 154; 158, 283,
  170. 284; 168, 201, 204 Rn. 15 ff.) - allein dann schuldtilgende Wirkung, wenn der
  171. eingezahlte Betrag im Zeitpunkt des Erhöhungsbeschlusses als solcher noch im
  172. Vermögen der Gesellschaft vorhanden ist (BGHZ 51, 157, 159; 158, 283, 284 f.;
  173. 168, 201, 203 Rn. 13). Erfüllt ist diese Voraussetzung, sofern die geschuldete
  174. - 9 -
  175. Summe sich entweder in der Kasse der Gesellschaft befindet oder der Gesellschafter auf ein Konto der Gesellschaft einzahlt und dieses anschließend und
  176. fortdauernd bis zur Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses ein Guthaben in
  177. entsprechender Höhe ausweist. Dagegen reicht es nicht aus, dass der Überweisungsbetrag mit Schulden der Gesellschaft verrechnet wird, selbst wenn das
  178. Kreditinstitut eine erneute Verfügung über das Kreditkonto in entsprechender
  179. Höhe gestattet (BGHZ 158, 283, 285). Für die Erfüllung der dann weiterhin offen stehenden Bareinlageverpflichtung haften neben den Gesellschaftern die
  180. Geschäftsführer (§ 57 Abs. 4, § 9a GmbHG).
  181. 15
  182. Der eine Kapitalerhöhung beurkundende Notar kann - über die im Urteil
  183. vom 16. November 1995 (aaO) behandelte Frage der Verrechnung mit Ansprüchen gegen die Gesellschaft hinaus - auch nicht davon ausgehen, dass die Gesellschafter den Begriff der "Bareinzahlung" im Wortsinn immer als eine dem
  184. Erhöhungsbeschluss nachfolgende Zahlung verstehen werden oder sie zumindest Kenntnis über die Voraussetzungen einer zulässigen Vorausleistung der
  185. Einlage besitzen. Die Erfahrungen der Praxis belegen im Gegenteil, dass vielfach in gutem Glauben Vorauszahlungen geleistet werden, denen wegen eines
  186. im Debet geführten Gesellschaftskontos eine schuldtilgende Wirkung nicht zukommt. Angesichts der verbreiteten Unkenntnis der Rechtslage und der den
  187. Beteiligten hieraus drohenden erheblichen Gefahren muss der Notar in der Regel nachfragen, ob womöglich eine Vorausleistung erfolgt ist und gegebenenfalls über deren Unzulässigkeit aufklären (so auch Leske, NotBZ 2002, 284,
  188. 288, 291). Das gilt unabhängig davon, ob besondere Umstände im Einzelfall
  189. eine Vorwegleistung der Bareinlage nahe legen (zu solchen Fallgestaltungen
  190. siehe OLG Oldenburg DB 2006, 777, 778; OLG Rostock NotBZ 2004, 399,
  191. 400). Belehrungspflichten des Notars können zwar entfallen, wenn die Beteiligten sich über die Tragweite ihrer Erklärungen und das damit verbundene Risiko
  192. - 10 -
  193. vollständig im Klaren sind. Davon muss sich der Notar aber zuverlässig überzeugt haben (BGH, Urteil vom 27. Oktober 1994 - IX ZR 12/94 - NJW 1995,
  194. 330, 331; Ganter in Zugehör/Ganter/Hertel, Handbuch der Notarhaftung,
  195. Rn. 971).
  196. 16
  197. d) Nach diesen Maßstäben hatte der Beklagte selbst ohne Rücksicht auf
  198. den von der Revision betonten Umstand, dass hier für die Einzahlung der neuen Stammeinlage bis zur Anmeldung beim Registergericht allenfalls noch drei
  199. Banktage verblieben, und ungeachtet auch der von den Parteien unterschiedlich bewerteten Diskrepanzen zwischen dem Wortlaut des Kapitalerhöhungsbeschlusses und dem Inhalt der gleichzeitigen Anmeldung zum Handelsregister
  200. die Frage nach einer etwaigen Vorausleistung seitens des Klägers aufzuwerfen.
  201. Der Kläger war als Geschäftsführer mehrerer Gesellschaften mit beschränkter
  202. Haftung und Vorstandsvorsitzender einer Aktiengesellschaft zwar geschäftsgewandt und im Wirtschaftsleben erfahren. Damit stand aber noch nicht fest, dass
  203. er auch in Bezug auf die schwierigen Rechtsfragen einer Kapitalerhöhung nicht
  204. belehrungsbedürftig gewesen wäre. Der Umstand, dass das Berufungsgericht
  205. als Kollegialgericht eine Amtspflichtverletzung des Beklagten bei der Beurkundung verneint hat, entlastet den Beklagten gleichfalls nicht. Die sogenannte Kollegialgerichtslinie des Senats gilt nicht, wenn das Gericht wesentliche rechtliche
  206. Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen hat (Senatsurteil vom 2. Juni 2005
  207. - III ZR 306/04 - NJW 2005, 3495, 3497). So liegt es hier.
  208. III.
  209. 17
  210. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif. Abgesehen davon,
  211. dass der Beklagte die Zweckbestimmung der Einzahlung vom 19. Dezember
  212. - 11 -
  213. 1996 als Voreinzahlung auf die Kapitalerhöhung bestreitet, hat das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - keine Feststellungen zur Kausalität dieser Amtspflichtverletzung bei der Beurkundung für den vom Kläger geltend gemachten Schaden getroffen. Der Senat kann dies nicht nachholen. Aus diesen
  214. Gründen ist der Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur
  215. neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
  216. Schlick
  217. Kapsa
  218. Wöstmann
  219. Herrmann
  220. Hucke
  221. Vorinstanzen:
  222. LG Wiesbaden, Entscheidung vom 19.07.2005 - 8 O 183/04 OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 23.08.2006 - 4 U 156/05 -