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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 3 StR 24/18
  4. vom
  5. 19. April 2018
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen schweren Raubes u.a.
  9. ECLI:DE:BGH:2018:190418B3STR24.18.0
  10. -2-
  11. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 19. April
  12. 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
  13. 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 18. Oktober 2017 mit den zugehörigen
  14. Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt hat.
  15. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  16. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen; jedoch wird der Urteilstenor dahingehend ergänzt, dass der Angeklagte im Übrigen freigesprochen ist.
  17. Gründe:
  18. 1
  19. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer
  20. früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und acht
  21. Monaten und wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Die
  22. auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus
  23. -3-
  24. der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
  25. 2
  26. 1. Die Entscheidung des Landgerichts, von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abzusehen, hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand.
  27. 3
  28. a) Die Annahme des sachverständig beratenen Landgerichts, dass "für
  29. den tatrelevanten Zeitraum ein Hang iSd § 64 StGB nicht vorgelegen habe" (UA
  30. S. 27), begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Nach den getroffenen
  31. Feststellungen besteht bei dem Angeklagten bereits seit jugendlichem Alter
  32. eine chronische, auf körperlicher Sucht beruhende Abhängigkeit von Opiaten
  33. und Heroin; daneben konsumiert er seit Jahren Alkohol im Übermaß. Er absolvierte im Jahr 1997 eine Alkoholentwöhnungstherapie und war von 2004 bis
  34. 2006 in einer Entziehungsanstalt; beides führte nicht zum Erfolg. Im Tatzeitraum wurde er mit Polamidon substituiert. Zumindest zwei der Anlasstaten
  35. beging der Angeklagte unter dem Einfluss von Alkohol und verschiedenen Drogen und Medikamenten. Entgegen der Wertung des Landgerichts besteht daher ein "Hang" des Angeklagten zum übermäßigen Genuss berauschender Mittel im Sinne des § 64 Satz 1 StGB (vgl. zum Begriff BGH, Beschlüsse vom
  36. 13. Januar 2011 - 3 StR 429/10, juris Rn. 4; vom 6. Februar 2018 - 3 StR
  37. 629/17, juris Rn. 12).
  38. 4
  39. b) Das Landgericht ist zudem - mit teils widersprüchlichen Erwägungen von einem zu engen und deshalb rechtsfehlerhaften Verständnis von dem erforderlichen symptomatischen Zusammenhang zwischen Hang und Anlasstaten
  40. ausgegangen. Insoweit gilt:
  41. -4-
  42. 5
  43. aa) Nach ständiger Rechtsprechung ist nicht erforderlich, dass der Hang
  44. die alleinige Ursache für die Anlasstat ist. Vielmehr ist ein solcher Zusammenhang bereits dann zu bejahen, wenn der Hang neben anderen Umständen mit
  45. dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2009 - 3 StR 191/09, BGHR
  46. StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 5). Dass außer dem Hang weitere Persönlichkeitsmängel eine Disposition für die Begehung von Straftaten begründen, steht dem erforderlichen symptomatischen Zusammenhang nicht entgegen (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1996 - 2 StR 470/96, BGHR StGB
  47. § 64 Zusammenhang, symptomatischer 1).
  48. 6
  49. bb) Soweit das Landgericht ausgeführt hat, dass die Persönlichkeitsdefizite des Angeklagten tatbestimmend gewesen seien und seine Betäubungsmittelabhängigkeit "allenfalls einen tatbegleitenden Faktor" darstellte, steht dies
  50. - ebenso wie die Erwägung, dass sich die Taten "mit situativen Befindlichkeiten
  51. des Angeklagten" erklären ließen - bereits im Widerspruch zu den Feststellungen zum Tatgeschehen. Danach geriet der Angeklagte bei dem schweren Raub
  52. und der damit einhergehenden Körperverletzungshandlung "aufgrund seiner
  53. Persönlichkeitsstruktur in Verbindung mit dem bestehenden Mischintoxikationszustand" in einen hochgradigen Reizzustand, in dem er sich zur Wegnahme
  54. des Bargeldes unter Gewaltanwendung entschloss. Auf ihn wirkten zur Tatzeit
  55. eine Blutalkoholkonzentration von 1,77 ‰ und ein Drogengemisch von
  56. Polamidon, Diazepam, Resten von Cannabis und einem flupirtinhaltigen Medikament "so enthemmend und aggressionsfördernd" ein, dass er nur noch eingeschränkt in der Lage war, sein Verhalten zu steuern (UA S. 20). Damit ist ein
  57. hinreichender Zusammenhang zwischen seinem Hang und zumindest dieser
  58. Tat belegt.
  59. -5-
  60. 7
  61. c) Anhaltspunkte dafür, dass der vielfach, auch einschlägig vorbestrafte
  62. Angeklagte nicht gefährlich im Sinne des § 64 Satz 1 StGB ist, sind nicht ersichtlich. Da auch die für die Anordnung der Maßregel erforderlichen Erfolgsaussicht (§ 64 Satz 2 StGB), zu der sich das Urteil nicht verhält, nicht von vornherein ausscheidet, muss über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt - wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden.
  63. 8
  64. d) Dem steht nicht entgegen, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR
  65. 9/90, BGHSt 37, 5, 9; Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 5 StR 485/07,
  66. NStZ-RR 2008, 107); er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB auch nicht
  67. vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.
  68. 9
  69. 2. Die Urteilsformel bedarf der Ergänzung, da der Teilfreispruch vom
  70. Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin E.
  71. (II.4. der Urteilsgründe) dort nicht enthalten ist. Die Kostenentscheidung ("So-
  72. -6-
  73. weit der Angeklagte freigesprochen wurde…") und die Ausführungen zum Teilfreispruch in den Urteilsgründen belegen, dass es sich nur um ein offensichtliches Versehen handelt, das einer Berichtigung im Revisionsverfahren zugänglich ist.
  74. Becker
  75. Gericke
  76. Hoch
  77. RiBGH Dr. Tiemann ist erkrankt
  78. und daher gehindert zu unterschreiben.
  79. Becker
  80. Leplow