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16 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. III ZB 42/15
  4. vom
  5. 25. Februar 2016
  6. in dem Rechtsstreit
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. ZPO § 233 Fc, Fd
  14. Eine Einzelanweisung, die das Fehlen allgemeiner organisatorischer Regelungen zur Ausgangskontrolle fristgebundener Schriftsätze ausgleichen kann, setzt
  15. voraus, dass der Rechtsanwalt für einen bestimmten Fall genaue Anweisungen
  16. erteilt, die eine Fristwahrung sicherstellen. Erschöpft sich die Einzelanweisung
  17. lediglich darin, die Art und Weise, den Zeitpunkt sowie den Adressaten der
  18. Übermittlung zu bestimmen, genügt dies nicht (Bestätigung und Fortführung
  19. des Senatsbeschlusses vom 12. September 2013 - III ZB 7/13, NJW 2014,
  20. 225).
  21. BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 - III ZB 42/15 - OLG Frankfurt am Main
  22. LG Frankfurt am Main
  23. ECLI:DE:BGH:2016:250216BIIIZB42.15.0
  24. - 2 -
  25. Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Februar 2016 durch den
  26. Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richter Seiters, Dr. Remmert und Reiter sowie die Richterin Dr. Liebert
  27. beschlossen:
  28. Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des
  29. 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom
  30. 23. Januar 2015 - 9 U 71/14 - wird als unzulässig verworfen.
  31. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu
  32. tragen.
  33. Der Gegenstandswert für die Rechtsbeschwerde beträgt bis zu
  34. 65.000 €.
  35. Gründe:
  36. I.
  37. 1
  38. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Schadensersatz wegen fehlerhafter Kapitalanlageberatung. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen das am 19. September 2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 18. November 2014, eingegangen beim Oberlandesgericht am selben
  39. Tag, Berufung eingelegt. Zugleich hat sie das Rechtsmittel begründet und beantragt, ihr gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den
  40. vorigen Stand zu gewähren.
  41. - 3 -
  42. 2
  43. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat die Klägerin unter
  44. Vorlage einer anwaltlichen Versicherung ihres Prozessbevollmächtigen und
  45. einer eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten S.
  46. im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Ihr Prozessbevollmächtigter habe die
  47. Berufungsschrift am 18. Oktober 2014 (Samstag) in den Kanzleiräumen verfasst, vollständig ausgefertigt (Original, beglaubigte Ablichtung, Abschrift) und
  48. unterzeichnet. Sodann habe er die Handakte zusammen mit der angeklammerten Rechtsmittelschrift in den sog. "Eiltkorb" auf dem Schreibtisch der Rechtsanwaltsfachangestellten S.
  49. gelegt. Da er am Tag des Fristablaufs (Mon-
  50. tag, 20. Oktober 2014) ganztägig büroabwesend gewesen sei, habe er auf der
  51. für die Handakte bestimmten Abschrift der Berufungsschrift handschriftlich verfügt, den Schriftsatz am 20. Oktober 2014 an das Oberlandesgericht F.
  52. zu faxen und im Original per Post zu übersenden, anschließend die
  53. Frist zu streichen und schließlich die Akte zur nächsten Vorfrist wieder vorzulegen. Hinsichtlich des "Eiltkorbs" gebe es die büroorganisatorische Weisung,
  54. dass die dort abgelegten Vorgänge Vorrang vor allen anderen Arbeiten hätten
  55. und dass der Korb vor Arbeitsende der letzten Büroangestellten erledigt - also
  56. leer - sein müsse. Nur die Rechtsanwälte der Sozietät dürften dort fristgebundene Einzelweisungen ablegen. Es entspreche der einheitlich geübten Büroorganisation, eine Frist erst nach erfolgter fristgemäßer Versendung des Schriftsatzes zu streichen.
  57. 3
  58. Am Nachmittag des 20. Oktober 2014 habe der Prozessbevollmächtigte
  59. mit der Büroangestellten S.
  60. telefoniert und dabei auch die von ihm stam-
  61. mende Verfügung im "Eiltkorb" angesprochen. Frau S.
  62. habe bestätigt,
  63. diese zur Kenntnis genommen zu haben, und erklärt, dass dies bereits erledigt
  64. sei oder erledigt werde. Trotz der eindeutigen und für das Kanzleipersonal auch
  65. - 4 -
  66. erkennbaren Verfügung habe die Büroangestellte die im Fristenkalender eingetragene Berufungsfrist zwar gestrichen und die für den 12. November 2014 verfügte Wiedervorlage in den Kalender eingetragen, jedoch versäumt, die ihr vorliegende Berufungsschrift zunächst per Telefax und sodann postalisch an das
  67. Oberlandesgericht zu senden. Stattdessen habe sie die Berufungsschrift in die
  68. Aktenlasche der Handakte gesteckt.
  69. 4
  70. Bei der Büroangestellten S.
  71. handele es sich um eine ausgebildete,
  72. geschulte und zuverlässige Kraft, die seit mehr als 15 Jahren als Rechtsanwaltsfachangestellte beruflich tätig sei und bislang an diversen Schulungs- und
  73. Fortbildungsveranstaltungen teilgenommen habe. In der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten erfolgten regelmäßig Kontrollen und Stichproben sowohl zur
  74. Fristenkontrolle als auch hinsichtlich des ordnungsgemäßen Postausgangs und
  75. der Umsetzung sämtlicher anwaltlicher Verfügungen. Diese hätten eine fehlerlose Ausführung sämtlicher anwaltlicher Verfügungen durch die Angestellte
  76. S.
  77. 5
  78. ergeben.
  79. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen
  80. und die Berufung als unzulässig verworfen.
  81. 6
  82. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.
  83. II.
  84. 7
  85. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1
  86. Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil weder die
  87. Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts
  88. - 5 -
  89. oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
  90. Rechtsbeschwerdegerichts erfordern (§ 574 Abs. 2 ZPO).
  91. 8
  92. 1.
  93. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Prozessbevollmächtigte der
  94. Klägerin habe in dem Antrag auf Wiedereinsetzung nicht dargelegt, die Frist
  95. unverschuldet versäumt zu haben. Er berufe sich zwar auf ein Versehen des
  96. Büropersonals, für das die Partei grundsätzlich nicht einzustehen habe. Seinem
  97. Vorbringen lasse sich jedoch nicht entnehmen, dass er hinreichende organisatorische Vorkehrungen getroffen habe, um solche Fehler zu vermeiden. Ein
  98. Rechtsanwalt müsse seinen Mitarbeitern grundsätzlich die allgemeine Weisung
  99. erteilen, bei der Telefaxübermittlung von fristwahrenden Schriftstücken einen
  100. Einzelnachweis über den Sendevorgang auszudrucken, diesen zu prüfen und
  101. erst dann die Frist im Fristenkalender zu löschen. Alternativ genüge es für eine
  102. wirksame Ausgangskontrolle, wenn auf Grund einer allgemeinen Büroanweisung die Frist erst nach telefonischer Rückfrage beim Empfänger gestrichen
  103. werde. Wäre die Büroleiterin dementsprechend angewiesen worden, hätte sie
  104. die Frist für die Rechtsmitteleinlegung nicht ohne Prüfung des Sendeberichts
  105. oder telefonische Nachfrage beim Oberlandesgericht streichen dürfen. Vielmehr
  106. wäre ihr mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgefallen, dass eine fristwahrende
  107. Faxübermittlung der Berufungsschrift an das Oberlandesgericht noch nicht erfolgt sei. Die nicht ausschließbare Möglichkeit des der Klägerin gemäß § 85
  108. Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Vertreterverschuldens in Form eines Mangels der
  109. Organisation beziehungsweise Überwachung des Büropersonals stehe der
  110. Gewährung der Wiedereinsetzung entgegen.
  111. 9
  112. 2.
  113. Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung in den vori-
  114. gen Stand zu Recht versagt (§ 233 ZPO) und die Berufung infolgedessen zutreffend als unzulässig verworfen (§ 522 Abs. 1 ZPO). Seine Würdigung, die
  115. - 6 -
  116. Klägerin habe ein ihr gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden
  117. ihres Prozessbevollmächtigten nicht auszuräumen vermocht, steht im Einklang
  118. mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Die Verfahrensgrundrechte
  119. der Klägerin auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG
  120. i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG)
  121. hat das Berufungsgericht nicht verletzt.
  122. 10
  123. a) Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen dafür Sorge zu tragen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und
  124. innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem
  125. Zweck muss er nicht nur sicherstellen, dass ihm die Akten von Verfahren, in
  126. denen Rechtsmitteleinlegungs- und Rechtsmittelbegründungsfristen laufen,
  127. rechtzeitig vorgelegt werden, sondern er hat auch eine wirksame Ausgangskontrolle zu schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende
  128. Schriftsätze auch tatsächlich hinausgehen (st. Rspr., vgl. nur Senatsbeschlüsse
  129. vom 31. März 2011 - III ZB 72/10, BeckRS 2011, 08258 Rn. 9; vom 27. November 2013 - III ZB 46/13, BeckRS 2014, 00520 Rn. 8 und vom 26. Februar 2015
  130. - III ZB 55/14, NJW 2015, 2041 Rn.8; jeweils mwN). Bei einer Übermittlung
  131. fristwahrender Schriftsätze per Telefax genügt der Rechtsanwalt seiner Pflicht
  132. zur Ausgangskontrolle nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, anhand
  133. des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den
  134. richtigen Empfänger erfolgt ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender
  135. gestrichen werden (s. nur BGH, Beschlüsse vom 2. Juli 2001 - II ZB 28/00,
  136. NJW-RR 2002, 60; vom 7. August 2013 - XII ZB 533/10, NJW 2013, 3183 Rn. 7
  137. und vom 3. Dezember 2015 - V ZB 72/15, BeckRS 2016, 02708 Rn. 12). Die
  138. Überprüfung des Sendeberichts kann lediglich dann entfallen, wenn der Rechtsanwalt seine Kanzleiangestellten angewiesen hat, die Frist erst nach telefonischer Rückfrage beim Empfänger zu streichen (BGH, Beschluss vom 2. Juli
  139. - 7 -
  140. 2001 aaO). Schließlich gehört zu einer wirksamen Fristenkontrolle auch eine
  141. Anordnung des Rechtsanwalts, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstags anhand
  142. des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft nochmals abschließend selbständig geprüft wird (st. Rspr., s. etwa Senatsbeschluss vom 26.
  143. Februar 2015 aaO; BGH, Beschlüsse vom 4. November 2014 - VIII ZB 38/14,
  144. NJW 2015, 253 Rn. 8; vom 9. Dezember 2014 - VI ZB 42/13, NJW-RR 2015,
  145. 442 Rn. 8 und vom 15. Dezember 2015 - VI ZB 15/15, BeckRS 2016, 02765
  146. Rn. 8; jeweils mwN). Diese allabendliche Ausgangskontrolle fristgebundener
  147. Schriftsätze dient nicht allein dazu, zu überprüfen, ob sich aus den Eintragungen im Fristenkalender noch unerledigt gebliebene Fristsachen ergeben, sondern hat vielmehr auch den Zweck, festzustellen, ob möglicherweise in einer
  148. bereits als erledigt vermerkten Fristsache die fristwahrende Handlung noch
  149. aussteht (Senatsbeschluss vom 26. Februar 2015 aaO Rn. 18; BGH, Beschlüsse vom 4. November 2014 aaO Rn. 10 und vom 15. Dezember 2015 aaO).
  150. Deshalb ist dabei, gegebenenfalls anhand der Akten, auch zu prüfen, ob die im
  151. Fristenkalender als erledigt gekennzeichneten Schriftsätze tatsächlich abgesandt worden sind (BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2015 aaO).
  152. 11
  153. b) Nach diesen Maßgaben hat die Klägerin nicht dargelegt und glaubhaft
  154. gemacht, dass im Büro ihres Rechtsanwalts hinreichende organisatorische Vorkehrungen getroffen wurden, die eine effektive Ausgangskontrolle gewährleisteten. Den Darlegungen im Wiedereinsetzungsantrag lässt sich nicht entnehmen,
  155. dass eine Kanzleianweisung bestand, nach Übersendung eines fristgebundenen Schriftsatzes per Telefax die entsprechende Frist erst nach vorheriger
  156. Überprüfung des Sendeprotokolls zu streichen. Ebenso wenig ist eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten dargetan, die sicherstellte, dass die Erledigung fristgebundener Sachen am Abend eines jeden Arbeitstags anhand des
  157. - 8 -
  158. Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wurde. Da die
  159. Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine wirksame Ausgangskontrolle
  160. stellt, einem Rechtsanwalt bekannt sein müssen, erlaubt der Umstand, dass
  161. sich der Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin dazu nicht verhält, ohne Weiteres den Schluss darauf, dass entsprechende organisatorische Maßnahmen gefehlt haben (BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2015 aaO Rn. 16 und vom
  162. 15. Dezember 2015 aaO Rn.13 jeweils mwN).
  163. 12
  164. c) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde liegt keine hinreichend konkrete anwaltliche Einzelanweisung vor, die das Fehlen allgemeiner
  165. organisatorischer Regelungen ausgleichen könnte. Nur dann, wenn ein Rechtsanwalt für einen bestimmten Fall genaue Anweisungen erteilt, die eine Fristwahrung gewährleisten, sind diese allein maßgeblich und kommt es auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen nicht mehr an (Senatsbeschluss vom
  166. 12. September 2013 - III ZB 7/13, NJW 2014, 225 Rn. 11; BGH, Beschlüsse
  167. vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 369; vom 21. Juli 2008
  168. - II ZA 4/08, BeckRS 2008, 17708 Rn. 3 und vom 3. Dezember 2015 - V ZB
  169. 72/15, BeckRS 2016, 02708 Rn. 14). So ersetzt zum Beispiel die Anweisung,
  170. einen Schriftsatz sofort per Telefax zu übermitteln und sich beim Empfänger
  171. durch einen Telefonanruf über den dortigen Eingang des vollständigen Schriftsatzes zu vergewissern, alle allgemein getroffenen Regelungen einer Ausgangskontrolle, so dass sich etwa hier bestehende Defizite nicht auswirken
  172. (BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2015 aaO; vgl. auch Beschluss vom
  173. 15. Dezember 2015 - VI ZB 15/15, BeckRS 2016, 02765 Rn. 10). Eine solche
  174. Weisung hat die Klägerin im Wiedereinsetzungsverfahren nicht behauptet. Ihr
  175. Vortrag hat sich vielmehr darin erschöpft, dass ihr Prozessbevollmächtigter auf
  176. der für die Handakte bestimmten Abschrift der Berufungsschrift verfügt habe,
  177. den Schriftsatz noch am 20. Oktober 2014 an das Oberlandesgericht zu faxen,
  178. - 9 -
  179. im Original per Post zu übersenden und anschließend die Frist zu streichen.
  180. Konkrete Anweisungen, die an die Stelle einer allgemeinen Ausgangskontrolle
  181. hätten treten können, wurden nicht gegeben, auch nicht bei dem Telefonat am
  182. Nachmittag des 20. Oktober 2014, als der Prozessbevollmächtigte seine Büroangestellte lediglich auf die Verfügung im "Eiltkorb" hinwies. Die Einzelweisung
  183. bestand somit lediglich darin, die Art und Weise, den Zeitpunkt sowie den Adressaten der Übermittlung zu bestimmen. Sie machte eine allgemeine organisatorische Regelung zur Kontrolle der Übersendung per Telefax und die allabendliche Ausgangskontrolle fristgebundener Schriftsätze nicht entbehrlich und war
  184. nicht geeignet, etwa bestehende Kontrollmechanismen, wie die Mitarbeiter eine
  185. vollständige Übermittlung per Telefax sicherzustellen haben und unter welchen
  186. Voraussetzungen sie eine Frist als erledigt vermerken dürfen, außer Kraft zu
  187. setzen (vgl. Senatsbeschluss vom 12. September 2013 aaO; BGH, Beschluss
  188. vom 3. Dezember 2015 aaO Rn. 15). Es entlastet den Anwalt auch nicht, wenn
  189. derartige Kontrollmechanismen nicht bestehen und er sich im konkreten Einzelfall darauf beschränkt, eine Übermittlung per Telefax anzuordnen (BGH, Beschlüsse vom 23. Oktober 2003 und vom 3. Dezember 2015 jew. aaO).
  190. 13
  191. d) Nach alledem stellt sich die Versäumung der Berufungsfrist nicht, wie
  192. die Klägerin meint, lediglich als Folge eines unvorhersehbaren, singulären und
  193. unerklärlichen "Blackouts" einer erfahrenen und zuverlässigen Kanzleikraft dar,
  194. sondern vielmehr auch als Folge einer unzureichenden Kanzleiorganisation,
  195. durch die eine wirksame Ausgangskontrolle im Zusammenhang mit fristgebundenen Schriftsätzen nicht sichergestellt wurde.
  196. 14
  197. Hätte in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine Anordnung zur Durchführung der beschriebenen Telefaxkontrolle und der abendlichen Ausgangskontrolle bestanden, wäre nach dem gewöhnlichen Lauf der
  198. - 10 -
  199. Dinge bei ansonsten pflichtgemäßem Verhalten der zuständigen Bürokraft die
  200. Berufungsfrist nicht versäumt worden. Denn dann hätte vor Fristablauf auffallen
  201. müssen, dass ein Sendeprotokoll nicht vorhanden war und die zu versendende
  202. Berufungsschrift im Original in der Aktenlasche der Handakte steckte, also eine
  203. Versendung der Berufungsschrift weder per Telefax noch postalisch erfolgt war.
  204. Herrmann
  205. Seiters
  206. Reiter
  207. Remmert
  208. Liebert
  209. Vorinstanzen:
  210. LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 11.09.2014 - 2-26 O 341/13 OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 23.01.2015 - 9 U 71/14 -