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11 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. I ZB 23/14
  4. vom
  5. 11. Dezember 2014
  6. in dem Verfahren
  7. auf Aufhebung eines inländischen Schiedsspruchs
  8. Nachschlagewerk:
  9. ja
  10. BGHZ:
  11. nein
  12. BGHR:
  13. ja
  14. ZPO § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d
  15. a) Die Bildung eines Schiedsgerichts hat im Sinne von § 1059 Abs. 2 Nr. 1
  16. Buchst. d ZPO nicht den Bestimmungen des 10. Buches der Zivilprozessordnung entsprochen, wenn das Schiedsgericht mit einem erfolgreich abgelehnten Schiedsrichter besetzt gewesen ist. Das gilt auch für den Fall, dass die
  17. gerichtliche Entscheidung über den Ablehnungsantrag erst nach Erlass des
  18. Schiedsspruchs ergangen ist.
  19. b) Ein Verfahrensverstoß im Sinne von § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d ZPO hat
  20. sich auf den Schiedsspruch ausgewirkt, wenn nur die Möglichkeit besteht,
  21. dass das Schiedsgericht ohne den Verfahrensverstoß anders entschieden
  22. hätte.
  23. c) Danach ist stets anzunehmen, dass sich die Besetzung eines Schiedsgerichts mit einem erfolgreich abgelehnten Schiedsrichter im Sinne von § 1059
  24. Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d ZPO auf den Schiedsspruch ausgewirkt hat. Das gilt
  25. auch für den Fall, dass ein mit drei Schiedsrichtern besetztes Schiedsgericht
  26. den Schiedsspruch einstimmig erlassen hat.
  27. BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2014 - I ZB 23/14 - OLG München
  28. -2-
  29. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Dezember 2014
  30. durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof.
  31. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff, Dr. Koch und Feddersen
  32. beschlossen:
  33. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 34. Zivilsenats
  34. des Oberlandesgerichts München vom 10. Februar 2014 wird auf
  35. Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen.
  36. Gegenstandswert: 2.294.622 €.
  37. Gründe:
  38. 1
  39. I. Die Antragstellerin hat der Antragsgegnerin mit einem am 6. November
  40. 1986 abgeschlossenen Vertrag ein Thermalbad verpachtet. In dem Vertrag ist
  41. vereinbart, dass für Streitigkeiten, die sich aus dem Vertrag ergeben, der
  42. Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ausgeschlossen ist und über solche
  43. Streitigkeiten ein Schiedsgericht entscheidet.
  44. Zwischen den Parteien entstand Streit über die Laufzeit des Pachtvertra-
  45. 2
  46. ges. Die Antragsgegnerin erhob gegen die Antragstellerin im Dezember 2010
  47. Schiedsklage und beantragte festzustellen, dass der Pachtvertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen ist.
  48. Nachdem jede Partei einen Schiedsrichter bestellt hatte, bestellten diese
  49. 3
  50. beiden Schiedsrichter eine dritte Schiedsrichterin, die als Vorsitzende des
  51. Schiedsgerichts (Obfrau) tätig wurde. Die Antragstellerin lehnte die Obfrau wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Das Schiedsgericht wies den Ablehnungsantrag zurück. Auf Antrag der Antragstellerin erklärte das Oberlandesgericht die
  52. Ablehnung der Obfrau mit Beschluss vom 3. Januar 2014 für begründet.
  53. -3-
  54. 4
  55. Das Schiedsgericht hatte in der Zwischenzeit durch Schiedsspruch vom
  56. 10. April 2013 festgestellt, dass der Pachtvertrag vom 6. November 1986 als
  57. auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gilt.
  58. 5
  59. Die Antragstellerin hat beim Oberlandesgericht die Aufhebung dieses
  60. Schiedsspruchs beantragt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Obfrau des
  61. Schiedsgerichts sei befangen gewesen. Die Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, die fehlerhafte Besetzung des Schiedsgerichts habe sich auf den Schiedsspruch nicht ausgewirkt. Zur Begründung hat
  62. sie sich auf ein von den beisitzenden Schiedsrichtern unterzeichnetes Schreiben berufen, in dem diese erklären, der Schiedsspruch sei einstimmig beschlossen worden und auch mit einem neuen Obmann werde ein gleichlautender Schiedsspruch erlassen.
  63. 6
  64. Das Oberlandesgericht hat dem Aufhebungsantrag der Antragstellerin
  65. stattgegeben. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin.
  66. 7
  67. II. Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 1065
  68. Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 1 ZPO) sowie auch im Übrigen zulässige
  69. (§ 574 Abs. 2 ZPO) Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das
  70. Oberlandesgericht hat dem Antrag auf gerichtliche Aufhebung des inländischen
  71. Schiedsspruchs mit Recht stattgegeben. Die Antragstellerin hat gemäß § 1059
  72. Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d ZPO begründet geltend gemacht, dass die Bildung des
  73. Schiedsgerichts nicht den Bestimmungen des 10. Buches der Zivilprozessordnung entsprochen hat (dazu II 1) und anzunehmen ist, dass sich dies auf den
  74. Schiedsspruch ausgewirkt hat (dazu II 2).
  75. 8
  76. 1. Die Bildung eines Schiedsgerichts hat nicht den Bestimmungen des
  77. 10. Buches der Zivilprozessordnung entsprochen, wenn das Schiedsgericht mit
  78. einem erfolgreich abgelehnten Schiedsrichter besetzt gewesen ist (vgl. RG, Ur-
  79. -4-
  80. teil vom 3. Januar 1939 - VII 121/38, RGZ 159, 92, 98; MünchKomm.ZPO/
  81. Münch, 4. Aufl., § 1059 Rn. 36; Musielak/Voit, ZPO, 11. Aufl., § 1059 Rn. 16).
  82. So verhält es sich hier. Das Oberlandesgericht hat auf Antrag der Antragstellerin gemäß § 1062 Abs. 1 Nr. 1 Fall 2, § 1037 Abs. 3 Satz 1, § 1036 Abs. 2
  83. Satz 1 ZPO durch unanfechtbaren Beschluss (vgl. § 1065 Abs. 1 Satz 2 ZPO)
  84. festgestellt, dass die Ablehnung der Vorsitzenden des Schiedsgerichts wegen
  85. Besorgnis der Befangenheit begründet ist. Damit steht fest, dass die Bildung
  86. des Schiedsgerichts nicht den Bestimmungen des 10. Buches der Zivilprozessordnung entsprochen hat. Dabei ist es unerheblich, dass die Entscheidung über
  87. den Ablehnungsantrag erst nach Erlass des Schiedsspruchs ergangen ist und
  88. das Schiedsgericht einschließlich der abgelehnten Schiedsrichter während der
  89. Anhängigkeit des Ablehnungsantrags gemäß § 1037 Abs. 3 Satz 2 ZPO das
  90. schiedsrichterliche Verfahren fortsetzen und den Schiedsspruch erlassen konnte (vgl. Schütze in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 1059 Rn. 48).
  91. 9
  92. 2. Es ist auch anzunehmen, dass sich die fehlerhafte Besetzung des
  93. Schiedsgerichts auf den Schiedsspruch ausgewirkt hat.
  94. 10
  95. a) Das Erfordernis der Ursächlichkeit des Verfahrensverstoßes für den
  96. Schiedsspruch soll lediglich verhindern, dass der Schiedsspruch aus rein formalen Gründen aufgehoben und ein neues Verfahren durchgeführt wird, das zu
  97. demselben Ergebnis wie der aufgehobene Schiedsspruch führen müsste (vgl.
  98. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts, BT-Drucks. 13/5274, S. 59). An die Voraussetzung der Ursächlichkeit
  99. sind daher keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Sie ist bereits erfüllt,
  100. wenn die Möglichkeit besteht, dass das Schiedsgericht ohne den Verfahrensverstoß anders entschieden hätte (vgl. BayObLG, NJW-RR 2000, 360; OLG
  101. Saarbrücken, SchiedsVZ 2003, 92, 93 f.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom
  102. 8. September 2011 - 10 Sch 1/11, juris Rn. 35; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO,
  103. 22. Aufl., § 1059 Rn. 24; MünchKomm.ZPO/Münch aaO § 1059 Rn. 34; Mu-
  104. -5-
  105. sielak/Voit aaO § 1059 Rn. 22; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl.,
  106. Kap. 24 Rn. 30; vgl. allgemein zur Ursächlichkeit von Verfahrensfehlern BGH,
  107. Beschluss vom 15. Januar 2009 - III ZB 83/07, IHR 2009, 225 Rn. 7 =
  108. SchiedsVZ 2009, 126 mwN).
  109. 11
  110. b) Diese Voraussetzung ist stets erfüllt, wenn der Schiedsspruch unter
  111. Mitwirkung eines mit Erfolg abgelehnten Schiedsrichters ergangen ist. Es ist
  112. niemals auszuschließen, dass ein Schiedsgericht, das mit einem anderen als
  113. dem abgelehnten Schiedsrichter besetzt ist, zu einer anderen Entscheidung
  114. gekommen wäre.
  115. 12
  116. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde kann auch nicht angenommen werden, dass bei einer einstimmigen Entscheidung eines mit drei
  117. Schiedsrichtern besetzten Schiedsgerichts die Mitwirkung eines befangenen
  118. Schiedsrichters für das Ergebnis nicht kausal geworden sei und ein erneuter
  119. Schiedsspruch unter Mitwirkung eines anderen Schiedsrichters - mit der erforderlichen Mehrheit - dasselbe Ergebnis hätte. In schiedsrichterlichen Verfahren mit mehr als einem Schiedsrichter ist gemäß § 1052 Abs. 1 ZPO jede Entscheidung des Schiedsgerichts mit Mehrheit der Stimmen aller Mitglieder zu
  120. treffen, wenn die Parteien - wie hier - nichts anderes vereinbart haben. Ohne
  121. dass die Bestimmung dies ausdrücklich ausführt, setzt sie vor der Abstimmung
  122. die Beratung voraus (Saenger/Saenger, ZPO, 6. Aufl., § 1052 Rn. 2).
  123. 13
  124. Entscheidet ein mit mehreren Richtern besetzter Spruchkörper nach Beratung durch Abstimmung, kann niemals ausgeschlossen werden, dass es aufgrund der Mitwirkung eines dieser Richter zu einer bestimmten Entscheidung
  125. gekommen ist. Es ist immer möglich, dass das Verhalten eines Richters bei der
  126. Beratung und der Abstimmung die Meinungsbildung und das Abstimmungsverhalten der anderen Richter beeinflusst (vgl. BayObLG, NJW-RR 2000, 360;
  127. OLG Saarbrücken, SchiedsVZ 2003, 92, 94; aA Prütting/Gehrlein/RaeschkeKessler, ZPO, 6. Aufl., § 1059 Rn. 41). Entgegen der Ansicht der Rechtsbe-
  128. -6-
  129. schwerde bedurfte es daher weder eines substantiierten Tatsachenvortrags der
  130. Antragstellerin noch entsprechender Feststellungen des Oberlandesgerichts zu
  131. einer möglichen Auswirkung des Verfahrensverstoßes auf den Schiedsspruch.
  132. 14
  133. c) Die Rechtsbeschwerde beruft sich ohne Erfolg auf das von den beisitzenden Schiedsrichtern unterzeichnete Schreiben, in dem diese erklären, der
  134. Schiedsspruch sei einstimmig beschlossen worden und mit einem neuen Obmann werde ein gleichlautender Schiedsspruch erlassen.
  135. 15
  136. Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese Erklärung der Schiedsrichter
  137. verwertet werden darf oder die Schiedsrichter zum Inhalt der Erklärung als
  138. Zeugen vernommen werden dürfen, was im Blick auf das auch für Schiedsrichter grundsätzlich geltende Beratungsgeheimnis (vgl. § 46 DRiG) zweifelhaft erscheint (vgl. RG, Urteil vom 16. Mai 1930 - VII 478/29, RGZ 129, 15, 17 f.;
  139. BGH, Urteil vom 23. Januar 1957 - V ZR 132/55, BGHZ 23, 138, 140 f.;
  140. MünchKomm.ZPO/Münch aaO § 1052 Rn. 3 bis 7; Saenger/Saenger aaO
  141. § 1052 Rn. 3; Zöller/Geimer, ZPO, 30. Aufl., § 1035 Rn. 31 und § 1052 Rn. 5;
  142. Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis,
  143. 3. Aufl. Rn. 1695;
  144. Schwab/Walter aaO Kap. 24 Rn. 42). Es ist in diesem Zusammenhang ohne
  145. Bedeutung, dass eine solche Erklärung geeignet ist, Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Schiedsrichter und ihrer Eignung für das Schiedsrichteramt
  146. zu wecken.
  147. 16
  148. Da eine Entscheidung erst nach Beratung ergehen darf und damit aus
  149. Rechtsgründen nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein Schiedsgericht in
  150. anderer Besetzung zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre oder kommen
  151. würde, ist es unerheblich, ob der angegriffene Schiedsspruch einstimmig ergangen ist. Ferner ist es deshalb unbeachtlich, dass die beisitzenden Schiedsrichter erklärt haben, mit einem neuen Obmann werde ein gleichlautender
  152. Schiedsspruch erlassen.
  153. -7-
  154. 17
  155. III. Danach ist die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts auf Kosten der Antragsgegnerin (§ 97 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen.
  156. Büscher
  157. Schaffert
  158. Koch
  159. Kirchhoff
  160. Feddersen
  161. Vorinstanz:
  162. OLG München, Entscheidung vom 10.02.2014 - 34 Sch 7/13 -