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- BUNDESGERICHTSHOF
- IM NAMEN DES VOLKES
- II ZR 97/00
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- URTEIL
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- in dem Rechtsstreit
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- Verkündet am:
- 5. November 2001
- Boppel
- Justizamtsinspektor
- als Urkundsbeamter
- der Geschäftsstelle
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- Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. November 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht, die
- Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Henze, Kraemer und die Richterin Münke
- für Recht erkannt:
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- Auf die Revision des Klägers zu 2 wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 23. Februar
- 2000 aufgehoben.
- Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,
- auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen
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- Tatbestand:
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- Die Parteien streiten, ob die Beklagten Kosten aus einem Grundstückserschließungs- und Bauprojekt in E. bei B. zu übernehmen haben, dessen gemeinsame Durchführung die Parteien planten.
- G. H. (Kläger zu 1; am weiteren Rechtsmittelverfahren nicht mehr
- beteiligt) und R. D. M. (Kläger zu 2) kauften am 14. Oktober 1992
- mit notariellem Vertrag als Gesellschafter einer am selben Tag gegründeten
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- Gesellschaft bürgerlichen Rechts mehrere Grundstücke in E., Kreis B.,
- für rund 14,8 Mio. DM, um sie zu bebauen. Sie wurden durch Auflassungsvormerkungen gesichert, haben aber bisher kein Eigentum an den Grundstücken
- erworben. Am 17. September 1993 trat die Beklagte zu 1 "in die bestehende
- Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit aufschiebender Bedingung der Zustimmung der Geschäftsleitung ... mittels einer noch abzuschließenden Vereinbarung" ein. Sie sollte mit 90 % am Vermögen sowie am Gewinn und Verlust beteiligt werden. Die "Neugesellschaft" sollte "alle bisher angefallenen Kosten der
- Gesellschaft" übernehmen und damit "den von den Altgesellschaftern privat
- getragenen Aufwand durch Aufnahme von Darlehen" ausgleichen. Die Alt- und
- Neugesellschafter unterwarfen sich nach dem Neueintritt der Beklagten zu 1
- "einem neuen Gesellschaftsvertrag gemäß Anlage 3"; in dieser Anlage ist der
- Beklagte zu 2 nicht als "Neugesellschafter" aufgeführt.
- Am
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- 10. März
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- 1994
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- schlossen
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- "R.
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- D.
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- M.
-
- und
-
- G.
-
- H.
-
- in
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- Gesellschaft bürgerlichen Rechts" (im folgenden: "M. und H."), die Beklagte
- zu 1
-
- und
-
- der
-
- Beklagte
-
- zu 2
-
- einen
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- Gesellschaftsvertrag
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- "GbR
-
- W.",
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- der die Planung und "die Bebauung der Grundstücke, die Übernahme
- der technischen und kaufmännischen Baubetreuung, die Vermietung und die
- Vermarktung der bebauten oder unbebauten Grundstücke oder von Teilen derselben" vorsah und die Tätigkeitsbereiche der Gesellschafter näher regelte.
- Die Beklagte zu 1 erhielt einen Anteil von 60 %, der Beklagte zu 2 einen solchen von 30 % und die am Vertragsabschluß beteiligte Gesellschaft bürgerlichen Rechts "M. und H." den Restanteil von 10 %. Mit Schreiben vom 21. April
- 1994 wies die Beklagte zu 1 darauf hin, daß eine Genehmigung des Projekts
- durch ihren Vorstand nicht vorliege, und kündigte die Vereinbarung vorsorglich.
- Am 17. Mai 1994 berief sich auch der Beklagte zu 2 darauf, ein Vertrag sei
- nicht wirksam zustande gekommen, und kündigte ebenfalls vorsorglich.
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- Der Kläger zu 2 ist der Ansicht, die Beklagten seien der Gesellschaft
- wirksam beigetreten. Er nimmt sie wegen anteiliger Notarkosten sowie auf
- Freistellung von Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt Eb. wegen
- der Grunderwerbsteuer in Anspruch.
- Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Auf die Revision des
- Klägers zu 2 hat der Senat die Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil vom 2. Oktober 1997 (II ZR 249/96, WM 1997, 2220) aufgehoben und die
- Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dieses hat die Berufung der
- Kläger wiederum zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers zu 2.
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- Entscheidungsgründe:
- Die Revision führt zur nochmaligen Zurückverweisung der Sache an das
- Berufungsgericht.
- I. Die Ausführungen des Berufungsgerichts, es sei eine Genehmigung
- des Vertrages durch den Gesamtvorstand der Beklagten zu 1 erforderlich gewesen, halten allerdings revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Es war bisher
- unstreitig, daß das Projekt von dem Vorstand der Beklagten zu 1 genehmigt
- werden mußte. Die Kläger haben dies durch die Vorlage des Schreibens vom
- 21. Februar 1994 ausdrücklich vorgetragen und in dem Schriftsatz vom 22. Mai
- 1995
-
- bestätigt.
-
- Der
-
- Versuch
-
- der
-
- Revision,
-
- die
-
- Vereinbarung
-
- vom
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- 17. September 1993 dahin auszulegen, daß nicht die Zustimmung des Ge-
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- -5-
-
- samtvorstandes, sondern nur die der Geschäftsleitung des Bereiches HOG
- gemeint gewesen sei, widerspricht deshalb dem eigenen Vortrag der Kläger.
- II. Das Berufungsurteil leidet jedoch an einem schweren Verfahrensmangel, soweit es feststellt, die Zustimmung des Gesamtvorstands sei nicht
- erteilt worden.
- 1. Bei der Beweiswürdigung hat das Berufungsgericht ausdrücklich auf
- die
- We.,
- Hr.
-
- Glaubwürdigkeit
- Ra.,
- und
-
- der
-
- der
-
- Zeugen
-
- Dr. S.
-
- und
-
- Bu.
-
- Zeuge
-
- La.
-
- seien
-
- abgestellt.
- seien
-
- Die
-
- Zeugen
-
- glaubwürdig,
-
- unglaubwürdig.
-
- Die
-
- die
-
- Z.-K.,
-
- L.,
-
- Zeugin
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- Beweisaufnahme
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- hat vor dem Richter am Oberlandesgericht Dr. Ri. als Einzelrichter stattgefunden. Dieser Richter hat an der Endentscheidung nicht mehr mitgewirkt. In
- den Vernehmungsprotokollen finden sich zur Glaubwürdigkeit der Zeugen keine Vermerke oder Hinweise.
- 2. Damit liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der
- Beweisaufnahme (§ 355 ZPO) vor. Bei einem Kollegialgericht kann dieser
- Grundsatz nicht einmal dadurch gewahrt werden, daß ein Mitglied des Gerichts
- an einer Zeugenvernehmung teilnimmt und die übrigen zur Entscheidung berufenen Richter formlos über seine persönlichen Eindrücke unterrichtet. Soweit
- es um die Glaubwürdigkeit der Zeugen geht, muß das erkennende Gericht in
- seiner Spruchbesetzung einen persönlichen Eindruck von den Zeugen gewonnen haben oder auf eine aktenkundige und der Stellungnahme durch die Parteien zugängliche Beurteilung zurückgreifen können (BGH, Urt. v. 4. Februar
- 1997 - XI ZR 160/96, NJW 1997, 1586, 1587 m.w.N.). Im vorliegenden Fall ist
- keines dieser beiden Erfordernisse erfüllt.
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- 3. Dieser Fehler kann entgegen der Meinung der Revisionserwiderung
- des Beklagten zu 2 auch nicht mit dem Argument aus der Welt geschafft werden, das Berufungsgericht habe seine Entscheidung zusätzlich zu den Erwägungen zur persönlichen Glaubwürdigkeit auch auf den sachlichen Inhalt der
- Aussagen gestützt und diese Erwägungen seien für sich allein geeignet, die
- Entscheidung zu tragen. Da das Berufungsgericht zur Glaubwürdigkeit der
- Zeugen Stellung nimmt, ihr also erhebliche Bedeutung beimißt, stehen und
- fallen die Bekundungen der Zeugen mit ihrer Glaubwürdigkeit.
- Der Verfahrensfehler kann auch nicht - wie die Revisionserwiderung der
- Beklagten zu 1 meint - mit der Erwägung ausgeräumt werden, das Berufungsgericht habe in Wahrheit nur zur Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen Ausführungen gemacht. Das Berufungsgericht hat eindeutig zur Glaubwürdigkeit der
- Zeugen Stellung genommen; es ging ihm nicht nur um die Glaubhaftigkeit der
- Aussagen, sondern auch um die Glaubwürdigkeit der Zeugen. Jedenfalls läßt
- sich dies - da das Berufungsgericht wiederholt von "Glaubwürdigkeit" spricht
- und diese an einer Stelle ausdrücklich von der Glaubhaftigkeit unterscheidet nicht ausschließen.
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- III. Aus dem Hinweis des Berufungsgerichts, eine Schlußentscheidung
- sei beabsichtigt, und dem Unterbleiben neuer Beweisanträge oder eines Widerspruchs gegen die Verwertung der durch den Einzelrichter durchgeführten
- Beweisaufnahme kann ein Rügeverzicht nicht abgeleitet werden.
- IV. Damit das Berufungsgericht den Verfahrensfehler beseitigen und erforderlichenfalls weitere Feststellungen treffen kann, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen.
- Röhricht
-
- Hesselberger
- Kraemer
-
- Henze
- Münke
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