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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. I ZR 201/02
  5. Verkündet am:
  6. 21. April 2005
  7. Führinger
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. Quersubventionierung von Laborgemeinschaften
  19. UWG §§ 3, 4 Nr. 1; MBO-Ä 1997 Kap. B § 31
  20. Ein Laborarzt handelt unlauter i.S. von §§ 3, 4 Nr. 1 UWG, wenn er niedergelassenen Ärzten die Durchführung von Laboruntersuchungen, die diese selbst gegenüber der Kasse abrechnen können, unter Selbstkosten in der Erwartung anbietet, dass die niedergelassenen Ärzte ihm im Gegenzug Patienten für Untersuchungen überweisen, die nur von einem Laborarzt vorgenommen werden können.
  21. Einem solchem Angebot unter Selbstkosten steht es gleich, wenn die günstigen
  22. Preise für die von den niedergelassenen Ärzten abzurechnenden Laboruntersuchungen dadurch ermöglicht werden, dass der Laborarzt einer von ihm betreuten
  23. Laborgemeinschaft der niedergelassenen Ärzte freie Kapazitäten seines Labors
  24. unentgeltlich oder verbilligt zur Verfügung stellt (im Anschluss an BGH GRUR
  25. 1989, 758 = WRP 1990, 319 – Gruppenprofil).
  26. BGH, Urt. v. 21. April 2005 – I ZR 201/02 – OLG Celle
  27. LG Lüneburg
  28. -2-
  29. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  30. vom 21. April 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die
  31. Richter Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Bergmann
  32. für Recht erkannt:
  33. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des
  34. Oberlandesgerichts Celle vom 18. Juli 2002 aufgehoben.
  35. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über
  36. die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  37. Von Rechts wegen
  38. Tatbestand:
  39. Die Parteien sind Ärzte für Laboratoriumsmedizin (im Folgenden: Laborärzte). Die Kläger betreiben in Hamburg, die Beklagten in Bremerhaven jeweils eine
  40. entsprechende Gemeinschaftspraxis. Die Kläger wenden sich dagegen, dass sich
  41. die Beklagten mit einem Schreiben vom 13. April 2000 an niedergelassene Ärzte
  42. in Uelzen gewandt und Leistungen einer Arbeitsgemeinschaft Labor und Diagnostik zu Preisen angeboten haben, die unter den Sätzen des von den gesetzlichen
  43. Krankenkassen zugrunde gelegten einheitlichen Bewertungsmaßstabs und nach
  44. Darstellung der Kläger auch unter den Selbstkosten der Beklagten lagen.
  45. Ärztliche Laborleistungen werden in der gesetzlichen Krankenversicherung
  46. – wie andere ärztliche Leistungen auch – nach einem einheitlichen Bewertungs-
  47. -3-
  48. maßstab (EBM) honoriert, den die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen mit den
  49. Spitzenverbänden der Krankenkassen durch Bewertungsausschüsse vereinbaren
  50. (§ 87 SGB V). Abschnitt O dieses einheitlichen Bewertungsmaßstabs regelt die
  51. Laboratoriumsuntersuchungen, und zwar unter I. und II. die allgemeinen und unter
  52. III. die speziellen Untersuchungen. Entsprechend wird allgemein nach O-I-, O-IIund O-III-Leistungen unterschieden: O-I- und O-II-Leistungen können auch niedergelassene Ärzte, die nicht Laborärzte sind (im Folgenden: niedergelassene
  53. Ärzte), selbst erbringen und gegenüber der Krankenkasse abrechnen; O-III-Leistungen sind Laborärzten vorbehalten und können nur von diesen abgerechnet
  54. werden. Soweit niedergelassene Ärzte eigene Laborleistungen erbringen, tun sie
  55. dies in der Regel nicht in der eigenen Praxis. Vielmehr schließen sie sich zu Laborgemeinschaften zusammen. Diese Laborgemeinschaften sind häufig bei einer
  56. Laborarztpraxis angesiedelt, die für die ihr angeschlossenen niedergelassenen
  57. Ärzte die O-I- und O-II-Leistungen zu Selbstkosten erbringt. Soweit Untersuchungen der Kategorie O III erforderlich sind, müssen die niedergelassenen Ärzte die
  58. Patienten an einen Laborarzt überweisen. Ist bei dieser Laborarztpraxis eine Laborgemeinschaft angesiedelt, wird der Laborarzt in zwei Funktionen tätig: Zum
  59. einen erbringt er O-III-Leistungen aufgrund von Überweisungen von niedergelassenen Ärzten; zum zweiten betreibt er für die Laborgemeinschaft niedergelassener
  60. Ärzte das Labor, in dem die O-I- und O-II-Leistungen erbracht werden. Auch bei
  61. der Gemeinschaftspraxis der Beklagten ist eine solche Laborgemeinschaft, die
  62. oben genannte Arbeitsgemeinschaft Labor und Diagnostik, angesiedelt. Die Beklagten sind – wie die ihr angehörenden niedergelassenen Ärzte – Gesellschafter
  63. dieser Gesellschaft bürgerlichen Rechts; in der Zeit, als das beanstandete Schreiben versandt wurde, waren sie auch deren Geschäftsführer.
  64. Zwischen Laborärzten herrscht hinsichtlich der O-III-Leistungen ein reger
  65. Wettbewerb, der nicht zuletzt dadurch gefördert wird, dass viele Laborärzte ihre
  66. Leistungen nicht nur lokal, sondern regional oder gar überregional anbieten. Üblich ist, dass die Laborärzte die zu untersuchenden Proben bei den niedergelassenen Ärzten abholen lassen, ohne hierfür Kosten in Rechnung zu stellen.
  67. -4-
  68. Die Kläger haben in der Versendung des Schreibens vom 13. April 2000
  69. durch die Beklagten einen Wettbewerbsverstoß gesehen, und zwar unter dem
  70. Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens, der allgemeinen Marktstörung und
  71. des Rechtsbruchs. Bei dem Vorwurf des Rechtsbruchs geht es um das in allen
  72. ärztlichen Berufsordnungen enthaltene Provisionsverbot; danach dürfen Ärzte für
  73. die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial weder eine Gegenleistung gewähren noch sich selbst eine solche Gegenleistung gewähren lassen (vgl.
  74. die gleich lautenden Bestimmungen in § 31 der Berufsordnung der Ärztekammer
  75. Niedersachsen, in § 31 der Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte im Lande Bremen und in § 31 der Musterberufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte
  76. in der Fassung der Beschlüsse des 100. Deutschen Ärztetages 1997 in Eisenach
  77. – MBO-Ä 1997 –).
  78. Die Kläger haben behauptet, die von den Beklagten angebotenen, die Sätze
  79. des einheitlichen Bewertungsmaßstabs unterschreitenden Preise für O-I- und O-IIUntersuchungen lägen unter den Selbstkosten. Der den niedergelassenen Ärzten
  80. hierdurch entstehende Gewinn – die der Laborgemeinschaft angeschlossenen
  81. niedergelassenen Ärzte werden für diese Leistungen von den Krankenkassen
  82. nach dem einheitlichen Bewertungsmaßstab honoriert – werde den niedergelassenen Ärzten als verdeckter Vorteil zugewendet, um sie dazu zu bewegen, ihnen
  83. Patienten für O-III-Untersuchungen zu überweisen.
  84. Soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung, haben die Kläger beantragt, es der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten,
  85. im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs niedergelassenen Ärzten
  86. entweder selbst oder unter der Bezeichnung „Arbeitsgemeinschaft Labor und Diagnostik“ Laboruntersuchungen der Bereiche O I und O II zu Preisen anzubieten, die
  87. unterhalb der Honorarsätze für technische Laborleistungen der EBM liegen, und/oder
  88. für derartige Laboruntersuchungen Preise zu berechnen, die unterhalb der vorbezeichneten Honorarsätze liegen.
  89. Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten.
  90. -5-
  91. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die
  92. Beklagten dagegen antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt (OLG Celle
  93. GRUR-RR 2002, 336). Hiergegen richtet sich die (vom Senat zugelassene) Revision der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgen. Die
  94. Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
  95. Entscheidungsgründe:
  96. I.
  97. Das Berufungsgericht hat in dem Verhalten der beklagten Laborärzte ein
  98. übertriebenes Anlocken nach § 1 UWG (a.F.) gesehen. Zur Begründung hat es
  99. ausgeführt:
  100. Das Angebot einzelner Waren oder Leistungen unter Einstandspreis sei zwar
  101. grundsätzlich nicht zu beanstanden. Sittenwidrig sei ein solches Verhalten erst,
  102. wenn besondere Umstände hinzuträten. Mit den Regeln des lauteren Wettbewerbs unvereinbar sei es, Nachfrager mit leistungsfremden Mitteln unzulässig zu
  103. beeinflussen. Wer Kunden durch übermäßige Kaufanreize anlocke und sie auf
  104. diese Weise davon abhalte, das gesamte Angebot sachgerecht und kritisch zu
  105. prüfen, handele wettbewerbswidrig. Dieser Tatbestand sei im Streitfall erfüllt. Der
  106. Kern des beanstandeten Verhaltens sei nicht die Preisunterbietung an sich, sondern das Unterbieten mit Hilfe von Quersubventionen, durch die die Nachfrage
  107. nach O-III-Leistungen angeregt werden solle. In den die Sätze des einheitlichen
  108. Bewertungsmaßstabes erheblich unterschreitenden Preisen der Beklagten liege
  109. ein starker Anreiz für die niedergelassenen Ärzte, Laborleistungen der Kategorien
  110. O I und O II von der bei den Beklagten angesiedelten Arbeitsgemeinschaft ausführen zu lassen. Es liege nahe, dass viele Ärzte dann auch gleich Untersuchungen
  111. der Kategorie O III durch die in denselben Räumen beheimatete Gemeinschaftspraxis der Beklagten ausführen ließen, ohne weitere Angebote für solche Leistungen zu prüfen. Das gelte umso mehr, als Arbeitsgemeinschaft und Gemein-
  112. -6-
  113. schaftspraxis das Untersuchungsmaterial durch denselben für die Ärzte kostenlosen Fahrdienst abholen ließen.
  114. Dass die von den Beklagten für O-I- und O-II-Leistungen verlangten Preise
  115. nicht leistungsgerecht seien, ergebe sich aus dem Vortrag der Kläger. Danach sei
  116. die Arbeitsgemeinschaft nur deswegen in der Lage, die – auf Selbstkostenbasis
  117. kalkulierten – Sätze des einheitlichen Bemessungsmaßstabs zu unterschreiten,
  118. weil sie von den Beklagten subventioniert werde. Dieses Vorbringen sei von den
  119. Beklagten nicht hinreichend substantiiert bestritten worden. Das von ihnen vorgelegte, ein ausgeglichenes Ergebnis bescheinigende Wirtschaftsprüfertestat sei
  120. unzureichend, weil das zugrunde liegende Zahlenwerk nicht im Einzelnen offen
  121. gelegt sei. Der Aufforderung, das Zahlenwerk darzustellen, seien die Beklagten in
  122. der hierfür gesetzten Frist nicht nachgekommen. In der anschließenden mündlichen Verhandlung hätten sie sich darauf berufen, es sei ihnen nicht zuzumuten,
  123. ihre Kalkulationsgrundlagen gegenüber den mit ihnen im Wettbewerb stehenden
  124. Klägern zu offenbaren; deshalb komme nur die Offenlegung gegenüber einem zur
  125. Verschwiegenheit verpflichteten Sachverständigen in Betracht. Das Zahlenwerk
  126. hätten sie aber im Termin nicht bereitgehalten. Unter diesen Umständen sei eine
  127. Vertagung nicht in Betracht gekommen. Auch wenn die Beklagten schon in erster
  128. Instanz darauf hingewiesen hätten, dass sie das entsprechende Zahlenwerk nur
  129. gegenüber einem vom Gericht bestimmten Sachverständigen offenbaren könnten,
  130. sei es nicht Sache des Gerichts gewesen, entsprechende Maßnahmen anzuordnen; vielmehr hätten die Beklagten rechtzeitig entsprechende Maßnahmen zur
  131. Geheimhaltung des Zahlenwerks beantragen müssen.
  132. Die Beklagten seien auch passivlegitimiert, weil sie als geschäftsführende
  133. Gesellschafter der Arbeitsgemeinschaft Labor und Diagnostik deren Preisgestaltung maßgeblich beeinflusst hätten. Durch ihre Abberufung als Geschäftsführer
  134. sei die Wiederholungsgefahr nicht entfallen.
  135. -7-
  136. II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand. Sie führen
  137. zur Aufhebung und Zurückverweisung.
  138. 1. Die Beurteilung des mit der Klage geltend gemachten Unterlassungsanspruchs richtet sich nach dem im Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Recht
  139. (vgl. BGHZ 158, 236, 245 – Internet-Versteigerung; BGH, Urt. v. 11.11.2004
  140. – I ZR 213/01, GRUR 2005, 353, 354 – Testamentsvollstreckung durch Banken).
  141. Es sind daher die Bestimmungen des am 8. Juli 2004 in Kraft getretenen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vom 3. Juli 2004 (BGBl. I S. 1414)
  142. anzuwenden. Allerdings kann ein auf Wiederholungsgefahr gestützter Unterlassungsanspruch nur bestehen, wenn das beanstandete Verhalten auch zur Zeit der
  143. Begehung wettbewerbswidrig war.
  144. 2. Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Beklagten
  145. auf Unterlassung in Anspruch genommen werden können, wenn sich das beanstandete Verhalten als wettbewerbswidrig erweist. Für die Bejahung der Passivlegitimation bedarf es freilich nicht des Rückgriffs auf die Störerhaftung. Denn das
  146. beanstandete Schreiben ist von den Beklagten als den Geschäftsführern der Arbeitsgemeinschaft veranlasst worden. Daher steht ihre täterschaftliche Haftung in
  147. Rede.
  148. 3. Der Vorwurf, den die Kläger gegen die Beklagten erheben, richtet sich im
  149. Kern dagegen, dass die Beklagten den niedergelassenen Ärzten für die Überweisung von Patienten für O-III-Untersuchungen eine Zuwendung gewähren, die
  150. darin liegt, dass den niedergelassenen Ärzten durch die von den Beklagten betreute Laborgemeinschaft (Arbeitsgemeinschaft Labor und Diagnostik) O-I- und OII-Untersuchungen zu Preisen angeboten werden, die unter den Selbstkosten
  151. liegen. Allerdings kommt dieser Vorwurf, insbesondere der Bezug zu der Überweisung von Patienten für O-III-Untersuchungen, in dem Unterlassungsantrag nur
  152. unvollkommen zum Ausdruck. Dem ergänzend zur Auslegung des Klageantrags
  153. -8-
  154. heranzuziehenden Klagevorbringen lässt sich indessen das mit der Klage verfolgte Begehren unzweifelhaft entnehmen.
  155. 4. Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass das beanstandete Verhalten wettbewerbswidrig ist, wenn die Beklagten die O-I- und O-IILeistungen der Arbeitsgemeinschaft unter Selbstkosten – etwa durch Quersubventionierung der Laborgemeinschaft – angeboten und dadurch die niedergelassenen
  156. Ärzte veranlasst haben, ihnen Patienten für O-III-Untersuchungen zu überweisen
  157. (dazu a). Die Feststellung, dass die angebotenen Preise unter den Selbstkosten
  158. liegen, hat das Berufungsgericht jedoch – wie die Revision mit Erfolg rügt – verfahrensfehlerhaft getroffen (dazu b). Im Übrigen enthält das Berufungsurteil keine
  159. hinreichenden Feststellungen dazu, dass sich niedergelassene Ärzte durch die
  160. günstigen Preise für O-I- und O-II-Leistungen dazu verleiten lassen, den Beklagten in ihrer Eigenschaft als Laborfachärzten Patienten für O-III-Untersuchungen zu
  161. überweisen (dazu c).
  162. a) Unter der Voraussetzung eines Angebots von Preisen, die unter den
  163. Selbstkosten liegen, und unter der weiteren Voraussetzung eines dadurch bewirkten Einflusses auf das Überweisungsverhalten der niedergelassenen Ärzte hinsichtlich von O-III-Untersuchungen verstößt das beanstandete Verhalten gegen
  164. das Verbot der Ausübung eines unangemessenen unsachlichen Einflusses auf
  165. das Nachfrageverhalten anderer Marktteilnehmer (§ 4 Nr. 1 UWG).
  166. aa) Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass eine unsachliche Beeinflussung der niedergelassenen Ärzte durch besonders günstige
  167. Sätze für O-I- und O-II-Untersuchungen nur insoweit in Betracht zu ziehen ist, als
  168. es um die Überweisung von Patienten für O-III-Untersuchungen geht. Dagegen
  169. scheidet eine unsachliche Beeinflussung der Nachfrageentscheidung der niedergelassenen Ärzten nach O-I- und O-II-Leistungen schon deshalb aus, weil die
  170. Anlockwirkung, die von einem besonders günstigen Angebot ausgeht, niemals
  171. wettbewerbswidrig, sondern gewollte Folge des Leistungswettbewerbs ist (vgl.
  172. -9-
  173. BGHZ 151, 84, 87 – Kopplungsangebot I). Das besonders günstige Angebot einer
  174. Ware oder Leistung kann lediglich ausnahmsweise eine unsachliche Beeinflussung begründen, wenn die Abgabe der besonders günstigen Ware oder Leistung
  175. rechtlich oder faktisch an die Abnahme eines anderen Produkts gekoppelt ist.
  176. bb) Ebenfalls mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass
  177. ein Angebot von Waren oder Leistungen unter den Selbstkosten für sich genommen nicht wettbewerbswidrig ist. Auch der Einsatz von Preisen unter den Selbstkosten zur Förderung des Absatzes anderer, auskömmlich kalkulierter Produkte ist
  178. wettbewerbsrechtlich nicht generell untersagt. Insbesondere kann nicht davon
  179. ausgegangen werden, dass der durchschnittlich informierte und verständige
  180. Verbraucher durch das Angebot einzelner Waren oder Leistungen zu einem besonders günstigen Preis dazu verleitet wird, auf andere Angebote desselben Anbieters ungeprüft einzugehen (dazu Köhler in Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 4 Rdn. 1.36 m.w.N.).
  181. cc) Im Streitfall werden von der beanstandeten Werbung niedergelassene
  182. Ärzte angesprochen, bei denen die Gefahr einer irrationalen, nicht von sachlichen
  183. Kriterien getragenen Nachfrageentscheidung noch weniger wahrscheinlich ist.
  184. Allerdings sind Ärzte gehalten, die Entscheidung darüber, an wen sie einen Patienten verweisen oder wem sie Untersuchungsmaterial zur Laboruntersuchung
  185. überlassen, allein nach ärztlichen Gesichtspunkten zu treffen. Ihre Nachfrageentscheidung darf nicht nach den eigenen Interessen des Arztes als Nachfrager oder
  186. Nachfragedisponent des Patienten getroffen werden, insbesondere darf der Arzt
  187. die Entscheidung, an welchen Facharzt er einen Patienten überweist, nicht davon
  188. abhängig machen, ob ihm für die Überweisung eine Gegenleistung zufließt oder
  189. nicht. Dieser Gesichtspunkt kommt in dem für Ärzte geltenden berufsrechtlichen
  190. Verbot zum Ausdruck, sich für die Zuweisung von Patienten oder für die Zuweisung von Untersuchungsmaterial eine Gegenleistung gewähren zu lassen oder
  191. selbst eine solche Gegenleistung zu gewähren (vgl. § 31 der Berufsordnung der
  192. Ärztekammer Niedersachsen, § 31 der Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte im
  193. - 10 -
  194. Lande Bremen und § 31 der Musterberufsordnung für die deutschen Ärztinnen
  195. und Ärzte; ferner BGH, Urt. v. 22.6.1989 – I ZR 120/87, GRUR 1989, 758, 760 =
  196. WRP 1990, 319 – Gruppenprofil). Ein ähnlicher Zweck liegt dem heilmittelwerberechtlichen Zugabeverbot zugrunde, das auch nach dem Wegfall der Zugabeverordnung das Gewähren oder Annehmen von Zugaben untersagt, weil Ärzte und
  197. Apotheker die Entscheidung darüber, welches Medikament sie verschreiben oder
  198. empfehlen, allein im Interesse des Patienten treffen sollen und sich dabei nicht
  199. davon leiten lassen sollen, ob ihnen bei der Empfehlung oder Verschreibung eines
  200. bestimmten Präparats ein persönlicher Vorteil zufließt (vgl. BGH, Urt. v. 30.1.2003
  201. – I ZR 142/00, GRUR 2003, 624, 626 = WRP 2003, 886 – Kleidersack; Köhler in
  202. Baumbach/Hefermehl aaO § 4 Rdn. 1.84).
  203. Ob der Verbotstatbestand des § 31 der ärztlichen Berufsordnung im Streitfall
  204. eingreift, ist allerdings nicht nur wegen der Frage, ob wirklich unter Selbstkosten
  205. angeboten worden ist, sondern auch deswegen zweifelhaft, weil die Beklagten die
  206. Gewährung der günstigen Preise für O-I- und O-II-Leistungen nicht von der Zuwendung von Patienten oder von Untersuchungsmaterial abhängig gemacht haben. Jedenfalls im Rahmen des § 4 Nr. 1 UWG kommt es auf eine rechtliche
  207. Kopplung nicht an. Ein unangemessener unsachlicher Einfluss kann
  208. vielmehr
  209. schon dann zu bejahen sein, wenn die niedergelassenen Ärzte, die sich im Hinblick auf die günstigen, unter dem einheitlichen Bewertungsmaßstab liegenden
  210. Preise für O-I- und O-II-Leistungen der bei der Laborarztpraxis der Beklagten
  211. angesiedelten Laborgemeinschaft anschließen, sich auch ohne rechtliche Kopplung veranlasst sehen, dieser Laborarztpraxis die Patienten zu überweisen, für die
  212. O-III-Leistungen zu erbringen sind.
  213. b) Die Feststellung, dass die von den Beklagten angebotenen Preise unter
  214. den Selbstkosten liegen, hat das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft getroffen.
  215. Für das Merkmal eines Angebots unter den Selbstkosten sind im Streitfall grundsätzlich die Kläger darlegungs- und beweispflichtig. Sie sind ihrer Darlegungslast
  216. – wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat – dadurch nachgekom-
  217. - 11 -
  218. men, dass sie sich auf Untersuchungen einer Unternehmensberatung berufen
  219. haben, wonach die Sätze des einheitlichen Bemessungsmaßstabs auf Selbstkostenbasis berechnet worden seien. Dieses Vorbringen ist ausreichend, weil die
  220. Kläger nähere Angaben zur Kalkulation der bei der Praxis der Beklagten angesiedelten Arbeitsgemeinschaft naturgemäß nicht machen können. Zu Unrecht hat das
  221. Berufungsgericht jedoch angenommen, die Beklagten könnten die Behauptung
  222. der Kläger nur durch Vorlage ihrer Kalkulationsgrundlagen substantiiert bestreiten.
  223. An diesen Unterlagen besteht – was keiner näheren Ausführung bedarf – ein erhebliches Geheimhaltungsinteresse der Beklagten. Dieses schützenswerte Interesse führt dazu, dass die Beklagten den Klägervortrag auch ohne detaillierte
  224. Angaben zu den Kalkulationsgrundlagen bestreiten konnten. Ohne Beweisaufnahme hätte das Berufungsgericht daher nicht von einem Angebot unter Selbstkosten ausgehen dürfen.
  225. Im Rahmen einer Beweisaufnahme hätte das Berufungsgericht den Beklagten aufgeben können, einem zu bestimmenden Sachverständigen die Kalkulationsgrundlagen vorzulegen (§ 144 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Den berechtigten Geheimhaltungsinteressen der Beklagten hätte dabei in der Weise Rechnung getragen
  226. werden können, dass der Sachverständige sich auf die Beantwortung der Frage
  227. beschränkt, ob eine Quersubventionierung der Laborgemeinschaft durch die Beklagten – sei es in der Form direkter Zahlungen oder sei es in der Form der Überlassung vorhandener freier Kapazitäten (Personal, Laborräume, Laboreinrichtung)
  228. – stattgefunden hat.
  229. c) Wie bereits dargelegt, stellt es ein unlauteres Wettbewerbsverhalten
  230. nach §§ 3, 4 Nr. 1 UWG dar, wenn die Beklagten niedergelassene Ärzte dadurch
  231. zu einer Überweisung von Patienten für O-III-Untersuchungen veranlassen, dass
  232. sie ihnen – über die Arbeitsgemeinschaft Labor und Diagnostik – O-I- und O-IILeistungen unter Selbstkosten anbieten. Im Streitfall kann eine Verbindung der
  233. beiden Vorgänge nicht geleugnet werden, wenn die niedergelassenen Ärzte üblicherweise die Patienten für O-III-Untersuchungen stets an diejenigen Laborärzte
  234. - 12 -
  235. überweisen, bei denen sie für O-I- und O-II-Leistungen eine Laborgemeinschaft
  236. unterhalten. Dies mag – wie das Berufungsgericht angenommen hat – nahe liegen. Hierin liegt jedoch zunächst nicht mehr als eine Vermutung. Ebenfalls denkbar, wenn auch weniger wahrscheinlich erscheint es, dass die niedergelassenen
  237. Ärzte die Entscheidung über die Überweisung von Patienten für O-III-Untersuchungen unabhängig davon treffen, mit welchem Laborarzt sie in einer Laborgemeinschaft zusammenarbeiten. Auch in diesem Punkt bedarf es daher noch
  238. zusätzlicher Feststellungen.
  239. III. Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben. Die Sache ist an das
  240. Berufungsgericht zurückzuverweisen. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren
  241. kann der streitige Sachverhalt gegebenenfalls durch das Gutachten eines Sachverständigen geklärt werden, dem die Kalkulationsunterlagen der Beklagten zur
  242. Verfügung gestellt werden, wobei berechtigte Geheimhaltungsinteressen der Beklagten gewahrt bleiben müssen. Zur Frage der Verbindung der beiden Vorgänge
  243. – O-I- und O-II-Leistungen einerseits und O-III-Leistungen andererseits – können
  244. die Parteien ergänzend vortragen.
  245. Ullmann
  246. Bornkamm
  247. Herr RiBGH Pokrant ist in
  248. Kur und verhindert zu unterschreiben.
  249. Ullmann
  250. Büscher
  251. Bergmann