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725 lines
26 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. 4 StR 115/15
  5. vom
  6. 19. November 2015
  7. in der Strafsache
  8. gegen
  9. 1.
  10. 2.
  11. 3.
  12. 4.
  13. 5.
  14. 6.
  15. wegen zu 1. bis 5.: Betrugs
  16. zu 6.:
  17. Beihilfe zum Betrug
  18. -2-
  19. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
  20. 24. September 2015 in der Sitzung am 19. November 2015, an der teilgenommen haben:
  21. Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
  22. Sost-Scheible,
  23. Richter am Bundesgerichtshof
  24. Cierniak,
  25. Dr. Franke,
  26. Bender,
  27. Dr. Quentin
  28. als beisitzende Richter,
  29. Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
  30. – in der Verhandlung –
  31. Richterin am Landgericht
  32. – bei der Verkündung –
  33. als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
  34. Rechtsanwalt
  35. als Verteidiger des Angeklagten
  36. – in der Verhandlung –,
  37. Rechtsanwalt
  38. als Verteidiger des Angeklagten
  39. – in der Verhandlung –,
  40. Rechtsanwältin
  41. Rechtsanwalt
  42. als Verteidiger des Angeklagten
  43. – in der Verhandlung –,
  44. Rechtsanwalt
  45. als Verteidiger des Angeklagten
  46. – in der Verhandlung –,
  47. B.
  48. G.
  49. und
  50. To.
  51. S.
  52. -3-
  53. Rechtsanwalt
  54. als Verteidiger des Angeklagten
  55. – in der Verhandlung –,
  56. Rechtsanwalt
  57. als Verteidiger der Angeklagten
  58. T.
  59. P.
  60. ,
  61. Justizangestellte
  62. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  63. für Recht erkannt:
  64. 1. Auf die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom
  65. 30. Juli 2014 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit
  66. die Angeklagten verurteilt worden sind.
  67. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der
  68. Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  69. 2. Die weiter gehende Revision der Staatsanwaltschaft wird
  70. verworfen.
  71. Von Rechts wegen
  72. -4-
  73. Gründe:
  74. 1
  75. Das Landgericht hat die Angeklagten G.
  76. T.
  77. , To.
  78. , S.
  79. und
  80. jeweils wegen „gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betruges“ in
  81. 412 Fällen, den Angeklagten B.
  82. unter Freispruch im Übrigen wegen „ge-
  83. meinschaftlichen gewerbsmäßigen Betruges“ in 365 Fällen und die Angeklagte
  84. P.
  85. , ebenfalls unter Freispruch im Übrigen, wegen „Beihilfe zum ge-
  86. meinschaftlichen gewerbsmäßigen Betrug“ in 334 Fällen verurteilt. Gegen den
  87. Angeklagten G.
  88. hat es eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und
  89. acht Monaten, gegen die Angeklagten To.
  90. , S.
  91. und T.
  92. jeweils
  93. eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, gegen den Angeklagten B.
  94. eine solche von einem Jahr und sechs Monaten und gegen die Angeklagte
  95. P.
  96. eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verhängt. Sämtliche
  97. Freiheitsstrafen hat es zur Bewährung ausgesetzt. Ferner hat es festgestellt,
  98. dass die Angeklagten durch die Taten mindestens 528.596 € erlangt haben und
  99. nur deshalb nicht auf Verfall von Wertersatz erkannt wird, weil Ansprüche von
  100. Geschädigten entgegenstehen.
  101. 2
  102. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten jeweils
  103. mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Mit Ausnahme des Angeklagten T.
  104. beanstanden sie darüber hinaus das Verfahren. Die zu Ungunsten
  105. der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft wendet sich mit
  106. der Sachrüge insbesondere gegen die unterbliebene Verurteilung der Angeklagten wegen Betruges als Mitglieder einer Bande sowie gegen die Strafzumessung, ferner gegen den Teilfreispruch der Angeklagten P.
  107. .
  108. -5-
  109. A.
  110. 3
  111. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
  112. 4
  113. Im Januar 2007 veranlassten die Angeklagten G.
  114. B.
  115. die Gründung des Unternehmens „N.
  116. , T.
  117. und
  118. Ltd.“ mit Sitz in V.
  119. , die als Zweigniederlassung eines in Großbritannien ansässigen
  120. Unternehmens firmierte. Die Angeklagten B.
  121. und S.
  122. – B.
  123. trat auch
  124. als Gründungsgesellschafter auf – wechselten sich in der Folgezeit in der Geschäftsführung dieses Unternehmens ab, dessen Gegenstand der Vertrieb von
  125. Getränken und Nahrungsergänzungsprodukten war. G.
  126. T.
  127. , B.
  128. und
  129. beabsichtigten, vor allem sogenannte Energy-Drinks mit dem Label
  130. einer ihnen bekannten Rockergruppe zu produzieren und über die N.
  131. Ltd.
  132. zu vertreiben. Da die Aufnahme der nachfolgend produzierten Engergy-Drinks
  133. in das Produktangebot u.a. in Verbrauchermärkten den Einsatz von Kapital erforderte, über das die N.
  134. Ltd. nicht verfügte, so dass der Absatz dieser
  135. Produkte äußerst schleppend verlief, betrieb die N.
  136. Ltd. neben dem einge-
  137. tragenen Geschäftsgegenstand ab 2007 zum Zweck der Kapitalbeschaffung
  138. auch die Vermittlung des Verkaufs neuer Pkws unter gleichzeitigem Abschluss
  139. von Werbeverträgen. Pro vermitteltem Fahrzeug wurde aus der Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis der Fahrzeuge jeweils ein Betrag von
  140. 4.000 € erzielt. Gleichzeitig wurden mit den Fahrzeugkäufern Werbeverträge
  141. mit einer Laufzeit von zwei Jahren abgeschlossen, die man mit den aus den
  142. Verkaufserlösen gewonnenen Einnahmen zu bezahlen beabsichtigte. Für die
  143. ersten etwa fünf Fahrzeuge wurden die Werbeverträge auf diese Weise auch
  144. erfüllt. Obwohl die durch die Fahrzeugverkäufe eingenommenen Gelder auch
  145. dazu eingesetzt wurden, die von der N.
  146. Ltd. vertriebenen Produkte zu ver-
  147. -6-
  148. markten, brachte der Verkauf von Energy-Drinks nicht den erhofften Erfolg, so
  149. dass er Anfang 2009 eingestellt wurde. Der anschließende Versuch der Vermarktung von Tattoo-Entfernungscremes scheiterte ebenso wie der Vertrieb
  150. von Wasserfiltern.
  151. 5
  152. In der Zwischenzeit war der Angeklagte To.
  153. G.
  154. , T.
  155. und S.
  156. zu den Angeklagten
  157. hinzugestoßen; er realisierte bei Bedarf die Kre-
  158. ditfinanzierung des von den Kunden zu entrichtenden Kaufpreises für die Fahrzeuge über die Sa.
  159. Bank. Diese Angeklagten erkannten im Laufe der
  160. ersten Jahreshälfte 2008 die notleidende finanzielle Situation der Firma N.
  161. Ltd. und stellten fest, dass lediglich der Verkauf von Fahrzeugen bei gleichzeitigem Abschluss der Werbeverträge Geld einbrachte, allerdings nur dann, wenn
  162. man die gegenüber den Werbefahrern eingegangenen Verpflichtungen zur Zahlung der monatlichen Werbeprovisionen außer Ansatz ließ. In der Folgezeit intensivierten sie daher diesen Teil ihrer geschäftlichen Tätigkeit. Dabei gingen
  163. sie arbeitsteilig vor. Neben dem Angeklagten G.
  164. klagten S.
  165. und To.
  166. im Wesentlichen für die Fahrzeugbeschaffung
  167. verantwortlich. Über die Firma Sch.
  168. S.
  169. Automobile des Angeklagten
  170. – mit derselben Anschrift wie die Firma N.
  171. nehmen
  172. A.
  173. waren auch die Ange-
  174. Ltd. – und das Unter-
  175. GmbH des Angeklagten To.
  176. Geschädigten ihre Fahrzeuge. S.
  177. und die Buchhaltung der N.
  178. bezogen
  179. die
  180. war ferner für die finanziellen Belange
  181. Ltd. zuständig. B.
  182. verantwortete die
  183. monatlichen Kalkulationen der Firmenverbindlichkeiten und hatte die Befugnis,
  184. Arbeitsverträge zu unterschreiben sowie Kündigungen auszusprechen. Er stellte auch den Insolvenzantrag für die N.
  185. Ltd. Der Angeklagte T.
  186. war
  187. ebenfalls an Personalentscheidungen beteiligt und erstellte außerdem die Kaufund Werbeverträge. Die Angeklagte P.
  188. 1. März 2009 als Vollzeitkraft – bei der N.
  189. war als Sekretärin – ab dem
  190. Ltd. tätig und trug die Verantwor-
  191. -7-
  192. tung für alle organisatorischen Belange im Zusammenhang mit den Kauf- und
  193. Werbeverträgen. Sie war gegenüber den anderen Büroangestellten weisungsbefugt und vertröstete die Geschädigten, die sich über ausbleibende Werbezahlungen beschwerten.
  194. 6
  195. Zu einer deutlichen Erhöhung der Zahl der abgeschlossenen Kauf- und
  196. Werbeverträge kam es infolge eines am 15. Oktober 2008 zwischen der N.
  197. Ltd., vertreten durch den Angeklagten S.
  198. abgeschlossenen
  199. pflichtete sich die Ad.
  200. des Angeklagten To.
  201. A.
  202. sog.
  203. , und der Firma Ad.
  204. Kooperationsvertrages.
  205. Danach
  206. ver-
  207. , deren Geschäftsführer ein Bekannter
  208. war und die unter derselben Anschrift wie die
  209. GmbH firmierte, das Geschäftsmodell der Angeklagten durch
  210. eine Werbeaktion unter dem Motto „Werbezuschuss für PKW-Werbung“ zu unterstützen. Obwohl den Angeklagten spätestens zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Kooperationsvertrages bewusst war, dass nennenswerte Umsätze
  211. mit den beworbenen Produkten der N.
  212. Ltd. nicht erzielt worden waren und
  213. sie auch damit rechneten und dies zumindest billigend in Kauf nahmen, dass
  214. dies auch in Zukunft nicht der Fall sein würde, verkauften sie jedenfalls ab dem
  215. 15. Oktober 2008 in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken bis Anfang
  216. 2010 in den in den Urteilsgründen tabellarisch dargestellten Fällen EU-Neufahrzeuge des Typs F.
  217. zu deutlich über dem Marktpreis liegenden
  218. Preisen an die Geschädigten. Dabei versprachen die Angeklagten den Fahrzeugkäufern bei Abschluss der Kaufverträge jeweils, dass der Fahrzeugkaufpreis vollständig durch Werbeprovisionen von der Firma N.
  219. Ltd. in Höhe
  220. von monatlich rund 230 € pro Fahrzeug – bei einer Laufzeit der Werbeverträge
  221. von regelmäßig 72 Monaten – zurückerstattet würde.
  222. -8-
  223. 7
  224. Das Landgericht hat dieses Vorgehen der Angeklagten als gewerbsmäßigen Betrug bzw. als Beihilfe dazu gewertet. Die Angeklagten hätten gewusst,
  225. dass die N.
  226. Ltd. finanziell nicht in der Lage war und auch in Zukunft nicht in
  227. der Lage sein würde, die zahlreichen abgeschlossenen Werbeverträge zu erfüllen, da weder aus dem eigentlichen Vertriebsgeschäft noch aus den Fahrzeugverkäufen erzielte Einnahmen die Zahlung der monatlichen Werbeprämien an
  228. die Fahrzeugkäufer auf Dauer ermöglicht hätten. Die geschädigten Fahrzeugkäufer seien auf Grund der erfolgten Täuschung bereit gewesen, die angebotenen Fahrzeuge zu erwerben und den geforderten, über dem üblichen Marktpreis liegenden Kaufpreis zu bezahlen. Da ihnen von den Angeklagten zugesagt worden sei, dass sie den bezahlten Kaufpreis über die monatlichen Werbeprämien zurückerhalten würden, sei ihnen der geforderte Kaufpreis gleichgültig gewesen, weshalb sie bereit gewesen seien, einen höheren Kaufpreis als
  229. bei einem „normalen“ Händler zu bezahlen, da sie sonst nicht in den Genuss
  230. der Werbeprämie gekommen wären.
  231. Den Fahrzeugkäufern sei jeweils ein Schaden von mindestens 1.283 €
  232. 8
  233. entstanden. Der übliche Marktpreis für das in den ausgeurteilten Fällen jeweils
  234. verkaufte Fahrzeug habe im streitgegenständlichen Zeitraum bei höchstens
  235. 13.517 € gelegen, ein Betrag, der sich aus dem Listenpreis des Fahrzeugs zuzüglich Überführungskosten abzüglich des damals gewährten Herstellerrabattes
  236. der Firma F.
  237. errechne. Die Angeklagten hätten hingegen die Fahrzeuge für
  238. mindestens 14.800 € an die Geschädigten verkauft. Die Angeklagten G.
  239. T.
  240. , S.
  241. und To.
  242. ,
  243. hätten daher im gesamten Tatzeitraum in
  244. 412 Einzelfällen einen Mindestgesamtschaden von 528.596 € verursacht, der
  245. Angeklagte B.
  246. habe ab dem 1. Januar 2009 in 365 Fällen als Mittäter bei
  247. einem Gesamtschaden von 468.295 € mitgewirkt. Die Angeklagte P.
  248. habe die vorstehend aufgeführten Taten während ihrer Tätigkeit als Vollzeit-
  249. -9-
  250. sekretärin in mindestens 335 Fällen unterstützt und sei daher an einer Gesamtschadensverursachung von 428.522 € beteiligt.
  251. B.
  252. 9
  253. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten führen ebenso wie die zu Ungunsten der Angeklagten
  254. eingelegten Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, mit denen die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit
  255. die Angeklagten verurteilt worden sind, und zur Zurückverweisung an das
  256. Landgericht.
  257. I.
  258. 10
  259. Zu den Revisionen der Angeklagten:
  260. 11
  261. Die Revisionen der Angeklagten haben jeweils mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg. Einer Erörterung der von ihnen erhobenen Verfahrensrügen
  262. bedarf es daher nicht.
  263. 12
  264. Die Verurteilung der Angeklagten wegen tatmehrheitlich begangenen Betruges bzw. Beihilfe dazu kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil das
  265. Landgericht es versäumt hat, in rechtlich nachprüfbarer Weise festzustellen,
  266. durch welche konkreten Einzelhandlungen die Angeklagten in den jeweiligen
  267. Fällen die gesetzlichen Merkmale des objektiven und des subjektiven Tatbestandes des § 263 StGB erfüllt haben.
  268. - 10 -
  269. 13
  270. 1. Die Urteilsgründe müssen in einer geschlossenen, aus sich selbst
  271. heraus verständlichen Darstellung die für erwiesen erachteten konkreten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden
  272. werden (§ 267 Abs. 1 Satz 1 StPO). Werden mehrere Angeklagte wegen mehrerer selbständiger Straftaten (§ 53 StGB) verurteilt, müssen die Gründe für jede Tat und in Bezug auf jeden deshalb verurteilten Angeklagten die erwiesenen
  273. Tatsachen so deutlich angeben, dass das Revisionsgericht nachprüfen kann,
  274. ob das Strafgesetz ohne Rechtsirrtum angewandt ist. Die Sachdarstellung darf
  275. nicht durch eine Tabelle mit pauschalen Angaben über die einzelnen Taten ersetzt werden, wenn daraus bei der einzelnen Tat weder die Modalitäten der jeweiligen Tatausführung und die Art des Tatbeitrags der einzelnen Mittäter noch
  276. die für die Strafzumessung erforderlichen Einzelheiten entnommen werden
  277. können (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2009 – 5 StR 171/09, NStZ-RR
  278. 2010, 54; LR-StPO/Stuckenberg, 26. Aufl., § 267 Rn. 41 mwN).
  279. 14
  280. 2. Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht.
  281. 15
  282. a) Das Landgericht hat lediglich die allgemeinen Umstände der zunächst
  283. erfolglosen unternehmerischen Betätigung der Angeklagten, die in diesem Zusammenhang erfolgte Gründung der Firma N.
  284. Ltd. und die Funktion der
  285. einzelnen Angeklagten im Rahmen des von ihnen entwickelten Geschäftsmodells dargestellt, ebenso die Beschaffung der für den Weiterverkauf an die
  286. Werbekunden bestimmten Kraftfahrzeuge, den Inhalt des am 15. Oktober 2008
  287. abgeschlossenen Vertrages mit der Firma Ad.
  288. sowie die auf
  289. den Abschluss der Kauf- und Werbeverträge bezogene allgemeine Geschäftsentwicklung. Feststellungen zur Beteiligung der Angeklagten an den ihnen zur
  290. Last gelegten Einzelfällen des Betruges enthalten die Urteilsgründe hingegen
  291. nicht. Die Strafkammer beschränkt sich insoweit auf eine tabellarische Über-
  292. - 11 -
  293. sicht, in der die Daten der abgeschlossenen Werbeverträge, die Namen und die
  294. Anschriften der Kunden aufgeführt sind. Zum Tatgeschehen enthält das Urteil
  295. lediglich die Formulierung, den Angeklagten sei ab Oktober 2008 bewusst gewesen, nennenswerte Umsätze mit den zunächst beworbenen Produkten der
  296. Firma N.
  297. Ltd. nicht erzielen zu können, weshalb sie zumindest damit rech-
  298. neten und auch billigend in Kauf nahmen, dass dies auch in Zukunft nicht der
  299. Fall sein werde. Vor diesem Hintergrund hätten sie in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken von Oktober 2008 bis Anfang 2010 in den in der Tabelle
  300. aufgeführten Fällen EU-Neufahrzeuge des genannten Typs zu deutlich über
  301. dem Marktpreis liegenden Preisen an die Geschädigten verkauft. Bei Abschluss
  302. der Verträge hätten „die Angeklagten“ den Kunden jeweils versprochen, der
  303. Kaufpreis für das Fahrzeug werde vollständig durch die Werbeprovisionen zurückerstattet, obwohl ihnen klar gewesen sei, dass die von ihnen betriebene
  304. Firma N.
  305. 16
  306. Ltd. dazu auf Dauer nicht in der Lage sein würde.
  307. b) Diese Art der Sachdarstellung begegnet durchgreifenden rechtlichen
  308. Bedenken, weil völlig unklar bleibt, welche Fahrzeugkäufer durch welchen Angeklagten, wann und durch welche tatbestandlich relevanten Verhaltensweisen
  309. geschädigt wurden. Zwar stellen die einzelnen Vertragsabschlüsse für sich genommen selbständige Handlungen dar, die sich die Angeklagten, sofern der
  310. Betrugstatbestand erfüllt ist, nach den Grundsätzen der Mittäterschaft (§ 25
  311. Abs. 2 StGB) zurechnen lassen müssten. Für die Frage des Vorliegens einer
  312. oder mehrerer Handlungen im Sinne der §§ 52, 53 StGB kommt es aber auf die
  313. eigenen Tatbeiträge der Angeklagten zu den jeweiligen Vertragsabschlüssen
  314. an. Nur soweit sie selbst die Käufer getäuscht oder sonst einen konkreten Beitrag zu dem jeweiligen Abschluss geleistet hätten, läge Tatmehrheit vor. Bestand ihr Tatbeitrag zum Abschluss der Kauf- und Werbeverträge aber lediglich
  315. in der Leitung und Organisation einer der beteiligten Gesellschaften, läge nur
  316. - 12 -
  317. eine Tathandlung vor (vgl. Senatsurteil vom 19. Juli 2001 – 4 StR 65/01, wistra
  318. 2001, 378; Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2007 – 4 StR 481/07, NStZ 2008,
  319. 352, 353; zum sog. uneigentlichen Organisationsdelikt vgl. ferner BGH, Urteil
  320. vom 17. Juni 2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177; Beschluss vom 29. Juli
  321. 2009 – 2 StR 160/09, NStZ 2010, 103).
  322. II.
  323. 17
  324. Zur Revision der Staatsanwaltschaft:
  325. 18
  326. 1. Dem insoweit maßgeblichen Sinn der Revisionsbegründung (vgl. dazu
  327. BGH, Urteil vom 7. Mai 2009 – 3 StR 122/09) entnimmt der Senat, auch im
  328. Hinblick auf Nr. 156 Abs. 2 RiStBV, dass der Teilfreispruch des Angeklagten
  329. B.
  330. nicht angefochten ist.
  331. In der gegen den „gesamten Schuld- und Strafausspruch“ gerichteten
  332. 19
  333. Revisionsrechtfertigung legt die Staatsanwaltschaft zunächst im Einzelnen dar,
  334. aus welchen Gründen sie das angefochtene Urteil hinsichtlich der Angeklagten
  335. G.
  336. , To.
  337. , S.
  338. , T.
  339. , B.
  340. und P.
  341. für rechtsfeh-
  342. lerhaft hält, soweit diese verurteilt worden sind. Im Anschluss daran finden sich
  343. den Teilfreispruch der Angeklagten P.
  344. betreffende Ausführungen.
  345. Demgegenüber verhält sich die Revisionsbegründung zum Teilfreispruch des
  346. Angeklagten B.
  347. 20
  348. nicht.
  349. 2. Die Staatsanwaltschaft beanstandet, soweit die Angeklagten verurteilt
  350. worden sind, im Ergebnis zu Recht die Nichtanwendung der Qualifikationsnorm
  351. des § 263 Abs. 5 StGB. Die Verneinung eines Handelns der Angeklagten als
  352. - 13 -
  353. Bande im Sinne des § 263 Abs. 5 StGB beruht auf einem durchgreifenden Erörterungsmangel zum Vorteil der Angeklagten. Insoweit wird das Rechtsmittel
  354. auch vom Generalbundesanwalt vertreten.
  355. 21
  356. a) Seine rechtliche Bewertung begründet das Landgericht mit folgenden
  357. Erwägungen:
  358. 22
  359. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Angeklagten sich
  360. schon von Anfang an, also vom Zeitpunkt der Gründung der Firma N.
  361. Ltd.
  362. an, zu einer Bande zusammengeschlossen hätten, um Betrugsstraftaten zu begehen. Es könne vielmehr davon ausgegangen werden, dass jedenfalls zu Beginn der Firmentätigkeit auch durchaus ernsthafte Bemühungen stattgefunden
  363. hätten, die verschiedenen Produkte erfolgreich zu vermarkten, um unter anderem die zugesagten Werbeprovisionen zahlen zu können. Der Angeklagte
  364. G.
  365. Ad.
  366. habe im Übrigen ausgesagt, dass erst ab dem Zeitpunkt des mit der
  367. geschlossenen Kooperationsvertrages der Überblick über
  368. die Geschäfte verloren gegangen sei und das Ganze einen „gewissen Drive“
  369. bekommen habe. Die Kammer sehe es deswegen erst ab dem 15. Oktober
  370. 2008 als erwiesen an, dass die Angeklagten zumindest damit rechneten, die
  371. zugesagten Werbeprovisionen nicht bezahlen zu können, und dass sie dennoch
  372. fortfuhren, den Fahrzeugkäufern und Werbefahrern zuzusagen, durch Zahlung
  373. der Werbeprovisionen den Fahrzeugpreis vollständig finanzieren zu können. So
  374. hätten diese veranlasst werden sollen, die Fahrzeuge zu einem, wie sie wussten, über dem Marktpreis liegenden Kaufpreis zu erwerben.
  375. 23
  376. b) Damit hat sich das Landgericht den Blick dafür verstellt, dass die für
  377. die Qualifikationsnorm des § 263 Abs. 5 StGB erforderliche Bandenabrede
  378. auch noch in dem Zeitraum ab dem 15. Oktober 2008 getroffen worden sein
  379. - 14 -
  380. könnte, dies nach den Feststellungen sogar nahe liegt. Da eine solche Abrede
  381. nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits vorliegt,
  382. wenn die Bandenmitglieder mit dem Willen handeln, sich zur Begehung von
  383. Straftaten für die Zukunft und für eine gewisse Dauer zusammenzutun, und dies
  384. auch konkludent geschehen kann (BGH, Urteil vom 16. Juni 2005 – 3 StR
  385. 492/04, BGHSt 50, 160, 161 f.,164), drängten die Feststellungen zur Erörterung
  386. einer entsprechenden Abrede ab dem genannten Datum. Der Generalbundesanwalt weist zutreffend darauf hin, dass das Geschäftsmodell der Angeklagten
  387. und ihr arbeitsteiliges Zusammenwirken besonders nach dem Abschluss des
  388. Vertrages mit der Ad.
  389. am 15. Oktober 2008 eine neue Dimen-
  390. sion erreichte, zumal die Aktivitäten zum Vertrieb von Produkten über die
  391. N.
  392. Ltd. im Niedergang begriffen waren und kurze Zeit später ganz einge-
  393. stellt wurden. Die rechtlichen Anforderungen an den Nachweis einer Bandenabrede beim Übergang von einer zunächst legalen Tätigkeit zur Begehung von
  394. Straftaten (vgl. dazu BGH, Urteil vom 19. Mai 1998 – 1 StR 154/98, BGHR
  395. StGB § 244 Abs. 1 Nr. 3 Bande 3) schließen die Annahme einer derartigen Abrede hier nicht von vornherein aus.
  396. 24
  397. c) Mit den weiteren, gegen den Schuldspruch gerichteten Einwänden,
  398. wonach dessen Reichweite unklar sei und das Landgericht die Höhe des Betrugsschadens fehlerhaft berechnet habe, zeigt die Beschwerdeführerin hingegen keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Vorteil der Angeklagten auf. Entsprechendes gilt, soweit sie den Teilfreispruch der Angeklagten P.
  399. angreift. Insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Zuschrift vom 7. Mai 2015 Bezug.
  400. - 15 -
  401. III.
  402. 25
  403. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:
  404. 26
  405. 1. Für die Prüfung des objektiven Tatbestandes des Betruges dürfte nach
  406. den bisherigen Feststellungen von einem einheitlichen Geschäft, bestehend
  407. aus dem Kaufvertrag über das jeweilige Kraftfahrzeug und der zugehörigen
  408. Werbevereinbarung auszugehen sein. Denn in allen Fällen war das Zustandekommen des Kaufvertrages notwendig mit dem Abschluss der Werbevereinbarung verknüpft. Danach könnten sich die Fahrzeugkäufer jeweils auf Grund
  409. einer entsprechenden Täuschung in einem Irrtum darüber befunden haben,
  410. dass die in Aussicht gestellten Werbeprämien bis zum Ende der Laufzeit der
  411. vertraglichen Vereinbarung gezahlt werden würden. Der neue Tatrichter wird in
  412. diesem Zusammenhang Gelegenheit haben, auch den wesentlichen Inhalt der
  413. abgeschlossenen Verträge mitzuteilen.
  414. 27
  415. Die Feststellungen zum täuschungsbedingten Vorstellungsbild der Fahrzeugkäufer bei Abschluss der verbundenen Verträge durfte das Landgericht auf
  416. die Bekundungen der vernommenen zwölf betroffenen Vertragspartner stützen.
  417. In Fällen, denen zahlreiche, im Wesentlichen gleich gelagerte Betrugshandlungen zu Grunde liegen, ist es dem Tatrichter gestattet, nur eine begrenzte Anzahl von Geschädigten als Zeugen zu vernehmen und gegebenenfalls auf eine
  418. entsprechende Irrtumserregung auch bei anderen Verfügenden zu schließen
  419. (vgl. Senatsurteil vom 22. Mai 2014 – 4 StR 430/13, NStZ 2014, 459, 460
  420. mwN). Das ist im vorliegenden Fall rechtsfehlerfrei geschehen.
  421. - 16 -
  422. 28
  423. 2. Für den Fall, dass sich die für die Annahme täuschungsbedingter
  424. Vermögensverfügungen erforderlichen Feststellungen in der neuen Verhandlung bestätigen sollten, werden bei der rechtlichen Bewertung des Vermögensschadens die vom Bundesgerichtshof zum sog. Schneeballsystem aufgestellten
  425. Grundsätze zu beachten sein.
  426. 29
  427. Auch insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze, also das Prinzip der
  428. Gesamtsaldierung, wonach der Vermögenswert unmittelbar vor der Vermögensverfügung mit dem unmittelbar nach ihr zu vergleichen ist (BGH, Beschluss
  429. vom 18. Februar 2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 201 f. mwN). Spätere
  430. Entwicklungen, etwa in Gestalt der Erbringung der versprochenen Gegenleistung durch den Täter vor allem im Anfangsstadium eines auf Täuschung aufgebauten Geschäftsmodells, können lediglich einen Ausgleich für einen bereits
  431. eingetretenen tatbestandlichen Schaden darstellen. Dem Schneeballsystem ist
  432. immanent, dass zunächst eine gewisse Chance auf Erhalt der versprochenen
  433. Gegenleistung besteht. Da jedoch alles vom weiteren Erfolg des Systems und
  434. vom Eingang weiterer betrügerisch erlangter Gelder abhängt, ist die hierauf
  435. basierende Aussicht auf Erfüllung der vom Täter eingegangenen Verpflichtung
  436. nicht, auch nicht teilweise, die versprochene Gegenleistung, sondern stellt von
  437. vornherein keinen wirtschaftlichen Wert dar (vgl. nur BGH, Beschluss vom
  438. 18. Februar 2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 205 mwN).
  439. 30
  440. 3. Der vom insoweit sachverständig beratenen Landgericht zur Bestimmung des Vermögensschadens herangezogene Maßstab, wonach von dem
  441. (Markt-)Wert des jeweiligen Fahrzeugs auszugehen sei, der bei einem Verkauf
  442. erzielt werden würde, und nicht von dem Wert, für den das Fahrzeug gekauft
  443. wurde (UA 69 f.), ist entgegen der in den Revisionen der Angeklagten geäußerten Ansicht aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (BGH, Beschluss vom
  444. - 17 -
  445. 18. Juli 1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 221; Urteil vom 20. Februar 1962
  446. – 1 StR 496/61, BGHSt 17, 147, 148; Beschluss vom 12. Juni 1991 – 3 StR
  447. 155/91, NStZ 1991, 488; Beschluss vom 9. Juni 2004 – 5 StR 136/04, NJW
  448. 2004, 2603).
  449. 31
  450. 4. Hinsichtlich einer gegebenenfalls zu treffenden Entscheidung nach
  451. § 111i Abs. 2 StPO i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB wird der neue Tatrichter
  452. Feststellungen zur wirtschaftlichen Mitverfügungsgewalt der jeweiligen Angeklagten an den aus der Tat erlangten Vermögenswerten zu treffen haben (vgl.
  453. BGH, Beschluss vom 27. April 2010 – 3 StR 112/10, NStZ 2010, 568 m. Anm.
  454. Spillecke; Urteil vom 19. Oktober 2011 – 1 StR 336/11, wistra 2012, 69, 70).
  455. Der neue Tatrichter wird zudem § 73c StGB zu erörtern haben, der auch bei
  456. einer Anordnung nach § 111i Abs. 2 StPO Geltung beansprucht (Senatsurteil
  457. vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 50).
  458. 32
  459. 5. Vor dem Hintergrund der zu Ungunsten der Angeklagten P.
  460. eingelegten Revision der Staatsanwaltschaft weist der Senat außerdem darauf
  461. hin, dass gegebenenfalls die Frage, ob diese Angeklagte als Gehilfin oder als
  462. Mittäterin anzusehen ist, eingehender als im angefochtenen Urteil zu prüfen
  463. sein wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn der neue Tatrichter wieder zu der
  464. Feststellung gelangen sollte, dass die Angeklagte, wie Zeugen ausweislich der
  465. Gründe des angefochtenen Urteils in der Hauptverhandlung bekundet haben,
  466. eine gegenüber den anderen Angestellten der N.
  467. Ltd. mit Weisungsbefug-
  468. nis ausgestattete, herausragende Stellung mit besonderem Näheverhältnis zu
  469. den anderen Angeklagten innehatte, die Werbeverträge ausfertigte, zum Teil
  470. mit einem falschen Namen unterschrieb und spätestens seit dem 1. März 2009
  471. in das verfahrensgegenständliche Geschäftskonzept eingeweiht war. Der dem
  472. Tatrichter in Grenzfällen der Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme
  473. - 18 -
  474. eingeräumte Beurteilungsspielraum verlangt insoweit eine vollständige Würdigung aller entscheidungserheblichen Umstände (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil
  475. vom 17. Juli 1997 – 1 StR 781/96, NJW 1997, 3385, 3387; Beschluss vom
  476. 17. Juni 2003 – 3 StR 183/03, NJW 2003, 2759, 2760).
  477. 33
  478. 6. Im Hinblick auf die bisher verstrichene Zeit könnte ferner zu erwägen
  479. sein, nur die Fälle als Grundlage für eine mögliche Verurteilung heranzuziehen,
  480. in denen keine oder nur geringe Beträge an die Geschädigten ausgezahlt wurden.
  481. Sost-Scheible
  482. Cierniak
  483. Bender
  484. Franke
  485. Quentin