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- BUNDESGERICHTSHOF
- BESCHLUSS
- 4 StR 53/04
- vom
- 30. März 2004
- in der Strafsache
- gegen
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- wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer u.a.
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- Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführerinnen am 30. März 2004
- gemäß §§ 349 Abs. 2 und 4, 357 StPO beschlossen:
- 1.
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- Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des
- Landgerichts Stuttgart vom 11. September 2003 - auch
- soweit es den Mitangeklagten G.
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- betrifft, aufge-
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- hoben
- a)
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- im Schuldspruch, soweit die Angeklagten im Fall
- II. 2. der Urteilsgründe wegen räuberischen Angriffs
- auf Kraftfahrer in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung - der Mitangeklagte G.
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- in
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- weiterer Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne
- Fahrerlaubnis - verurteilt worden sind,
- b)
- 2.
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- in den Strafaussprüchen.
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- Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der
- Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
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- 3.
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- Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
-
- Gründe:
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- Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung,
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- schwerer räuberischer Erpressung sowie versuchten Diebstahls - die Angeklagte A. unter Einbeziehung eines früheren Urteils - zu einer Jugendstrafe
- von jeweils drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Den Angeklagten G.
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- ,
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- der keine Revision eingelegt hat, hat es wegen räuberischen Angriffs auf
- Kraftfahrer in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis sowie wegen versuchten Diebstahls zu einer
- Jugendstrafe von zwei Jahren unter Vorbehalt der Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten A. und
- K.
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- mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung formellen
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- und materiellen Rechts rügen. Die Rechtsmittel haben auf die Sachrüge den
- aus der Beschlußformel ersichtlichen Teilerfolg, der gemäß § 357 StGB auch
- auf den Mitangeklagten G.
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- zu erstrecken ist. Im übrigen hat die Überprü-
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- fung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen keinen weiteren
- Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
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- Die Verurteilung der Angeklagten und des Mitangeklagten G.
- wegen
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- der
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- Tat
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- zum
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- Nachteil
-
- der
-
- Geschädigten
-
- T.
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- kann
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- nicht bestehen bleiben. Der Generalbundesanwalt hat in seinen Antragsschriften vom 12. Februar 2004 hierzu ausgeführt:
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- "Die rechtliche Würdigung des Sachverhaltes als Straftat gemäß § 316 a StGB begegnet rechtlichen Bedenken. Nach der
- geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die eine enger am Schutzzweck und den einzelnen Tatbestandsmerkmalen des § 316 a StGB orientierte Auslegung der Vorschrift für geboten hält (BGH, Urteil vom 20. November 2003 4 StR 150/03), setzt der Tatbestand des § 316 a StGB nach
- seinem Wortlaut eine zeitliche Verknüpfung zwischen tauglichem Tatopfer und tatbestandsmäßiger Angriffshandlung dergestalt voraus, dass im Tatzeitpunkt, das heißt bei Verüben
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- des Angriffs, das Tatopfer (noch) 'Führer' oder 'Mitfahrer' eines Kraftfahrzeugs ist. Daran könnte es hier fehlen. Führer
- eines Kraftfahrzeugs im Sinne des § 316 a StGB ist nur, wer
- das Kraftfahrzeug in Bewegung zu setzen beginnt, es in Bewegung hält oder allgemein mit dem Betrieb des Fahrzeugs
- und/oder der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt
- ist. Das ist regelmäßig nicht mehr der Fall, wenn das Fahrzeug aus anderen als verkehrsbedingten Gründen anhält und
- der Fahrer den Motor ausstellt. Ob die hier geschädigte Zeugin bei Verüben des Angriffs in dem genannten Sinne 'Führer'
- ihres (nicht verkehrsbedingt haltenden) Fahrzeuges war, sie bei noch laufendem Fahrzeugmotor - in einer Weise mit der
- Beherrschung ihres Kraftfahrzeuges und/oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt war, dass sie gerade deshalb leichter Opfer eines räuberischen Angriffs war,
- und ob die Angeklagte und ihre Mittäter die möglicherweise
- hierin liegenden 'besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs' für ihre Taten ausgenutzt haben, lässt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen. Entsprechende Feststellungen müssen daher nachgeholt werden. Die getroffenen
- Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können bestehen
- bleiben. Ergänzende Feststellungen sind möglich.
- Die rechtliche Würdigung des Falles II. 2. als schwere räuberische Erpressung ist dagegen rechtsfehlerfrei. Der Schuldspruch ist allerdings wegen der Einheitlichkeit der Tat insoweit insgesamt aufzuheben (Meyer-Goßner StPO 46. Aufl.
- § 353 Rdnr. 7)."
- Dem stimmt der Senat zu (vgl. Senatsbeschluß vom 27. November 2003
- - 4 StR 311/03).
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- Die Aufhebung der Verurteilung im Fall II. 2. der Urteilsgründe zieht hier
- entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts die Aufhebung der
- Strafaussprüche nach sich. Denn das Landgericht hat den Umstand, daß die
- Angeklagten in diesem Fall jeweils zwei schwere Delikte verwirklicht haben,
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- ausdrücklich als straferschwerend berücksichtigt. Der Senat kann deshalb nicht
- ausschließen, daß der Tatrichter ohne die Verurteilung wegen räuberischen
- Angriffs auf Kraftfahrer auf niedrigere Jugendstrafen erkannt hätte.
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- Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
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- Für die vom Tatbestand des § 316 a StGB vorausgesetzte Ausnutzung
- der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs genügt allein der Umstand,
- daß "die Geschädigte wegen der beengten Verhältnisse im Pkw ... in ihrer
- Verteidigungsfähigkeit stark eingeschränkt war" (UA 20), nicht (vgl. BGH NStZ
- 1996, 389 f.; Senatsbeschluß vom 11. Februar 2003 - 4 StR 522/02). Gleiches
- gilt auch für die Abgelegenheit des Überfallorts. Denn ebenso wie die Beengtheit, die dem Fahrzeug immanent ist, ist auch die Abgelegenheit des Überfallorts keine spezifische Eigenschaft des Kraftfahrzeugverkehrs (Senatsurteil
- vom 20. November 2003 - 4 StR 150/03, NJW 2004, 786, 788, zum Abdruck in
- BGHSt bestimmt).
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- Falls die nunmehr entscheidende Jugendkammer das Vorliegen der
- Tatbestandsvoraussetzungen des § 316 a StGB nach der geänderten Rechtsprechung des Senats nicht mehr bejahen könnte, kommt nach den getroffenen
- Feststellungen jedenfalls eine tateinheitliche Verurteilung wegen Verabredung
- zu diesem Verbrechen gemäß § 30 Abs. 2 StGB in Betracht. Im übrigen ist der
- neue Tatrichter nicht gehindert, bei der Bemessung der Strafen strafschärfend
- zu werten, daß die Angeklagten planmäßig die Bereitschaft des Tatopfers, sie
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- als Anhalter in ihrem Pkw mitzunehmen, ausnutzten und sie die Geschädigte in
- eine Lage brachten, in der für sie Hilfe nicht zu erwarten war.
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- Tepperwien
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- Maatz
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- Athing
-
- Ernemann
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- Sost-Scheible
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