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  1. 5 StR 391/01
  2. BUNDESGERICHTSHOF
  3. IM NAMEN DES VOLKES
  4. URTEIL
  5. vom 23. Januar 2002
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen Mordes
  9. -2-
  10. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23. Januar 2002, an der teilgenommen haben:
  11. Vorsitzende Richterin Harms,
  12. Richter Häger,
  13. Richter Basdorf,
  14. Richterin Dr. Gerhardt,
  15. Richter Dr. Raum
  16. als beisitzende Richter,
  17. Bundesanwalt
  18. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  19. Rechtsanwalt
  20. als Verteidiger,
  21. Justizhauptsekretärin
  22. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  23. -3-
  24. für Recht erkannt:
  25. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 12. März 2001 mit den Feststellungen
  26. aufgehoben.
  27. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
  28. auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere
  29. Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  30. – Von Rechts wegen –
  31. Gründe
  32. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Mit der erhobenen Sachrüge hat die
  33. Revision des Angeklagten Erfolg. Die Ausführungen des Landgerichts zur
  34. Schuldfähigkeit halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
  35. Der Angeklagte tötete vorsätzlich seine 14jährige Cousine, deren
  36. “freizügiges Verhalten” ihn “provozierte”, aus einem “Bestrafungs- und Zerstörungsimpuls” mit “Vernichtungswillen”. “Er wollte das ‚böse Mädchen‘ sexuell erniedrigen und anschließend ‚als Frau‘ zerstören.” Er versetzte ihr 36
  37. Messerstiche in den Bauch- und Brustbereich, wodurch Lunge, Herz, Leber
  38. und Darm durchgreifend verletzt wurden. Ferner setzte er zahlreiche Stichverletzungen im Gesäß und im Rücken. Schließlich rammte er einen 54 cm
  39. langen Holzstock mit erheblichem Kraftaufwand in die Scheide und 30 cm
  40. tief in den Körper. In den After führte er einen Kofferanhänger ein. Hierin hat
  41. -4-
  42. das Landgericht rechtsfehlerfrei einen grausam und aus niedrigen Beweggründen begangenen Mord gefunden.
  43. Das Landgericht hat nach Anhörung zweier psychiatrischer Sachverständiger uneingeschränkte Schuldfähigkeit des Angeklagten angenommen.
  44. Es hat insbesondere das Vorliegen einer Psychose aus dem Formenkreis
  45. der Schizophrenie und einen hochgradigen Affekt ausgeschlossen.
  46. Die Urteilsausführungen tragen die Annahme uneingeschränkter
  47. Schuldfähigkeit nicht. Unter dem Gesichtspunkt der gebotenen Ganzheitsbetrachtung (vgl. BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 4) ist namentlich
  48. die Erörterung zu vermissen, ob etwa eine schwere seelische Abartigkeit,
  49. die im Urteil (UA S. 25) nur am Rande erwähnt ist, vorliegt. Schon das außergewöhnliche Bild der hiesigen Tat (vgl. dazu auch BGH, Beschl. vom 28.
  50. November 2001 – 5 StR 434/01) und zudem die im Jahr 1989 vom Angeklagten in Rußland begangene Tat, die wesentliche Parallelen zur hiesigen
  51. Tat aufweist, einschließlich der damals gestellten Diagnosen (UA S. 4) machen eine eingehende Prüfung und Erörterung unter dem Gesichtspunkt des
  52. etwaigen Vorliegens eines psychischen Defekts der genannten Art unerläßlich.
  53. Die aufgezeigten Mängel bei der Beurteilung der Frage uneingeschränkter Schuld führen zur Aufhebung des Schuldspruchs mit den Feststellungen. Der neue Tatrichter muß Gelegenheit haben, bei der gebotenen
  54. umfassenden neuen Prüfung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Angeklagten das objektive Geschehen selbst festzustellen. Deshalb hebt der
  55. Senat das angefochtene Urteil in vollem Umfang auf.
  56. Sollten in der neuen Hauptverhandlung auch nur die Voraussetzungen des § 21 StGB festgestellt werden, liegt die Anordnung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) auf der Hand; das
  57. Verschlechterungsverbot stünde ihr nicht entgegen (§ 358 Abs. 2 Satz 2
  58. -5-
  59. StPO). Für die Annahme des hierfür erforderlichen stabilen und massiven
  60. psychischen Defekts des Angeklagten (vgl. hierzu BGH, Urt. vom 4. März
  61. 1996
  62. – 5 StR 524/95, insoweit in NStZ 1996, 380 und StV 1997, 127 nicht abgedruckt) liegen trotz bislang nicht erfolgter Feststellung der Voraussetzungen
  63. des § 21 StGB angesichts der biographischen Besonderheiten des Angeklagten im Zusammenhang mit der früheren gravierenden Gewalttat und mit
  64. bereits früher – u.a. als Reaktion hierauf – veranlaßten stationären Behandlungen in psychiatrischen Kliniken sowie im Blick auf das ungewöhnlich
  65. grausame, teilweise bizarre Tatbild und die außergewöhnliche Tatmotivation
  66. deutliche Anhaltspunkte vor. Immerhin hat auch einer der bisher gehörten
  67. Sachverständigen eine “tief verwurzelte Sexualproblematik” beim Angeklagten diagnostiziert, die während der Tat zum Durchbruch gelangt sei.
  68. Harms
  69. Häger
  70. Gerhardt
  71. Basdorf
  72. Raum