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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. AnwZ (B) 7/02
  4. vom
  5. 25. November 2002
  6. In dem Verfahren
  7. wegen Widerrufs der Zulassung bei einem Gericht
  8. -2-
  9. Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Präsidenten
  10. des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch, den Richter Schlick, die Richterin
  11. Dr. Otten und den Richter Dr. Frellesen sowie die Rechtsanwälte Dr. Schott,
  12. Dr. Wüllrich und Dr. Frey nach mündlicher Verhandlung am 25. November
  13. 2002
  14. beschlossen:
  15. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß
  16. des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom
  17. 13. September 2001 wird zurückgewiesen.
  18. Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und
  19. der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
  20. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf
  21. 50.000
  22. 
  23. tgesetzt.
  24. -3-
  25. Gründe
  26. I.
  27. Der 1953 geborene Antragsteller ist seit 1985 als Rechtsanwalt zugelassen, und zwar seit 1987 bei dem Amtsgericht B.
  28. M.
  29. und dem Landgericht
  30. . Durch Verfügung vom 21. Februar 2001 hat die Antragsgegnerin die
  31. Zulassung des Antragstellers beim Amtsgerichts B.
  32. M.
  33. und beim Landgericht
  34. nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BRAO widerrufen. Den Antrag auf gerichtliche
  35. Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Dagegen richtet
  36. sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.
  37. II.
  38. Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 BRAO), bleibt
  39. jedoch in der Sache ohne Erfolg.
  40. 1.
  41. Die Widerrufsverfügung ist zu Recht ergangen.
  42. a) Nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BRAO kann die lokale Zulassung eines
  43. Rechtsanwalts bei einem Gericht widerrufen werden, wenn der Rechtsanwalt
  44. seine Kanzlei aufgibt, ohne daß er von der Kanzleipflicht des § 27 BRAO befreit ist.
  45. Nach dem Inhalt seiner Kanzleiführungspflicht muß der bei einem Amtsgericht zugelassene Rechtsanwalt an dem Ort des Gerichts oder an einem an-
  46. -4-
  47. deren Ort im Bezirk des Gerichts, bei dem er zugelassen ist, eine Kanzlei einrichten und aufrecht erhalten. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats gehören zu den Mindestanforderungen einer Kanzleiführung, daß der Rechtsanwalt ausreichende organisatorische Vorsorge trifft, um der Öffentlichkeit seinen
  48. Willen, einen Raum als Kanzlei zu verwenden, zu offenbaren. Er hat ein Praxisschild anzubringen, einen Telefonanschluß zu unterhalten und muß zu angemessenen Zeiten dem rechtsuchenden Publikum in den Praxisräumen seine
  49. anwaltlichen Dienste bereitstellen (Senatsbeschluß vom 13. September 1993
  50. - AnwZ(B) 33/93 - m.w.N.).
  51. b) Die Voraussetzungen für den Widerruf waren zum Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung erfüllt.
  52. aa) Die auf Veranlassung der Antragsgegnerin angestellten Ermittlungen
  53. des Polizeipräsidiums M.
  54. und des Präsidenten des Landgerichts M.
  55. des Direktors des Amtsgerichts B.
  56. bzw.
  57. haben ergeben, daß es praktisch un-
  58. möglich war, den Antragsteller an dem angeblichen Kanzleisitz telefonisch oder
  59. postalisch zu erreichen. Auch äußerlich deutete nichts (mehr) darauf hin, daß
  60. unter der angegebenen Adresse I.
  61. , B.
  62. Straße ... eine Anwalts-
  63. kanzlei betrieben wird.
  64. Im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof hat im übrigen der Antragsteller selbst eingeräumt, daß an dem Anwesen B.
  65. Straße ... seine Anwalts-
  66. schilder, sein Briefkasten und sein Klingelbrett nebst Gegensprechanlage nicht
  67. mehr vorhanden sind. Ob diese Gegenstände - wie der Antragsteller behauptet
  68. hat – in rechtswidriger Weise von den Vermietern der Kanzlei entfernt worden
  69. sind oder aber – wie die Antragsgegnerin in dem angefochtenen Bescheid an-
  70. -5-
  71. gegeben hat – vom Antragsteller selbst, nachdem er zuvor den Mietvertrag
  72. über die Kanzleiräume gekündigt hatte, kann dahinstehen. Jedenfalls war aufgrund des objektiven Befundes davon auszugehen, daß der Antragsteller seit
  73. geraumer Zeit nicht mehr in der Lage war, an diesem Ort einen den gesetzlichen Anforderungen genügenden Kanzleibetrieb aufrecht zu erhalten.
  74. bb) Sind die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BRAO erfüllt, so
  75. steht es im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörde, die Zulassung
  76. des Rechtsanwalts bei einem Gericht zu widerrufen. Daß die Antragsgegnerin
  77. vorliegend bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens
  78. überschritten oder von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung
  79. nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat, ist nicht ersichtlich.
  80. cc) Der Widerruf der Zulassung nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BRAO hat zwingend zur Folge, daß auch die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach § 14
  81. Abs. 2 Nr. 6 BRAO zu widerrufen ist. Dadurch, daß die Antragsgegnerin - aus
  82. welchen Gründen auch immer - nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht
  83. hat, beide Widerrufsbescheide miteinander zu verbinden (vgl. Senatsbeschluß
  84. vom 13. September 1993 aaO), wird die Rechtmäßigkeit des allein auf § 35
  85. Abs. 1 Nr. 5 BRAO gestützten "isolierten" Widerrufs der lokalen Zulassung
  86. nicht in Zweifel gezogen.
  87. 2.
  88. Im Beschwerdeverfahren hat die Antragsgegnerin im Hinblick auf das
  89. Schreiben des Antragstellers vom 24. April 2002 weitere Ermittlungen angestellt.
  90. -6-
  91. Aufgrund dessen kann nicht davon ausgegangen werden, daß nach Erlaß der Widerrufsverfügung oder der Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs
  92. der Widerrufsgrund zweifelsfrei weggefallen ist (vgl. Senatsbeschluß vom
  93. 13. September 1993 aaO).
  94. Die aus den angefertigten Lichtbildern ersichtlichen örtlichen Gegebenheiten, denen der Antragsteller im Termin nicht entgegengetreten ist, erfüllen
  95. nicht die Voraussetzungen, die an eine Kanzlei zu stellen sind. Im übrigen hat
  96. der Antragsteller selbst eingeräumt, daß die Räume im Anwesen B.
  97. Stra-
  98. ße ... nicht als Kanzleiräume, sondern nur als "Funktionsräume" genutzt werden.
  99. Hirsch
  100. Schlick
  101. Schott
  102. Otten
  103. Wüllrich
  104. Frellesen
  105. Frey