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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 4 StR 501/16
  4. vom
  5. 22. November 2016
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen fahrlässiger Tötung u.a.
  9. ECLI:DE:BGH:2016:221116B4STR501.16.0
  10. -2-
  11. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 22. November 2016
  12. gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
  13. 1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 23. Mai 2016 wird als unbegründet verworfen.
  14. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels
  15. und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
  16. Gründe:
  17. 1
  18. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der
  19. Angeklagte mit seiner auf die ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das
  20. Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
  21. 2
  22. 1. Die tateinheitliche Verurteilung wegen vorsätzlicher Gefährdung des
  23. Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2b, Abs. 3 Nr. 1 StGB hält rechtlicher Überprüfung stand.
  24. -3-
  25. 3
  26. a) Nach den Feststellungen befuhr der Angeklagte am 10. Juli 2015 um
  27. 20.16 Uhr mit einem geliehenen Pkw der Marke BMW „mit deutlich überhöhter
  28. Geschwindigkeit“ die zwei Richtungsfahrbahnen aufweisende A.
  29. im Stadtzentrum von K.
  30. Straße
  31. . Dabei nahm er bei „moderatem Verkehrsaufkom-
  32. men“ in schneller Folge mehrere Spurwechsel vor, um vorschriftsmäßig fahrende Fahrzeuge überholen zu können. Unmittelbar nach einem Überholmanöver
  33. nahm der zu diesem Zeitpunkt auf der linken Fahrspur fahrende Angeklagte
  34. wahr, dass die nur noch rund 30 bis 40 Meter entfernte Lichtzeichenanlage an
  35. der Kreuzung A.
  36. Straße/
  37. Ka. straße/U.
  38. straße auf Gelb-
  39. licht umsprang. Etwa 40 Meter vor der Kreuzung eröffnet rechts auf der A.
  40. Straße ein dritter Geradeausstreifen, der 100 Meter nach der Kreuzung zu
  41. einer Rechtsabbiegespur wird. Der Angeklagte beabsichtigte, die Kreuzung
  42. noch vor einem Umschalten auf Rotlicht zu passieren, um nicht vor der Ampel
  43. warten zu müssen. Da sich jedoch vor ihm auf der linken wie auch der rechts
  44. daneben führenden Fahrspur Fahrzeuge befanden, die ihre Geschwindigkeit
  45. angesichts der Gelblicht zeigenden Lichtzeichenanlage verringerten und demnach deutlich langsamer fuhren als der Angeklagte, nahm er einen durchgängigen Spurwechsel von der linken über die mittlere auf die wenige Meter zuvor
  46. neu hinzugekommene und zu diesem Zeitpunkt freie Geradeausspur vor, die er
  47. wenige Fahrzeuglängen vor der Haltelinie erreichte. Der Angeklagte fuhr nun
  48. mit einer Geschwindigkeit von mindestens 109 km/h auf die Kreuzung zu. Zum
  49. gleichen Zeitpunkt befuhr die Zeugin Ku.
  50. mit einem BMW Mini Cooper
  51. (Zeitwert rund 9.000 Euro) die mittlere Fahrspur. Die Zeugin beabsichtigte auf
  52. den rechten Fahrstreifen zu wechseln. Nachdem sie sich durch einen Schulterblick vergewissert hatte, dass sich auf dem neu hinzugekommenen Geradeausstreifen kein Fahrzeug befand, betätigte sie den Blinker und setzte nach einem
  53. erneuten Schulterblick zum Wechsel auf die rechte Fahrspur an. Ihre dabei gefahrene Geschwindigkeit betrug in Vorbereitung eines Halts an der Haltelinie
  54. -4-
  55. noch 30 km/h. Im selben Moment näherte sich der Pkw des Angeklagten, der
  56. sich im Zeitpunkt des Schulterblicks der Zeugin Ku.
  57. noch auf der linken
  58. oder der mittleren Geradeausspur befunden hatte und deshalb von ihr nicht
  59. wahrgenommen werden konnte, von hinten an. Wegen der durch den Angeklagten gefahrenen Geschwindigkeit war es ihm nicht möglich, auf den von der
  60. Zeugin Ku.
  61. eingeleiteten Spurwechsel rechtzeitig zu reagieren. Es kam
  62. deshalb zu einer spitzwinkligen Streifkollision zwischen beiden Fahrzeugen. In
  63. deren Folge stellte sich der BMW des Angeklagten nach rechts auf und geriet in
  64. eine rotierende Flugbewegung. In der Folge schleuderte das Fahrzeug über
  65. den Kreuzungsbereich, prallte gegen den Mast einer Lichtzeichenanlage und
  66. erfasste etwa 75 Meter nach dem Ausgangspunkt der Kollision den an einem
  67. anderen Lichtzeichenmast auf seinem Fahrrad wartenden 26-jährigen
  68. F.
  69. . Der Geschädigte wurde etwa 11 Meter durch die Luft geschleudert
  70. und erlitt tödliche Verletzungen. Der neben dem Geschädigten stehende Zeuge
  71. L.
  72. konnte sich durch einen Sprung retten und blieb unversehrt. An der
  73. Lichtzeichenanlage entstand ein Sachschaden in Höhe von 14.848,82 Euro.
  74. Der Pkw der Zeugin Ku.
  75. erlitt einen Totalschaden. Sie selbst blieb unver-
  76. letzt.
  77. 4
  78. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte das Setzen des Blinkers durch die Zeugin Ku.
  79. sowohl aufgrund des erst kurz vor
  80. dem Überholvorgang erfolgten Einfahrens auf die rechte Geradeausspur als
  81. auch wegen der deutlich überhöhten Geschwindigkeit und des bestehenden
  82. Geschwindigkeitsunterschiedes nicht sehen konnte (UA 58).
  83. 5
  84. b) Diese Feststellungen belegen, dass der Angeklagte bei einem Überholvorgang falsch gefahren ist (§ 315c Abs. 1 Nr. 2b StGB).
  85. -5-
  86. 6
  87. aa) Ein falsches Fahren bei einem Überholvorgang liegt vor, wenn der
  88. Täter eine der in § 5 StVO normierten Regeln verletzt oder einen anderweitigen
  89. Verkehrsverstoß begeht, der das Überholen als solches gefährlicher macht,
  90. sodass ein innerer Zusammenhang zwischen dem Verkehrsverstoß und der
  91. spezifischen Gefahrenlage des Überholens besteht (vgl. BayObLG, Beschluss
  92. vom 19. Februar 1993 – 2 St RR 244/92, DAR 1993, 269, 271; Urteil vom
  93. 7. Februar 1968 – 1 b St 404/67, VRS 35, 280, 282; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20. April 1989 – 5 Ss 86/89, VRS 77, 280, 281; Urteil vom 28. Juli
  94. 1981 – 2 Ss 433/81, VRS 62, 44, 46; König in: Leipziger Kommentar zum StGB,
  95. 12. Aufl., § 315c Rn. 96, 99 f.; Sternberg-Lieben/Hecker in: Schönke/Schröder,
  96. StGB, 29. Aufl., § 315c Rn. 18; Ernemann in: SSW-StGB, 2. Aufl., § 315c
  97. Rn. 16).
  98. 7
  99. bb) Daran gemessen ist der Angeklagte bei seinem Überholen schon
  100. deshalb falsch gefahren, weil die gefahrene Geschwindigkeit ihm ein Anhalten
  101. innerhalb der übersehbaren Strecke unmöglich machte (§ 3 Abs. 1 Satz 4
  102. StVO) und gegen § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO (zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften) verstieß. Durch diese Regelverstöße wurde
  103. das Überholen als solches erheblich gefährlicher gemacht, denn der Angeklagte konnte deshalb nicht mehr auf den durch das Setzen des Blinkers angezeigten Spurwechsel der Zeugin Ku.
  104. reagieren. Dass diese Vorschriften auch
  105. dazu bestimmt sind, (innerörtliche) Überholvorgänge zu schützen steht außer
  106. Frage.
  107. 8
  108. Der Senat braucht unter diesen Umständen nicht zu entscheiden, ob die
  109. Feststellungen auch die Annahme einer unklaren Verkehrslage im Sinne des
  110. § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO tragen.
  111. -6-
  112. 9
  113. 2. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum
  114. Nachteil des Beschwerdeführers ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
  115. Sost-Scheible
  116. Roggenbuck
  117. Bender
  118. Cierniak
  119. Quentin