|
|
- 5 StR 317/08
-
- BUNDESGERICHTSHOF
- BESCHLUSS
- vom 5. August 2008
- in der Strafsache
- gegen
-
- wegen Vergewaltigung
-
- -2-
-
- Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. August 2008
- beschlossen:
-
- Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 29. November 2007 gemäß § 349
- Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
- Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
- auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere
- Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
-
- G r ü n d e
- 1
-
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer
- Freiheitsstrafe verurteilt. Seine Revision hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
- Sie rügt zu Recht, dass die Hauptverhandlung in einer gemäß § 76 Abs. 2
- Satz 1 GVG reduzierten Besetzung durchgeführt wurde (§ 338 Nr. 1 StPO).
-
- 2
-
- 1. Folgender Verfahrensablauf liegt zu Grunde:
-
- 3
-
- Durch Eröffnungsbeschluss vom 11. September 2006 hat die Strafkammer das Hauptverfahren eröffnet, ohne dabei einen Beschluss gemäß
- § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG zu fassen. Am 9. Oktober 2007 hat sie den Eröffnungsbeschluss „durch die Feststellung ergänzt, dass die Hauptverhandlung
- in der Besetzung mit zwei Berufsrichtern einschließlich des Vorsitzenden und
- zwei Schöffen“ stattfindet. Dieser Beschluss ist bis zur Hauptverhandlung der
- Verteidigung weder zugestellt worden noch sonst bekannt geworden. Auch
- eine Mitteilung der Gerichtsbesetzung nach § 222a Abs. 1 Satz 2 StPO ist
- bis zum Beginn der Hauptverhandlung nicht erfolgt. In der Hauptverhandlung
- hat der Vorsitzende die Gerichtsbesetzung mitgeteilt, ohne auf den Be-
-
- -3-
-
- schluss vom 9. Oktober 2007 hinzuweisen. Der Antrag der Verteidigung, die
- Hauptverhandlung wegen der erst jetzt mitgeteilten Besetzung zu unterbrechen, wurde nach einer Unterbrechung von fünf Minuten durch Gerichtsbeschluss mit der Begründung zurückgewiesen, dass das Gericht ordnungsgemäß besetzt sei.
- 4
-
- 2. Der zulässig erhobenen Besetzungsrüge, die nicht präkludiert ist,
- kann der Erfolg nicht versagt werden. Mit nur zwei Berufsrichtern war das
- erkennende Gericht fehlerhaft besetzt.
-
- 5
-
- a) Die Rüge ist zulässig, weil – wie die Revision vollständig mitgeteilt
- hat – die große Strafkammer die Hauptverhandlung nach § 222a
- Abs. 2 StPO zur Prüfung der Besetzung gar nicht unterbrochen hat (§ 338
- Nr. 1 lit. c StPO; vgl. zudem im Anschluss an den Antrag des Generalbundesanwalts zur Unterbrechungsdauer Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 222a
- Rdn. 22).
-
- 6
-
- b) Die Revision beanstandet zu Recht, dass das Landgericht in der
- Besetzung mit zwei – anstatt mit drei – Berufsrichtern (und zwei Schöffen)
- entschieden hat, obwohl es bei Eröffnung des Hauptverfahrens einen dahin
- gehenden Beschluss nach § 76 Abs. 2 GVG nicht gefasst hatte.
-
- 7
-
- aa) Die Entscheidung über die Anzahl der an der Hauptverhandlung
- mitwirkenden Richter ist bei der Eröffnung des Hauptverfahrens zu treffen
- (vgl. BGHR GVG § 76 Abs. 2 Besetzungsbeschluss 1; Meyer-Goßner aaO
- § 76 GVG Rdn. 4). „Bei der Eröffnung“ bedeutet zugleich mit der Eröffnungsentscheidung; eine spätere Beschlussfassung ist nicht möglich, weil mit der
- Eröffnung des Hauptverfahrens feststehen muss, mit wie vielen Richtern das
- erkennende Gericht in diesem Verfahrensabschnitt besetzt ist (vgl. Begründung RegE des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 in BT-Drucks. 12/1217, S. 48; BGHSt 44, 328, 332; Siolek in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 76 GVG Rdn. 4). Die Entscheidung kann
-
- -4-
-
- regelmäßig auch nicht mehr geändert werden (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 214;
- Meyer-Goßner aaO m.w.N.). Hiernach ist der („Feststellungs“-)Beschluss des
- Landgerichts vom 9. Oktober 2007 ohne rechtliche Relevanz.
- 8
-
- bb) Ist bei Eröffnung des Hauptverfahrens nicht nach § 76 Abs. 2 GVG
- beschlossen worden, dass die große Strafkammer in der Hauptverhandlung
- nur mit zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen besetzt ist, so muss die Strafkammer in der Hauptverhandlung mit drei Richtern
- tätig werden, und zwar auch dann, wenn der Ausspruch versehentlich unterblieben ist (vgl. BGHSt 44, 361, 362; BGH NStZ-RR 2006, 214; LG Bremen
- StV 2004, 251; Siegismund/Wickern wistra 1993, 139; Siolek aaO m.w.N.;
- Meyer-Goßner aaO; Diemer in KK 5. Aufl. § 76 GVG Rdn. 2; Kissel/Mayer,
- GVG 5. Aufl. § 76 Rdn. 8; vgl. differenzierend – nicht tragend – zum RegelAusnahme-Verhältnis BGHSt 44, 328, 331).
-
- 9
-
- Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 GVG ist eine große Strafkammer in der
- Hauptverhandlung grundsätzlich mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen
- besetzt. Ein Abweichen von dieser gesetzlichen Vorgabe bedarf ausdrücklicher Beschlussfassung (§ 76 Abs. 2 GVG).
- Basdorf
-
- Brause
- Hubert
-
- Schaal
- Schneider
-
|