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  1. Nachschlagewerk: ja
  2. BGHSt
  3. : ja
  4. Veröffentlichung : ja
  5. StGB §§ 34, 35, 59
  6. BtMG 1981 § 30 Abs. 1 Nr. 3
  7. 1. Die Einfuhr und die Überlassung eines Betäubungsmittels sind nicht dadurch gerechtfertigt oder entschuldigt, daß der Täter einem unheilbar
  8. schwerstkranken Betäubungsmittelempfänger, dem er nicht persönlich
  9. nahesteht, zu einem freien Suizid verhelfen will.
  10. 2. Das Überlassen eines Betäubungsmittels zum freien Suizid an einen
  11. unheilbar Schwerstkranken, der kein Betäubungsmittelkonsument ist,
  12. erfüllt nicht den Tatbestand der Betäubungsmittelüberlassung mit leichtfertiger Todesverursachung gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG.
  13. 3. Im besonderen Einzelfall kann sich das Ermessen des Tatrichters derart
  14. verengen, daß allein eine Verwarnung mit Strafvorbehalt in Betracht
  15. kommt, so daß das Revisionsgericht auf diese Sanktion erkennen kann.
  16. Eine rechtskräftig verhängte Geldstrafe kann gemäß § 55 StGB in eine
  17. Verwarnung mit Strafvorbehalt einbezogen werden.
  18. BGH, Urt. v. 7. Februar 2001
  19. - 5 StR 474/00
  20. LG Berlin -
  21. BUNDESGERICHTSHOF
  22. IM NAMEN DES VOLKES
  23. 5 StR 474/00
  24. URTEIL
  25. vom 7. Februar 2001
  26. in der Strafsache
  27. gegen
  28. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln u. a.
  29. -2-
  30. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 6. und 7. Februar 2001, an der teilgenommen haben:
  31. Vorsitzende Richterin Harms,
  32. Richter Häger,
  33. Richter Basdorf,
  34. Richter Dr. Raum,
  35. Richter Dr. Brause
  36. als beisitzende Richter,
  37. Richterin am Landgericht
  38. als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
  39. Rechtsanwalt
  40. als Verteidiger,
  41. Justizangestellte
  42. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  43. -3-
  44. am 7. Februar 2001 für Recht erkannt:
  45. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 21. Dezember 1999 im Rechtsfolgenausspruch dahin geändert, daß
  46. der Angeklagte unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus
  47. dem Strafbefehl des Amtsgerichts Nürnberg vom 15. Oktober 1998, dessen Gesamtstrafenausspruch entfällt, und unter Einbeziehung der Verwarnung mit Strafvorbehalt aus dem
  48. Urteil des Amtsgerichts Freudenstadt vom 27. Oktober 1998
  49. verwarnt wird und die Verurteilung zu einer Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 120,- DM vorbehalten bleibt.
  50. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
  51. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Jedoch wird die Gebühr um die Hälfte ermäßigt. Die
  52. Staatskasse trägt die dem Angeklagten durch sein Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen und die hierdurch
  53. entstandenen gerichtlichen Auslagen je zur Hälfte.
  54. Die Staatskasse hat die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten dadurch entstandenen
  55. notwendigen Auslagen zu tragen.
  56. – Von Rechts wegen –
  57. -4-
  58. Gründe
  59. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von
  60. Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Überlassen von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch unter Einbeziehung der Sanktionen aus zwei früheren Verurteilungen, nämlich zweier Einzelgeldstrafen und
  61. einer Verwarnung mit Strafvorbehalt, zu einer Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 120,- DM verurteilt. Die früheren Verurteilungen betrafen
  62. Taten, die der vorliegenden Tat ähnlich waren. Jeweils allein auf die Sachrüge gestützt, begehrt der Angeklagte mit seiner Revision einen Freispruch,
  63. während die Staatsanwaltschaft mit ihrem vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel einen Schuldspruch auch wegen Überlassens von Betäubungsmitteln mit leichtfertiger Todesverursachung nach § 30 Abs. 1
  64. Nr. 3 BtMG erstrebt. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
  65. Sie führt zugunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) wie dessen eigene Revision zu einer Änderung des Rechtsfolgenausspruchs, nämlich zum Ausspruch einer Verwarnung mit Strafvorbehalt. Im übrigen bleibt auch die Revision des Angeklagten ohne Erfolg.
  66. Der jetzt 83jährige Angeklagte, Schweizer Staatsbürger, ist Theologe
  67. und Psychologe. Er war bis zum Jahre 1986 als evangelischer Gemeindepfarrer sowie zwischenzeitlich zwölf Jahre lang als Leiter einer „Entgiftungsstelle“ in Basel tätig. Seit langem beschäftigt sich der Angeklagte aktiv mit
  68. dem Problembereich „Sterbehilfe und Sterbebegleitung“. Auslösend hierfür
  69. war der Krebstod seines besten Freundes, dessen unmittelbar miterlebter,
  70. über mehrere Monate andauernder qualvoller Sterbeprozeß den Angeklagten
  71. zu der Überzeugung führte, daß man – nach seinen eigenen Worten – „solchen Menschen einfach helfen muß, wenn sie sterben wollen“. Von diesem
  72. Wunsch geleitet, gründete der Angeklagte im Jahr 1982 die Vereinigung
  73. „E
  74. “ als deren Generalsekretär er
  75. seitdem ehrenamtlich fungiert. In den Statuten dieser Vereinigung heißt es
  76. u. a.: „1. Die Vereinigung setzt sich in Wort und Schrift für das Selbstbestim-
  77. -5-
  78. mungsrecht aller Menschen über ihre Gesundheit und ihr Leben, also für die
  79. ‚Therapie-Hoheit des Patienten
  80. 
  81. h. für die staatliche Anerkennung der
  82. Freiheit selbstbestimmten menschenwürdigen Sterbens. 2. Darüber hinaus
  83. besteht der Vereinszweck darin, seinen Mitgliedern, die unter hoffnungsloser
  84. Krankheit oder unzumutbarer Behinderung leiden, im selbstbestimmten Sterben beizustehen. 3. Unter der Voraussetzung, daß sich alle Möglichkeiten
  85. erschöpft haben, welche aus Sicht des Betroffenen ein lebenswertes Leben
  86. erlauben würden, leisten Beauftragte der Vereinigung Freitodbegleitung, wobei ein ärztliches Zeugnis die hoffnungslose Krankheit oder die unzumutbare
  87. Behinderung bezeugen muß und Angehörige resp. Bezugspersonen dem
  88. Vorhaben des Betroffenen zustimmen. 4. Um jede Form des Mißbrauchs zu
  89. verhindern,
  90. gibt
  91. die
  92. Vereinigung
  93. keinerlei
  94. Freitod-Anleitungen
  95. oder
  96. -Medikamente ohne Assistenz ab.“ Über die Funktion des Generalsekretärs
  97. der Vereinigung hinaus übernahm der Angeklagte auch die Aufgaben eines
  98. „Freitodbegleiters“. Nach eigenen Angaben ist er inzwischen in über
  99. 300 Fällen entsprechend tätig geworden. Für sein Tätigwerden verlangt er
  100. kein Entgelt, sondern lediglich die Vorauserstattung seiner Reisekosten. Bei
  101. seiner Tätigkeit als „Freitodbegleiter“ verwendete der Angeklagte regelmäßig
  102. (Natrium-)Pentobarbital. Dieses Mittel ist seit dem Jahr 1981 – mit im Detail
  103. unterschiedlichen Einzelregelungen – verkehrsfähiges und verschreibungsfähiges Betäubungsmittel nach Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG. Es handelt
  104. sich um ein hochwirksames und sehr schnell anflutendes Barbiturat, das
  105. normalerweise bei einer Dosierung von bis zu 100 mg als Schlafmittel, im
  106. übrigen zur Behandlung von Angst- oder Erregungszuständen zum Einsatz
  107. kommt. In hoher Dosierung führt dieses Mittel jedoch zu einem sicheren, vom
  108. Einnehmenden allerdings schon nicht mehr wahrgenommen Tod. Namentlich
  109. tritt im Falle einer Überdosierung zunächst – vergleichbar einer Narkose –
  110. eine Ausschaltung des Bewußtseins und erst danach eine tödliche Atemlähmung ein, wobei im Regelfall 3 g des Mittels die für einen Erwachsenen tödliche Dosis darstellen. Die minimale letale Dosis beträgt etwa 1 g. Danach
  111. stuft der Angeklagte das Mittel als „geradezu ideal geeignet“ zur Herbeiführung eines „sanften“ Todes ein, insbesondere im Vergleich zum Zyankali,
  112. -6-
  113. welches beim Einnehmenden zwar ebenfalls schnell zum Tode führt, aber
  114. zuvor noch bei Bewußtsein des Sterbenden schwere krampfartige Schmerzen auslöst.
  115. Die verstorbene Frau Dr. T
  116. , die lange Zeit als Ärztin tätig ge-
  117. wesen war, litt an Multipler Sklerose. Nach progredientem Verlauf der Krankheit von 1982 bis 1998 war Frau Dr. T
  118. schließlich weitestgehend
  119. bewegungsunfähig. Sie verbrachte die Tage in ihrem Haus in Berlin größtenteils in Rückenlage. Sie war wegen einer Sehschwäche auf eine Leselupe
  120. angewiesen, die sie infolge ihrer nachlassenden Kräfte nur über einen sehr
  121. kurzen Zeitraum halten konnte, so daß ihr die Lektüre längerer Texte nicht
  122. mehr möglich war. Ein im Jahr 1997 unternommener Selbsttötungsversuch
  123. scheiterte am Einschreiten ihres Ehemannes. In monatelangen Diskussionen
  124. überzeugte Frau Dr. T
  125. ihren Ehemann, daß er sie „gehen lassen“
  126. müsse. Sie wandte sich an die Vereinigung „E
  127. “ mit dem
  128. Wunsch nach einer „Sterbebegleitung“ und übersandte dem Angeklagten ein
  129. ärztliches Gutachten, in dem der Verlauf ihrer Krankheit beschrieben und
  130. deren Unheilbarkeit bestätigt war. Bei einem Besuch verschaffte sich der Angeklagte im persönlichen Gespräch mit der Verstorbenen und ihrem Ehemann die Überzeugung, daß diese im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte war
  131. und ihr Todeswunsch ernsthaft und nicht Folge eines auch nur entfernt erkennbaren äußeren Drängens war. Nach alledem faßte der Angeklagte den
  132. Entschluß, die gewünschte „Sterbebegleitung“ zu gewähren, nämlich in der
  133. Schweiz 10 g Natrium-Pentobarbital zu beschaffen, diese in die Bundesrepublik Deutschland einzuführen und hier der Verstorbenen zur entsprechenden Verfügung zu stellen. Dabei ging er davon aus, daß aufgrund der hohen
  134. Dosis und der schnellen Anflutung des Mittels schon ab dem Eintritt einer
  135. Bewußtlosigkeit für die Verstorbene keine Rettungsmöglichkeit mehr bestehen werde. Er nahm an, daß sein Verhalten nach deutschem Recht nicht
  136. strafbar sei. Dabei ging er von der Straflosigkeit der Teilnahme an einer
  137. Selbsttötung aus. Er wußte nicht, daß Pentobarbital dem deutschen Betäubungsmittelrecht unterliegt. Entsprechende Erkundigungen unternahm er
  138. -7-
  139. nicht. In die Schweiz zurückgekehrt, übergab der Angeklagte einem „Vertrauensarzt“ der „E
  140. “ das von der Verstorbenen überlassene
  141. Gutachten zur Prüfung, ob eine im Sinn der Statuten der Vereinigung hoffnungslose Krankheit vorliege. Darauf stellte dieser das erforderliche Rezept
  142. aus, mit dem der Angeklagte in einer Schweizer Apotheke 10 g NatriumPentobarbital in Pulverform erwarb. Am 20. April 1998 reiste der Angeklagte
  143. mit dem genannten Betäubungsmittel aus der Schweiz in die Bundesrepublik
  144. Deutschland ein. Im Haus der Familie T
  145. versicherte der Angeklagte
  146. sich im Beisein ihres Ehemannes davon, daß Frau Dr. T
  147. in vollem
  148. Besitz ihrer geistigen Kräfte war und ihr Todeswunsch nach wie vor bestand.
  149. Sie füllte eine formularmäßig vorbereitete „Freitoderklärung“ aus. In Abwesenheit des Ehemannes löste der Angeklagte die 10 g Natrium-Pentobarbital
  150. in einem Glas Wasser auf und reichte dies der Frau Dr. T
  151. zur sofort
  152. erfolgten Einnahme. Infolge der schnell eintretenden Wirkung des Mittels
  153. wurde Frau Dr. T
  154. nach drei Minuten bewußtlos. Bereits zu diesem
  155. Zeitpunkt wären alsdann eingeleitete Rettungsversuche, namentlich ein Auspumpen des Magens, erfolglos verlaufen, da wegen der schnellen Anflutung
  156. bereits ein tödliche Konzentration des Mittels im Blut der Verstorbenen erreicht war, wovon auch der Angeklagte ausging. Der Tod trat binnen der
  157. nächsten halben Stunde ein.
  158. I.
  159. Die sachlichrechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils deckt
  160. betreffend den Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
  161. 1. Der Angeklagte hat Betäubungsmittel (gemäß Anlage III zu § 1
  162. Abs. 1 BtMG) nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG eingeführt und nach
  163. Nr. 6 lit. b aaO zum unmittelbaren Verbrauch überlassen. Ein Fall der ärztlichen Verabreichung oder Überlassung nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BtMG liegt
  164. nicht vor.
  165. -8-
  166. 2. Demgegenüber ergibt sich – entgegen der Ansicht der Revision des
  167. Angeklagten – weder aus dem Prinzip der Menschenwürde (Art. 1
  168. Abs. 1 GG) noch aus dem Gesichtspunkt der Straflosigkeit der Hilfe zur
  169. Selbsttötung oder aus der jüngsten Rechtsentwicklung des Problemkreises
  170. „Sterbehilfe und Sterbebegleitung“ eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des Betäubungsmittelgesetzes; auch eine Rechtfertigung oder Entschuldigung allgemeiner Art kann so hier nicht begründet werden.
  171. a) Allerdings ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der einhelligen Lehre die – theoretisch gegebene – Teilnahme
  172. an der Selbsttötung eines vollverantwortlich Handelnden mangels einer
  173. Haupttat straflos (Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. vor § 211 Rdn. 10 m.N. der
  174. Rspr. und des Schrifttums). Ein solcher Fall liegt hier vor. Frau Dr. T
  175. nahm sich, wie die vom Landgericht umfassend festgestellten Einzelheiten
  176. ergeben, in voller Selbstverantwortlichkeit das Leben. Der Angeklagte half ihr
  177. hierbei. Die Straflosigkeit seines Verhaltens unter dem vorstehend genannten Aspekt beschränkt sich jedoch auf eben diesen und erstreckt sich nicht
  178. etwa auf das vom Angeklagten begangene Betäubungsmitteldelikt, mit dem
  179. andere Rechtsgüter gefährdet wurden. Der Verordnungsgeber hat mit der
  180. Entscheidung, Pentobarbital in die Liste der Betäubungsmittel gemäß § 1
  181. Abs. 1 BtMG aufzunehmen, dem Gesichtspunkt Rechnung getragen, daß ein
  182. Umgang mit diesem Betäubungsmittel für die Volksgesundheit grundsätzlich
  183. gefährlich ist.
  184. b) Zudem ist in der rechtswissenschaftlichen und rechtspolitischen
  185. Diskussion des Problemkreises „Sterbehilfe und Sterbebegleitung“ in jüngster Zeit eine Entwicklung in zweierlei Richtungen zu verzeichnen. Zum einen
  186. wird dem Gesichtspunkt der Patientenautonomie ständig zunehmende Bedeutung beigemessen (vgl. Taupitz, Gutachten für den 63. Deutschen Juristentag 2000; Otto, Gutachten für den 56. Deutschen Juristentag 1986; jeweils m.N., und die Sitzungsberichte der jeweiligen Tagungen des Deutschen
  187. -9-
  188. Juristentages). Zum anderen ist die sog. „indirekte Sterbehilfe“ nach der
  189. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 42, 301, 305; vgl. auch
  190. BGHSt 37, 376; 40, 257) und einem nahezu einhelligen Grundkonsens im
  191. Schrifttum zulässig (Kutzer NStZ 1994, 110, 114 f. m.N.). Dabei wird unter
  192. indirekter Sterbehilfe verstanden, daß die ärztlich gebotene schmerzlindernde Medikation beim tödlich Kranken nicht dadurch unzulässig wird, daß sie
  193. als unbeabsichtigte, aber unvermeidbare Nebenfolge den Todeseintritt beschleunigen kann. Soweit eine solche Medikation den Tatbestand eines Tötungsdeliktes durch bedingt vorsätzliche Verursachung eines früheren Todes
  194. verwirklicht, ist das Handeln des Arztes nach § 34 StGB gerechtfertigt, sofern
  195. es nicht – ausnahmsweise – dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des
  196. Patienten widerspricht (Kutzer aaO; vgl. auch die demnächst veröffentlichte
  197. Podiumsdiskussion „Sterbehilfe – Sterbebegleitung“ anläßlich der 50. Wiederkehr der Errichtung des Bundesgerichtshofs am 4. Mai 2000).
  198. c) Weder aus diesen Rechtsgesichtspunkten noch aus sonstigen allgemeinen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründen kann die Straflosigkeit des Umgangs des Angeklagten mit dem Betäubungsmittel hergeleitet
  199. werden. Der Angeklagte handelte weder als Arzt noch als Angehöriger der
  200. Verstorbenen oder als sonst persönlich Betroffener, auf dessen Gewissensentscheidung es ankommen könnte. Er agierte vielmehr als persönlich Unbeteiligter im Rahmen einer moralpolitisch getragenen Bewegung, deren
  201. Ziele anerkennenswert sein mögen. Sein Handeln war nicht primär vom
  202. Zweck der Schmerzlinderung (unter Inkaufnahme eines früheren Todeseintritts) getragen. Vielmehr zielte seine Aktivität direkt auf den Tod.
  203. Zur Beantwortung der Frage, ob solches Verhalten unter den Gesichtspunkten des § 34 StGB gerechtfertigt oder unter den Aspekten des
  204. § 35 StGB entschuldigt sein kann, ist von den Grundentscheidungen der
  205. Rechtsordnung auszugehen. Das Leben eines Menschen steht in der Werteordnung des Grundgesetzes – ohne eine zulässige Relativierung – an oberster Stelle der zu schützenden Rechtsgüter. Die Rechtsordnung wertet eine
  206. - 10 -
  207. Selbsttötung deshalb – von äußersten Ausnahmefällen abgesehen – als
  208. rechtswidrig (BGHSt 6, 147, 153), stellt die Selbsttötung und die Teilnahme
  209. hieran lediglich straflos.
  210. Dieser grundsätzliche Vorrang des Lebensschutzes ist zu beachten,
  211. wenn wie hier in eine Abwägung ein auch in Art. 1 Abs. 1 GG angelegtes
  212. Recht des Einzelnen auf ein Sterben unter „menschenwürdigen“ Bedingungen einzustellen ist. Dabei muß auch die Grundentscheidung berücksichtigt
  213. werden, die aus der Vorschrift des § 216 StGB spricht, wonach die Tötung
  214. auf Verlangen des Getöteten lediglich eine Strafmilderung gegenüber dem
  215. Totschlag auslöst. Dies zeigt an, daß die Rechtsordnung die Mitwirkung eines anderen am Freitod eines Menschen grundsätzlich mißbilligt.
  216. Es kann dahingestellt bleiben, ob Besonderheiten namentlich etwa für
  217. das Handeln naher Angehöriger eines Sterbewilligen gelten können. Für Außenstehende wie hier den Angeklagten, der im Rahmen einer Organisation
  218. ohne persönliches Näheverhältnis handelte, kann eine Abwägung der genannten Art grundsätzlich nicht zur Straflosigkeit des Umgangs mit Betäubungsmitteln führen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem moralpolitischen Engagement des Angeklagten.
  219. 3. Das Landgericht hat angenommen, daß dem Angeklagten die Verbotenheit seines Tuns unter dem Gesichtspunkt des deutschen Betäubungsmittelrechts nicht bekannt war, daß der Angeklagte diesen Verbotsirrtum jedoch hätte vermeiden können; es hat demzufolge die Vorschrift des
  220. § 17 Satz 1 StGB für nicht anwendbar erachtet. Auch dies birgt keinen
  221. Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
  222. a) Das Pentobarbital ist seit dem Jahr 1981 in der Bundesrepublik
  223. Deutschland als Betäubungsmittel in Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG erfaßt.
  224. Die Einzelheiten unterlagen mehreren Änderungen: Mit dem Gesetz zur
  225. Neuordnung des Betäubungsmittelrechts vom 28. Juli 1981 (BGBl I 681, 700)
  226. - 11 -
  227. wurde das Pentobarbital in die Anlage III B aufgenommen. Ausgenommen
  228. blieben Zubereitungen, die ohne ein anderes Betäubungsmittel (außer
  229. Codein) „je abgeteilte Form bis 110 mg Pentobarbital enthalten“; damit waren
  230. namentlich Tabletten mit geringer Dosierung gemeint; von dieser Ausnahme
  231. waren jedoch die betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften über die Einfuhr
  232. (und andere Handlungsformen) wiederum ausgenommen. Durch die Vierte Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung vom 23. Dezember 1992
  233. (BGBl I 2483, 2485) erhielt die Position Pentobarbital in der Anlage III B folgende Fassung: „ausgenommen in Zubereitungen, die ohne“ ein weiteres
  234. Betäubungsmittel „je abgeteilte Form bis zu 100 mg Pentobarbital, berechnet
  235. als Säure, enthalten“; die Ausnahme von der Ausnahme betreffend die Einfuhr
  236. entfiel
  237. also.
  238. Aufgrund
  239. der
  240. Zehnten
  241. Betäubungsmittelrechts-
  242. Änderungsverordnung vom 20. Januar 1998 (BGBl I 74, 79), in Kraft seit dem
  243. 1. Februar 1998, ist das Pentobarbital ohne jede Einschränkung in der nunmehr nicht mehr untergliederten Anlage III enthalten. Damit ist insbesondere
  244. die Ausnahme für Zubereitungen mit bis zu 100 mg Pentobarbital je abgeteilter Form entfallen.
  245. b) Auch in der Schweiz unterfällt das Pentobarbital dem Betäubungsmittelrecht. Das Mittel ist im „Verzeichnis aller Betäubungsmittel“ (Anhang a
  246. zu Art. 1 Abs. 1 bis 3 Betäubungsmittelgesetz), allerdings auch im „Verzeichnis der von der Kontrolle teilweise ausgenommenen Betäubungsmittel“ (Anhang b aaO) enthalten (Verordnung des Bundesamtes für Gesundheit über
  247. die Betäubungsmittel und psychotropen Stoffe vom 12. Dezember 1996).
  248. c) Die Einfuhr und die Überlassung zum unmittelbaren Verbrauch von
  249. Pentobarbital in der hier vorliegenden Dosis von 10 g sind mithin seit dem
  250. Jahr 1981 in der Bundesrepublik Deutschland strafbar. Die oben genannten
  251. differenzierten Regelungen betreffend abgeteilte Formen mit geringer Dosierung des Mittels kannte der Angeklagte nicht. Jedes Argument seiner Revision aus dieser Rechtsentwicklung muß daher im Rahmen der Prüfung der
  252. Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums versagen. Das verwendete Mittel unter-
  253. - 12 -
  254. fällt auch dem Betäubungsmittelrecht der Schweiz. Es kommt folgendes hinzu: Wie der Angeklagte wußte, kam es aufgrund der etwas „liberaleren“ Regelung des Umgangs mit Pentobarbital in der Schweiz, scil. wegen „strengerer“ Rechtslage außerhalb der Schweiz, zu einem „Sterbetourismus“ von
  255. Ausländern in die Schweiz. In Deutschland wurde der Angeklagte in etwa
  256. 50 Fällen in gleicher Weise „geradezu routiniert“ tätig (UA S. 9 f., 22). Er ging
  257. dabei mit einem in der jeweiligen Dosierung tödlichen Stoff um. Nach alledem hat das Landgericht rechtsfehlerfrei eine Rechtserkundigungspflicht des
  258. Angeklagten angenommen und den Verbotsirrtum des Angeklagten als vermeidbar erachtet.
  259. II.
  260. Das angefochtene Urteil ist nicht mit einem sachlichrechtlichen Fehler
  261. zugunsten des Angeklagten behaftet.
  262. 1. Insbesondere bleibt die einzige ausdrückliche Beanstandung der
  263. Staatsanwaltschaft, der Angeklagte sei zu Unrecht nicht auch wegen Überlassung von Betäubungsmitteln mit leichtfertiger Todesverursachung nach
  264. § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG verurteilt worden, ohne Erfolg. Das Landgericht hat
  265. aus dem „Prinzip der Eigenverantwortlichkeit“ eine „teleologische Reduktion
  266. des Tatbestandes“ hergeleitet und deshalb die genannte Vorschrift für nicht
  267. anwendbar erachtet. Diese Beurteilung ist zutreffend.
  268. a) Allerdings hat der Angeklagte der Frau Dr. T
  269. das Betäu-
  270. bungsmittel zum unmittelbaren Verbrauch überlassen und dadurch eine Ursache für deren Tod gesetzt. Der Kausalzusammenhang wurde nicht dadurch unterbrochen, daß die Empfängerin des Betäubungsmittels sich dieses
  271. Mittel selbst verabreichte (BGH NStZ 1983, 72; BGH, Urteil vom 3. Juni 1980
  272. – 1 StR 20/80 –, bei Holtz MDR 1980, 985). Ihr Tod war auch vom Vorsatz
  273. des Angeklagten umfaßt. Jedenfalls in anderen Regelungszusammenhängen
  274. findet der Gedanke Verwendung, daß Vorsatz die Fahrlässigkeit und die
  275. - 13 -
  276. Leichtfertigkeit als mindere Verschuldensformen einschließt (vgl. BGHSt 39,
  277. 100; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 18 Rdn. 5).
  278. b) Indes gelten für den hier vorliegenden Fall des Freitodes des Betäubungsmittelempfängers besondere Regeln.
  279. aa) Es greift der Grundsatz der Selbstverantwortung des sich selbst
  280. eigenverantwortlich gefährdenden Tatopfers ein. Danach ist von folgendem
  281. auszugehen:
  282. (1) Die eigenverantwortlich gewollte und verwirklichte Selbstgefährdung unterfällt grundsätzlich nicht den Tatbeständen eines Körperverletzungs- oder Tötungsdelikts, wenn das mit der Gefährdung vom Opfer bewußt
  283. eingegangene Risiko sich realisiert. Wer lediglich eine solche Gefährdung
  284. veranlaßt, ermöglicht oder fördert, macht sich danach nicht wegen eines
  285. Körperverletzungs- oder Tötungsdelikts strafbar (st. Rspr. des Bundesgerichtshofs seit BGHSt 32, 262; siehe auch BGHSt 37, 179; 39, 322, 324;
  286. BGH NStZ 1985, 319 – insowiet in BGHSt 33, 66 nicht abgedruckt – m. Anm.
  287. Roxin; BGH NStZ; 1987, 406; 1992, 489; BGH NJW 2000, 2286). Dabei hat
  288. der Bundesgerichtshof darauf abgestellt, daß derjenige, der sich an einem
  289. Akt der eigenverantwortlich gewollten und bewirkten Selbstgefährdung beteiligt, an einem Geschehen teilnimmt, welches – soweit es um die Strafbarkeit
  290. wegen Tötung oder Körperverletzung geht – kein tatbestandsmäßiger und
  291. damit kein strafbarer Vorgang ist (BGHSt 32, 262, 265). Das Gesetz bedroht
  292. nur die Tötung oder Verletzung eines anderen mit Strafe. Die Strafbarkeit
  293. des sich Beteiligenden wegen Körperverletzung oder Tötung beginnt erst
  294. dort, wo dieser kraft überlegenen Sachwissens das Risiko besser erfaßt als
  295. der sich selbst Gefährdende.
  296. (2) Allerdings kann dieser Grundsatz nicht ohne weiteres auf das Betäubungsmittelrecht übertragen werden (BGHSt 37, 179). Das durch die betäubungsmittelrechtlichen Strafvorschriften geschützte Rechtsgut ist nicht nur
  297. - 14 -
  298. die Gesundheit des Einzelnen, sondern auch die Volksgesundheit. Dieses
  299. universale Rechtsgut steht dem Einzelnen nicht zur Disposition (Franke/Wienroeder, BtMG 2. Aufl. § 30 Rdn. 35; Weber, BtMG § 30 Rdn. 125 f.).
  300. bb) Das Merkmal der Leichtfertigkeit im Sinne des § 30 Abs. 1
  301. Nr. 3 BtMG wird durch den Bundesgerichtshof dahin interpretiert, daß leichtfertig handelt, wer die Möglichkeit eines tödlichen Verlaufs des Geschehens
  302. „aus besonderem Leichtsinn oder aus besonderer Gleichgültigkeit“ außer
  303. acht läßt (BGHSt 33, 66, 67). Solches ist bei der hiesigen besonderen Fallgestaltung, in der die Empfängerin des Betäubungsmittels in jeder Hinsicht
  304. selbstverantwortlich handelte, nicht gegeben (vgl. BGH NJW 2000, 2286).
  305. Insoweit erfaßt der Vorwurf der Leichtfertigkeit – ausnahmsweise – nicht „erst
  306. recht“ auch vorsätzliches Handeln.
  307. cc) Auch die Entstehungsgeschichte der vorgenannten Vorschrift
  308. spricht für eine restriktive Interpretation der Art, daß das Überlassen eines
  309. Betäubungsmittels zum Zweck des in jeder Hinsicht freien Suizids des Empfängers den Qualifikationstatbestand nicht erfüllt. Hintergrund und auslösender Umstand für die Schaffung der Verbrechensvorschrift war „die rasch ansteigende Zahl von Todesfällen als Folge von Rauschgiftmißbrauch“
  310. (BT-Drucks. 8/3551 S. 37). Damit waren die Todesfälle von Betäubungsmittelabhängigen und gelegentlichen Betäubungsmittelkonsumenten gemeint.
  311. Als besonders strafwürdig wurde die Tatsache gewertet, daß die Todesverursachung auf ein Handeln zurückgeht, das in Kenntnis der großen Gefährlichkeit des Tuns „unter Hintanstellung aller Bedenken“ erfolgt (Endriß/Malek,
  312. Betäubungsmittelstrafrecht 2. Aufl. Rdn. 464; Hügel/Junge, Deutsches Betäubungsmittelrecht 7. Aufl. § 30 Rdn. 4.1). An einen demgegenüber ganz
  313. und gar untypischen Fall wie den vorliegenden hat der Gesetzgeber ebenso
  314. wenig gedacht, wie dies danach die Kommentatoren getan haben.
  315. dd) Zudem spiegelt der Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG von zwei
  316. bis 15 Jahren Freiheitsstrafe – selbst eingedenk des Ausnahmestrafrahmens
  317. - 15 -
  318. von drei Monaten bis fünf Jahren Freiheitsstrafe für minder schwere Fälle
  319. (§ 30 Abs. 2 BtMG) – eine vom Gesetzgeber ins Auge gefaßte Unrechtsdimension, hinter der Fälle der vorliegenden Art von vornherein weit zurückbleiben. Auch dies indiziert eine restriktive Auslegung der Vorschrift im vorstehenden Sinn.
  320. 2. Schließlich birgt das Urteil auch sonst keinen sachlichrechtlichen
  321. Fehler zugunsten des Angeklagten.
  322. Insbesondere folgt im Ergebnis keine strafrechtliche Haftung des Angeklagten aus Tötungsdelikten – begangen durch Unterlassen – daraus, daß
  323. er als Lieferant des tödlichen Betäubungsmittels unter dem Gesichtspunkt
  324. seines vorausgegangenen rechtswidrigen gefährdenden Tuns grundsätzlich
  325. Lebensgarant sein konnte (vgl. Jähnke in LK 11. Aufl. § 222 Rdn. 11 sub
  326. Betäubungsmittel und Rdn. 21 sub Selbstgefährdung m.N.; Hügel/Junge,
  327. aaO § 30 Rdn. 4.4). Eine Verantwortlichkeit des Angeklagten unter diesem
  328. Gesichtspunkt würde jedenfalls voraussetzen, daß in dem Zeitpunkt, als
  329. Frau Dr. T
  330. durch den Eintritt ihrer Bewußtlosigkeit die Kontrolle über
  331. das Geschehen verlor, noch eine Möglichkeit zur Rettung ihres Lebens bestand (vgl. BGH NStZ 1984, 452 m. Anm. Fünfsinn StV 1985, 57; BGH
  332. NStZ 1985, 319, 320; BGH NStZ 1987, 406). Hierzu hat das Landgericht
  333. festgestellt, daß in dem Zeitpunkt, als Frau Dr. T
  334. bewußtlos wurde,
  335. etwaige Rettungsversuche – wegen der bereits eingetretenen gravierenden
  336. Wirkung des Mittels – gescheitert wären. Davon ging nach den Feststellungen auch der Angeklagte aus, so daß selbst ein versuchtes (Unterlassungs-)
  337. Tötungsdelikt ausscheidet. Schließlich kommt danach auch eine unterlassene Hilfeleistung nach § 323c StGB nicht in Betracht (vgl. BGH NStZ 1983,
  338. 117, 118).
  339. - 16 -
  340. III.
  341. Der Strafausspruch hat keinen Bestand. Es ist allein eine Verwarnung
  342. mit Strafvorbehalt nach § 59 StGB auszusprechen.
  343. Allerdings hat die genannte Vorschrift Ausnahmecharakter (Gribbohm
  344. in LK 11. Aufl. § 59 Rdn. 1; Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 59 Rdn. 1; Stree
  345. in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 59 Rdn. 1). Zudem ist durch die Verwendung des Wortes „kann“ auf der Rechtsfolgenseite der Ermessenscharakter der Regelung in besonderer Weise hervorgehoben (vgl. Gribbohm aaO Rdn. 17 f.). Indes kann sich aufgrund der Besonderheiten des
  346. Einzelfalles das Ermessen des Tatgerichts derart verengen, daß allein eine
  347. Verwarnung mit Strafvorbehalt in Betracht kommen kann. In einem solchen
  348. Fall kann auch das Revisionsgericht auf die besondere Sanktion nach § 59
  349. StGB erkennen (OLG Celle StV 1988, 109; Horn in SK – StGB 27. Lfg. § 59
  350. Rdn. 14; ähnlich Lackner/Kühl aaO Rdn. 10; Stree aaO Rdn. 16; a.A. Gribbohm aaO Rdn. 18; zweifelnd Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 59 Rdn. 2).
  351. So liegt es hier. Der Angeklagte ging mit dem Betäubungsmittel in altruistischer Weise unter relativ geringer Gefährdung Unbeteiligter in der Absicht
  352. um, der in schwerster Weise unheilbar kranken Empfängerin zu einem in jeder Hinsicht freien Suizid zu verhelfen, was seinem humanen Engagement
  353. entsprang.
  354. Der Senat verwarnt deshalb wegen der hier abzuurteilenden Tat den
  355. Angeklagten und behält die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 120,- DM (nämlich der vom Landgericht verhängten Einzelgeldstrafe) vor. Ferner erkennt der Senat unter Einbeziehung der im hiesigen
  356. Urteilstenor genannten Sanktionen auf eine Verwarnung als Gesamtsanktion,
  357. wobei die Verurteilung zu einer Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen zu je
  358. 120,- DM (also in gleicher Höhe wie vom Tatrichter unbedingt verhängt) vorbehalten bleibt.
  359. - 17 -
  360. Im Gesetz (namentlich in § 59c StGB) ist die Frage nicht eindeutig geregelt, ob eine bei einer Verwarnung vorbehaltene Geldstrafe mit einer zuvor
  361. unbedingt verhängten Geldstrafe im Wege der Verwarnung als Gesamtsanktion zusammengeführt werden kann (so Horn aaO § 59c Rdn. 4) oder ob solches etwa ausgeschlossen ist (so Gribbohm aaO § 59c Rdn. 5; Tröndle/Fischer aaO § 59c Rdn. 1). Der Senat behandelt die Frage wegen der
  362. Parallelität zur entsprechenden Regelung bei der Freiheitsstrafe in § 58
  363. Abs. 1 StGB trotz des besonderen Charakters der Verwarnung mit Strafvorbehalt im erstgenannten Sinn.
  364. Die nach § 268a StPO zu treffende Entscheidung über die Dauer der
  365. Bewährungszeit bleibt dem Landgericht vorbehalten.
  366. Harms
  367. Häger
  368. Raum
  369. Basdorf
  370. Brause