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17 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. AnwZ (Brfg) 35/11
  5. Verkündet am:
  6. 23. April 2012
  7. Boppel
  8. Justizamtsinspektor
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache
  12. wegen belehrenden Hinweises
  13. -2-
  14. Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. April 2012 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs
  15. Prof. Dr. Tolksdorf, die Richterinnen Lohmann und Dr. Fetzer sowie die Rechtsanwälte Dr. Wüllrich und Prof. Dr. Stüer
  16. für Recht erkannt:
  17. Die Berufung gegen das Urteil des 2. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 6. Mai 2011 wird auf
  18. Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
  19. Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.
  20. Von Rechts wegen
  21. Tatbestand:
  22. 1
  23. Die Klägerin ist eine im Bezirk der Beklagten zugelassene Rechtsanwältin. Am 18. März 2010 erteilte die Beklagte der Klägerin einen belehrenden
  24. Hinweis, in dem es unter anderem heißt:
  25. "Sie vertreten Herrn Dr. A.
  26. C.
  27. in dessen Scheidungsverfahren sowie in der Folgesache Zugewinnausgleich gegen die Ehefrau Ihres
  28. Mandanten, Frau B.
  29. C.
  30. . … Mit Datum vom 26.06.2009 haben
  31. Sie zudem auch für den volljährigen Sohn der Eheleute, Herrn M.
  32. C.
  33. , Klage vor dem Amtsgericht Bi.
  34. auf Zahlung von Kindesunterhalt gegen Frau B.
  35. C.
  36. erhoben. Im Rahmen des gegen
  37. Sie bei der Rechtsanwaltskammer H.
  38. eingeleiteten Beschwerdeverfahrens haben Sie eine Erklärung des Herrn Dr. A.
  39. C.
  40. vom
  41. -3-
  42. 02.10.2009 vorgelegt, in der dieser sein Einverständnis Ihnen gegenüber
  43. erklärt, dass Sie sowohl ihn als auch seinen Sohn anwaltlich vertreten.
  44. Ferner haben Sie eine Erklärung des Herrn M.
  45. C.
  46. vom
  47. 09.10.2009 überreicht, in der dieser erklärt, dass es eine Interessenkollision für ihn nicht gebe und er selbst gewollt habe, dass Sie Unterhaltsansprüche gegenüber seiner Mutter durchsetzen. …
  48. Die Vertretung des Herrn Dr. A.
  49. C.
  50. einerseits und des Herrn
  51. M.
  52. C.
  53. andererseits, jeweils gegen Frau B.
  54. C.
  55. , verstößt gegen §§ 43a Abs. 4 BRAO, 3 Abs. 1 1. Alt. BORA, da Sie Ihre
  56. Mandanten in derselben Rechtssache vertreten und zwischen Ihren
  57. Mandanten objektiv widerstreitende Interessen bestehen. ... Das Interesse Ihres Mandanten Dr. C.
  58. in den Scheidungs- und Zugewinnausgleichsverfahren ist auf die Anerkennung einer geringen eigenen Vermögenslage zur Abwehr von Zugewinnausgleichs- und ggfls. sich anschließender Unterhaltsansprüche der Frau B.
  59. C.
  60. gerichtet. Das Interesse des Herrn M.
  61. C.
  62. besteht dagegen in der Feststellung
  63. einer hohen Vermögenslage sowohl seiner Mutter als auch seines Vaters
  64. zugunsten seiner eigenen Unterhaltsansprüche gegen diese. Denn neben dem derzeit geltend gemachten Unterhaltsanspruch gegen seine
  65. Mutter B.
  66. C.
  67. bestehen grundsätzlich auch Unterhaltsansprüche des Herrn M.
  68. C.
  69. gegen seinen Vater Dr. C.
  70. , weil
  71. die Voraussetzungen des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB entfallen sind. …
  72. Das Vorliegen widerstreitender Interessen wird auch nicht durch das Einverständnis des Herrn Dr. C.
  73. und des Herrn M.
  74. C.
  75. zu
  76. deren jeweiliger Vertretung durch Sie aufgehoben. … Gemäß § 3 Abs. 3
  77. BORA sind Sie somit verpflichtet, alle Mandate, also sowohl die Mandate
  78. des Herrn Dr. A.
  79. C.
  80. als auch das Mandat des Herrn M.
  81. C.
  82. , zu beenden."
  83. 2
  84. Gegen diesen mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen und förmlich
  85. zugestellten Hinweis hat die Klägerin fristgerecht Klage erhoben. Die Beklagte
  86. hat die Abweisung der Klage beantragt und ergänzend darauf hingewiesen,
  87. dass B.
  88. von Dr. A.
  89. C.
  90. mit Schreiben vom 9. Februar 2010 Trennungsunterhalt
  91. C.
  92. verlangt und ihren Anspruch mit Antrag vom 8. Juni
  93. 2010 eingeklagt habe; auch in diesem Verfahren werde Dr. A.
  94. von der Klägerin vertreten.
  95. C.
  96. -4-
  97. 3
  98. Der Anwaltsgerichtshof hat den belehrenden Hinweis aufgehoben
  99. (BRAK-Mitt. 2011, 250). Mit ihrer vom Anwaltsgerichtshof zugelassenen Berufung will die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.
  100. Entscheidungsgründe:
  101. 4
  102. Die Berufung ist nach § 112e Satz 1 BRAO statthaft und auch im Übrigen
  103. zulässig (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 2, 3 VwGO). Sie bleibt jedoch ohne
  104. Erfolg.
  105. I.
  106. 5
  107. Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 Satz 1
  108. BRAO, § 42 VwGO) statthaft. Nach § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO obliegt es dem
  109. Vorstand der Rechtsanwaltskammer, die Kammermitglieder in Fragen der Berufspflichten zu beraten und zu belehren. Gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 4 BRAO hat
  110. er die Erfüllung der den Kammermitgliedern obliegenden Pflichten zu überwachen und das Recht der Rüge zu handhaben. Stellt der Vorstand einer Rechtsanwaltskammer in Wahrnehmung seiner Aufgaben fest, dass sich ein Rechtsanwalt berufswidrig verhalten hat, so kann er diesen auf die Rechtsauffassung
  111. der Kammer hinweisen und über den Inhalt seiner Berufspflichten belehren; er
  112. kann ihm auch aufgeben, das beanstandete Verhalten zu unterlassen. Erteilt
  113. der Vorstand der Rechtsanwaltskammer einem Kammermitglied eine derartige
  114. missbilligende Belehrung, so stellt diese eine hoheitliche Maßnahme dar, die
  115. geeignet ist, den Rechtsanwalt in seinen Rechten zu beeinträchtigen; als solche
  116. -5-
  117. ist sie anfechtbar (BGH, Beschluss vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02,
  118. BGHZ 153, 61, 62 f.).
  119. II.
  120. 6
  121. Das im Bescheid der Beklagten vom 18. März 2010 beschriebene Verhalten der Klägerin verstieß nicht gegen § 43a Abs. 4 BRAO, § 3 Abs. 1 BORA.
  122. 7
  123. 1. Entgegen der Ansicht der Klägerin betreffen der Zugewinnausgleich
  124. und der Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes gegen seine Eltern allerdings dieselbe Rechtssache. "Rechtssache" kann jede Angelegenheit sein, die
  125. zwischen mehreren Beteiligten mit jedenfalls möglicherweise entgegenstehenden rechtlichen Interessen nach Rechtsgrundsätzen behandelt und erledigt
  126. werden soll (BGH, Urteil vom 25. Juni 2008 - 5 StR 109/07, BGHSt 52, 307
  127. Rn. 11). Maßgebend dafür, ob die Rechtssache dieselbe ist, ist der sachlichrechtliche Inhalt der anvertrauten Angelegenheit (BGH, Urteil vom 16. November 1962 - 4 StR 344/62, BGHSt 18, 192, 193; BayObLG, NJW 1989, 2903),
  128. auch wenn dasselbe materielle Interesse Gegenstand verschiedener Ansprüche oder Verfahren ist (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1986 - 1 StR 519/86,
  129. BGHSt 34, 191; BayObLG, NJW 1989, 2903; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 356
  130. Rn. 5; Hartung, AnwBl 2011, 679, 680).
  131. 8
  132. Die von der Klägerin übernommenen Mandate decken sich sachlichrechtlich zumindest teilweise. Grundlage des Zugewinnausgleichs ist zwar die
  133. Ehe, während der Unterhaltsanspruch aus dem Verwandtschaftsverhältnis zwischen Eltern und Kindern folgt. Die Verwandtschaft zu miteinander verheirateten Eltern betrifft jedoch denselben Sachverhalt wie deren Ehe. Der Unterhalts-
  134. -6-
  135. anspruch des erwachsenen Kindes richtet sich zudem grundsätzlich gegen beide Elternteile, die anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen
  136. haften (§ 1606 Abs. 3 BGB); die Vermögensverhältnisse der beiden Elternteile
  137. sind - bezogen auf den Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags
  138. (§ 1375 Abs. 1, § 1384 BGB) - Gegenstand des Zugewinnausgleichs.
  139. 9
  140. 2. Die Interessen, welche die Klägerin bei der Abwehr des Anspruchs auf
  141. Zugewinnausgleich (fortan auch: Erstmandat) einerseits und der Durchsetzung
  142. des Anspruchs auf Kindesunterhalt (fortan auch: Zweitmandat) anderseits zu
  143. vertreten hat, widersprechen einander unter den besonderen Umständen des
  144. vorliegenden Falles jedoch nicht.
  145. 10
  146. a) Die Interessen, welche der Anwalt im Rahmen des ihm erteilten Auftrags zu vertreten hat, sind objektiv zu bestimmen. Grundlage der Regelung des
  147. § 43a Abs. 4 BRAO sind das Vertrauensverhältnis von Rechtsanwalt und Mandant, die Wahrung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts und die im Interesse
  148. der Rechtspflege gebotene Gradlinigkeit der anwaltlichen Berufsausübung (BTDrucks. 12/4993, S. 27; vgl. auch BVerfGE 108, 150). Die Wahrnehmung anwaltlicher Aufgaben setzt den unabhängigen, verschwiegenen und nur den Interessen des eigenen Mandanten verpflichteten Rechtsanwalt voraus (BGH, Urteil vom 8. November 2007 - IX ZR 5/06, BGHZ 174, 186 Rn. 12 = NJW 2008,
  149. 1307). Diese Eigenschaften stehen nicht zur Disposition der Mandanten. Der
  150. Rechtsverkehr muss sich darauf verlassen können, dass der Pflichtenkanon
  151. des § 43a BRAO befolgt wird, damit die angestrebte Chancen- und Waffengleichheit der Bürger untereinander und gegenüber dem Staat gewahrt wird und
  152. die Rechtspflege funktionsfähig bleibt (BVerfGE 108, 150, 161 f.; vgl. auch
  153. BVerfG, NJW 2006, 2469 f.).
  154. -7-
  155. 11
  156. Im rechtlichen Ausgangspunkt stehen die Interessen eines unterhaltsberechtigten volljährigen Kindes im Widerspruch zu denjenigen seiner Eltern, die
  157. beide Unterhalt schulden und gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB anteilig nach
  158. ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen haften. Ein Rechtsanwalt darf
  159. deshalb nicht zugleich die unterhaltspflichtigen Eltern bei der Abwehr des Anspruchs und das unterhaltsberechtigte Kind bei dessen Durchsetzung vertreten.
  160. 12
  161. b) Dass die Klägerin im vorliegenden Fall nur mit der Durchsetzung des
  162. Anspruchs gegen die Ehefrau ihres Mandanten Dr. A.
  163. C.
  164. beauftragt
  165. worden war, die auch dessen Gegnerin im Zugewinnausgleichsverfahren war,
  166. ändert für sich genommen nichts am Vorliegen eines Interessenwiderstreits. Ein
  167. objektiv vorhandener Interessenwiderspruch lässt sich (entgegen Henssler,
  168. NJW 2001, 1521, 1522; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat und berufsrechtliches Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, 2009, Rn. 279 ff.)
  169. nicht durch den schlichten Hinweis darauf auflösen, dass der Mandant mit der
  170. Mandatserteilung selbst bestimmen könne, in welche Richtung und in welchem
  171. Umfang der Anwalt seine Interessen wahrnehmen möge. Zwar werden die
  172. Mandatspflichten eines Anwalts wesentlich durch den ihm erteilten Auftrag bestimmt. Der Anwalt ist an die Weisungen seines Auftraggebers gebunden
  173. (§§ 665, 675 Abs. 1; vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2007 - IX ZR 44/04,
  174. BGHZ 174, 205 Rn. 8), wobei es dem Mandanten, der das Misserfolgs- und
  175. Kostenrisiko trägt, durchaus freisteht, Weisungen zu erteilen, welche seinen
  176. wohlverstandenen Interessen aus der Sicht eines objektiven Betrachters widersprechen (BGH, Urteil vom 20. März 1984 - VI ZR 154/82, NJW 1985, 42, 43;
  177. vom 13. März 1997 - IX ZR 81/96, NJW 1997, 2168, 2169 f.; vgl. Vill in Zugehör
  178. u.a., Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 841). Nicht selten sind Umfang
  179. und Ausgestaltung des Auftrags jedoch erst das Ergebnis der Erstberatung,
  180. welche dem Mandanten aufzeigen soll, welche Rechte er hat und wie er sie
  181. -8-
  182. durchsetzen kann. Außerdem muss ein Anwalt den Mandanten auch im Rahmen eines eingeschränkten Mandats vor Gefahren warnen, die sich bei ordnungsgemäßer Bearbeitung des Auftrags aufdrängen, wenn er Grund zu der
  183. Annahme hat, dass sein Auftraggeber sich dieser Gefahren nicht bewusst ist
  184. (BGH, Urteil vom 29. April 1993 - IX ZR 101/92, NJW 1993, 2045; vom 9. Juli
  185. 1998 - IX ZR 324/97, WM 1998, 2246, 2247; vom 29. November 2001 - IX ZR
  186. 278/00, WM 2002, 505, 506; vgl. Vill in Zugehör u.a., Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 552 ff.).
  187. 13
  188. Ein Anwalt, der ein volljähriges Kind bei der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen berät, muss darauf hinweisen, dass sich der Anspruch gegen
  189. beide Elternteile richtet. Vertritt der Anwalt bereits einen Elternteil im Rahmen
  190. einer unterhalts- oder ehegüterrechtlichen Auseinandersetzung, ist schon dieser Hinweis geeignet, dessen Interessen zu beeinträchtigen. Wenn und soweit
  191. sich die Höhe des Unterhaltsanspruchs des volljährigen Kindes nach den zusammengerechneten Einkommen beider Eltern richtet, kann das Interesse des
  192. Kindes überdies darauf gerichtet sein, ein möglichst hohes Einkommen auch
  193. desjenigen Elternteils nachzuweisen, dessen Vertretung der Anwalt bereits
  194. übernommen hatte und dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse dieser daher kennt. Auch dies schließt eine gemeinsame Vertretung eines Elternteils und des volljährigen Kindes im Rahmen des Kindesunterhalts grundsätzlich aus.
  195. 14
  196. c) Ob widerstreitende Interessen bestehen und vertreten werden, kann
  197. indessen nicht ohne Blick auf die konkreten Umstände des Falles beurteilt werden. Maßgeblich ist, ob der in den anzuwendenden Rechtsvorschriften typisierte Interessenkonflikt im konkreten Fall tatsächlich auftritt (RGSt 71, 231, 236 [zu
  198. § 356 StGB]; BAG, NJW 2005, 921 f.; KG, NJW 2008, 1458, 1459; aA Hartung
  199. -9-
  200. in Hartung/Römermann, Berufs- und Fachanwaltsordnung, 4. Aufl., § 3 BerO
  201. Rn. 59). Was den Interessen des Mandanten und damit zugleich der Rechtspflege dient, kann nicht ohne Rücksicht auf die konkrete Einschätzung der hiervon betroffenen Mandanten abstrakt und verbindlich von Rechtsanwaltskammern oder Gerichten festgelegt werden (BVerfGE 108, 150, 162; vgl. auch
  202. BVerfG, NJW 2006, 2469, 2470). Die Vorschrift des § 43a Abs. 4 BRAO
  203. schränkt (ebenso wie diejenige des § 356 StGB) das Grundrecht der freien Berufsausübung der Rechtsanwälte nach Art. 12 Abs. 1 GG ein. Ihre Auslegung
  204. hat sich daran zu orientieren, dass jeder Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit
  205. durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sein muss und
  206. nicht weiter gehen darf, als die rechtfertigenden Gemeinwohlbelange es erfordern. Eingriffszweck und Eingriffsintensität müssen zudem in einem angemessenen Verhältnis stehen; denn die Gerichte sind, wenn sie Einschränkungen
  207. der grundsätzlich freien Berufsausübung für geboten erachten, an dieselben
  208. Maßstäbe gebunden, die nach Art. 12 Abs. 1 GG den Gestaltungsspielraum
  209. des Gesetzgebers einschränken (BVerfGE 54, 224, 235; 97, 12, 27; 108, 150,
  210. 160; BVerfG, NJW 2006, 2469). Im Interesse der Rechtspflege sowie eindeutiger und gradliniger Rechtsbesorgung verlangt § 43a Abs. 4 BRAO lediglich,
  211. dass im konkreten Fall die Vertretung widerstreitender Interessen vermieden
  212. wird (BVerfGE 108, 150, 164). Das Anknüpfen an einen möglichen, tatsächlich
  213. aber nicht bestehenden (latenten) Interessenkonflikt verstößt gegen das Übermaßverbot und ist verfassungsrechtlich unzulässig (BAG, NJW 2005, 921, 922;
  214. Henssler in Henssler/Prütting, BRAO, 3. Aufl., § 43a Rn. 171, 174).
  215. 15
  216. Danach hat die Klägerin keine widerstreitenden Interessen vertreten. Sie
  217. ist von M.
  218. C.
  219. die Mutter B.
  220. war Dr. A.
  221. beauftragt worden, Unterhaltsansprüche (nur) gegen
  222. C.
  223. C.
  224. geltend zu machen. Bei der Erteilung des Auftrags
  225. zugegen. Er hat den Gebührenvorschuss an die Klä-
  226. - 10 -
  227. gerin gezahlt. Die Frage des Unterhaltsanspruchs gegen beide Elternteile stellte
  228. sich nicht. Dr. A.
  229. C.
  230. kam bis dahin allein für den Unterhalt seines
  231. Sohnes auf und war bereit, dies unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits
  232. weiterhin zu tun. Fragen der Schweigepflicht waren ebenfalls nicht berührt,
  233. nachdem Dr. A.
  234. C.
  235. der Klägerin alle für die Berechnung des Kin-
  236. desunterhalts erforderlichen Unterlagen zur Verfügung gestellt hatte. Zudem
  237. wusste M.
  238. C.
  239. , dass die Klägerin seinen Vater im Scheidungs- und
  240. im Zugewinnausgleichsverfahren vertrat. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände fehlt es bei der gebotenen konkret objektiven Betrachtung an einem Interessengegensatz.
  241. III.
  242. 16
  243. Die Vertretung des Dr. A.
  244. C.
  245. im später angestrengten Ver-
  246. fahren auf Trennungsunterhalt kann nicht nachträglich zur Begründung des belehrenden Hinweises vom 18. März 2010 herangezogen werden.
  247. 17
  248. 1. Ein fehlerhafter Bescheid kann zwar mit anderer Begründung aufrechterhalten werden, wenn sich ergibt, dass dies mit einer fehlerfreien Begründung möglich ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Grundsätzlich sind hierzu alle
  249. tatsächlichen Umstände heranzuziehen, die bei seinem Erlass vorlagen
  250. (Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl., § 108 Rn. 30). Die Klägerin hatte bereits am 9. Februar 2010, also vor Erlass des belehrenden Hinweises vom 18.
  251. März 2010, namens des Dr. A.
  252. C.
  253. den Anspruch auf Trennungsunterhalt
  254. zurückgewiesen. Der Bescheid darf durch die Berücksichtigung der geänderten
  255. Begründung jedoch nicht in seinem Wesen verändert (BVerwGE 19, 252, 257;
  256. 64, 356, 357 f.; 71, 363, 368; 95, 176, 183 f.) und die Rechtsverteidigung des
  257. Klägers darf hierdurch nicht unzumutbar beeinträchtigt werden (BVerwG, NVwZ
  258. - 11 -
  259. 1999, 303 Rn. 16). Unzulässig ist ein Nachschieben von Gründen insbesondere
  260. dann, wenn der Verwaltungsakt an einen anderen Sachverhalt anknüpft
  261. (Knopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 113 Rn. 66).
  262. 18
  263. 2. Die Vertretung des Dr. A.
  264. C.
  265. bei der Abwehr des An-
  266. spruchs auf Trennungsunterhalt wäre daraufhin zu überprüfen gewesen, ob sie
  267. mit der Vertretung des M.
  268. C.
  269. bei der Geltendmachung des An-
  270. spruchs auf Volljährigenunterhalt gegen B.
  271. C.
  272. vereinbar war. Das ist
  273. ein anderer Sachverhalt als derjenige, welcher dem belehrenden Hinweis vom
  274. 18. März 2010 zugrunde lag. Geschütztes Rechtsgut wäre neben der Rechtspflege allgemein das von M.
  275. C.
  276. erteilte Mandat gewesen, während
  277. es im belehrenden Hinweis um das Mandat des Dr. A.
  278. C.
  279. ging.
  280. - 12 -
  281. IV.
  282. 19
  283. Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154
  284. Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 BRAO, § 52 Abs. 2
  285. GKG.
  286. Tolksdorf
  287. Lohmann
  288. Wüllrich
  289. Fetzer
  290. Stüer
  291. Vorinstanz:
  292. AGH Hamm, Entscheidung vom 06.05.2011 - 2 AGH 47/10 -