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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. I ZR 223/11
  5. Verkündet am:
  6. 17. Juli 2013
  7. Führinger
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. März 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
  14. und die Richter Prof. Dr. Büscher, Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und
  15. Dr. Löffler
  16. für Recht erkannt:
  17. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 29. Zivilsenats
  18. des Oberlandesgerichts München vom 10. November 2011 aufgehoben.
  19. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts
  20. Memmingen - 1. Kammer für Handelssachen - vom 22. Dezember
  21. 2010 abgeändert.
  22. Die Klage wird abgewiesen.
  23. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  24. Von Rechts wegen
  25. Tatbestand:
  26. 1
  27. Die Klägerin und die Beklagte sind jeweils auf dem Gebiet der Hörgeräteakustik tätig, bei dem es sich nach der Nr. 34 der Anlage A zur Handwerksordnung um ein zulassungspflichtiges Handwerk handelt. Die Klägerin unterhält
  28. in Süddeutschland 33 Filialen, darunter eine in Günzburg, wo auch die Beklagte
  29. geschäftsansässig ist. Im Jahr 2009 war der Hörgeräteakustik-Meister Tobias
  30. M. sowohl für die Beklagte als auch für deren Schwestergesellschaft in Dillin-
  31. -3-
  32. gen, das von Günzburg 26 Straßenkilometer entfernt ist, als Betriebsleiter in der
  33. Handwerksrolle eingetragen und eingesetzt.
  34. 2
  35. Nach Ansicht der Klägerin ist die Einsetzung eines gemeinsamen Betriebsleiters für die beiden Betriebe wegen Verstoßes gegen die Handwerksordnung und wegen Irreführung der Kundschaft wettbewerbsrechtlich unzulässig. Die Beklagte sei zur ständigen Meisterpräsenz in ihrem Betrieb verpflichtet,
  36. die bei der beworbenen zeitgleichen Öffnung der Geschäfte in Dillingen und
  37. Günzburg nicht gewährleistet sei. Testkunden hätten festgestellt, dass in dem
  38. Geschäft in Dillingen während der Abwesenheit des Meisters M. diesem vorbehaltene Tätigkeiten durchgeführt oder angeboten worden seien.
  39. 3
  40. Die Klägerin hat beantragt,
  41. es der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr
  42. a) einen Hörgeräteakustiker-Betrieb als stehendes Gewerbe zu betreiben, ohne
  43. einen in die Handwerksrolle eingetragenen Hörgeräteakustiker als Betriebsleiter zu beschäftigen, der jederzeit unmittelbar im Ladenlokal persönlich erreichbar ist, zumindest aber innerhalb von zehn Minuten, nachdem ein Kunde das Ladenlokal betreten hat, und/oder
  44. b) zeitlich ohne Einschränkung der Öffnungszeiten mit der Erbringung von Leistungen eines Hörgeräteakustikers in Bezug auf einen Betrieb zu werben, in
  45. dem nicht wenigstens ein vollzeitbeschäftigter Betriebsleiter zur Verfügung
  46. steht, der in die Handwerksrolle eingetragen ist und jederzeit unmittelbar im
  47. Ladenlokal persönlich erreichbar ist, zumindest aber innerhalb von zehn Minuten, nachdem ein Kunde das Ladenlokal betreten hat, und/oder
  48. c) gegenüber Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen mit der Erbringung
  49. von Leistungen eines Hörgeräteakustikers in Bezug auf einen Geschäftsbetrieb zu werben oder solche Leistungen in einem Geschäftsbetrieb zu erbringen, in dem entgegen den vertraglichen Verpflichtungen gegenüber solchen
  50. Kassen nicht in Vollzeit ein Betriebsleiter zur Verfügung steht, der in die
  51. Handwerksrolle eingetragen ist.
  52. 4
  53. Darüber hinaus hat die Klägerin den Ersatz von Abmahnkosten in Höhe
  54. von 3.452 € und von Detekteikosten in Höhe von 1.250 € - jeweils nebst Zinsen - begehrt.
  55. -4-
  56. 5
  57. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten
  58. ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren
  59. Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
  60. Entscheidungsgründe:
  61. 6
  62. I. Das Berufungsgericht hat die Klage unter dem Gesichtspunkt einer Irreführung über die Verfügbarkeit der von der Beklagten angebotenen Dienstleistungen als begründet angesehen und hierzu ausgeführt:
  63. 7
  64. Der Unterlassungsantrag zu a) sei dahin auszulegen, dass die Klägerin
  65. die Unterlassung des Offenhaltens des Gewerbebetriebs der Beklagten für den
  66. Fall begehre, dass kein in die Handwerksrolle eingetragener Hörgeräteakustiker
  67. als Betriebsleiter beschäftigt werde, der innerhalb von zehn Minuten, nachdem
  68. ein Kunde das Ladenlokal betreten habe, dort persönlich erreichbar sei. Der
  69. Antrag sei mit diesem Inhalt hinreichend bestimmt und auch begründet, weil der
  70. Durchschnittsverbraucher, der das geöffnete Ladengeschäft eines Hörgeräteakustiker-Betriebs sehe, davon ausgehe, dass der zur Ausübung des Hörgeräteakustiker-Handwerks Berechtigte grundsätzlich unmittelbar vor Ort verfügbar sei. Es entspreche dabei noch seinem Verständnis, dass der Ausübungsberechtigte etwa aus einem nahegelegenen Büro oder einer wenige Minuten entfernten Werkstatt herbeigerufen werden müsse, nicht aber, dass der Berechtigte lediglich mittelbar über ein EDV-Netzwerk kontaktiert werden oder eingreifen
  71. könne oder erst aus einer anderen Stadt herbeigerufen werden müsse und bis
  72. zu seinem Eintreffen im Ladengeschäft länger gewartet werden müsse. Einer
  73. Irreführung der Verbraucher stehe nicht entgegen, dass Tobias M. sowohl als
  74. Betriebsleiter des Dillinger als auch des Günzburger Betriebs in die Handwerks-
  75. -5-
  76. rolle eingetragen sei. Denn die Verbraucher hätten hiervon keine Kenntnis; außerdem enthalte die Handwerksrolle im Streitfall keine konkreten Festlegungen
  77. hinsichtlich der Betriebsführung und insbesondere zu den Ladenöffnungszeiten.
  78. Eine geschäftliche Handlung sei auch dann irreführend, wenn sie keine unmittelbare Relevanz für die Marktentscheidung habe, sondern von ihr lediglich eine
  79. Anlockwirkung ausgehe. Ob der Unterlassungsanspruch zu a) auch unter dem
  80. Gesichtspunkt des Rechtsbruchs begründet sei, könne danach dahinstehen.
  81. 8
  82. Nach diesen Grundsätzen seien auch der Unterlassungsantrag zu b),
  83. wonach der Beklagten eine entsprechende Werbung verboten werden solle,
  84. und der Unterlassungsantrag zu c), der darauf abstelle, dass die Beklagte mit
  85. ihrem beanstandeten Verhalten ihre vertraglichen Pflichten gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen verletze, unter dem Gesichtspunkt der Irreführung
  86. über die angebotenen Dienstleistungen begründet.
  87. 9
  88. II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten ist begründet und führt zur Abweisung der Klage.
  89. 10
  90. 1. Die Revision rügt allerdings ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe
  91. der Klägerin unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO etwas zugesprochen, was
  92. sie nicht beantragt habe, da es den allein auf den Gesichtspunkt des Rechtsbruchs gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit §§ 1, 7 HwO gestützten
  93. Unterlassungsantrag zu a) unter dem Gesichtspunkt der Irreführung als begründet angesehen habe. Die Klägerin hat auch diesen Klageantrag, wenn
  94. nicht von vornherein, so doch jedenfalls im weiteren Verlauf des Rechtsstreits
  95. ersichtlich mit darauf gestützt, dass Verbraucher insoweit irregeführt würden.
  96. -6-
  97. 11
  98. 2. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die Beurteilung des
  99. Berufungsgerichts, der Unterlassungsantrag zu a) sei unter dem Gesichtspunkt
  100. der Irreführung begründet.
  101. 12
  102. a) Das Berufungsgericht ist im rechtlichen Ansatz allerdings zutreffend
  103. davon ausgegangen, dass ein Unternehmen, das eine Dienstleistung anbietet,
  104. dem Werbeadressaten damit grundsätzlich - nicht anders als ein Warenhandelsunternehmen beim Angebot von Waren (vgl. dazu Bornkamm in Köhler/
  105. Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 5 Rn. 8.9 mwN) - den Eindruck vermittelt, dass
  106. die Dienstleistung in seinem Geschäftslokal während der Geschäftszeiten den
  107. Kunden, die an ihrer Inanspruchnahme interessiert sind, unmittelbar erbracht
  108. werden kann. Die Verfügbarkeit stellt ein wesentliches Merkmal eines Produkts
  109. dar, über das gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG keine unwahren oder sonst
  110. zur Täuschung geeigneten Angaben gemacht werden dürfen. Soweit es sich
  111. bei der angebotenen Dienstleistung - wie im Streitfall - um eine Beratungsleistung handelt, muss daher während der Öffnungszeiten des Geschäftslokals
  112. grundsätzlich (wenigstens) eine Person dort anwesend oder zumindest unmittelbar erreichbar sein, die dazu befähigt und berechtigt ist, die Dienstleistung zu
  113. erbringen. Der Verbraucher, der sich in ein Geschäftslokal begibt, um sich dort
  114. beraten zu lassen, rechnet zwar damit, gegebenenfalls warten zu müssen, weil
  115. zunächst vor ihm eingetroffene Kunden oder Kunden, die einen Termin vereinbart haben, vor ihm an der Reihe sind. Dagegen rechnet der Verbraucher
  116. grundsätzlich nicht damit, dass seine Beratung an dem betreffenden (Halb-)Tag
  117. nur dann möglich ist, wenn die dazu befähigte und befugte Person sich - wohl
  118. nur im Ausnahmefall - vertretbarerweise von einem anderem Geschäftslokal,
  119. das immerhin 26 (Land-)Straßenkilometer entfernt ist und in dem sie aktuell die
  120. Betriebsleitung innehat, für die Dauer der nachgefragten Beratung und die für
  121. den doppelten Weg benötigte Zeit entfernen kann.
  122. -7-
  123. 13
  124. b) Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung allerdings unberücksichtigt gelassen, dass der Verbraucher bei seiner vorstehend dargestellten
  125. generellen Leistungserwartung auch die Art der von ihm nachgefragten Dienstleistung sowie die Üblichkeiten im Geschäftsverkehr in Rechnung stellt. Er berücksichtigt insbesondere, dass sich in bestimmten Bereichen und insbesondere dort, wo die Erbringung der Dienstleistung in Form einer Beratung oder Behandlung einen längeren Zeitraum in Anspruch nimmt, häufig die Gewohnheit
  126. herausgebildet hat, dass eine solche Beratung oder Behandlung auch dann,
  127. wenn das Ladenlokal - wie etwa bei Friseuren - oder die Praxis - bei medizinischen Dienstleistungen - geöffnet ist, üblicherweise nur nach vorheriger Terminvereinbarung durchgeführt wird. Entsprechend verhält es sich auf dem hier
  128. in Rede stehenden Gebiet der Hörgeräteakustik. Eine ordnungsgemäß und
  129. dementsprechend mit der erforderlichen Sorgfalt durchgeführte Untersuchung
  130. und Beratung des Kunden erfordert eine fundierte und deshalb nur von einem
  131. Hörgeräteakustik-Meister zu erbringende Leistung. Es handelt sich damit nicht
  132. um eine Ad-hoc-Leistung, zumal sich das Nachlassen des Hörvermögens meist
  133. über einen längeren Zeitraum erstreckt. Patienten, die an einem plötzlich auftretenden Verlust oder einem starken Nachlassen des Hörvermögens (Hörsturz)
  134. leiden, werden einen Facharzt oder eine Krankenhaus-Ambulanz aufsuchen,
  135. nicht dagegen einen Hörgeräteakustiker. Vor diesem Hintergrund wird ein Verbraucher, der sich in das Ladenlokal der Beklagten begibt, um sich von einem
  136. Hörgeräteakustik-Meister untersuchen und beraten zu lassen, nicht getäuscht,
  137. wenn er erfährt, dass die von ihm nachgefragte Dienstleistung nicht sofort erbracht werden kann, weil der zuständige Hörgeräteakustik-Meister an diesem
  138. halben Arbeitstag in einem Schwesterunternehmen tätig und dort grundsätzlich
  139. unabkömmlich ist.
  140. 14
  141. 3. Die vom Berufungsgericht hinsichtlich des Unterlassungsantrags zu a)
  142. getroffene Entscheidung erweist sich auch nicht deshalb als im Ergebnis richtig,
  143. -8-
  144. weil der Anspruch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs gemäß §§ 3, 4
  145. Nr. 11 UWG in Verbindung mit §§ 1, 7 HwO besteht.
  146. 15
  147. a) Die Vorschriften der Handwerksordnung stellen, soweit sie eine bestimmte Qualität, Sicherheit oder Unbedenklichkeit der hergestellten Waren
  148. oder angebotenen Dienstleistungen gewährleisten sollen, Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG dar (vgl. OLG Frankfurt, GRUR 2005,
  149. 695; LG Arnsberg, WRP 2011, 937, 939; Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 4
  150. Rn. 11.79; v. Jagow in Harte/Henning, UWG, 3. Aufl., § 4 Nr. 11 Rn. 81; Fezer/
  151. Götting, UWG, 2. Aufl., § 4-11 Rn. 135; v. Walter, Rechtsbruch als unlauteres
  152. Marktverhalten, 2007, S. 211; Elskamp, Gesetzesverstoß und Wettbewerbsrecht, 2008, S. 162). Der Umstand, dass die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, die keinen den § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG vergleichbaren Verbotstatbestand kennt, in ihrem Anwendungsbereich (Art. 3 der Richtlinie) nach ihrem Artikel 4 eine vollständige Harmonisierung bezweckt, steht der
  153. Anwendung der nationalen Vorschriften im Streitfall nicht entgegen. Denn bei
  154. den hier in Rede stehenden §§ 1 und 7 HwO handelt es sich um Bestimmungen, die einerseits einen Sicherheits- und - jedenfalls bei Gesundheitshandwerken wie dem des Hörgeräteakustikers - Gesundheitsbezug im Sinne von Art. 3
  155. Abs. 3 und Erwägungsgrund 9 Satz 2 und 3 der Richtlinie 2005/29/EG aufweisen und andererseits auch berufsrechtliche Bestimmungen im Sinne von Art. 3
  156. Abs. 8 dieser Richtlinie darstellen (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 4
  157. Rn. 11.6a, 11.h und 11.k mwN).
  158. 16
  159. b) Bei Gesundheitshandwerken, bei denen eine unzureichende Handwerkstätigkeit weitreichende Folgen haben kann, ist allerdings - von ganz engen Ausnahmefällen abgesehen (vgl. dazu VG Schleswig, GewArch 2000, 426,
  160. 427) - für jede Betriebsstätte ständige Meisterpräsenz zu verlangen (vgl. Honig/
  161. Knörr, HwO, 4. Aufl., § 7 Rn. 39; Karsten in Schwannecke, HwO, 37. Lfg. III/06,
  162. -9-
  163. § 7 Rn. 45; Detterbeck, HwO, 4. Aufl., § 7 Rn. 21; Wiemers, DVBl 2012, 942,
  164. 945, jeweils mwN). Der sich aus diesem Erfordernis ergebende Eingriff in die
  165. durch Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Freiheit der Berufsausübung ist
  166. im Hinblick auf die dadurch geschützten Gesundheitsinteressen der Bevölkerung gerechtfertigt.
  167. 17
  168. c) Aus dem Erfordernis der Meisterpräsenz folgt jedoch nicht, dass der
  169. Betreiber eines Hörgeräteakustik-Unternehmens sein Ladenlokal nur so lange
  170. offenhalten darf, wie ein Hörgeräteakustik-Meister in diesem anwesend ist oder
  171. jedenfalls kurzfristig erreicht werden kann. Ist das Geschäftslokal geöffnet, können - auch ohne Anwesenheit des Meisters - vom übrigen Personal Termine mit
  172. in das Ladenlokal kommenden Kunden vereinbart, Ersatz- und Verschleißteile
  173. wie etwa Batterien abgegeben und ähnliche Leistungen erbracht werden, bei
  174. denen eine Gefährdung der Gesundheit der Kunden ausgeschlossen ist. Insoweit dient ein solches Offenhalten sogar den gesundheitlichen Interessen der
  175. Kunden an einer - insbesondere auch in zeitlicher Hinsicht - umfassenden Versorgung mit Hörgeräten. Die nicht ganz auszuschließende abstrakte Gefahr,
  176. dass ein Mitarbeiter dabei eine Dienstleistung erbringt, die dem Hörgeräteakustik-Meister vorbehalten ist, muss ins Verhältnis zu den zuvor erwähnten Vorteilen gesetzt werden, die sich für die Kunden aus der von der Klägerin beanstandeten Praxis der Beklagten etwa im Blick auf die erleichterte Vereinbarung von
  177. Untersuchungs- und Beratungsterminen und die Versorgung mit Batterien und
  178. sonstigen Ersatz- bzw. Verschleißteilen für Hörgeräte ergeben. Bei diesen Gegebenheiten stellte das von der Klägerin erstrebte Verbot eine im Blick auf die
  179. durch Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Freiheit der Berufsausübung
  180. nicht zu rechtfertigende Beschränkung der Beklagten dar.
  181. 18
  182. c) Dem Erfordernis der Meisterpräsenz wäre allerdings nicht genügt,
  183. wenn ein Meister nur ganz gelegentlich in dem fraglichen Betrieb zur Verfügung
  184. - 10 -
  185. stünde, etwa weil er eine Vielzahl von Betrieben oder weit voneinander entfernt
  186. liegende Betriebe zu betreuen hätte. So verhält es sich im Streitfall aber nicht.
  187. Nach den getroffenen Feststellungen war der Hörgeräteakustik-Meister Tobias
  188. M. jeden Tag zur Hälfte im Betrieb der Beklagten in Dillingen und im Übrigen im
  189. Betrieb der Schwestergesellschaft in Günzburg tätig und dort ohne weiteres
  190. erreichbar. Unter diesen Umständen steht eine Gefährdung der Gesundheit der
  191. Kunden, die sich daraus ergeben könnte, dass der Meister neben dem Betrieb
  192. in Dillingen noch den Betrieb im benachbarten Günzburg zu betreuen hatte,
  193. nicht in Rede.
  194. 19
  195. 4. Aus diesen Gründen kann auch die Verurteilung der Beklagten gemäß
  196. den Unterlassungsanträgen zu b) und zu c) sowie zur Erstattung der Abmahnund Detekteikosten keinen Bestand haben.
  197. 20
  198. III. Nach allem ist das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben, das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.
  199. - 11 -
  200. 21
  201. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
  202. Bornkamm
  203. Büscher
  204. Kirchhoff
  205. Schaffert
  206. Löffler
  207. Vorinstanzen:
  208. LG Memmingen, Entscheidung vom 22.12.2010 - 1 HKO 1561/09 OLG München, Entscheidung vom 10.11.2011 - 29 U 157/11 -