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- 5 StR 319/08
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- BUNDESGERICHTSHOF
- BESCHLUSS
- vom 5. August 2008
- in der Strafsache
- gegen
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- wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a.
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- Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. August 2008
- beschlossen:
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- 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
- Landgerichts Göttingen vom 12. Dezember 2007 gemäß
- § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben
- a) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit der Angeklagte im Fall II. 5. der Urteilsgründe verurteilt worden ist, sowie
- b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe von
- zwei Jahren und sechs Monaten und im Maßregelausspruch.
- 2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2
- StPO als unbegründet verworfen.
- 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
- Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des
- Landgerichts zurückverwiesen.
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- G r ü n d e
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs
- von Kindern in sechs Fällen sowie wegen Vornahme exhibitionistischer
- Handlungen in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit tätlicher Beleidigung, schuldig gesprochen und unter Einbeziehung einer anderweitig
- verhängten Freiheitsstrafe zu einer (ersten) Gesamtfreiheitsstrafe von zwei
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- Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Angeklagte wurde ferner wegen
- sexuellen Missbrauchs von Kindern, des Besitzes kinderpornografischer
- Schriften sowie des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit
- mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von
- einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Das Landgericht hat zudem einen
- Laptop des Angeklagten eingezogen und Führungsaufsicht angeordnet. Die
- Revision erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen
- Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349
- Abs. 2 StPO; insoweit bleiben Schuld- und Einzelstrafaussprüche sowie die
- zweite Gesamtstrafe und die dieser zugrunde liegenden Feststellungen, damit auch sämtliche Feststellungen zur Person des Angeklagten, aufrechterhalten.
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- 1. Im Fall II. 5. der Urteilsgründe – sexueller Missbrauch eines Kindes
- gemäß § 174 Abs. 4 Nr. 1 StGB – hat sich das Landgericht durch die Aussage der elf Jahre alten Zeugin
-
- K.
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- von der Täterschaft des Ange-
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- klagten überzeugt. Der Schuldspruch hat in diesem Fall keinen Bestand, weil
- das Landgericht eine im Ansatz akzeptierte Alibibehauptung nicht erschöpfend ausgewertet hat (vgl. BGH NJW 2003, 150, 152; 2006, 925, 928; Brause NStZ 2007, 505, 506).
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- Das Landgericht hat Bekundungen der damaligen Freundin des Angeklagten „als richtig unterstellt“ (UA S. 53), dass der Angeklagte sie gegen
- 12:05 Uhr mit dem PKW an ihrer Arbeitsstelle abgeholt hatte und nach einer
- 15 Minuten dauernden Fahrt zu dem etwas außerhalb Northeims gelegenen
- Marktkauf gefahren sei, wo sie einen 30 bis 35 Minuten dauernden Einkauf
- getätigt hätten. Dessen Bezahlung erfolgte laut elektronisch erstelltem Beleg
- um 13:17 Uhr per ec-Karte, die Belastung des Kontos des Angeklagten um
- 13:29 Uhr (UA S. 53). Das Landgericht sieht in der Differenz von 20 Minuten
- zwischen dem Ende des Einkaufs, wie ihn die Zeugin geschildert hat (12:50
- bis 12:55 Uhr), und dem durch den Zahlungsbeleg ausgewiesenen Zeitpunkt
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- (13:17 Uhr) einen Zeitraum, den der Angeklagte zur Tatausführung genutzt
- hat (UA S. 53 f.).
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- Diese Beweisführung lässt – abgesehen von näheren Überlegungen
- zum Aufenthalt des Angeklagten beim Bezahlvorgang – schon außer Acht,
- dass es angesichts des Einkaufsendes um 12:50 Uhr ausgeschlossen erscheint, dass der Angeklagte zur Tatzeit „kurz vor 13:00 Uhr“ (UA S. 21) an
- dem nicht offensichtlich in unmittelbarer Nähe des Marktkaufs befindlichen
- Tatort erscheinen konnte. Darüber hinaus hat das Landgericht den Beweiswert der elektronisch erstellten Zahlungsbelege nicht ausgeschöpft (vgl. auch
- BGH wistra 2007, 108, 109). Eventuell hätten freilich auch die Zeitangaben
- der Zeugin, der mehr als zwei Jahre zurückliegende Einkauf habe 30 bis
- 35 Minuten gedauert, kritischer bewertet werden müssen. Von alldem war
- das Landgericht nicht etwa durch die besondere Qualität der Aussage der
- Belastungszeugin enthoben.
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- 2. Der Fall II. 5. der Urteilsgründe bedarf demnach neuer Aufklärung
- und Bewertung. Der Wegfall eines Schuldspruchs führt zur Aufhebung der
- ersten Gesamtfreiheitsstrafe und der Anordnung der Maßregel der Führungsaufsicht. Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, den Umfang der
- Anrechnung einer vom Angeklagten erfüllten Bewährungsauflage im Tenor
- zu bestimmen (vgl. BGHSt 36, 378).
- Basdorf
- Hubert
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- Brause
- Schneider
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- Schaal
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